OPINOMIC Zukunft Energie 08/2024

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ZUKUNFT ENERGIE

NACHHALTIGKEIT ALS GESCHÄFTSMOTOR

08/2024

Neue Energie für Immobilien

Was bedeutet der Green Deal für Häuser und Städte?

Neue Standards für den Alltag Wie verändern ESG-Regeln die Arbeit und Mobilität?

Neue Verantwortung für Unternehmen Welche Pflichten kommen auf die Wirtschaft zu?

«Die Bewilligungsverfahren für den Aus- und Zubau von Produktionsanlagen für erneuerbare Energien dauern zu lange»

Immobilien

Lieber smart oder intelligent? Was macht Immobilien grüner?

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Nachhaltiges Wirtschaften

Das ABC für ESG. Wie verändern neue Regeln die Unternehmenspolitik?

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Unternehmensverantwortung Bemühen, berichten, verpflichten. Wie zeigen Unternehmen, was sie tun und vorhaben?

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Interview Susanne Vincenz-Stauffacher über die aktuelle Klimapolitik

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Umbau des Energiesystems

Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft: Welcher Mix macht‘s?

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Innovationsförderung

Wie finden Start-ups erst zu Förderungen und dann zu Märkten?

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Mobilität

Wenn die Flotte endlich unter Strom steht: Neue Rezepte für einen besseren Verkehr

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Schlusswort

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Unternehmerische Nachhaltigkeit: Mit Vorgaben von aussen zur Transformation von innen

In den letzten Jahren hat sich das Bewusstsein für die Notwendigkeit nachhaltiger Geschäftspraktiken in der Schweizer Wirtschaft deutlich geschärft. Unternehmen sehen sich nicht nur zunehmendem öffentlichen Druck ausgesetzt, ihre Geschäftspraktiken ökologisch und sozial verantwortungsvoll zu gestalten. Auch die Gesetzgebung entwickelt sich weiter und schafft Vorgaben, die Nachhaltigkeitskriterien verankern und deren Einhaltung überwachen.

Aktuelle Entwicklungen in der Schweiz und der EU Gerade Grossunternehmen, die auch in der Schweiz von EU-Regulierungen betroffen sind und sich mit Lieferkettengesetzen auseinandersetzen, sind sich dieser Entwicklung bewusst. Die EU hat kürzlich die sogenannte CSDDD auf den Weg gebracht. Ihr Ziel ist es, Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten und Umwelt entlang ihrer Lieferketten zu verpflichten.

Auch im Schweizerischen Recht tut sich einiges: Grosse Gesellschaften des öffentlichen Interesses müssen für die Berichtsperiode 2023 erstmals einen sogenannten Bericht über nichtfinanzielle Belange erstatten. Konkret bedeutet das, dass sie über Umweltbelange, insbesondere die CO2-Ziele, über Sozialbelange, über Arbeitnehmerbelange, wie die Achtung der Menschenrechte, sowie die Bekämpfung der Korruption Rechenschaft ablegen müssen. Schon aus Reputationsgründen sind grosse Unternehmen daher gezwungen, rigorose Prozesse bei der Erhebung der relevanten Daten und in den Lieferketten durchzusetzen. Dies betrifft indirekt auch viele KMU. Auch wenn die KMU nicht verpflichtet sind, einen Bericht über nichtfinanzielle Belange zu erstatten, werden sie ihren grossen Kunden korrekte Daten liefern müssen und Verpflichtungen (Supplier Code of Conduct) eingehen müssen. Inhalt 08.2024 Editorial

Olmar Albers Geschäftsleiter öbu

Gerade die neuen Generationen potentieller Mitarbeitenden sind daran interessiert, zu verstehen, wie zukunftsfähig ihre Arbeitgeber:innen sind.

Neue Perspektiven für den nachhaltigen Wandel Dennoch bedeutet nachhaltiges Wirtschaften weit mehr als die blosse Einhaltung von Nachhaltigkeitsgesetzen und Berichterstattungspflichten. Die neuen Gesetzesgrundlagen sind nicht als Hindernisse zu verstehen, sondern vielmehr als Chancen, um Innovationen zu fördern und neue Märkte zu erschliessen. Unternehmen, die frühzeitig auf diese Entwicklungen reagieren, bleiben langfristig zukunftsfähig und sichern sich

IMPRESSUM

Wettbewerbsvorteile. Nachhaltigkeit schafft die Existenzgrundlage unserer Wirtschaft und zeigt gleichzeitig neue Perspektiven für Geschäftsmodelle auf. Chancen in der Umsetzung Die Berichterstattung geht beispielsweise mit einer umfangreichen Datensammlung und -analyse einher. Um diese Verpflichtung mittelfristig nicht zur Belastung für Ressourcen werden zu lassen, ist es hilfreich, aus den Exceltabellen auszusteigen und die Digitalisierung des Datenmanagements voranzutreiben. Die Daten, die jetzt nach aussen getragen werden müssen, führen intern zu besseren Einblicken in die Beschaffungsprozesse und Lieferketten. Wo sind die grössten Ressourcenfresser im Energie- und Materialverbrauch, wo werden unverhältnismässig viele Kosten verursacht und wo liegen potenzielle Verfügbarkeitsrisiken? Diese Einblicke und möglicherweise notwendigen Investitionen in nachhaltige Technologien und Prozesse führen nicht nur zu einer Reduktion der Umweltbelastung, sondern auch zu Kosteneinsparungen, einer stärkeren Wettbewerbsfähigkeit und neuen Innovationskraft.

Von der Berichterstattung zur Kommunikation

Auch in Bezug auf das Stakeholdermanagement schafft eine umfangreiche Berichterstattung neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Unternehmen können die Beziehung zu ihren Lieferantinnen und Lieferanten verbessern und gleichzeitig die Transparenz in der Kommunikation mit Kundinnen und Kunden erhöhen. Nicht zu vergessen ist sind auch die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsbemühungen und ihrer Kommunikation auf das Engagement und die Zufriedenheit von Mitarbeitenden.

Gerade die neuen Generationen potentieller Mitarbeitenden sind daran interessiert, zu verstehen, wie zukunftsfähig ihre Arbeitgeber:innen sind.

Zusammenspiel von Gesetzgebung und Praxis

Ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel neuer Gesetzgebungen und die Umsetzung in der Unternehmenspraxis ist die Energiestrategie 2050. Die Strategie des Bundes zielt darauf ab, den Energieverbrauch zu senken, die Energieeffizienz zu steigern und den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen. Schweizer Unternehmen sind aufgefordert, ihren Energieverbrauch zu optimieren und auf nachhaltige Energiequellen umzusteigen. Diese Strategie wird dabei von verschiedenen Förderprogrammen begleitet, die Unternehmen unterstützen, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Herausforderungen gemeinsam bewältigen In der Theorie wissen wir, wie wir mit neuen Gesetzgebungen richtig umgehen müssen - die Praxis birgt jedoch ihre Hindernisse. Die Umstellung auf nachhaltige Geschäftsmodelle erfordert erhebliche Investitionen und einen tiefgreifenden Wandel in der Unternehmenskultur. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen benötigen Unterstützung, um diese Transformation erfolgreich zu bewältigen. Als Unternehmensverband für nachhaltige Wirtschaft sitzen wir am Puls der Nachhaltigkeitsdebatte in den Unternehmen. Auch in unserem Umfeld ist diese Unsicherheit zu spüren. Staatliche Förderprogramme, Partnerschaften, Netzwerke und Verbände sind von entscheidender Bedeutung, um den Wissenstransfer und den Zugang zu Ressourcen zu erleichtern.

Wir sollten die Grundlage des Unternehmertums nicht ausser Acht lassen: nutzen Sie die Pflichten, die jetzt auf Sie zukommen: nehmen Sie die von aussen kommenden Impulse auf und wandeln Sie diese in eine bessere und zukunftsfähigere Ausrichtung Ihres Unternehmens um.

OPINOMIC AG Dammstrasse 19, 6300 Zug, Schweiz / Herausgeber David Kohler / Redaktion (verantwortlich) Rüdiger Schmidt-Sodingen / Art Department Einhorn Solutions GmbH, Sylvio Murer (Art Direction) / Distribution Finanz und Wirtschaft / Druck DZZ Druckzentrum Zürich AG / Titel KEYSTONE / ALESSANDRO DELLA VALLE

Sie erreichen uns unter info@opinomic.ch und opinomic.ch

In Kooperation mit

Nachhaltige Büros

Büroglück ist teilbar

Wenn Büros zu Innovationszentren der Zukunft werden: An ihrem 5’500 Quadratmeter grossen «Office-as-a-Service»-Standort im Zürich JED Schlieren bietet FlexOffice moderne Bürolösungen, die Unternehmen auch dabei helfen, ihre Nachhaltigkeits- und ESG-Ziele zu erreichen.

Flexibel, nachhaltig, innovativ, kommunikativ. Spricht man mit Unternehmen über «das moderne Büro», kommen die Adjektive und Beschreibungen schnell von ganz alleine. Einmal möchte man der seit Corona schick gewordenen Home-Office-Kultur etwas entgegensetzen, andererseits mit offenen Büroeinheiten und Meetingräumen eine Art Treffpunkt bauen, der auch abseits der modernsten Geräte und Internetzugänge zum Austausch einlädt. Die Umgebung um den Arbeitsplatz herum gewinnt genauso an Bedeutung wie der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit.

Dass moderne, nachhaltige Büros eine Wissenschaft für sich sind, beweist FlexOffice als führender Anbieter flexibler Bürolösungen an ihrem neuen, 5’500 Quadratmeter grossen Standort, der Herbst 2024 im Züricher JED eröffnet wird – in unmittelbarer Nähe zum Life Sciences Hub Schlieren. Spin-offs der ETH und der Universität Zürich sowie zahlreiche nationale und internationale Unternehmen aus den Bereichen Biotechnologie, Pharma und Life Sciences arbeiten rund um die ehemalige NZZ-Druckerei an wissenschaftlichen und technischen Lösungen für die Zukunft. «In Schlieren entsteht der grösste Life-Sciences Hub der Schweiz ausserhalb von Basel», so FlexOfficeCEO Andreas Brandl. «Da wollen wir dabei sein. Zudem haben wir hier die grossartige Möglichkeit, zusammen mit Superlab Suisse ein einzigartiges Angebot aus Labs und Office zu schnüren –beides flexibel und im Abo-Modell für eine neue Generation von Kunden.»

«Eines der nachhaltigsten Bürogebäude der Schweiz» Die Verzahnung von flexiblen Büros mit einer hochmodernen Laborinfrastruktur, von «Collaboration und CoCreation», findet in einem der nachhaltigsten Bürogebäude der Schweiz statt, das nach den Standards der «Methode 22·26» gebaut wurde. Dieser Ansatz gewährleistet eine optimale Temperatur und Luftqualität bei minimalem Energieverbrauch und setzt neue Massstäbe in puncto Kosteneffizienz, Energieeffizienz, aussergewöhnlichem Komfort, hoher Flexibilität und ästhetischer Qualität. «22·26»-Gebäude bieten das ganze Jahr eine Wohlfühltemperatur zwischen 22 und 26 Grad Celsius – ohne konventionelle HLK, also Heizungs-, Lüftungs- und Kühlungssysteme. Dass der Nachhaltigkeitsgedanke für FlexOffice eine Hauptrolle spielt, beweist die geplante Kooperation mit der 2002 in der Schweiz gegründeten Klimaschutzorganisation myclimate.org, die «Lösungen für ein wirksames Engagement in Nachhaltigkeit und Klimaschutz» unterstützt, um beispielsweise Arbeitsplätze CO2-neutral zu stellen. Gleichzeitig hilft das FlexOffice-Modell des geteilten Büros Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsund ESG-Ziele zu erreichen. Immer noch sind Gebäude mehrheitlich für aller CO2Emissionen verantwortlich. Eine effiziente Raumnutzung, die Büroflächen und Ressourcen teilt, kann die CO2-Emissionen um mehr als ein Drittel reduzieren. Durch die Wiederverwendung und Renovierung bestehender Ausbauten kann der Fussabdruck immer weiter verkleinert werden.

