VINSCHGER GESELLSCHAFT
Still, stiller, Corona Wie erleben Musiker diese Coronakrise? der Vinschger hat nachgefragt und stieß auf drei Musiker zwischen Skepsis, Verwunderung und Hoffnung.
„Die erste Welle hat uns Kulturschaffende schon hart getroffen, aber ich habe versucht, das Beste aus der Situation zu machen“, schreibt der in Wien lebende Matscher David Frank, Musiker und Student der Agrarwirtschaft an der Universität für Bodenkultur: „Innerhalb von zwei Wochen wurden alle geplanten Konzerte abgesagt, das war heftig. Also schrieb ich neue Stücke, plante, wann das nächste Album produziert wird und war optimistisch, dass bald wieder alles beim Alten sein wird“. Das sei nicht einfach gewesen, durch das Nichtstun fehle häufig die Inspiration, ein neues Stück aufs Papier zu bringen. Und doch gab es Positives: „Man ändert seine Sichtweise, denkt über Dinge nach, an die man sonst nie gedacht hat. Man kommt zur Besinnung, konzentriert sich auf das, was wichtig ist und versucht, die freien Tage sinnvoll zu nutzen.“ In der Retrospektive verschiebt sich die Sichtweise ein weiteres Mal, wie der 28-jährige Ziehharmonikaspieler – der mit „Amazia - Blues trifft Alpinfolk“ (eine Gemeinschaftsproduktion Südtiroler und Österreichischer Musiker) im Herbst 2019 viele Konzerte bestritt – betont: „Im Herbst 2020 waren es nur drei Konzerte.“ Die Zuschüsse er- David Frank 18
DER VINSCHGER 41/20
dere Berufsgruppen, aber das Bewusstsein für die künstlerische Leistung fehlt häufig. Ich hoffe, dass die Kulturszene nach der Covid-19 Pandemie mehr wertgeschätzt und intensiver wahrgenommen wird. Denn ohne Kunst und Kultur wird´s still. Man stelle sich eine Welt ohne vor: es gäbe z.B. keine Filme, keine Musik, keine Theaterstücke ...“. David Frank hofft auf die Zeit nach der Pandemie: „Das Kulturangebot wird vielfältiger denn je sein, da viele KünstlerInnen die Zeit jetzt nutzten, um kreativ zu sein“. Er selbst lebt nicht ausschließlich von der Musik, doch „die finanzielle Herausforderung in solchen Zeiten ist für Künstlerinnen und Künstler enorm“. David Frank lebt derzeit vom Online-Verkauf seiner CDs und absolviert ein Praktikum in Wien. Hinsichtlich des seelisch-musikalischen Überlebens habe er durchaus gemischte Gefühle: „Es ist eine Mischung aus Ratlosig-
keit, Verzweiflung, Hoffnung – und Optimismus“. Er komponiert viel und plant für 2022 ein neues Album: „Die Stücke werden von Einsamkeit geprägt sein“, doch auch mit fröhlichen Stücken sei zu rechnen: „Musik ist wie das Leben, in einem Moment Halligalli – im anderen Moment traurig.“ Bertold Stecher, Solotrompeter, Deutsche Oper Berlin „Man muss sich nur überlegen, wie es wäre, wenn kulturvermittelnde Medien wie Radio und Fernsehen, Zeitschriften und Bücher nicht mehr vorhanden wären. Was dann?“, versucht Bertold Stecher, seit 2016 Solotrompeter an der Deutschen Oper Berlin, zu verdeutlichen, wie sehr die Kultur eben doch Teil des gesellschaftlichen Lebens ist. „Kultur ist ein Stück Freiheit – für viele Menschen. Und im grauen Herbst und im Winter ist die Foto: Walter Voglmayr, Pro Brass
David Frank, Musiker & Student
setzen die abgesagten Konzerte keineswegs, schreibt der Musiker: „Die Auftritte 2020 waren nicht das Wahre. Die Konzertsäle waren halb leer, zwischen den Menschen waren ein bis zwei Meter Abstand und jeder hatte Corona im Hinterkopf. Unter diesen Umständen springt der Funke zum Publikum nicht über. Hinzu kommt, dass etliche Anfragen die Bedingung stellten, dass wir umsonst spielen. Diese Anfragen konnte ich aus Prinzip nicht annehmen – außer, es handelte sich um einen wohltätigen Zweck. Musik sollte in diesen Zeiten kein Billigprodukt werden, das ständig und überall gratis konsumierbar ist“. Dies ruiniere den Markt und schade jenen MusikerInnen, die ausschließlich von der Musik leben. „Daran erkennt man, dass Kunst und Kultur in der Gesellschaft zu wenig wertgeschätzt wird. KünstlerInnen sind für die Gesellschaft genauso systemrelevant wie an-
Foto: Fabian Wallnöfer
MALS/BERLIN/WIEN –-„Musik braucht Raum zum Atmen“, sagte Komponist Ennio Morricone. Dieser Platz ist in Zeiten von Corona schwer zu finden. „Musik ist die gemeinsame Sprache der Menschheit“, fand der Schriftsteller und Lyriker Longfellow. Doch die Musik – eine Kunstform, die in der Lage ist, die Seele zu befeuern und die Menschen zu berühren – ist aus dem öffentlichen Leben fast verschwunden. David Frank, Bernhard Plagg und Bertold Stecher über ihr musikalisches Jahr inmitten von Corona.
Bertold Stecher