VINSCHGER GESELLSCHAFT die Schludernser Au und andere sind laut dem Biologen auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie vielen Rote-Liste-Arten einen Lebensraum bieten. Intensive Landwirtschaft als Problemfaktor Unbestritten ist laut Hilpold, dass die Biodiversität stark von der Intensivierung der Landwirtschaft bedingt wird. Sowohl bei den Gefäßpflanzen als auch bei den Vögeln, Tagfaltern und Heuschrecken sei die intensive Landwirtschaft der Hauptfaktor in diesem Sinn, gefolgt vom Auflassen der Nutzung, wie etwa der Nutzung von Weiden. Zu den Besonderheiten im Vinschgau gehören der Sonnenhang, sprich die steppenartigen Trockenrasen, und auch die Feuchtgebiete. „Wenn man den Talgrund im Vinschgau betrachtet, so ist dieser stark von den Obstanlagen geprägt. Die wenigen Feuchtgebiete sind wie kleine Inseln in der Agrarlandschaft,“ sagte der Biologe. Seiner Meinung nach würde sich auch die Prader Sand einen Natura-2000-Schutz verdienen. Den vielleicht wichtigsten Schlüssel für den Erhalt bzw. die Steigerung von Biodiversität sieht Hilpold in der Strukturvielfalt: „Es soll nicht jeder Baum, jede Hecke, jedes alte Gebäude, jeder Holzoder Steinhaufen verschwinden.“ Mit einer guten Raumordnungspolitik sollte die Ausräumung der Landschaft gestoppt werden. Die Strukturvielfalt gelte es besonders dort, wo sie kaum noch vorhanden ist, zu erhöhen. Grundsätzlich zu hinterfragen sei das Instrument der sogenannten Bagatell-Eingriffe im Landschaftsbereich. Lebensräume mit hohem Naturwert sollten als besonders erhaltenswert eingestuft und geschützt werden.
Andreas Hilpold koordiniert das Biodiversitätsmonitoring Südtirol
Von einer weiteren Öffnung geschlossener Waldgebiete riet Hilpold dringend ab. Obstbau ökologisieren Mager-, Feucht- und Streuobstwiesen, strukturreiche Weiden und andere extensiv bwirtschaftete Landwirtschaftsflächen gelte es zu erhalten und zu fördern. Beizubehalten gelte es eine angepasste Beweidung in Trockenhängen und in Weiden unterhalb der natürlichen Waldgrenze. Der Obstbau müsse ökologisiert und der Einsatz von Pestiziden eingeschränkt werden. „Auch in Siedlungsräumen müssen wir Vielfalt zulassen und ein gewisses Maß an Unordnung akzeptieren“, so Hilpold. Spezialprojekt „Schneewinkel“ Ein Spezial- und zugleich Pilotprojekt im Rahmen des Biodiversitätsmonitorings ist das Projekt „Schneewinkel“. Der
„Schneewinkel“ ist eine Apfelanbauzone in Schlanders, wo Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt gesetzt werden sollen. Projektpartner sind die Laimburg, der Beratungsring und die Vinschger Obstwirtschaft (VIP bzw. GEOS). Der „Schneewinkel“ ist von intensiven Obstkulturen geprägt. Hecken und Wiesen sind nur stellenweise vorhanden. Die Fauna unterscheidet sich daher nicht wesentlich von anderen Obstbaugebieten. Besonders arm ist laut Hilpold die Tagfalterfauna: „Es dominieren bei allen untersuchten Gruppen weitverbreitete Generalisten und stresstolerante Arten.“ Verbesserungsmaßnahmen wurden bis dato noch keine gesetzt. Wie Leonhard Wellenzohn im Rahmen der Diskussion einräumte, sei man mit dem Projekt bisher nur sehr schleppend vorangekommen. Nun soll sich das ändern, denn die VIP (Vinschger Produzenten für Obst und Gemüse) hat erst kürzlich eine Nachhaltigkeitsbeauftragte eingestellt, die u.a. auch die Leitung und Koordination des Projektes „Schneewinkel“ übernehmen soll. Bei der Diskussion wurde u.a. auch angeregt, dass öffentliche Verwaltungen, wie etwa Gemeinden oder Fraktionen, in Sachen Biodiversität mit gutem Beispiel vorangehen und selbst entsprechende Maßnahmen setzen sollten. Gelegenheiten und Möglichkeiten dazu gebe es mehr als genug. Abgeschlossen hat Eva Prantl den Online-Abend, zu dem sich über 100 Interessierte zugeschaltet hatten, darunter auch etliche Bürgermeister, mit dem Hinweis, dass der Schutz der Umwelt, der Biodiversität und der Ökosysteme in Italien seit wenigen Tagen Verfassungsrang SEPP hat.
