PASTA! Mai 2014 - Die Problembären sind zurück!

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herbert grantelt

hallo, herr schlachtbar! H e r b e r t u n d d a s G r a u en v o n ne b en a n

text > CHRISTIAN GÖTZ

F

ade Gesichter, blasse Teints, dicke Pullover, der Rest irgendwo im Nebelgrau – wenn ich irgendetwas definitiv nicht vermisse, dann den Winter, diese aschfahle Jahreszeit, die dank unserer unermüdlichen Erdaufheizung ohnehin längst nicht mehr das ist, was sie mal war. Und als sei dies noch nicht genug, folgt dann noch in trauriger Regelmäßigkeit die ewig wiederkehrende Diskussion um die Abschaffung der Zeitumstellung: Was ist eigentlich so schlimm daran, in unseren ohnehin ziemlich lichtarmen Breitengraden die Uhr eine Stunde vorzustellen? Gibt es doch nichts Schöneres, als abends eine Stunde länger die letzten Sonnenstrahlen genießen zu dürfen. Sollen sie doch lieber die dämliche Winterzeit abschaffen, dieses pietistische Selbstgeißelungsmonster. Neulich hat sich sogar die CSU dafür ausgesprochen – ganz allein regieren macht wohl doch a bisserl depressiv … Dennoch soll hier bei aller Freude über die Rückkehr des Vitamin-D spendenden Sonnenballs nicht vergessen werden, dass – wie so ziemlich alles in der Welt – auch die warme (oder besser noch wärmere) Jahreszeit ihre Haken hat. Einer dieser Haken besteht darin, dass es mit den ersten Sonnen6

strahlen eine gewisse Sorte Mensch wieder nach draußen zieht, die vor allem meinem Kumpel Uli schwer zu schaffen macht: Nachbarn. In deren Augen hat Uli nämlich vier entscheidende Fehler begangen: 1. Er ist trotz seiner „Zugezogenheit“ weder in Feuerwehr, Trachten- oder Gesangsverein aktiv. 2. Er hat gegen den neuen Supermarkt Position bezogen (bis er feststellen musste, dass er der einzige ist). 3. In seinem Garten schaut’s a weng aus – sprich: Er mäht nur alle vier Wochen, und das auch noch per Hand. 4. Er hat gern Freunde zu Besuch, die mit ihm Musik machen. Und des langt scho. Anstatt miteinander zu reden, werden einfach die Nummern von Polizei und Rechtsanwälten gewählt. Wegen Ästen, die über die Grundstücksgrenze ragen, wegen Lärmbelästigung, Verdachts auf Drogenmissbrauch – die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Der gutmütige Uli hat immer wieder versucht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, aber da wird dann einfach nicht aufgemacht. Schließlich ist Feigheit vor dem Feinde nicht mehr strafbar – und das Recht wissen die „Guten“ unserer Gesellschaft ja stets auf ihrer Seite, diese selbstgerechten Jägerzaun-Spießer, die sich zum Pornogucken in den Hobbykeller

verziehen, um dann ihren Frust über das eigene, verpfuschte Dasein an all denjenigen auszulassen, die nicht aussehen, als kämen sie aus der Klonmanufaktur für gleichgeschaltete Konsumlemminge. „Und mit dene woitst Du red’n? Do konnst ja glei beim Finanzamt oruafa und frogn, ob’s a boa Steiatricks hätt’n. Do häift nur no a self fulfilling prophecy.“ Mein Plan ist längst gefasst. Und so kam ich Uli während der nächsten beiden Wochen vorwiegend abends besuchen, ebenso wie diverse andere Freunde, die bei ihm auf mein Geheiß kurze Zwischenstopps einlegten. Ein einziges Kommen und Gehen dunkler Gestalten. Und wie schön sich die Rüschenvorhänge hinter den Plastikfenstern der Nachbarn hin und her bewegten. Bis, ja, bis eines Nachts ein gellender Schrei aus Ulis Haus drang. Ich war direkt heiser danach. Aber ich brauchte ja nichts mehr zu reden, als wir kurz darauf einen mit Kissen gefüllten Teppich in meinen Kofferraum bugsierten. Die Polizei musste ihre Ermittlungen mangels Leiche bald wieder einstellen. Und sie kam auch nicht wieder. „Woaßt eh, wos dann passiert …“, hatte Uli kurz darauf über den Zaun geraunt. Uli, ich bin stolz auf Dich. PASTA! PASSAUER STADTMAGAZIN


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