VINSCHGER KULTUR
Immer noch eine Weltsensation Auch nach 30 Jahren steht Ötzi, der Mann aus dem Eis, im Mittelpunkt der Berichterstattung. JUVAL/KASTELBELL-TSCHARS - Je-
dem Archäologen, der die Fernsehbilder am Donnerstag, 19. September 1991, gesehen hatte, stockte damals der Atem. Mit Bergpickel und Skistock wurde eine Leiche aus dem Eis geholt. Die „Aktion“ hat nicht nur die Welt der Wissenschaft aufgescheucht. Sie hat Skandalblätter in Aufregung versetzt, Kriminalmediziner auf den Plan gerufen und einen veritablen Grenzstreit zwischen Italien und Österreich ausgelöst. Knapp 30 Jahre später, am 15. September 2021, saßen Zeitzeugen, Wissenschaftler, Carabinieri, Finanzer, Museumsdirektoren, Touristiker, Politiker und Medienvertreter einträchtig nebeneinander in einem Schlosshof. Den „Zeitzeugen-Nachmittag“ hatten das Archäologie-Museum, der ArcheoParc und der Tourismusverein Schnals in die Wege geleitet – als Jubiläumsveranstaltung „30 Jahre Ötzifund“. Alle waren Gäste von Reinhold und Diane Messner auf Schloss
Unter den Augen von Diane Messner und Dpa-Korrespondent Mathias Röder konnte Julia Mumelter auch durch eine Flut von Fragen Reinhold Messner nicht aus der Ruhe bringen.
Juval am Eingang zum Schnalstal und alle wurden vom Küchenteam der „Goldenen Rose“ in Karthaus verwöhnt. Tourismuspräsident Walter Zerpelloni meinte in seiner Begrüßung: „Wir haben Glück, wir haben Reinhold Messner auf unserer Seite.“ Durch die Veranstaltung führte IDM-Kommuni-
kator Andreas Tschurtschentaler. Die „Statements“ ließ er durch Gastgeber Reinhold Messner eröffnen. Der nannte den Fund auf Südtiroler Seite einen Glücksfall. Zehn Jahre zuvor hatte Messner beim Zeitzeugentreffen im „Schloss-Wirt von Juval“ festgestellt, dass Südtirol mit Ötzi zum
ersten Mal einen Schatz weder an Innsbruck, noch an Trient abgeben musste. Der Archäologe Walter Leitner nannte Messners Vermutung, der Tote könnte mehrere Tausend Jahre alt sein, mutig und „eine herrliche Intuition, die sich bewahrheitet habe“. Erst, als Ötzis Alter feststand, sei man im Tal aufgewacht, erklärte der Schnalser Bürgermeister Karl Josef Rainer. Lebendig wurde es in Juval, als der damalige Landeskommandant und General der Finanzwache Giulio Piller heftig gestikulierend die Grenzstreitigkeiten von 1991 schilderte. Unaufgeregt und menschlich klang dann die Geschichte des damals Verantwortlichen der Carabinieri-Station in Schnals, Herbert Niederkofler, der überhaupt als erster im Tal vom Leichenfund erfuhr. Im abschließenden Kurzreferat informierte Mumienforscher Albert Zink über Ötzis Konservierungszustand. GÜNTHER SCHÖPF
Mit dem Eispickel in die Steinzeit TARSCH/PARTSCHINS - Franz Gur-
schler, ein gebürtiger Kastelbeller und dann Tarscher Bürger, war in Südtirols Sportwelt als erfolgreicher Langstreckenläufer bekannt. In Anspielung an den tschechischen Wunderläufer Emil Zatopek wurde er sogar „der Zatopek des Vinschgaus“ genannt. Den September 1991 verbrachte Franz auf der Similaunhütte. Seine Tochter Ulrike betrieb mit Markus Pirpamer aus Vent im Ötztal die viel besuchte Schutzhütte. Am 22. September 1991 - es war ein trüber Sonntag - begaben sich Ulrikes Schwiegervater Alois, damals auch Obmann des Bergrettungsvereines, und Franz Gurschler zur Fundstelle am Tisenjoch, um den Körper, der ab dem 26. September Ötzi 48
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freigepickelt hatten, sammelten sie die losen Funde und packten sie in einen Plastikmüllsack (…)“, so Fleckinger. Franz Gurschler war somit der erste Vinschgauer aus dem Haupttal am Ötzi-Fundort. Darüber hat er aber nie ein Wort verloren. Heute lebt der Franz, geboren 1933, im Seniorenheim von Partschins. Er kann sich nicht mehr an Tage und Ereignisse erinnern, aber zum Stichwort „Ötzifundstelle“ meinte er am 18. September 2021: „Es hat etwas mit mir gemacht. Ich Franz Gurschler auf dem Gipfel des Ortlers vor dem Jahr 1970 … habe angefangen zu denken. Ich und im Seniorenheim von Partschins 2021. war ergriffen. Schade, dass man nicht mehr aufgeschrieben hat.“ heißen wird, vom Eis freizulegen lika Fleckinger in ihrem Büchlein „Was hat es denn mit dir gemacht?“ und zur Bergung vorzubereiten. „Ötzi, der Mann aus dem Eis“, „Das weiß ich nicht mehr genau.“ Davon berichtete die Direktorin erschienen 2012 als 6. Auflage. des Archäologie-Museums Ange- „Nachdem die beiden die Leiche GÜNTHER SCHÖPF