Von Apulien in den Vinschgau

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VINSCHGER THEMA

„Ich habe zwei Heimaten“ Junger Lehrer und Kirchenmusiker aus San Giovanni Rotondo spricht über seine zweite Heimat Südtirol, seinen beruflichen Werdegang und seine gelungene Integration. VINSCHGAU - Dass ein junger Mann aus Apulien seit 2011 regelmäßig die Orgel in der Pfarrkirche Reschen spielt, einen Chor in Latsch leitet, Italienisch unterrichtet, perfekt Deutsch spricht und die Geschichte Südtirols ebenso gut kennt wie jene seiner ersten Heimat Apulien, ist nicht alltäglich. „Wenn mich heute jemand fragt, wo meine Heimat ist, antworte ich, dass ich zwei Heimaten habe“, sagt Pasquale Bonfitto in einem Gespräch mit dem der Vinschger. Seine erste Heimat ist San Giovanni Rotondo, die Stadt des Gargano in Apulien, wo Padre Pio lange Zeit lebte. „Farò più chiasso da morto che da vivo“, soll Padre Pio (1887-1968) gesagt haben. Das war übrigens der einzige Satz, den Pasquale beim Interview auf Italienisch sprach. Er legte nämlich Wett darauf, das Gespräch auf Deutsch zu führen. Seine Heimatstadt, wo er am Nikolaustag vor 33 Jahren geboren wurde, zieht jährlich Hunderttausende von

Pilgern an, welche die Wirkungsstätte des Kapuziners und Ordenspriesters Francesco Forgione, bekannt als Padre Pio, besuchen wollen. Padre Pio, den Papst Johannes Paul II. 1999 selig und 2002 heilig sprach, ist einer beliebtesten Heiligen Italiens. Auf seine Initiative geht auch die Gründung des Krankenhauses „Casa Sollievo della Sofferenza“ zurück. Die Privatklinik genießt in Kreisen der medizinischen Wissenschaften einen ausgezeichneten Ruf. Klassisches Gymnasium als Fundament Worin Pasquale Bonfitto den Grundstein seiner beruflichen Entwicklung und das Fundament seines Bildungsweges sieht, ist der Besuch des klassischen Gymnasiums „Pietro Giannone“ in San Marco Lamis. Es ist dies die Stadt seiner Eltern, wo er aufgewachsen ist. Diese Schule hatte übrigens 20 Jahre zuvor auch der derzeitige Minis-

terpräsident Giuseppe Conte besucht. „Ich halte das Erlernen der griechischen und lateinischen Sprache und das Kennenlernen dieser antiken Kulturen, von denen wir ja herkommen, als ungemein wichtig und wertvoll“, gibt sich Pasquale überzeugt. Parallel zum Gymnasium besuchte er auch das Konservatorium, und zwar das Fach Klavier. Im Anschluss daran studierte er Kulturwissenschaften an der Universität in Foggia und schloss dieses Master-Studium im Alter von nur 23 Jahren mit Auszeichnung ab. Ebenso erfolgreich beendete er das Klavierstudium. Mit viel Enthusiasmus und Zuversicht hielt er Ausschau nach einer beruflichen Beschäftigung. Pasquale: „Ich hatte keine Angst davor, von Zuhause wegzuziehen und anderswo eine Arbeit zu finden.“ Während sein jüngerer Bruder den Entschluss gefasst hatte, Marine-Offizier zu werden, zog Pasquale zunächst in das Trentino, wo er an Mittelschulen in mehreren Tälern als Musiklehrer arbeitete. Vom Trentino nach Montenegro

Pasquale Bonftto: „Die Musik bringt die Menschen zusammen, sie verbindet und sie schenkt unendliche Freude.“

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DER VINSCHGER 14/19

Als er den Wettbewerb für ein dreimonatiges Praktikum an der italienischen Botschaft in Podgorica, der Hauptstadt von Montenegro, gewann, packte er die Gelegenheit beim Schopf und wechselte nach Montenegro. Dort hielt er u.a. Vorlesungen an der Universität von Nikšić, erteilte Kindern von Diplomaten Klavierunterricht und wurde ein persönlicher Freund des Botschafters Sergio Barbanti, dem derzeitigen Botschafter Italiens in Wien. Mit Überraschungen wartete das Schicksal im Leben von Pasquale immer wieder auf. Als er nach dem Praktikum in Montenegro ein Stipendium der italienischen Regierung für Forschungsarbeiten im Bereich Oper und Musik in Southampton in England gewann, wurde er gefragt, ober er nicht Lust hätte, an einer italienischen Oberschule in Sterzing als Latein- und Italienischlehrer zu arbeiten.


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