Weniger Platzbedarf, «slow furniture» Wie das FlexOffice-Modell des geteilten Büros Unternehmen und deren

FlexOffice ist der Arbeitsplatz der Zukunft Hier treffen sich unterschiedlichste Menschen aus verschiedensten Bereichen. Neue Perspektiven eröffnen sich.

Seit 2018 revolutioniert FlexOffice die Arbeitswelt in der Schweiz, um den Arbeitsplatz der Zukunft schon heute zu ermöglichen. Alle Workspaces sind

Steckbrief

zentral gelegen und verfügen über eine erstklassige Infrastruktur und WohlfühlAtmosphäre, in der man sich kennt und ein vertrautes Gefühl hat. FlexOffice bietet in jeder Hinsicht ein stressfreies Arbeitserlebnis mit All-inclusive-Preisen und einer Mitgliedschaft auf Monatsbasis, ohne Überraschungen oder versteckte Gebühren. Flexoffice betreibt derzeit 10 Standorte in der ganzen

Schweiz, die für alle Member zugänglich sind und ein umfassendes Netzwerk flexibler Bürolösungen bieten. «Unsere Mission ist es, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der Du rundum ausgeglichen bist und mit viel Freude arbeiten kannst.»

Mehr Informationen unter flexoffice.swiss

„FlexOffice trifft mit dem nachhaltigen Office-as-a-Service Angebot im JED den Nagel auf den Kopf! Es passt zur Wirtschafts-, Cluster und Netto Null Strategie der Stadt Schlieren“
Albert Schweizer, Immobilienökonom und Standortförderung Stadt Schlieren.

Mitarbeitende flexibler macht und dabei gleichzeitig den den individuellen Platzbedarf und den Baufussabdruck reduziert, zeigen die Zahlen. Im Durchschnitt benötigen FlexOffice-Member weniger Platz, da bestimmte Angebote wie Küche oder Meetingräume geteilt werden. Der Ausbau wird von vielen Generationen von Membern genutzt, denn am Ende eines Servicevertrags können die Einrichtungen weiter von nachfolgenden Unternehmen genutzt werden.

Sorgfältig ausgewählte Lieferanten und Materialien sorgen aussdem dafür, dass bestimmte Einrichtungsgegenstände recycelt werden. Aus diesem Grund arbeitet FlexOffice nur mit Lieferanten zusammen, die sich an nachhaltige Design- und Produktionsprinzipien halten und einfach zu recycelnde Materialien und Bautechniken verwenden. Ein Grossteil der Member nutzt den FlexOffice-Möbelmietservice, der alle Möbel bis zum Ende ihrer Lebensdauer verwendet.

FlexOffice ist sich sicher, dass die Mission, Unternehmen eine flexible, effiziente und unterstützende Umgebung zu bieten, in der sie sich auf ihre Kernaktivitäten konzentrieren können, ohne die Last der Verwaltung der Bürologistik tragen zu müssen, bestens zum Nachhaltigkeitsgedanken passt. Unternehmen jeder Grösse, vom Startup bis zum etablierten Unternehmen, sollen von den skalierbaren Büroflächen und dem Netzwerk von Standorten profitieren, die FlexOffice in der ganzen Schweiz bietet.

Skalierbare Büroflächen, neue Lösungen

Das FlexOffice-Modell eliminiert die hohen Vorlaufkosten und langfristigen Verpflichtungen, die normalerweise mit herkömmlichen Büroflächen verbunden sind. Dass Vermieter früher nicht wirklich Verständnis für die Belange von Unternehmen hatten und entsprechend wenig flexible Lösungen bieten konnten oder wollten, kommt dem FlexOffice-Modell entgegen. Auch dass Büros in Zukunft immer mehr zu «Austausch-Orten» werden, ist für Andreas Brandl selbstverständlich. «Der in vielen Branchen hohe HomeOffice Anteil hat das Büro nachhaltig verändert. Der Ort für fokussiertes Arbeiten ist oft der Schreibtisch zu Hause – wenn man dort in Ruhe arbeiten kann. Mitarbeiter:Innen kommen heute primär wegen des sozialen Austauschs im Team ins Büro. Das kann kein Online-Meeting ersetzen. Deswegen sind unsere Büros auch komplett anders gestaltet – Schreibtische dominieren nicht das Bild, aber in unseren Lounges und an der Kaffeebar sind schon einige Kooperationen entstanden.»

Betrifft Flexibilität also nicht nur die Grösse der Büros oder Büroeinheiten, sondern auch die «flexible» Möglichkeit, andere Menschen zu treffen, um Lösungen zu finden und eine inspirierende Atmosphäre vorzufinden? «Absolut», so Brandl. «Auch wenn wir hier eher von «zufälligen Interaktionen» sprechen. Die Welt ist komplex geworden, oft hilft hier ein spannender Gedankenaustausch und eine externe, neutrale Sicht. Auch das kann man in unseren Spaces beobachten. Ein herkömmliches Büro, bei dem man in seinem eigenen Elfenbeinturm sitzt, kann das nicht bieten.» Ideen brauchen Raum und Räume.

Abbauen als Einnbahnstrasse: Das war einmal.

«Breitere Benutzereinbindung»

Die neue, kluge, fühlende Stadt

Zu hoch. In den «Drei Farben»-Filmen des polnischen Regisseurs Krzysztof Kieślowski taucht als «Running Gag» eine Rentnerin auf, die vor einem Altglascontainer steht und vergeblich versucht, ihre leeren Flaschen einzuwerfen.

Jedes Mal streckt und reckt sie sich, doch der Einwurfschlitz bleibt unerreichbar. Heute, drei Jahrzehnte nach den Dreharbeiten, haben sich die zu den Vorboten eines nachhaltigen Grossstadtlebens zählenden Glascontainer wortwörtlich den Anforderungen gebeugt und sind sogar grösstenteils im Boden versunken.

In ihrem Artikel «Smart City Planning from an Evolutionary Perspective» plädierten Nicos Komninos, Christina Kakderi, Anastasia Panori und Panagiotis Tsarchopoulos 2019 im Journal of Urban Technology für eine neue, auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnittene Smart-City-Strategie. Anhand der griechischen Küstenstadt Thessaloniki mit ihren knapp 800‘000 Einwohnern stellten sie das Konzept einer partizipativen Stadtplanung vor, die kurz- und mittelfristig Veränderungen plant und umsetzt, um eine umfassende wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu erreichen.

So hat sich das Thessaloniki Smart Mobility Living Lab, eines der «grössten Living Labs Europas» und Teil des European Network of Living Labs, zur partizipativen «Plattform zum Testen technologischer und innovativer Lösungen für Mobilität, kooperative und autonome Fahrzeuge» gemausert. Verschiedene Betreiber und Unternehmen füttern das Lab mit Echtzeit-Verkehrsdaten, kurzfristigen Verkehrsprognosen sowie Mobilitäts- und Aktivitätsmustern, um die Infrastruktur noch benutzerfreundlicher und nachhaltiger zu gestalten.

Das Lab beweist den kleinen, aber gewichtigen Unterschied zwischen «smart» und «intelligent», den Komninos, Professor an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften der Aristoteles-Universität Thessaloniki, bereits früh in seiner dreiteiligen Buchreihe «The Age of Intelligent Cities» zog. Smart Cities setzten «auf Lösungen, die städtische Systeme und das Benutzerverhalten durch intelligente Geräte, IKT-basierte Automatisierung, Sensoren und Instrumente optimieren». Intelligente Städte hingegen ermöglichten «von Menschen getriebene» Innovation und Problemlösungen durch eine «breitere Benutzereinbindung».

Kreislaufwirtschaft in der Bau- und Immobilienbranche

Stein auf Stein – und dann alles wieder auseinander und zurück auf Los, ohne Qualitätsverlust oder Müll. Was sich der deutsche Chemiker Prof. Dr. Michael Braungart und der amerikanische Architekt William McDonough mit dem sogenannten «Cradle to Cradle»-Konzept von der Natur abgeschaut haben, krempelt die Baubranche um – auch weil es eben über den Bau eines Hauses hinausgeht.

Der «Kreislauf, in dem nichts verlorengeht» besteht im Grunde aus zwei Kreisläufen: einem biologischen Kreislauf für Verbrauchsgüter und einem technischen Kreislauf für Gebrauchsprodukte. Während die biologisch abbaubaren Verbrauchsgüter

am Ende ihrer Nutzung wieder Natur werden, sollen die Gebrauchsprodukte am Ende in ein neues, gleichwertiges Produkt münden. Immer mehr Anbieter von Baustoffen oder speziellen Produkten denken nun in Kreisläufen. Dies führt dazu, dass die Summe bereits kreislauffähiger, nachhaltiger Produkte ein grünes, umso wertvolleres Haus ergeben kann. In ihrer Masterarbeit «Gebäude mit Materialpass. Einfluss der Kreislaufwirtschaft auf die Immobilienbewertung» analysierte Madeleine Kindermann 2021 den Marktwert kreislauffähiger Konstruktionen. Die Studentin der Universität Zürich modellierte dazu ein «standardisiertes Musterobjekt in einer linearen und einer kreislauffähigen

Konstruktionsweise», erfasste dazu «die finanziellen und zirkulären Werte der Materialien».

Die Bewertung der beiden Musterobjekte zeigte, dass bei kreislauffähigen Objekten «ein deutlicher Mehrwert von +9.6 Prozent in der Marktwertermittlung erzielt wird». Der Hauptwerttreiber für die DCF-Bewertung sei die Differenzierung der Lebenszykluskosten. «Die jährlichen Aufwendungen können beim C2C-Objekt um 39 Prozent reduziert werden.» Zur weiteren ökonomischen Optimierung des C2C-Ansatzes mahnte Kindermann «ein rechtzeitiges Einbinden von Informationen zu Erträgen und Kosten im Lebenszyklus» aber auch professionelle Zertifizierungen an.

Neue Energie für Immobilien - Was bedeutet der Green Deal für Häuser und Städte

«Die Konkretisierung von Nachhaltigkeit im gebauten Raum»

Seit ihrer Gründung im Jahr 2007 hat sich die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, DGNB, zu einer der einflussreichsten Institutionen für nachhaltige Gebäudezertifizierungen entwickelt. Mithilfe lokaler Partner wie der Schweizer Gesellschaft für eine nachhaltige Immobilienwirtschaft, SGNI, beziehen DGNB-Zertifikate nicht nur den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes in die Nachhaltigkeitsbewertung ein, sondern analysieren auch ökologische, ökonomische und sozio-kulturelle Faktoren sowie technische Prozesse und Standortparameter. Laut ihrem Zertifizierungsreport 2022 konnte die DGNB allein im vorletzten Jahr 1‘424 Auszeichnungen an Quartiere und Häuser auf einer Gesamtfläche von 8,5 Millionen Quadratmetern verleihen. Die «Gesamtfläche, die jemals nach DGNB zertifiziert wurde», wuchs damit auf 69,7 Millionen Quadratmeter. Anfang dieses Jahres konnte mit dem Suurstoffi-Areal von Zug Estates auch das erste Areal in der Schweiz mit dem DGNB-Zertifikat in Platin ausgezeichnet werden. Das Suurstoffi-Areal nehme laut SGNI-Geschäftsführer Heinz J. Bernegger «nicht nur in Bezug auf das nahezu CO2-freie Energiekonzept eine Vorreiterrolle ein», sondern beweise «seine Qualitäten auch in ökonomischer, soziokultureller, funktionaler und technischer

Hinsicht». Dass Gebäudezertifizierungen helfen, Immobilien eindeutiger zu bewerten, sorgt bei einigen Hausbesitzern trotzdem für Sorgenfalten. Viele fürchten immer noch hohe Bau-, Instandhaltungs- oder Renovierungskosten. 2020 beleuchtete eine Studie des Green Building Council Denmark den Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Baukosten anhand von 37 zwischen 2012 und 2019 errichteten Wohn- und Bürohäusern unterschiedlicher Grösse und Finanzierungsart. Grün gleich teuer? Stimmt nicht! Alle Gebäude wurden DGNB-zertifiziert. Stelle man Kosten- und Nachhaltigkeitsfaktoren einander gegenüber, so Levke Maria Kehl vom DGNB, sei das Ergebnis jedoch eindeutig: «Es gibt weder einen klaren Zusammenhang zwischen den Kosten und der DGNB-Auszeichnungsstufe noch zwischen den Kosten und den Umweltwirkungen.»

Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, «dass bei einzelnen Projekten Massnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit die Kosten erhöht haben». Dennoch sei klar: «Nachhaltiger heisst nicht gleich teurer. Im Gegenteil. Einige der Gebäude mit den höchsten DGNBBewertungen oder den geringsten CO2Fussabdrücken gehören zugleich zu denen mit den geringsten Baukosten.»

Wer Nachhaltigkeit von Anfang an mitdenke und -plane, halte nicht nur die Kosten im Zaum, sondern sichere der Immobilie zudem auch eine langfristige Wertstabilität. Der Zertifizierungsreport wirbt deshalb für einen 360-Grad-Blick aller Beteiligten: «Neben einer qualitativ hochwertigen Ausführung und dem Einsatz nachhaltiger Materialien ist dabei eine gute Gestaltung ausschlaggebend. Nur so entstehen langlebige Gebäude, die von der breiten Masse der Bevölkerung angenommen und gerne genutzt werden.» DGNB-Präsident Professor Amandus Samsøe Sattler ergänzt: «Baukultur ist die Konkretisierung von Nachhaltigkeit im gebauten Raum. Mit Baukultur machen wir Nachhaltigkeit sichtbar. Zertifizierte Gebäude reduzieren Nachhaltigkeit oft auf technische Merkmale. Aber das ist nicht automatisch schön. Es ist wichtig, beides zusammenzubringen – und ein ganzheitliches Konzept zu finden.»

Auch Prof. Alexander Rudolphi, Gründungspräsident und Präsidiumsmitglied der DGNB, ermuntert Immobilienbesitzer zu mehr Nachhaltigkeit: «Auch wenn es nicht gleich in einer Zertifizierung enden muss, so sollte jeder sich mindestens mit den Kriterienkatalogen beschäftigen und mit den dort formulierten Anforderungen arbeiten.»

«Kreislauffähiges

Kreislauffähiges Bauen

Blaupause für nachhaltiges Bauen: Innovationsgebäude Obere Waldplätze 12 in Stuttgart

Steckbrief

Bauen –Ressourcen UND Kosten sparen im Bauprojekt »

«Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sind kein Widerspruch»

In der heutigen Zeit mit ihren Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit, Artensterben, Umweltverschmutzung und unsicherer Versorgungslage wird Nachhaltigkeit für Unternehmen, egal welcher Branche und Grösse, immer wichtiger.

Immobilien sind entscheidend für den erfolgreichen Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, da sie 40 % des weltweiten Energieverbrauchs ausmachen und einen vergleichbaren Anteil an Treibhausgasemissionen emittieren. Daher gewinnt in der Bauindustrie das Konzept des kreislaufgerechten Bauens zunehmend an Bedeutung. Sanieren statt neubauen, Materialeinsparung und Wiederverwendung sind die Themen, die angegangen werden müssen. In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und Effizienz immer wichtiger werden, ist kreislauffähiges Bauen DER zukunftsfähige Ansatz für den Immobiliensektor. Es lohnt sich, diesen Weg zu gehen, um Ressourcen zu schonen und die Kosten zu optimieren

Was sind wichtige Aspekte des Kreislauffähigen Bauens?

1. Nachhaltige Ressourcennutzung: Kreislaufprinzipien ermöglichen eine effizientere Nutzung von Ressourcen. In Bauprojekten kann Material eingespart werden, zum Beispiel indem Bauherren auf Untergeschosse verzichten, Nebenflächen reduzieren oder Wandstärken verringern. Durch Wiederverwendung und Recycling können Materialien länger im System bleiben, was den Bedarf an neuen Rohstoffen reduziert. Bei neu eingesetzten Baumaterialien ist darauf zu achten, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus wiederverwendet oder

hochwertig recycelt werden können. In der Schweiz werden heute lediglich 14 % der Rohstoff-Abfälle als Sekundärrohstoffe weiterverwertet, ein sehr geringer Anteil.

2. Urban Mining: Urban Mining zielt darauf ab, vorhandene verbaute Rohstoffe bestmöglich zu verwerten. Gebäude und Infrastrukturen dienen als Rohstofflager. Ziel ist es, Rohstoffe aus diesen Lagerbeständen zu gewinnen, bevor der Abfall anfällt. Beim Abriss von Gebäuden fallen riesige Mengen an mineralischen Stoffen und auch viele Metalle, Holz und Kunststoffe an. Das Altmaterial fliesst bisher meist nur als Schüttgut in den Strassen- und Erdbau ein. Es findet ein sogenanntes Downcycling statt. Die Wiederverwendung ganzer Bauteile oder die Herstellung hochwertiger RecyclingBaustoffe ist bislang noch die Ausnahme. Ein Altbau mit zehn Wohneinheiten liefert durchschnittlich 1.500 Tonnen Material zur Wiederverwertung.

3. Treibhausgasreduktion: Bei Neubauten ist mit über 50 % die Graue Energie der Emissionstreiber in der CO2-Bilanz. Graue Energie umfasst die Energie, die bei der Erstellung von Gebäuden durch Rohstoffgewinnung, Produktion der Baumaterialien, deren Transport und die Installation eingesetzt wird. Standardisierte Daten informieren über den CO2-Gehalt eines Baumaterials. Über die Wahl von regionalen Unternehmen und Produkten können Emissionen durch kürzere Transportwege reduziert werden.

4. Modulare Bautechniken: Modulare Baukonstruktionen ermöglichen einen einfachen Austausch und die Wiederverwendung von Bauelementen. Flexible Raumprogramme und Umnutzungen lassen sich einfach umsetzen, ohne Abfall zu erzeugen. Die kürzere Installationszeit ermöglicht einen früheren Bezug.

5. Gesamter Lebenszyklus: Bei der Planung von Bauprojekten soll der

gesamte Lebenszyklus berücksichtigt werden – nicht nur der Neubau, sondern auch Betrieb, Umbau und/oder Abriss. Hierbei spielen Flexibilität in der Konstruktion, Demontagemöglichkeit und der Schadstoffgehalt in den Baumaterialien eine grosse Rolle. Über Gebäude-Materialpässe sind die verbauten Materialien zu dokumentieren, um deren Wiederverwendung und deren finanziellen Wert einschätzen zu können.

Die Charta «Kreislauforientiertes Bauen» unterstützt als eine Vereinigung von grossen Bauherren dieselben Ziele. Sie will bis 2030 die Verwendung von nicht erneuerbaren Primärrohstoffen auf 50 Prozent der Gesamtmasse reduzieren, den Ausstoss grauer Treibhausgasemissionen erfassen und stark reduzieren und die Kreislauffähigkeit von Sanierungen und Neubauten stark verbessern. Insgesamt ist kreislauffähiges Bauen nicht nur eine verantwortungsvolle Entscheidung, sondern auch eine kluge Geschäftsstrategie. Es ermöglicht Kosteneinsparungen, verbessert das Image und trägt zur Nachhaltigkeit bei.

Kreislauffähiges Bauen bietet Unternehmen einen erheblichen Mehrwert, der über die ökologischen Aspekte hinausgeht. Hier sind einige der wichtigsten Vorteile: Kostenersparnis: Unternehmen, die nachhaltig bauen, profitieren von einer längeren Lebensdauer ihrer Gebäude und reduzierten Kosten. Die

Wiederverwendung von bereits bestehenden Bauelementen und die Reduzierung von Abfall, Abtransport und Deponiekosten tragen dazu bei, die Gesamtkosten zu senken. Bauteil-Recycling kann sich auch langfristig auszahlen, insbesondere bei steigenden Rohstoffpreisen. Werden langlebige Materialien verwendet, können Unternehmer die Betriebskosten ihrer Gebäude senken. Weniger Instandhaltung und längere Nutzungsdauer tragen zu einer verbesserten Rentabilität bei. Verbesserung des Images und der Reputation: Unternehmen, die sich für kreislauffähiges Bauen engagieren, demonstrieren ihre soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit. In einer zunehmend nachhaltigkeitsbewussten Gesellschaft verschafft die Implementierung von Kreislaufkonzepten einen Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die sich als Vorreiter in diesem Bereich positionieren, können neue Geschäftsmöglichkeiten erschliessen und ihre Marktposition stärken. Zudem gewinnen sie das Vertrauen von Kunden, Investoren und der Öffentlichkeit. Einhaltung gesetzlicher Anforderungen: In vielen Ländern gibt es zunehmend strengere Vorschriften zur Nachhaltigkeit im Bauwesen. Das Klima- und Innovationsgesetz der Schweiz strebt Klimaneutralität bis 2050 an und setzt Treibhausgas-Verminderungsrichtwerte für Gebäude fest. Die gebäudebezogenen Emissionen müssen bis 2050 um fast 80 Prozent gegenüber dem Niveau von

Sanieren statt neubauen, Materialeinsparung und Wiederverwendung sind die Themen, die angegangen werden müssen.

Drees & Sommer: Uniting opposites to create a world we want to live in. Nachhaltige, innovative und wirtschaftliche Lösungen für Immobilien, Industrie, Energie und Infrastruktur zu beraten, umzusetzen – oder den Kunden sogar beides aus einer Hand zu bieten – das zeichnet das partnergeführte Beratungsunternehmen Drees & Sommer Schweiz aus. Unsere 240 Mitarbeitenden an den Standorten Zürich, Basel und Lausanne unterstützen seit 2008 Auftraggeber unterschiedlichster Branchen. Drees & Sommer Schweiz ist Teil der Drees & Sommer SE. Im Jahr 1970 gegründet und seitdem als Nachhaltigkeitspionier und Digitalisierungstreiber der Real-Estate-Branche bekannt, beschäftigt das internationale Unternehmen mehr als 6.000 Mitarbeitende an 63 Standorten. Interdisziplinär zusammengesetzte Teams arbeiten in rund 6.500 Projekten weltweit daran, eine lebenswerte Zukunft zu schaffen und scheinbare Gegensätze zu vereinen: Tradition und Zukunft, Analoges und Digitales, Effizienz und Wohlbefinden. Als Unternehmer im Unternehmen steht dafür eine persönlich verantwortliche Partnerschaft ein. Mehr Informationen unter dreso.ch

2015 gesenkt werden. Nur mit der Anwendung von Kreislaufprinzipien können diese Anforderungen erfüllt werden. Innovation und Technik: Der Fokus auf Wiederverwendung, Recycling und nachhaltige Materialien fördert innovative Lösungen von Unternehmen. Neue Bautechnologien, intelligente Materialien und digitale Ansätze können die Effizienz steigern und die Bauindustrie voranbringen. Innovative Technologien wie Building Information Modeling (BIM), digitale Planungstools und automatisierte Prozesse ermöglichen eine effizientere Nutzung von Ressourcen. Dadurch sinken die Baukosten und gleichzeitig steigt die Qualität der Ergebnisse. Im neuen Bürogebäude Obere Waldplätze 12 in Stuttgart hat Drees & Sommer an ihrem Hauptsitz innovative, kreislaufwirtschaftliche Ansätze selbst umgesetzt und damit finanzielle Mehrwerte erzeugt. Durch eine besonders dünne Vakuumisolierung in der Fassade wurde Material eingespart. Die gesamte Gebäudehülle inklusive Fassaden-PV ist nur 210 mm dünn. Eine vergleichbare konventionelle Konstruktion wäre mindestens 400 mm dick. Im Inneren hat man so zusätzliche Nutzflächen im Umfang von über zehn Arbeitsplätzen geschaffen. Das innovative Energiekonzept legte die Basis für ein Plus-Energie-Gebäude, welches über ein Jahr mehr Energie erzeugt als verbraucht. Die Energiekosten im Betrieb fallen dadurch praktisch weg. Jeder Entscheidungsträger aus privatem und öffentlichem Sektor sollte sich bewusst sein, dass nachhaltiges und kreislauffähiges Bauen nicht nur ökologisch sinnvoll ist, sondern auch wirtschaftliche Vorteile bietet. Die Kreislaufwirtschaft bietet gerade im Immobilien- und Bausektor technologische Chancen, Innovationen und neue Geschäftsmodelle. Es lohnt sich also, den Fokus auf den gesamten Lebenszyklus zu legen und zunehmend in Kreisläufen zu denken.

