VINSCHGER THEMA
Arzt mit Herz, Kopf und Seele „Die Menschen brauchen Ärzte, die ihnen zuhören, die sie verstehen und die - wenn es angebracht ist - auch schweigen können.“ PRAD - „Du musst zu uns nach Prad kommen, wir brauchen einen Doktor.“ Vor fast genau 40 Jahren ist Wunibald Wallnöfer dieser Bitte des damaligen Prader Bürgermeisters Georg Stillebacher nachgekommen. Die Entscheidung, nach zweijähriger Tätigkeit in der Inneren Medizin im Krankenhaus in Schlanders auf das „Land“ zu wechseln, hat Wunibald Wallnöfer nie bereut. In Kürze geht der „Wuni“, wie der Prader „Gemeinde-Doktor“ in seiner Heimat von vielen genannt wird, in den Ruhestand. Was man in 40 Doktor-Jahren erlebt, erfährt, mitmacht und lernt, lässt sich in einem Zeitungsartikel nicht umfassend darstellen. Man kann aber versuchen, bestimmte Dinge auf den Punkt zu bringen und Kernbotschaften zu formulieren. Ganz oben auf dieser Liste steht für Wunibald Wallnöfer die sprechende Medizin: „Damit ist ganz einfach das Zuhören gemeint und das Reden mit dem Patienten.“
Plädoyer für die sprechende Medizin Nur wenn sich der Arzt die Zeit nimmt, dem Patienten zuzuhören, ihn zu verstehen und ihm in seiner Sprache zu erklären, was ihm fehlt oder fehlen könnte, „wird der Patient das gewinnen, was in der Arzt-Patient-Beziehung das Wichtigste ist, nämlich das Vertrauen.“ Die sprechende Medizin, die zuhörende Medizin ist laut Wallnöfer sozusagen das Um und Auf. Bestätigt sieht er sich darin auch in der Kritik vieler Menschen an Krankenhäusern: „Die Leute beklagen sich weniger über nicht zufriedenstellende Behandlungen oder Eingriffe, sondern oft darüber, dass sie das Gefühl haben, dass ihnen niemand richtig zuhört und dass man ihnen oft nicht einfach und genau erklärt, was los ist.“ Bedauerlich sei, dass das, was man als „sprechender und zuhörender Arzt“ leistet, nicht als vollwertige ärztliche Leistung anerkannt und entsprechend wertgeschätzt wird. 4
DER VINSCHGER 19/19
„Sie haben Hände, und tasten nicht“
und auf Achse sein, „jeden Tag und zu jeder Uhrzeit.“ In besonderem Maße zugetroffen Unerlässlich sei es, die Sprache des Pa- sei dies auch während des über viele Jahre tienten zu verstehen, auch für das Stellen hinweg geleisteten Notfalldienstes seitens der Diagnose: „Wird der Patient richtig der Gemeindeärzte. befragt und eingehend untersucht, lässt sich in 80 bis 90 Prozent der Fälle die richtige Kein Einzelkämpfer in der Wüste Diagnose stellen“, ist Wallnöfer überzeugt. Eine eingehende körperliche Untersuchung Wunibald Wallnöfer war nie ein Einhält er für unabdingbar. Einen der Leitsätze zelkämpfer, sondern hat immer auch die seiner 40-jährigen Tätigkeit als Arzt habe Zusammenarbeit und die Vernetzung geer einem Vers aus einem Psalm (Kapitel sucht, um die ärztliche Versorgung in der 113, Vers 15) entnommen: „manus habent Peripherie zu stärken und auszubauen et non palpabunt“. Auf Deutsch heißt das: bzw. gegen die Einschränkung bestehender „Sie haben Hände, und tasten nicht.“ Alle Dienste zu kämpfen. Worauf er und seine Ärzte sollten sich diesen Wahlspruch zu Mitstreiter im Sprengel Obervinschgau zum Herzen nehmen und im wahrsten Sinne Beispiel ein bisschen stolz sind - und es des Wortes danach handeln. An der Be- auch sein dürfen - ist die Einführung des bei deutung dieses Grundsatzes habe sich bis Bedarf aktivierbaren Bereitschaftsdienstes heute nichts geändert. Von vielen anderen seitens von Pflegekräften für die häusliche Dingen lasse sich das allerdings nicht sagen. Betreuung von Palliativpatienten. Dieser So sei zum Beispiel ein Gemeindearzt in Dienst wurde schon vor einiger Zeit auf früheren Zeiten für alles zuständig gewesen. Landesebene ausgedehnt. Eine möglichst Wallnöfer: „Wir machten sozusagen fast gute Betreuung von Palliativpatienten, die alles für jeden, die Leute kamen zu uns und ihr letzte Lebenszeit zu Hause verbringen, gingen nicht zunächst in die Erste Hilfe, wir war Wunibald Wallnöfer stets ein großes waren immer erreichbar, auch wenn wir - Anliegen. „Wenn Menschen nicht mehr und ich meine das durchaus wörtlich - auf geheilt werden können, bleibt auch uns Ärzten oft nur das Schweigen übrig, das der Toilette saßen.“ Dasein, das Halten der Hand.“ „Auch auf der Toilette erreichbar“ „Manchmal bleibt nur das Schweigen“ Heutzutage wird zunächst einmal die Notrufnummer 112 angerufen, „egal um Die Betreuung von Palliativpatienten ist was es sich handelt oder welches Problem auch das Schwerpunktthema der derzeiman hat. Und nicht selten sitzen die Betrof- tigen Lehrtätigkeit von Wallnöfer an der fenen dann am nächsten Tag im Wartesaal Landesfachhochschule für Gesundheitsbeunserer Ambulatorien.“ Trotz dieser Ent- rufe „Claudiana“ in Bozen. Einen der großen wicklung sei es irgendwie paradox, „dass Unterschiede zwischen Gemeindeärzten in man heute mehr zu tun hat als früher.“ der Stadt und auf dem Land sieht er darin, Wallnöfer erinnert sich noch gut daran, dass die Ärzte in der Peripherie ihre Kunals er während der Anfangsjahre nicht nur den in der Regel sehr gut kennen. „Ich für für die Bevölkerung der Gemeinde Prad meinen Teil kann sagen, dass ich mit 99% zuständig war, sondern auch für jene der meiner Patienten per Du bin. Außerdem Gemeinde Stilfs: „Zwei Mal in der Woche weiß ich, welcher Arbeit meine Patienten fuhr ich nach Stilfs, einmal nach Sulden.“ nachgehen, was sie tun und aus welchen Man musste sozusagen immer abrufbereit Familien sie stammen. Diese Informationen