EU auf dem Prüfstand

Page 4

VINSCHGER THEMA

Was bewegt die Leute? Umwelt, Klimaschutz, Immigration, Steuerdruck und weitere Themen im Mittelpunkt einer Diskussion mit drei Südtiroler EU-Kandidaten. NATURNS - Rund 375 Millionen Bürgerinnen und Bürger aus den 28 Mitgliedstaaten der EU sind dazu aufgerufen, am 26. Mai ein neues EU-Parlament zu wählen. In Italien werden 73 der insgesamt 751 Vertreter gewählt. Die Region Trentino-Südtirol gehört zum Wahlkreis Nord-Ost. Gemessen an Zahlen zur gesamten EU - rund 500 Millionen Einwohner, 28 Staaten, „Wirtschaftsweltmeister“ usw. - ist Südtirol ein Zwerg. Im weltweiten Kontext wirkt andererseits auch Europa klein, besonders wenn man zum Beispiel an China denkt. Ein kleines Siegelbild von dem, was die Menschen in der EU und somit auch in Südtirol bewegt, vereint oder trennt, wurde am 9. Mai, just am Europatag, im Jugendzentrum in Naturns geboten. Das JuZe hatte mit Unterstützung des JuPa (Jugendparlament) Naturns drei Südtiroler EU-Kandidaten zu einem offenen Diskussionsabend eingeladen.

gelungen, weitere Kriege zu verhindern und Wohlstand zu schaffen. „Krieg gegen Natur und Umwelt“

„Und heute führen wir Krieg gegen die Natur und die Umwelt. Wenn es nicht gelingt, die Klimakrise rasch zu bewältigen, wird alles andere belanglos“, warf Lantschner ein. Die einzelnen Staaten seien nicht imstande, dieses Problem zu bewältigen, „die EU aber wäre dazu geeignet.“ Man hat das Problem mittlerweile zwar erkannt, aber bisher nur wenig getan. „Wir brauchen eine EU der Menschen und nicht der Industrie und Banken“, sagte Lantschner. Holzeisen nannte das Thema Transparenz als ihr besonderes Steckenpferd: „Auch auf der Ebene der EU ist der Zugang zu wesentlichen Dokumenten nicht selbstverständlich.“ In Sachen Umwelt und Klimaschutz gebe es EU-weit noch viel zu tun. Holzeisen regte u.a. eine EU-Strategie im Bahnverkehr an. Drei Spitzenkandidaten Dass die EU in Sachen Klima wenig getan habe, wies Dorfmann zurück. In den BeMit der Bozner Rechtsanwältin Renate reichen Industrie, Landwirtschaft sowie Holzeisen, die auf der nationalen Liste „Plus Heizen und Kühlen habe man die gesetzten Europa“ für das Team Köllensperger in das Ziele zu Begrenzung der Erderwärmung erRennen geht, dem Klimahaus-Experten reicht. Im Bereich Transport bzw. Verkehr und Bozner Gemeinderat Norbert Lant- allerdings nicht. schner, der für die Südtiroler Grünen auf der Liste „Europa Verde“ kandidiert, und CO2-Steuer ja oder nein? mit dem amtierende EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann von der SVP konnten Ein weiteres Thema war die EU-weite die Moderatoren Zeno Christanell und Einführung einer sogenannten KohlenJana Unterholzner gleich drei Südtiroler stoffsteuer bzw. CO2-Abgabe. Lantschner Spitzenkadidaten willkommen heißen. Die und Holzeisen stellten sich klar hinter eine SVP hat ein Wahlbündnis mit Forza Italia „Carbon tax“. „Die Grünen setzen sich seit abgeschlossen und tritt mit einer eigenen Jahren für eine solche Steuer ein“, sagte Minderheitenliste an. Dorfmann erinnerte Lantschner. Klimaschutz gebe es nicht zum einleitend an die berühmte Rede, mit der Nulltarif. Die bisherigen Weltklimagipfel Robert Schuman am 9. Mai 1950 die Schaf- und Konferenzen hätten nur „heiße Luft“ fung einer Europäischen Gemeinschaft für gebracht. In Sachen Klimaschutz sei sofort Kohle und Stahl vorschlug. Die wirtschaft- zu handeln, wobei auch „Systemfehler“ zu liche Zusammenarbeit und die Offenheit beheben seien. Als Beispiel für einen dieser der EU seien auch heute noch die Grund- Fehler nannte er das billige Fliegen: „So pfeiler der Union. Es sei laut Dorfmann lange die Flugpreise so niedrig bleiben, wird 4

DER VINSCHGER 18/19

sich nichts ändern.“ Dorfmann räumte zwar ein, dass auch bei der Besteuerung Hand anzulegen sei, sprach sich aber dafür aus, „dass in Bezug auf eine CO2-Abgabe weltweite Übereinkünfte abzuschließen sind.“ Zu hoher Steuerdruck Thematisiert wurde auch der hohe Steuerdruck in vielen EU-Mitgliedstaaten und die Befürchtung, dass die Unterschiede zwischen Arm und Reich noch größer werden. Holzeisen plädierte dafür, dass die EU-Bestimmungen im Bereich Geldwäsche in allen Staaten umgesetzt werden sollten. Es gelte, jene auszuforschen, die Steuern hinterziehen. Lantschner sagte, dass Großkonzerne einen zu großen Einfluss hätten. Was auf der Strecke bleibe, sei das Gemeinwohl. Da brauche man sich nicht zu wundern, dass „Verlierer“ zu den Populisten wandern. Eine einheitliche Steuerregelung sei laut Dorfmann zwar erstrebenswert, doch er verwies auch auf teils große Unterschiede zwischen den Staaten. Nicht alle Staaten könnten sich z.B. hohe soziale Standards leisten. Thema Migration Unterschiedlich fielen die Ansichten der drei EU-Kandidaten auch zum Thema Einwanderung aus. Laut Lantschner wurden die Rechte der Menschen mit Füßen getreten: „Die EU muss solidarischer werden.“ Eine viel größere Migrationswelle stehe der EU aufgrund der Folgen der Klimakrise noch bevor. Das Thema sei sachlich und menschengerecht anzugehen. Laut Dorfmann geht es darum, die EU-Außengrenzen zu schützen. Geschehe das nicht, „werden wir die EU-Binnen-Grenzen nicht weiterhin offenhalten können.“ Die EU brauche zwar Menschen, die einwandern, aber die Einwanderung dürfte nicht unkontrolliert erfolgen. Speziell zu Afrika meine er, „dass es dort viele korrupte Diktatoren gibt.“ Er


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.