Jürgen Pollak
Ivo Angehrn Manager

XANIA real estate Zurich Exklusives Wohnen neu definiert

XANIA real estate Zurich ist ein renommierter Immobilienentwickler, der sich auf exklusive Wohnprojekte in und um Zürich spezialisiert hat. Das Unternehmen steht für hochwertige Wohnimmobilien an exklusiven Toplagen. Mit der erfolgreichen Umsetzung von 12 Premium-Projekten hat sich

XANIA real estate Zurich als führendes Unternehmen im Bereich Immobilien-Investments etabliert und plant derzeit über 600 hochwertige Wohnungen auf 70 erstklassigen Grundstücken im Grossraum Zürich. Der Immobilienentwickler setzt

auf hochwertige Ersatzneubauten in urbaner und dennoch naturnaher Umgebung und arbeitet eng mit renommierten Architekturbüros zusammen. Im Showroom am Pelikanplatz in Zürich erleben Kundinnen und Kunden unter dem Motto „World of XANIA“ innovative Wohnkonzepte und eine Auswahl an vielfältigem, exklusivem Interior Design für die zukünftige Wohnoase.

Weitere Informationen finden Sie unter xania.ch

Steckbrief

Brick Homes Zumikon - Raum für individuelle Lebensstile

Zurzeit realisiert XANIA real estate Zurich unter anderem in Zumikon mit „Brick Homes“ ein aussergewöhnliches und naturnahes Neubauprojekt. „Brick Homes“ bietet stilvolle Eleganz und zeitlose Modernität. Durch den Materialmix aus Backstein, Beton und dezenten Metall- und Glaselementen fügt sich das Gebäude harmonisch in die Umgebung ein. Dadurch erhält das Gebäude ein markantes und zugleich zurückhaltendes Äusseres. Das Angebot reicht von 2.5- bis 4.5-Zimmer- Wohnungen mit geräumigen Innen- und Aussenräumen. Die 5.5-Zimmer-Attikawohnungen verfügen über grosszügige Terrassen, die das idyllische Ambiente von Zumikon perfekt zur Geltung bringen. Moderne Wohnkultur und eine einmalige Lage sind bei den „Brick Homes“ zweifellos vereint.

• Beste Lage in Zumikon / Farlifangstrasse 16+18

1 Mehrfamilienhaus 14 Wohneinheiten

2.5- bis 5.5-Zimmer-Wohnungen

• Grosszügige Flächen von 83 m2 – bis 204 m2

Mehr Informationen unter brickhomes.ch

Das grösste Energiesparpotenzial

steckt in der Gebäudehülle

Eigentlich ist es ganz einfach: Wer ein klimaneutrales Gebäude möchte, muss eine Modernisierung der Aussenhülle mit der Nutzung erneuerbarer Energien kombinieren. Die Spezialisten des Branchenverbands Gebäudehülle Schweiz gehen den «Königsweg e+» – und begleiten Bauund Modernisierungsprojekte von der ersten Bestandsaufnahme bis zur Umsetzung.

Swisspearl
Schweiz AG

VON RÜDIGER SCHMIDT-SODINGEN

Vom Häuschen im Grünen zum grünen Häuschen. Davon träumen Bauherrschaften, wenn sie neben einem verbesserten Wohnkomfort gleichzeitig für ihre Kinder und Enkel vorsorgen und für die Umwelt das Erreichen des Netto-Null-Zieles voranbringen wollen. Die gute Nachricht ist: Die Hülle eines Gebäudes energiesparend zu gestalten und dann mit der entsprechenden Energieversorgung zu koppeln, geht einfacher als gedacht.

Die Mitglieder des Branchenverbandes Gebäudehülle Schweiz unterstützen Bau- und Modernisierungsvorhaben von der Energieberatung und der darauf aufbauenden ersten Planung bis zur entsprechenden Umsetzung der erforderlichen Massnahmen.

Mit dem «Königsweg e+» zu Netto-Null

In der Broschüre «Königsweg e+» zeigen die Experten der Gebäudehülle auf, wie sich energieintensive, ältere Gebäude in drei Etappen in nachhaltige Häuser verwandeln. Wer Angst vor dem ersten Schritt hat und nicht weiss, wo er mit der energetischen Erneuerung anfangen soll, erhält bereits zu Beginn eine umfassende Unterstützung – sowohl bei der Bestandsaufnahme als auch bei der Energieberatung. Die Grundidee, dass für das grüne Häuschen auf die bestehende Hülle aufgebaut werden kann, macht vielen Hausbesitzenden das Herz schon einmal leichter. Noch leichter wird es, wenn man sein energetisches Erneuerungsprojekt mit Fördergeldern des Gebäudeprogramms vom Bund und den Kantonen mitfinanziert. Ab 2025 werden Gesamterneuerungen zusätzlich schweizweit vom Impulsprogramm des Klima- und Innovationsgesetzes gefördert.

Bei der ersten Etappe des «Königswegs e+» werden geeignete Massnahmen zur Wärmedämmung ergriffen. Allein eine neue Wärmedämmung kann die bisherigen Energiekosten um bis zu zwei Drittel reduzieren. Sie lässt sich direkt an der Fassade als verputzte Aussenwärmedämmung oder als vorgehängte,

hinterlüftete Fassade anbringen. Wer dazu gleich auch die Fenster und den Sonnenschutz erneuert, hat den ersten Schritt zum grünen Haus bereits getan. Bei Arbeiten auf dem Dach und an der Fassade sollten Photovoltaikanlagen für die Stromproduktion mitgedacht und am einfachsten gleich gebaut werden. Auch Heizungsrohre und Warmwasserleitungen in unbeheizten Räumen zu dämmen, ist immer eine gute Sache.

Schritt für Schritt zum «kleinen Fussabdruck»

Nach der Dämmung wird die Heizung unter die Nachhaltigkeits-Lupe genommen. Meist wird die bestehende Heizung durch eine Wärmepumpe ersetzt und kann nach Wunsch mit Solarthermie ergänzt werden. Dank der erneuerten Gebäudehülle sind tiefe Vorlauftemperaturen möglich, das macht die Wärmepumpe erst richtig gut. In Kombination mit der ersten Etappe können so noch einmal signifikante Einsparungen erreicht werden.

Die neue Dämmung plus Wärmepumpe kann vor allem dann ihre grosse Wirkung entfalten, wenn sie spätestens in der dritten Etappe von Photovoltaikanlagen am Gebäude unterstützt wird, die Strom für den alltäglichen Verbrauch im Haus produzieren. Mit einer eigenen Photovoltaikanlage lassen sich gleich auch ein eigener Batteriespeicher oder das Aufladen des E-Autos und ein vernetztes «Smart Home» mitplanen.

Vernetzung nutzen und leben Überhaupt bildet die Vernetzung den Schlüssel für die Zukunft. Einerseits machen Wärmepumpen dann besonders Sinn, wenn sie in einem gut gedämmten Gebäude eingebaut werden. Andererseits kann zwischengespeicherter Strom zu einem späteren Zeitpunkt entnommen oder an die weiteren angeschlossenen Verbrauchsgeräte weitergeleitet werden. Hier ist es trotzdem wichtig, möglichst Geräte mit tiefem Verbrauch einzusetzen.

Die Kunst der Vernetzung gilt allerdings auch im übertragenden Sinn. So gelingt die energetische Modernisierung nicht zuletzt durch die erstklassige Vernetzung, die Gebäudehülle Schweiz mit ihren Mitgliederbetrieben und Partnerunternehmen bietet. Wo

Immobilienbesitzer früher umständlich suchen mussten, um die richtigen Ansprechpartner zu finden, braucht es heute nur einen Blick ins Partnernetzwerk, das für jeden Modernisierungsschritt das passende Unternehmen parat hat. In der Zukunft könnte es so sein, dass jedes Haus Teil eines lokalen

Mini-Netzwerkes wird, das nicht nur sich, sondern auch seine Nachbarn wechselseitig mit Strom versorgt. Auch für ein neues verantwortliches und gemeinschaftliches Leben mit der Nachbarschaft ist der «Königsweg e+» die richtige Adresse. Silvia Gemperle, Leiterin Energiestrategie bei Gebäudehülle

Steckbrief

Gebäudehülle Schweiz: Experten für das energetische Modernisieren

Gebäudehülle Schweiz ist die führende Organisation im Bereich Gebäudehülle. Der nationale Branchenverband bietet eine Vielzahl an Dienstleistungen und Weiterbildungen im Berufsfeld Gebäudehülle an. Mit fünf weiteren Verbänden bildet Gebäudehülle Schweiz in den

Vorträge von Gebäudehülle Schweiz auf der «Bauen und Modernisieren» 2024

Moderne Gebäude als Job-Motor: Die Nachwuchskampagne «hoch-hinaus»

In neuen smarten und energieeffizienten Gebäuden liegt die Zukunft. Folglich werden die Berufe, die sich mit der energetischen Modernisierung und Optimierung beschäftigen, immer wichtiger. Mit den

Bildungszentren Polybau in Uzwil und Grenchen und Polybat in Les Paccots jährlich etwa 900 Spezialisten in den fünf Berufen Abdichter/in, Dachdecker/in, Solarinstallateur/in, Fassadenbauer/in, Gerüstbauer/in und Fachmann/frau Storentechnik und Sonnenschutz aus.

Mehr Informationen unter gebäudehülle.swiss

Verzeichnis Gebäudehüllen-Spezialisten in Ihrer Region

Berufen Abdichter/in, Dachdecker/in, Fassadenbauer/in und Solarinstallateur/ in tragen die Gebäudehüllen-Spezialisten aktiv etwas zum Klimaschutz bei, liefern sinnstiftende und zukunftsgerichtete Arbeitsplätze, arbeiten Tag für Tag an der Energiewende und prägen somit den Gebäudepark Schweiz in Energieeffizienz,

Schweiz, wird auf der diesjährigen «Bauen und Modernisieren»-Messe in Zürich über den «Königsweg e+» referieren. Sie ist überzeugt: «Was macht mehr Freude, als enkeltauglich für künftige Generationen zu handeln und einen Beitrag zum Erneuern des Gebäudeparks Schweiz zu leisten?»

Silvia Gemperle Leiterin Energiestrategie Gebäudehülle Schweiz

Alles zum «Königsweg e+» Energiestrategie 2050etappiert zum Ziel

Ästhetik und Nachhaltigkeit. Für die nächsten Generationen gehen diese Berufsleute sprichwörtlich hoch hinaus.

Mehr Informationen unter

Bei der ersten Etappe des «Königswegs e+» werden geeignete Massnahmen zur Wärmedämmung ergriffen. Allein eine neue Wärmedämmung kann die bisherigen Energiekosten um bis zu zwei Drittel reduzieren.
Gebäudehülle
Schweiz (2)

VON RÜDIGER SCHMIDT-SODINGEN

ES GEHT

Die ESG-Kriterien sind nicht nur eine rechtliche Notwendigkeit, sondern auch eine strategische Chance für mehr Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Glaubwürdigkeit. Wie aber lassen sich Standards für ein nachhaltiges Wirtschaften implementieren?

