Mit Kobis und Vieh übers Joch

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VINSCHGER GESELLSCHAFT

Schulung zum Getreidebotschafter

Karl Perfler TSCHENGLS - Es gibt derzeit mehrere Projekte, die zum Ziel haben, den Getreideanbau in Südtirol und besonders im Vinschgau auszubauen. Ein solches Projekt wird seit Jahren vom Kulturwirt der Tschenglsburg, Karl Perfler, gemeinsam mit Mitstreiter*innen begleitet. Damit diese Initiative um den Getreideanbau auch weiterhin gelingen und ausgebaut werden kann, braucht es interessierte Menschen, die sich gerne für diesen anspruchsvollen Weg einsetzen. Am Samstag, 5. Juni, findet deshalb in der Tschenglsburg eine eintägige Schulung zum Getreidebotschafter statt. Die Teilnehmer*innen sollen einen generellen Einblick in die Geschichte des Getreideanbaus erhalten und dabei über den Wert und die Notwendigkeit von eigenem Getreide informiert werden. Im Anschluss an die Schulung erwartet die Getreidebotschafter ein interessantes und abwechslungsreiches Tätigkeitsfeld. Sie werden bei verschiedenen kulturellen und kulinarischen Veranstaltungen in den Getreidefeldern mitwirken und auf Märkten und in den Geschäften die Produkte aus eigenem Getreide vorstellen. „Nicht als Getreideexperten, sondern als Menschen, die um die neue Philosophie rund um den Getreideanbau Bescheid wissen und versuchen, die Mitmenschen von der Bedeutung des Getreideanbaus zu überzeugen und zu begeistern,“ sagt Karl Perfler. Die Schulung beginnt um 9 Uhr mit einem theoretischen Teil und wird am Nachmittag mit Exkursionen und praktischen Aufgaben fortgesetzt. Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung und nähere Infos bei Karl Perfler (Tel. 3200829165 oder karl.perfler@rolmail.net). SEPP

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DER VINSCHGER 19/21

Verlust der Artenvielfalt Online-Meeting mit Forschern und Experten VINSCHGAU - Neben dem Klimawandel stellt der weltweite dramatische Verlust der Artenvielfalt die größte Herausforderung dar, deren Bewältigung die Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Gruppierungen und Kräfte in Anspruch nehmen wird. Aufdecken, Informieren und Bewusstmachen waren die Ziele des Online-Meetings, das die Umweltschutzgruppe Vinschgau am 14. Mai mit der Unterstützung der Vereinigung der Südtiroler Biologen zum Thema „Biodiversitätsverlust und Pestizide“ organisiert hat. Eingeladen war ein Forscherteam aus den Niederlanden, Margriet Mantingh und Jelmer Buijs, sowie Johann Zaller, Professor für Ökologie an der Universität für Bodenkultur Wien. Alle drei beschäftigen sich seit Jahren unabhängig von Lobbys und Politik mit dem Thema und stellten ihre Erkenntnisse auf eindrückliche Weise dar.

Wer viel sucht, findet viel Die Untersuchungen von Mantingh und Buijs zeichnen sich dadurch aus, dass nach einer hohen Anzahl von Wirkstoffen (600 bis 800) mit hoher Messgenauigkeit gesucht wird. Wer viel sucht und genau misst, findet viel. Viel gefunden haben sie tatsächlich in den Proben, die sie in Gelderland und Drehnte (NL) sowie in NordrheinWestfalen und Rheinland Pfalz (D) in Viehbetrieben, Naturschutzgebieten und bei Privaten gezogen haben. In 24 Viehbetrieben in den NL wurden 134 verschiedene Substanzen gefunden, in konventionellen Betrieben wesentlich mehr als in Biobetrieben. Deren Auswirkungen auf Mistkäfer und Vögel wurden untersucht und festgestellt: Je mehr Pestizide im Kraftfutter, desto weniger Mistkäfer in Kuhfladen und äußerst geringes Vorkommen von Vögeln auf konventionellen Betrieben. Bodenanalysen in den NL ergaben einen 20 Mal höheren Pestizidgehalt und das 8-Fache an Substanzen im konventionellen Anbau als im

Der Klimawandel und der drohende Verlust der Artenvielfalt gehören zu den derzeit größten Herausforderungen der Menschheit. Im Bild eine besonders artenreiche, extensiv bewirtschaftete Bergwiese in Matsch.