„Hände weg von den Auen!“ LICHTENBERG - In der Fraktion Lichtenberg wird beabsichtigt eine Apfelanlage auszuweiten, indem ein Teil eines Auwaldes in landwirtschaftliches Grün umgewidmet wird. Als Ausgleich dafür soll ein Teil einer Wiese in Auwald zurückgeführt werden. Die Umweltschutzgruppe Vinschgau spricht sich klar gegen derartige Praktiken mit folgender Begründung aus: • Eine neue Au zu „pflanzen ist ein äußerst zweifelhaftes Vorhaben. Auen sind über Jahrhunderte zu dem gewachsen was sie heute sind und zu dem was sie heute leisten. Ob sich aus Erlenpflänzchen überhaupt einmal eine funktionierende Au entwickelt, ist sehr fraglich.
• Ein Auwald ist in Südtirol ged.h. mit vernetzten Trittsteinterung seiner intensiven Obstsetzlich geschützt und muss es biotopen (Gräben, Heckenanlage. Dadurch erhöht sich streifen, Ausgleichsflächen der Druck auf den bestehenden auch bleiben. und Pufferzonen) zu versehen. Auwald, die Obstanlagen um• Die Biodiversitätsstrategie verbietet jegliche Zerstörung vorEinen bestehenden Auwaldrest schließen den Auwald dann von handener intakter Lebensräuin dieser Monokultur heute einer weiteren Seite. me, umso mehr, als sie Reste in noch zu zerstören, würde dieser • In der monotonen, von Inteneiner intensiv bewirtschafteten Strategie diametral gegenübersivkulturen geprägten LandTalsohle darstellen. stehen. schaft, stellen Auwaldreste zudem eine Aufwertung des • Bei der betreffenden Fläche • Südtirol muss, wie jedes andere handelt es sich um einen AuLand der Erde auch, klimaLandschaftsbildes dar. wald mit Schwarzerlen „Alnus neutral werden. Eine vitale Au • Da Auwälder (auch kleinflächiglutinosa“. Diese Lebensräume auf bestehendem Torfboden ge Restbestände) eine wichtige sind von gemeinschaftlichem abzuholzen und eine intensive ökologische Funktion erfülInteresse laut der Fauna-FloObstanlage darauf anzulegen, len, spielen sie bei der Renara-Habitat-Richtlinie. würde diesem Ziel widerspreturierung der Landschaft eine chen. Diese Maßnahme hätte • Landesrat Arnold Schuler ist grundlegende Rolle. dabei, eine Ökologisierung des nämlich einen negativen Effekt • In Zeiten des dramatischen auf die CO2-Bindung. Artensterbens ist es ein GeEtschtales voranzutreiben. Die wichtigste Maßnahme wird • Durch die geplante Rodung bot der Stunde, die ökologisch dabei sein, die vorhandenen des bestehenden Auwaldes bewertvollsten Flächen komproMonokulturen aufzulockern, absichtigt der Bauer die Erweimisslos zu schützen. RED DER VINSCHGER 03/22
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