Eines dürfte mittlerweile Konsens sein: Die ESGKriterien für ein nachhaltiges Handeln, das sozial- und umweltpolitische Verbesserungen anstrebt, sind kein Marketing-Gag. Wer als Unternehmen tatsächlich glaubt, dass ein auf den eigenen Profit fokussiertes Wirtschaften alle Auswirkungen eben dieses Handelns weiter komplett ausblenden und ignorieren kann, ist auf dem Holzweg – auf dem er demnächst weder Stake- noch Shareholder treffen dürfte. Da viele Schweizer Unternehmen mit EU-Ländern Handel betreiben, werden sie demnächst mehr oder weniger die Anforderungen der EUTaxonomie erfüllen müssen. Die seit dem 1. Januar geltende Verordnung zur Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange fordert «Publikumsgesellschaften, Banken und Versicherungen, die mindestens 500 Mitarbeitende beschäftigen und eine Bilanzsumme von mindestens 20 Millionen Franken oder einen Umsatz von mehr als 40 Millionen Franken aufweisen», dazu auf, über Klimabelange öffentlich Bericht zu erstatten.

Wechselwirkung von Klima und Geschäftstätigkeit

Das Eidgenössische Finanzdepartement konkretisiert in seinen Erläuterungen zur Verordnung die Wechselwirkung oder «doppelte Wesentlichkeit» der erforderlichen Berichte, die «Einzelheiten zu den aktuellen und vorhersehbaren Auswirkungen des Klimas auf die Geschäftstätigkeit der berichterstattungspflichtigen Unternehmen und der Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen auf das Klima» enthalten müssen. Neben Kennzahlen zu konkreten Treibhausgasemissionen und einer Einschätzung bezüglich der damit verbundenen Auswirkungen auf

die CO 2-Ziele empfiehlt das EFD die zuletzt 2021 formulierten Vorgaben der «Task Force on Climate-related Financial Disclosures» oder «andere Leitlinien oder Standards», die allerdings entsprechend begründet werden müssten, um nicht eine «Verletzung der Berichterstattungspflicht» zu bedeuten. In jedem Fall sei bei der Berichterstattung gemäss Artikel 964b Absatz 5 OR nach dem sogenannten «comply or explain»-Ansatz vorzugehen. Unternehmen müssten dann auch explizit begründen, warum sie kein Klimakonzept haben.

In ihrem Buch «ESG(E)-Kriterien: Die Schlüssel zum Aufbau einer nachhaltigen Unternehmensführung» (Springer Wiesbaden 2022) bieten Rebekka Erchinger, Rosemarie Koch und Ralf B. Schlemminger eine «Eignungsanalyse ausgewählter Standardkriterien» - und nehmen die Standardkriterienkataloge der Global Reporting Initiative (GRI) und der European Federation of Financial Analysts Societies (EFFAS) unter die Lupe. Dass ein «wirtschaftliches, nicht verschwenderisches Handeln» neben den drei Aspekten Umwelt/Environment (E), Soziales (S) und Führungsverantwortung/Governance (G) auch noch ein zusätzliches E für Economy und den ökonomischen Gesichtspunkt brauche, machen die Autor:innen gleich zu Beginn klar.

Der Kampf um die Standards Schwieriger wird es, wenn es um die Implementierung von Standards geht. Was sollen Unternehmen wie tun? Was können sie messen, formulieren und leiten? Neben messbaren, quantitativen Performance- oder Schlüsselkennzahlen, die etwa die CO2-Emmissionen, den recycelbaren Anteil von Verpackungen oder den Einsatz erneuerbarer Energien berechnen, gemeinnütziges Engagement oder Chancengleichheit

darstellen, sollen auch die qualitativen, beschreibbaren Aspekte eines neuen Wirtschaftens öffentlich, sprich über die Corporate Website, dargestellt werden. Gewünscht sind formulierte Ziele für ein besseres Energiemanagement, ein umfassendes Bewusstsein für die Gesundheit und Rechte der Mitarbeitenden sowie übergeordnete Werte, die konkrete Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung und zu einem besseren Verständnis für die Auswirkungen des Klimawandels aufzeigen. All das soll entsprechend in die Geschäftspolitik eingebracht werden.

Wer als Unternehmen Investoren überzeugen will, muss folglich das Zusammenspiel aus Gegenwartskennzahlen und Zukunftsplänen, die dann in kleinen und grösseren Jahresschritten erfolgen und eingeschätzt werden sollen, besonders gut beherrschen. Eine integrierte Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie sie das International Integrated Reporting Council (IIRC) bereits seit 2010 fordert, soll damit zum umfassenden Controlling- und Managementinstrument werden. Die wichtigste Aufgabe besteht zweifellos darin, die nachhaltigen Anteile am Umsatz mit entsprechenden Wirkungen aufzeigen zu können. Die

«Verknüpfung bedeutsamer Finanzkennzahlen mit einer Nachhaltigkeitsbewertung» führt dann zu einem Taxonomie-Score, mit dem auch «Investoren eine Beurteilung des ökologischen Nachhaltigkeitsgrads ihres Investments vornehmen» können. Erchinger, Koch und Schlemminger bilanzieren jedoch, dass noch kein Standard einen umfassenden «Schlüssel zum Aufbau bzw. zur Weiterentwicklung einer nachhaltigen Unternehmensführung» biete. «Die Bewertung auf Basis eines Scoringmodells mit acht Eignungsanforderungen verdeutlicht, dass im Hinblick auf die Maximalpunktzahl bestenfalls ein Erreichungsgrad von 71 Prozent vorliegt.» Einzeln betrachtet könne «kein Kriterienwerk als ein umfassender, hinreichend differenzierter Orientierungsrahmen für ein an der Nachhaltigkeit interessiertes Management und Controlling aufgefasst werden». Am besten seien die Kriterien der Global Reporting Initiative (GRI) zu bewerten, da sie «insbesondere in der Abdeckungsbreite und der Ausgewogenheit bei der Abdeckung der Umwelt-, Sozial-, Governance- und Ökonomie-Aspekte sowie in der umfassenden Beschreibung der Nachhaltigkeitskriterien» punkten könnten. «Mit

Gewünscht sind formulierte Ziele für ein besseres Energiemanagement, ein umfassendes Bewusstsein für die Gesundheit und Rechte der Mitarbeitenden sowie übergeordnete Werte.

der downloadfähigen Liste von über 4.500 Reports von verschiedenen Institutionen weltweit ermöglicht GRI das Auffinden von Anschauungs- und Lehrmaterial für die Unternehmenspraxis.»

Hoffnung auf Kompatibilität und Aussagekraft

Tatsächlich verknüpfen die GRI-Standards als «modulares System miteinander verbundener Standards» Universalstandards, die für alle Organisationen gelten, mit spezifischeren Branchenund Themenstandards. So können auch Unternehmen, die bislang keine Erfahrung beim «Impact Reporting» haben, sicher einen Weg zu ihren jährlichen Berichten finden und vorbereiten. Zugleich arbeitet auch das GRI an mehr Kooperation. Im März 2022 unterzeichneten GRI und die IFRS Foundation ein «Memorandum of Understanding», das «die Vorteile einer weiteren Harmonisierung der Berichtslandschaft auf internationaler Ebene anerkennt und beide Organisationen dazu verpflichtet, die Kompatibilität ihrer jeweiligen Standards zu gewährleisten». Ziel sei eine Sicherstellung der «Interoperabilität und Kompatibilität in der Nachhaltigkeitsberichterstattung».

Dies dürfte ganz im Sinne der EFD sein, die den Nutzen der Berichtspflicht darin sieht, «dass aussagekräftige und vergleichbare Daten zu Klimabelangen und Klimazielen vorliegen». Damit könne «einerseits die Berücksichtigung der Klimarisiken in der Anlageberatung, den Bilanzen von Investorinnen und Investoren, sowie im Finanzsystem als Ganzes verbessert werden». Andererseits könnte «die Verfügbarkeit solcher Daten die Transaktionskosten für Investitionen reduzieren». Idealerweise führe «eine Umsetzung für ein Unternehmen zu einer Ausweitung der Investorenbasis und potenziell niedrigeren Kapitalkosten».

«Rechtsabteilungen in Unternehmen müssen sich zu umfassenden Beratern in ESGFragen entwickeln»

Die ESG-Ansprüche steigen. Gleichzeitig sind Unternehmen unsicher, wie sie die Vorgaben in ihre Unternehmensführung und ihren Arbeitsalltag übernehmen sollen.

Sandro Fries, Rechtsanwalt bei KPMG Law in der Schweiz, erläutert, wie die Implementierung einer nachhaltigen Corporate Governance rechtlich gelingt und dabei alle Interessengruppen berücksichtigt.

Herr Fries, früher mussten Unternehmen nur für den eigenen Gewinn wirtschaften. Nun müssen sie auch Umwelt und Gesellschaft in ihre Planungen miteinbeziehen. Wie leicht fällt das aus rechtlicher Sicht? Nun, es ist nicht so, dass Unternehmen in der Vergangenheit ihre «Stakeholder» nicht berücksichtigt hätten. Allerdings werden die Regeln zum Thema Nachhaltigkeit, die bisher auf Freiwilligkeit beruhten, zunehmend durch bindende rechtliche Vorschriften ersetzt. Da viele dieser Vorschriften neu oder unklar formuliert sind, besteht eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich ihrer korrekten Umsetzung. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Umsetzung für Unternehmen ziemlich einschneidend und komplex sein kann, da sie oft Anpassungen der Geschäftsprozesse, die Einführung von Überwachungs- und Berichtssystemen oder gar strukturelle Änderungen mit sich bringt.

Die ESG-Vorschriften betreffen also sämtliche Bereiche eines Unternehmens?

Genau. In vielen Fällen führen ESGVorschriften dazu, dass Unternehmen ihre internen Richtlinien und Verfahren überarbeiten, um Compliance zu gewährleisten und Risiken zu minimieren. Sie können auch Investitionen in nachhaltige Technologien oder Praktiken erfordern und die Art und Weise beeinflussen, wie Unternehmen über ihre Aktivitäten berichten und mit Stakeholdern kommunizieren.

Wie müssen sich die Rechtsabteilungen in Unternehmen umstellen?

Rechtsabteilungen in Unternehmen müssen sich in vielen Bereichen anpassen und einen interdisziplinären Ansatz verfolgen, um ESG-Vorschriften zu erfüllen. Sie müssen sich zu umfassenden Beratern in ESG-Fragen entwickeln und eng mit anderen Bereichen des Unternehmens zusammenarbeiten, um Compliance sicherzustellen, nachhaltige Praktiken zu fördern und letztlich die Unternehmensreputation zu schützen.

Sandro Fries ist Rechtsanwalt bei KPMG Law in der Schweiz und spezialisiert auf Corporate M&A und ESG. Mit umfassender Expertise im Wirtschaftsrecht unterstützt er Unternehmen und Führungskräfte bei der Gestaltung von Corporate Governance und der Entwicklung und Umsetzung von ESG-Strategien. Seine pragmatische, zielgerichtete und multidisziplinäre Beratung verbindet rechtliches Fachwissen nahtlos mit den strategischen Geschäftszielen seiner Mandaten.

Unterstützung bei ESG-Themen Das Expertenteam von KPMG Law in der Schweiz unterstützt Unternehmen beim Aufbau und der Weiterentwicklung einer nachhaltigen Corporate Governance. Die Beratungsdienstleistungen umfassen die Unterstützung von Unternehmen bei der Entwicklung und Implementierung geeigneter GovernanceStrukturen. Dies beinhaltet die Analyse der spezifischen Bedürfnisse des Unternehmens, die Berücksichtigung der verschiedenen Interessengruppen und die Anpassung an die geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen.