Bioanbau. Als „Pestizidquellen“ konnten Stroh, Kraftfutter, verseuchtes Wasser, Klärschlamm, Arzneimittel, Altlasten und Verwehungen aus anderen Betrieben und Regionen ausgemacht werden. Betont wurde, dass die Zulassungsverfahren von Pestiziden nur die menschliche Gesundheit berücksichtigen, nicht das Ökosystem. Die Zulassungsbehörde EFSA habe dies anerkannt, aber noch nicht darauf reagiert. Für Überraschung sorgten die Erkenntnisse, wonach sogar in Naturschutzgebieten in den Niederlanden und in Deutschland eine Vielzahl an Pestiziden gefunden wurde. Die Entfernung zu Agrarflächen - 30 m oder 4 km Entfernung - machte dabei weder bei der Anzahl noch bei der Menge einen signifikanten Unterschied. Privatproben Bei Privatproben (NL) wie Gemüse, Haare, Kot, Wasser usw. wurden 100 verschiedene Pestizide gefunden, von denen mehr als die Hälfte krebserregend und/oder Hormon schädigend oder Nervengifte sind. Sichere Grenzwerte gebe es laut Buijs nicht. Johann Zaller konzentrierte sich auf den Einfluss von Pestiziden auf die Bodenorganismen. 25% aller Arten auf der Erde leben im Boden, das sind pro Hektar das Gewicht von 20 Kühen. Er strich eingangs

die gewaltige Ökosystemleistung des Bodens hervor. Die Bodenschicht, von der wir leben, ist sehr dünn. Es sei haarsträubend, „was wir mit der begrenzten Ressource Boden anstellen.“ Die Bodenorganismen seien durch eine Vielzahl von Faktoren gestresst, Pestizide seien einer davon. Johann Zaller versäumte es in seinen Ausführungen nicht, den Bezug zu Südtirol herzustellen. In Südtirol werde im Vergleich mit Österreich und anderen Regionen Italiens eine riesige Menge an Pestiziden (Wirkstoffe und Beistoffe) ausgebracht. Die Situation in Südtirol Mit seinen Experimenten konnte Zaller belegen, dass Pestizide sowohl die für Pflanzen äußerst wichtige Aktivität der Regenwürmer als auch deren Fortpflanzung stark beeinträchtigen. Zaller stellte auch aktuelle Studien anderer Wissenschaftler vor, die den negativen Einfluss von Pestiziden auf Bodenorganismen untermauern. Für Südtirol liegt die Studie von T. Peham (Uni Innsbruck, 2021) vor. Diese zeige auf, dass dort, wo im Apfel- und Weinanbau chemischsynthetische Pestizide eingesetzt wurden, signifikant weniger Bodenorganismen vorhanden waren. Durch die Überproduktion im Apfelanbau (das 122-Fache von dem, was Südtiroler essen können) werde das Ökosystem in Südtirol übermäßig belastet. In einer aktuellen Zusammenfassung von 394 Studien weltweit, die 275 Arten von Bodenorganismen und 284 Pestizide umfassen, bestätigen 71% der Studien einen negativen Einfluss von Pestiziden auf Bodenorganismen. Die Umweltschutzgruppe ruft die Politik in Südtirol auf, „diese Forschungsergebnisse bei ihrem Vorhaben, Südtirol zum Land der Artenvielfalt zu machen, zu berücksichtigen.“ Die Vorträge der Referenten und Links zu verschiedenen Studien sind im Internet abrufbar (www.umweltvinschgau.wpcomstaging.com). RED


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