Ausgabe 132 (April 2021)

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Wrede und Antwort Nepper, Schlepper, Namensvetter TEXT: GERALD WREDE | FOTO: NOUKI EHLERS, NOUKI.CO

Neulich riefen Trickbetrüger bei mir an. Beziehungsweise einer. Er gab sich als Polizist aus und teilte mir mit, es würden sich Einbrecher in meiner Nachbarschaft herumtreiben. Ich antwortete, dass das interessant sei, und ich mal aus dem Fenster schauen würde. Der Mann war freundlich und wir beendeten das Gespräch. Ich sah aus dem Fenster, ob dort Polizeiwagen oder Strolche in Action zu sehen wären, und als dies selbstverständlich nicht der Fall war, ging ich zum Te­le­fon zurück und rief die 110 an. Auf­ geregt teilte ich dem Be­amten mit, dass ich eben von Betrügern angerufen worden bin, so was passiert immerhin nicht alle Tage. Der Polizist und ich unterhielten uns eine Weile, weil er noch Informationen über den Gesprächsverlauf wissen wollte. Ob ich die Stimme beschreiben könnte, das Alter des Anrufers einschätzen und Ähnliches. Ich sei auch nicht

der Einzige, der in Darmstadt an diesem Tag einen solchen Anruf bekommen habe. Ich fragte ihn, warum der Mann denn nicht zum Punkt gekommen wäre – von wegen Geld und Schmuck an Beamte übergeben et cetera, worauf mir der Polizeibeamte erklärte, dass der Anrufer aus meiner Rhetorik und dem Sprachfluss wohl recht schnell erkannt habe, dass es sich bei mir eher um einen geistig regen 50-Jährigen handeln würde, und nicht um Opa Wrede, der ob seiner Senilität ein leichtes Op­fer dieser perfide agierenden Burschen geworden wäre. Warum ich denn überhaupt bei denen auf dem Radar gelandet sei, fragte ich den Kommissar noch, und zu meinem Erstaunen sagte er, es läge an meinem Vornamen! Wie bitte? Was ist denn an Gerald altmodisch? Das fragte ich ihn, und er musste betreten schweigen. Dann schmunzelten wir beide, und er teilte mir mit, er fände, Gerald sei nun schon etwas aus der Mode gekommen. P | 80

Konsterniert setzte ich mich und trank einen Cognac. Ich hatte mir bis dato keinerlei Gedanken über eine eventuelle Muffigkeit meines Vornamens gemacht. Meine Mut­ter hat ihren drei Kindern die zeitlosen Namen Beatrice, Martin und Gerald gegeben. Da denkt man auch mit 50 nicht an den Enkeltrick. Wir heißen ja nicht Sigurd, Jahnfried und Heidi – so hießen meine Onkels und heißt meine Tante. Klingelt es eigentlich Sturm bei all den Eltern, die ihre Kinder mit modernen Vornamen ausgestattet haben? Meiner Meinung nach gibt es mehr Senioren na­­mens Henry, Paul oder Elias als Geralds! Ganz abgesehen von den Omis Frida, Clara und Sophia. Allesamt aus den Top Ten der beliebtesten Vornamen 2020. Aber auf Dauer machen Babysenioren so bestimmt die Trickbetrüger marode. Das soll mir recht sein, aber Gerald ein veralteter Name? Nein! ❉


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