Mehr Informationen unter kpmg.com/ch

Der Verhaltenskodex sollte u.a. Richtlinien zu umweltbewusstem Verhalten und sozialer Verantwortung beinhalten. Mitarbeitende müssen über die Bedeutung von Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung informiert werden und verstehen, wie ihre täglichen Aufgaben und Entscheidungen zur Gesamtstrategie des Unternehmens beitragen. Antikorruptionsrichtlinien sollen sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden die gesetzlichen Anforderungen verstehen und einhalten, insbesondere im Hinblick auf Transparenz und Rechenschaftspflicht. Die Richtlinien sollten auch Schulungen und Verfahren zur Meldung von Korruptionsfällen umfassen. Natürlich ist sicherzustellen, dass die Richtlinien in der Praxis auch effektiv umgesetzt und gelebt werden.

Wie gehen Sie vor, um in Unternehmen die Corporate Governance neu zu strukturieren oder zu verbessern? Mit wem sprechen Sie zuerst?

Zuerst müssen der Hintergrund eines Unternehmens und dessen zukünftige strategische Ziele verstanden werden. Dazu gehört auch eine Analyse der bestehenden Corporate Governance. In einem zweiten Schritt analysieren wir die rechtlichen und ethischen Anforderungen und erarbeiten spezifische Empfehlungen, die wir dann mit den Unternehmen besprechen. Grundsätzlich sollten die Gespräche mit der Geschäftsleitung oder dem Verwaltungsrat beginnen. Erfahrungsgemäss wird häufig die verantwortliche Person in der Compliance-Abteilung vom Verwaltungsrat mit der Erarbeitung und Verbesserung von ESG-bezogenen Prozessen, Dokumentationen o.ä. beauftragt. Diese Person fungiert dann in der Regel als unsere zentrale Ansprechperson. Anschliessend erfolgt die Umsetzung der vereinbarten Empfehlungen durch die Ausarbeitung der notwendigen rechtlichen Dokumente sowie die Aufbereitung der geplanten Massnahmen.

Inwiefern müssen konkrete Personen neue Zuständigkeiten übernehmen? Wie werden diese Personen bestimmt oder unterstützt?

Bei der Anpassung der Corporate Governance müssen Mitarbeitende, einschliesslich des Verwaltungsrats, aufgrund der verändernden Kompetenzerwartungen oft neue Zuständigkeiten übernehmen. So ist der auf dem Arbeitsmarkt eher neu etablierte «ESG Legal Counsel» für strategische ESG-Rechtsberatung in Zusammenarbeit mit den internen Teams eines Unternehmens verantwortlich, während der Verwaltungsrat des Unternehmens u.a. für die Einhaltung der nicht-finanziellen Berichterstattungspflichten zuständig ist. Die Integration neuer Zuständigkeiten in die bestehende Governance-Struktur erfordert klare Kommunikation über Erwartungen und Verantwortlichkeiten – nicht zuletzt in den unternehmensinternen Richtlinien.

Wie lassen sich zukünftige ESG-Verschärfungen oder -Zusätze mit der richtigen Struktur leichter rechtlich absichern oder umsetzen?

Rechtsabteilungen müssen sich nicht nur kontinuierlich über ständig ändernde ESG-bezogene Gesetze und Marktstandards informieren und bei der Entwicklung «ESG-konformer» Governance-Strukturen mitwirken. Sie müssen auch die Einhaltung von ESG-Berichtspflichten sicherstellen und Schulungen zur Förderung des Bewusstseins für ESG-Themen anbieten.

Wie wichtig werden rechtssichere Unternehmensdokumentationen und die

neu zu erstellenden, nicht-finanziellen Berichterstattungen?

Unternehmensdokumentationen und nicht-finanzielle Berichterstattungen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Sie tragen zur Compliance bei, schaffen Transparenz und stärken das Vertrauen von Stakeholdern. Sie sind zentral für das Risikomanagement und unterstützen fundierte Entscheidungen von Investoren und anderen Interessengruppen. Zudem können sie bei potenziellen Unternehmenstransaktionen

die Attraktivität und den Marktwert eines Unternehmens steigern, da sie Risiken minimieren und eine stabilere Performance aufweisen. Darüber hinaus ziehen rechtssicher dokumentierte Unternehmen in der Tendenz leichter Investoren an und profitieren von einer loyalen Kundenbasis.

Die ESG-Vorschriften gehen jeden einzelnen Mitarbeitenden an. Was bedeutet das für den Verhaltenskodex oder die Antikorruptionsrichtlinien?

Unternehmen sollten flexible Governance-Strukturen schaffen, die schnelle Anpassungen ermöglichen. Die Stärkung interner Expertise durch Schulungen und die Einbindung externer Berater ist dabei ebenso wichtig wie die Etablierung integrierter Risikomanagementsysteme, die ESG-Risiken berücksichtigen. Eine transparente Berichterstattung und ein regelmässiger Dialog mit Stakeholdern helfen, relevante Informationen zu sammeln und die Reaktionsfähigkeit zu verbessern. Zudem können eine nachhaltige Unternehmenskultur und Anreizsysteme die Mitarbeitenden motivieren, sich an neue ESG-Vorschriften anzupassen, was wiederum die rechtliche Absicherung und Umsetzung von ESG-Massnahmen erleichtert.

Sandro Fries Rechtsanwalt bei KPMG Schweiz
Steckbrief
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«Nachhaltigkeit schafft Orientierung »

Wie können Unternehmen sich und ihr Tun auf eine nachhaltige Zukunft ausrichten?

Thomas Bertschinger, Geschäftsleiter

Helbling Business Advisors Schweiz & Verantwortlicher Nachhaltigkeit Helbling Gruppe, über Nachhaltigkeitsstrategien, die alle mitnehmen und wirklich funktionieren.

Herr Bertschinger, wie hängt ein nachhaltiges Wirtschaften mit dem langfristigen Wert eines Unternehmens zusammen?

Stakeholder und Kapitalgeber bewerten Unternehmen in der Regel höher, wenn diese sinnvolle und nutzenstiftende Produkte herstellen sowie Dienstleistungen erbringen, die mit möglichst geringem negativem Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft hergestellt werden. Ein exzellentes Nachhaltigkeitsmanagement schafft Vertrauen und trägt beispielsweise bei börsennotierten Unternehmen durch eine Höherbewertung der immateriellen Vermögenswerte zu höheren Marktkapitalisierungen bei. Im Mittelstand können bei Mergers & Acquisitions tendenziell höhere Preise erzielt oder Kreditvergaben begünstigt werden.

Sie plädieren dafür, «Win-win-Lösungen» zu schaffen, die gleichberechtigt der Umwelt, der Gesellschaft und dem eigenen Unternehmen zugutekommen. Ist ein solcher ganzheitlicher Ansatz für Geschäftsleitungen schwieriger zu definieren als die Eigengewinnfixierung der Vergangenheit?

Die Anforderungen sind diesbezüglich sicher viel komplexer geworden. Es gilt weiterhin, finanziell erfolgreich zu sein und Wachstum zu erzielen. Daneben müssen zahlreiche Anspruchsgruppen in einem zunehmend anspruchsvollen regulatorischen Umfeld sowie auch vor dem Hintergrund generell zunehmender Dynamik und Komplexität erfolgreich gemanagt werden. Dies führt zwangsläufig zu höheren Anforderungen an die Strategien, die Führung und auch allgemein zu höheren Kosten, die es wiederum zu erwirtschaften gilt.

Wie können Unternehmen eine für sie passende Nachhaltigkeitsstrategie finden?

Ein Unternehmen sollte in einem ersten Schritt intern und mit strategisch wichtigen Anspruchsgruppen (z. B. Kunden, Eigner/Aktionäre, Zulieferer, Anrainer) klären, wie und welche ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Themen mittelfristig seine Wertschöpfung bzw. seine Wettbewerbsfähigkeit beeinflussen. Dann gilt es zu ermitteln, wie sich sein Geschäftsgebaren sowie seine Leistungen und Produkte auf diese Aspekte auswirken. Daraus lassen sich Fokusfelder identifizieren und priorisieren. In einem zweiten Schritt können dann Stossrichtungen abgeleitet werden. Diese können beispielsweise in Richtung Risikominimierung bezüglich Reputationsschäden, Effizienzsteigerungen oder auch Differenzierung über ein nachweislich nachhaltigeres Produkt- und Leistungsangebot zielen. Ganz wichtig ist, dass die Nachhaltigkeitsstrategie als Teil der Unternehmensstrategie verstanden und die Umsetzung über eine breite Verankerung im Unternehmen sichergestellt wird.

Nachhaltiges und langfristiges Wachstum braucht auch Mut und neue Geschäftsmodelle. Wie einfach ist es, solche zu finden?

Gänzlich neue Geschäftsmodelle zu finden, ist sicher anspruchsvoll. Ein eindrückliches Beispiel ist hier die AMAGGruppe in der Schweiz, die sich aus dem Autohandel in ein integriertes Unternehmen für Mobilität und Energie weiter entwickeln wird. Bei Start-ups, die neue Technologien für mehr Nachhaltigkeit entwickeln, stellt sich ebenfalls die Frage, welches Geschäftsmodell sie mittelund längerfristig aus der Forschung und Entwicklung heraus anstreben wollen. Dies stellt häufig einen Knackpunkt für den Erfolg dar, da für diese Entwicklung komplett neue Anforderungen an das Management gestellt werden. Für die meisten Unternehmen geht es aber weniger darum, völlig neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, sondern darum, relativ niederschwellig die bestehenden Modelle weiterzuentwickeln über neue Produkte, Kundengruppen und Veränderungen in der Wertschöpfungskette, z. B. über Rücknahme/Recycling ihrer Produkte.

Wie einfach ist es für Sie, die tatsächlichen ökologischen und sozialen Auswirkungen einer Unternehmertätigkeit zu beziffern?

Es ist schwierig und aufwendig. Selbstverständlich sollten die vorher besprochenen Massnahmen für das Management der Fokusfelder mit messbaren Kennzahlen hinterlegt und kontinuierlich gemessen werden. Häufig sind das Werte, wie z. B. der CO2-Fussabdruck, die nicht in automatisierter Form

Thomas Bertschinger Geschäftsleiter

Steckbrief

Unternehmensberatung für nachhaltige Zukunftsgestaltung –umgesetzt

Helbling Business Advisors unterstützen Unternehmen bei existenziellen, strategischen, operativen und finanziellen Weichenstellungen. Hochengagierte Professionals mit industriellem Fokus erarbeiten mit den Teams der Unternehmen nachhaltige Zukunftslösungen für mehr Wachstum, Ertrag und Wettbewerbsfähigkeit.

Mehr Informationen unter helbling.ch

erhoben werden können. Entsprechende Routinen sind dann zunächst einmal zu entwickeln und prozessual zu verankern, sodass über mehrere Jahre eine Entwicklung gezeigt werden kann. Bei sozialen Auswirkungen wird es naturgemäss noch schwieriger. Des Weiteren wollen sich Unternehmen ja auch vergleichen, sodass man auf einheitliche Regelwerke wie z. B. das TCFD-Reporting (Task Force on Climate-related Financial Disclosures) im Klimabereich zurückgreifen muss, deren Implementierung aber wiederum mit hohem Aufwand verbunden ist.

Nachhaltigkeit muss auch gelebt werden. Wie erreicht eine Nachhaltigkeitsagenda denn tatsächlich alle Ebenen eines Unternehmens?

Nach unserer Erfahrung braucht es zunächst das absolute Commitment der Eigentümerschaft und des

Topmanagements. Sodann müssen Nachhaltigkeitsstrategie und -ziele transparent und motivierend vermittelt und auch alle Mitarbeitenden entsprechend geschult werden, mit Kontext in Bezug auf die spezifischen Aufgaben und das Umfeld. Die Verantwortlichkeit sollte organisatorisch verankert werden und über Budgetierung und Reporting sollten auch jährlich neue Ziele gesetzt und transparent verfolgt werden. Haben Unternehmen manchmal Angst, wenn sie ihr ESG-Rating erfahren? Wie kann man dieser Angst begegnen? Angst ist wohl als Begriff etwas überzogen. Ich würde von Respekt sprechen.

