Saisonbroschüre Spielzeit 2021/2022 - Südwestdeutche Philharmonie Konstanz

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4. Philharmonisches Konzert

Schubert/Mahler, Mozart/Strauss aber auch Mahler/Strauss sind die zentralen Beziehungspaare dieses Konzertes voller vielfältiger Beziehungsgeflechte. Das Unbehauste, ein Schwanken zwischen Schmerz und Liebe, war eine der wichtigsten emotionalen Grundingredienzien von Schuberts Denken und Musik, und mit Mahler vereint ihn die »Sehnsucht für das dem Menschen nicht Erreichbare«. Ein Momentum welches deutlich im Adagietto aus Gustav Mahlers fünfter Symphonie spürbar wird. Strauss und Mahler hingegen offenbaren auf den ersten Blick eher ihr unterschiedliches Naturell. 24 Jahre währte die künstlerische wie menschliche Beziehung dieser beiden so prägenden Größen des musikalischen Lebens der Jahrhundertwende. Mahler selbst beurteilte sein Verhältnis zum Kollegen tiefgründig aber durchaus mit Ironie: »Strauß (!) und ich graben von verschiedenen Seiten her in unsern Schachten desselben Berges. Wir werden uns schon treffen.« »Über Mozart kann ich nicht schreiben; ihn kann ich nur anbeten!« So Richard Strauss über Wolfgang Amadeus Mozart. Schon früh lernte Strauss die Musik Mozarts kennen und lieben und zeigte in seiner Zeit als Kapellmeister in München geradezu missionarischen Einsatz für das Werk Mozarts, welches im ausgehenden 19. Jahrhundert nur vergleichsweise wenig gespielt wurde. Auch in Strauss‘ eigenem kompositorischen Schaffen finden sich immer wieder Spuren der Auseinandersetzung mit der Musik seines Idols – allerdings im Sinne einer konsequenten Fortführung in der eigenen kompositorischen Sprache. 18

Unvollendeten Werken, Fragmenten wohnt seit je her ein besonderer Reiz inne. Auf vielerlei Arten führen sie uns die Zerbrechlichkeit aller Dinge, besonders der von Menschen geschaffenen Dinge vor Augen. Für die Musik gilt dies besonders im Hinblick auf den Mythos der »neunten Symphonie« als Grenze des menschlich Möglichen, welcher sich seit Beethoven ausgebreitet hat. In den letzten Wochen seines Lebens fertigte Franz Schubert vielerlei Skizzen zu einer zehnten Symphonie in D-Dur an. Diese Entwürfe sind ziemlich komplex, von vollendeter Schönheit und visionär – als ob hier einer voraus gehört hätte. Im Herbst 1828 notierte er Musik in einer Art, die erst 70 Jahre später aktuell werden sollte, wie sie erst Gustav Mahler wieder komponieren und aufführen würde. Luciano Berios »Rendering« (1988/89) verbindet diese Entwürfe von Franz Schuberts letzter Symphonie mit modernen Teilen zu einem faszinierenden neu-romantischen Fresko.


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