Aufgrund der Inflation an ESG-Ratings sollten sich Unternehmen auf diejenigen beschränken, d. h. deren Fragen beantworten, die methodisch robust und transparent sind und von einer Stakeholdergruppe (z. B. Investoren, Kunden) als relevant betrachtet und bei wichtigen Entscheidungen wie Investitionen oder Käufen berücksichtigt werden. Da in der Regel ESG-Ratings auf öffentlich

verfügbaren Unternehmensinformationen (Website, Jahresberichte, Policy Papers etc.) und Questionnaires basieren, ist es wichtig, dass diese sachgemäss publiziert bzw. beantwortet werden. Es lohnt sich dabei, eine Zweitmeinung eines Experten einzuholen.

Wie helfen Sie Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen? Wir von Helbling sehen uns primär als Enabler zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen. Dazu setzen wir bei der Formulierung entsprechender Strategie und Ziele, bei Unterstützung für die Neugestaltung von Geschäftsmodellen, beim Redesign der Wertschöpfungsketten oder auch beim Produktionsfootprint an. Darüber hinaus helfen wir bei Immobilien und Infrastruktur, mit entsprechenden Dienstleistungen den Energieverbrauch zu optimieren. Last, but not least sind wir mit unseren Engineering-Dienstleistungen stetig daran, mit unseren Kunden zusammen nachhaltigere Produkte, die z. B. kreislaufwirtschaftstauglich sind, zu entwickeln.

Stakeholder und Kapitalgeber bewerten Unternehmen in der Regel höher, wenn diese sinnvolle und nutzenstiftende Produkte herstellen sowie

Dienstleistungen erbringen.

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«Von Transparenzvorschriften bis Greenwashing-Verbot: Unternehmen sind gefordert!»

Neue Transparenz- und Sorgfaltsvorschriften, verschiedene Berichterstattungsstandards, striktere ESG-Ratings sowie «Greenwashing»Regulierungen: Unternehmen müssen ihre Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit nicht nur leben, sondern auch regelmässig überprüfen und berichten.

Dr. Martin Eckert und Adrian Peyer, Partners und Co-Heads ESG Practice bei MME, erläutern, wie ein modernes Risikomanagement und die dafür nötigen Strukturen Unternehmen und Umwelt stärken.

Herr Peyer, wie wichtig sind klare und transparente Governance-Strukturen, um Unternehmen und auch deren Impact wachsen zu lassen? In der heutigen globalisierten und vernetzten Welt sind Umwelt-, Sozial- und Governance-Überlegungen (ESG) zu grundlegenden Faktoren für die Entscheidungsfindung von Unternehmen geworden. ESG umfasst ein breites Spektrum an Themen, vom Klimawandel über Menschenrechte bis hin zu ethischen Geschäftspraktiken. Klare und transparente Governance-Strukturen sind das Fundament für Unternehmen: Während die Geschäftsleitung unter ständigem Druck steht, kurz- und mittelfristig eine starke finanzielle Leistung zu erbringen, haben Verwaltungsratsmitglieder einen anderen Zeithorizont. Verwaltungsräte spielen eine entscheidende Rolle bei der langfristigen Steuerung von Unternehmen. Und die ESG-Herausforderungen, mit denen Unternehmen heute konfrontiert sind, erfordern nachhaltige, langfristige Massnahmen und Strategien.

Herr Dr. Eckert, die EU möchte ESGRatings regulieren und damit verlässlicher machen. Was bedeutet das für das Risikomanagement der Unternehmen? Durch ESG-Ratings wird eine Stellungnahme zum Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens oder eines Finanzinstruments abgegeben, indem die Nachhaltigkeitsrisiken und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt bewertet werden. ESG-Ratings werden immer wichtiger für das Funktionieren der Kapitalmärkte und das Vertrauen der Anleger in nachhaltige Produkte. Das EU-Parlament hat kürzlich einen Verordnungsvorschlag verabschiedet, mit dem ESG-Ratings verlässlicher und vergleichbarer gemacht werden sollen. Ziel ist es, das Anlegervertrauen in nachhaltige Produkte zu stärken. Die Verordnung stellt erstmalig Transparenz- und Integritätsanforderungen an Rating-Tätigkeiten im Bereich ESG. Rating-Firmen werden verpflichtet, die bei den

ESG-Ratings verwendeten Methoden offenzulegen. Offenzulegen ist auch, ob für ein Rating Feldforschung vorgenommen wurde. Verstärkt wird auch der Rechtsschutz für Unternehmen, die aus ihrer Sicht «unfair» beurteilt werden.

Die Anpassung des CO2-Gesetzes bedeutet nun auch ein Verbot von falschen oder irreführenden «Greenwashing»-Aussagen. Welche Unternehmensbereiche sind davon tangiert? Mit der erneuten Anpassung des CO2Gesetzes hat das schweizerische Parlament auch das UWG (Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) angepasst. Unlauter handelt neu, wer Angaben über sich, seine Werke oder Leistungen in Bezug auf die verursachte Klimabelastung macht, die nicht durch objektive und überprüfbare Grundlagen belegt werden können (Art. 3 Bst. x UWG). Als Angaben in Bezug auf die Klimabelastung kommen diverse Informationen in Frage: qualitative Aussagen («nachhaltig», «klimaneutral», «grün», «CO2-frei», etc.); quantitative Angaben (KPIs, CO2-Verbrauch in Tonnen, Kompensationen, Zahlen zu Scope 1, 2 und 3, Fortschrittsmessung, Erreichung quantitativer Ziele, Aussagen zu klimabedingten finanziellen Risiken, etc.); prozessuale Informationen (Beschreibung der ergriffenen Massnahmen zur Reduktion der Klimabelastung, Erfolgsstorys, Interviews, etc.). Das Greenwashing-Verbot betrifft grundsätzlich alle Tätigkeiten und Unternehmensbereiche. Wir raten Unternehmen die «Awareness» für das Thema Greenwashing zu schärfen und angemessene Massnahmen zu ergreifen, z.B. Integration in Risikomanagement und IKS, interne Weisungen und Schulungen der relevanten Mitarbeitenden.

Herr Peyer, wie muss eine klare Corporate Social Responsibility (CSR) im Unternehmen verankert sein, damit sowohl die Beschäftigten als auch die Kundinnen und Kunden um diese Verantwortung wissen und sie entsprechend verstehen, umsetzen oder honorieren?

Wichtig ist, wie erwähnt, die Governance Struktur und die Dokumentation der Grundsätze und Prozesse (Code of Conduct; Supply Chain Policy; Supplier Code of Conduct etc). CSR muss

Dr. Martin Eckert: Als einer der drei Gründungspartner von MME ist Dr. Martin Eckert ein Generalist. Er verfügt über eine umfassende Erfahrung in der Beratung von international orientierten Daten-, Technologie- und Handelsunternehmen - inklusive M&A. Er ist ein Klimarecht- und ESG-Pionier.

Adrian Peyer: Erfahrener Berater in den Bereichen Recht, Compliance, Ethik, VR-Sekretariat sowie Umwelt, Soziales und Governance (ESG). Mit seinem einzigartigen Hintergrund als langjähriger General Counsel eines börsenkotierten Unternehmens, VRSekretär und Start-up-Unternehmer, berät er Unternehmen jeder Grösse auf ihrem ESG-Weg – von der Strategie bis zur pragmatischen Umsetzung und von

der Governance bis zur regulatorischen Berichterstattung.

Für die nächste Generation: MME hilft beim Aufbau einer nachhaltigen Zukunft Wir beraten umfassend und interdisziplinär in den Bereichen Recht, Steuern und Compliance. Als innovatives Beratungsunternehmen unterstützen und vertreten wir Unternehmen und Privatpersonen in allen wirtschaftlichen und zukunftsweisenden Angelegenheiten. Wir betreuen unsere Klienten persönlich und setzen uns für sie ein: unkompliziert und beharrlich - in der Schweiz und international.

Mehr Informationen unter mme.ch

Geschäftsjahren überschreiten (CHF 25 Mio. Bilanzsumme, CHF 50 Mio. Umsatzerlös und 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt) Bericht über «Transparenz über Nachhaltigkeitsaspekte», wie dies neu betitelt wird, erstatten müssen. Wir empfehlen Unternehmen, frühzeitig zu prüfen und zu dokumentieren, ob sie zukünftig unter die Berichterstattungspflicht fallen werden. Die Vorbereitungszeit für die Erstellung des Berichts ist nicht zu unterschätzen. Zudem ist der Bericht nur das Endprodukt. Wichtig ist, dass die Governance-Strukturen, Prozesse und Daten so erstellt werden, dass sie «prüffest» sind.

Martin Eckert

Legal Partner

Rechtsanwalt

Adrian Peyer

Legal Partner

Rechtsanwalt

schärfen und angemessene Massnahmen zu ergreifen.

durch den Verwaltungsrat sowie die Geschäftsleitung vorgelebt und getragen werden. Der sogenannten «tone at the top» ist ausschlaggebend, ob die CSR-Bemühungen eines Unternehmens glaubwürdig sind und die Mitarbeitenden sowie Kunden das Vertrauen in das ethische Verhalten des Unternehmens haben. Ebenso sollte die Vergütung der Geschäftsleitung an Kriterien der CSR gebunden sein. So kann sichergestellt werden, dass die langfristen Ziele in die Entscheidungen der GL einfliessen und auch honoriert werden

Nach den vorgeschlagenen Änderungen des Obligationenrechts werden Nachhaltigkeitsberichte bald nicht nur für börsenkotierte Unternehmen zwingend sein. Auf was müssen neu betroffene Unternehmen nun achten?

Gemäss den vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickten Änderungen des ORs würden neu etwa 3‘500 Unternehmen von der erweiterten Anwendung der Berichterstattungspflicht erfasst. Heute sind es ca. 300! Neu würden Unternehmen, die zwei von drei relevanten Grössen in zwei aufeinander folgenden

Herr Dr. Eckert, Herr Peyer, Sie beraten Unternehmen schon lange bei der Organisation, Führung und Aufsicht von ESG-Themen. Welche Bereiche werden in den nächsten Jahren noch an Bedeutung gewinnen? Wo sollten Unternehmen jetzt schon tätig werden, um Verträge oder Dokumentationen anzupassen oder ESG-Vorschriften schneller umsetzen zu können?

Dr. Martin Eckert: Die Regulierung im Bereich «ESG» wird insbesondere von der EU und dem sogenannten «Green Deal» getrieben. Die Fragmentierung der Regulierung auf internationaler Ebene ist sehr gross, insbesondere in den USA. Daher müssen international tätige Unternehmen die regulatorischen Entwicklungen global verfolgen. Oft werden Schweizer Unternehmen nicht direkt von den entsprechenden Regulierungen betroffen sein, aber indirekt als Teil der Lieferkette. Schnell besteht das Risiko, dass ein Unternehmen aus der Lieferkette «entfernt» wird, falls sich ein Unternehmen nicht an die erforderlichen Vorschriften hält und entsprechende Nachweise erbringen kann.

Adrian Peyer: Wichtig scheint uns, dass Unternehmen jetzt beginnen ihre Prozesse zu optimieren, Daten zu sammeln und zu verifizieren, so dass die Governance-Struktur als Fundament der ESGAnforderungen steht und zukunftsfähig ist. Darauf aufbauend können agil und zeitnah spezifische Anforderungen von neuen Regularien oder Lieferanten abgebildet werden. In der Optimierung der Prozesse und Governance liegt auch die Chance für ein Unternehmen: Es kann effizienter und agiler werden und sich damit einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten.

Steckbrief

VON RÜDIGER SCHMIDT-SODINGEN

Als am 24. April 2013 in Savar in Bangladesch die Textilfabrik Rana Plaza einstürzte und 1135 Menschen tötete, veränderte das nicht nur die internationale Modewelt, die hier, zwischen rissigen Wänden und für niedrigste Hungerlöhne, ihre Anziehsachen produzieren liess. «I don’t want to die for fashion» stand auf einem Schild, das eine Arbeiterin zum zweiten Jahrestag auf dem Gelände der ehemaligen Fabrik hochhielt. Mittlerweile wachsen dort Pflanzen, doch die 1’135 Toten und über 2’000 Verletzten haben in zahlreichen Ländern für ein Umdenken gesorgt – und die «menschenrechtlichen Auswirkungen» ausgelagerter Arbeit, wie es in den «Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte» der Vereinten Nationen heisst, zum zentralen Thema gemacht. In Teil II zur «Verantwortung des Unternehmens zur Achtung der Menschenrechte» forderte die UN noch einmal konkrete Grundsätze und Vorgehensweisen ein: «Wirtschaftsunternehmen müssen wissen und zeigen, dass sie die Menschenrechte achten.»

Mit 374 Ja-Stimmen zu 235 NeinStimmen stimmte das EU-Parlament nun am 24. April, genau elf Jahre nach dem Unglück, für ein europäisches Lieferkettengesetz, das Unternehmen dazu verpflichten soll, ihre Lieferketten auf Umwelt- und Arbeitsstandards zu überprüfen und anzupassen. Obwohl hierzulande seit 2022, dank der Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt», Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten in den Bereichen Konfliktmineralien und Kinderarbeit ins Obligationenrecht aufgenommen wurden, stellt das EUGesetz zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive, kurz CSDDD, Unternehmen vor neue Herausforderungen –nicht zuletzt, weil es mit zivilrechtlichen Folgen droht und auch konkrete Manpower oder kleinere Teams verlangt, die sich um die Zustände und Auswirkungen bei vor- und nachgeschalteten Lieferanten kümmern.

«Bemühungspflichten» mit Berichtspflicht

In einer vertieften Analyse untersuchten die BSS Volkswirtschaftliche Beratung und das Öko-Institut e.V. im Auftrag des Bundesamts für Justiz und des Staatssekretariats für Wirtschaft im vergangenen November die «Auswirkungen der CSDDD auf die Unternehmen, den Standort und den Wettbewerb in der Schweiz». Dafür wurden 650 Unternehmen befragt, Fachgespräche geführt sowie Zoll- und Unternehmensdaten ausgewertet. Die Analyse hält zunächst fest, dass es sich bei den Sorgfaltspflichten der CSDDD um «Bemühungspflichten» handele, sprich «die Unternehmen nicht verpflichtet werden, festgelegte Handlungen umzusetzen oder vordefinierte Ziele zu erreichen». Vielmehr gehe es um das Einrichten von Verfahren zum Risikomanagement, die mittels «organisatorischer Vorkehrungen» Risiken identifizieren und in einem nächsten Schritt konkrete Missstände beheben oder komplett abstellen könnten. Die CSDDD baue «also auf das selbstverantwortliche Handeln der Unternehmen und gibt ihnen grosse Freiheiten bei der Umsetzung», allerdings müssten Unternehmen Beschwerdemechanismen einrichten und Berichte über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten verfassen. Die Bemühung gipfele also in konkreten Berichten – und nicht nur in schönen Worten oder Absichten. Für die Schweiz, so die Analyse, würden «rund 160 bis 260 Schweizer Unternehmen unter die Drittstaatenregelung der CSDDD fallen». Insgesamt sei «die Zahl der von der CSDDD direkt betroffenen

Unternehmen in der Verantwortung

Behördliche Aufsicht, Haftungsfragen, Berichtspflichten: Womit müssen Schweizer Unternehmen rechnen, wenn die EU ihr Lieferkettengesetz verabschiedet?

Unternehmen zwar klein», doch handele es sich bei diesen Unternehmen um «Grossunternehmen mit hohen Umsätzen, die deshalb einen grossen Beitrag zur Wertschöpfung in der Schweiz leisten».

Wer ist betroffen?

Da ein grosser Teil der erstmalig betroffenen Unternehmen in der EU die entstehenden Pflichten und Haftungsrisiken an ihre Zulieferunternehmen weiterreichen werde, «dürften insbesondere auch Schweizer Unternehmen betroffen sein», so die Untersuchung. Erschwerend komme hinzu, dass die Sorgfaltspflichten nicht nur nachgelagerte, sondern auch vorgelagerte Unternehmen, Zulieferer und Dienstleister tangieren, die laut Artikel 3 der CSDDD mit der Finanzierung, Forschung und Entwicklung oder Entsorgung der Produkte des sorgfaltspflichtigen Unternehmens beschäftigt sind.

Sollte die Schweiz das CSDDD-Gesetz in eigenes Recht überführen, würde

dies 400 bis 650 Schweizer Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten und 150 Millionen Euro Umsatz betreffen. Sollten parallel die OR-Bestimmungen zu Konfliktmineralien, die im CSDDD nicht genannt werden, weiterhin Bestand haben, seien noch knapp 130 Unternehmen mehr betroffen. Dazu rechnet die Analyse mit mindestens 10’000 und höchstens 50’000 mittelbar betroffenen Unternehmen, die in der Wertschöpfungskette anderer Unternehmen stünden und sich entsprechend erklären müssten. Dass sei zweifellos mit Kosten verbunden, denn die Unternehmensprozesse müssten an die Sorgfaltspflichten angepasst und mit neuen Beschwerdemechanismen und Systemen zur Datenerhebung und Risikoanalyse ausgestattet werden. «Stellen die Unternehmen Risiken fest, müssten sie Massnahmen ergreifen. Ausserdem müssten die betroffenen Unternehmen Berichte über ihre Tätigkeiten in Bezug auf die Sorgfaltspflichten ablegen. Neben den direkten Kosten zur Umsetzung

Hin- statt wegschauen: Verantwortung lebt vom aktiven Mitmachen

©iStockphoto.com/Martin Barraud

der Sorgfaltspflicht kommen Haftungsrisiken und Rechtsunsicherheiten auf die Unternehmen zu.»

Was ist zu tun?

Zwar seien etliche Unternehmen durch die Schweizer OR-Bestimmungen, die deutschen und französischen Lieferkettengesetze oder entsprechende EU-Verordnungen bereits an Datenerhebungen und ein darauf aufbauendes Berichtswesen gewöhnt, doch «mit der Einführung des CSDDD würde die Zahl und der Umfang» von eingehenden

Fragebögen, entsprechend angepassten Datensammlungen und -aufbereitungen und eingeforderten Verhaltensweisen nochmals erhöht werden. Gegen mögliche Haftungsansprüche helfe nur eine saubere Dokumentation, die zweifellos Geld koste und auch Ressourcen binde.

Mit konkreten Massnahmenplänen, mehr Kooperationen, besseren Vertragsgestaltungen, aber auch einem gezielten Austausch von Partnern könnten Diskriminierungen und unfaire Arbeitsbedingungen abgebaut werden. Gleichzeitig könnten alte Abhängigkeiten zu neuen Partnerschaften führen. Als probates Mittel gegen Rechtsunsicherheit nennt die Analyse das Etablieren branchenspezifischer Standards und Initiativen, die Ziele selbst formulieren und überprüfen. Dazu bedürfe es einer Koordination unterschiedlicher Abteilungen und einer längst überfälligen näheren Kontaktaufnahme zu Zulieferern und Kooperationspartnern. Besonders KMU könnten hier ins Straucheln kommen, wenn sie nicht in geeignete Daten- und Kommunikationssysteme investieren – und dann, als Folge unzureichender Dokumentationen, Aufträge verlieren und buchstäblich aus der Wertschöpfungskette fallen. Wer als vermeintlich kleiner Dienstleister nur auf den Umsatz schielt und beim Geschäftsmodell bewusst Risiken ausklammert oder nichts von ihnen wissen will, könnte bald um einige Auftraggeber ärmer sein – oder kein Geschäft mehr haben.

Chancen: bessere Reputation, mehr Innovation Insgesamt sieht die Analyse keine gravierenden Wettbewerbs- und Standortnachteile für Schweizer Unternehmen, da sich die CSDDD gleichberechtigt an alle Unternehmen wende. Sie plädiert am Ende sogar für einen Nachvollzug der CSDDD in Schweizer Recht, da womöglich «Doppelspurigkeiten abgebaut» werden könnten. Zugleich arbeite die CSDDD für eine bessere Reputation und grössere Innovationskraft von Unternehmen und erhöhe damit auch das Vertrauen und die Investitionsbereitschaft von Anlegern.

Ein wichtiger Aspekt der CSDDD ist sicherlich, dass die Politik die Unternehmen dazu nutzt oder benutzt, in ihren engen oder weiteren Kreisen sozial- und umweltpolitische Standards zu erforschen und zu verbessern. Dies kann im Umkehrschluss bedeuten, dass Unternehmen und Politik sich wieder mehr als Partner verstehen, die an einem Strang ziehen und sich für ein gemeinsames Ziel einsetzen. Im Hinblick auf die grossen, globalen Herausforderungen, zu denen Natur- und Menschenwürde als Schlüsselprobleme zählen, ist dies sicher ein positives Signal.

Die CSDDD baue «auf das selbstverantwortliche Handeln der Unternehmen und gibt ihnen grosse Freiheiten bei der Umsetzung».

«Die Umstellung der Produktionsprozesse ist ein zentrales

Element jeder

Dekarbonisierung »

Die CO2-Reduzierung und -Vermeidung stellt vor allem Unternehmen vor grosse Herausforderungen.

Wie die richtige Strategie Kosten spart, ungenutzte Potenziale freilegt und gleichzeitig den Umweltfussabdruck verkleinert, erklärt Frank R. Ruepp, Geschäftsführer der Energie-Agentur der Wirtschaft, EnAW.

Herr Ruepp, wie ist die Stimmung in den Unternehmen, wenn man die Stichworte «Energiewende» oder «Dekarbonisierung» vorträgt?

Die Unternehmen zeigen vermehrt grosses Interesse daran, energieeffizienter zu werden und ihren Betrieb zu dekarbonisieren. Das zeigt sich auch bei unserer Bilanz, die wir jedes Jahr in Form eines Leistungsausweises erstellen: Die Zahl der Unternehmen, die bei der EnAW mitmachen, wächst. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass Unternehmen Geld sparen, wenn sie energieeffizienter produzieren, und dadurch Wettbewerbsvorteile haben, aber nicht nur: Heutzutage gehört die Verantwortung für den schonenden Umgang mit Ressourcen und damit die Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen zu einem wichtigen Pfeiler in der Firmenkultur vieler Unternehmen. Insofern haben Betriebe heute auch eine intrinsische Motivation, auf Energieeffizienz und Dekarbonisierung zu setzen.

Sehen KMU die Lage anders als grosse Unternehmen oder Konzerne? Das kann man so pauschal nicht beantworten. Richtig ist, dass grosse Unternehmen und Konzerne oftmals Nachhaltigkeitsverantwortliche oder Umweltbeauftragte beschäftigen und deshalb schon tiefer im Thema drin sind und entsprechende Personalressourcen zur Verfügung haben. Wir treffen aber auch auf KMU, die sich mit der Thematik intensiv auseinandergesetzt und schon einige Massnahmen ergriffen haben. Diese KMU wünschen aus Ressourcen- und Know-how-Gründen aber eher externe Begleitung und Unterstützung, unter anderem auch von der EnAW.

Mit Ihrer «Roadmap zur Dekarbonisierung» unterstützen Sie Unternehmen bei massgeschneiderten Dekarbonisierungs-Strategien. Auf was kommt es dabei an?

Wichtig ist, dass das Unternehmen mit der EnAW-Beraterin oder dem -Berater einen vertrauensvollen Austausch hat. Die Beraterin oder der Berater benötigt einen tiefen Einblick in die Unternehmensabläufe, -prozesse und Datenbasis, um entscheiden zu können, welche Massnahmen sinnvoll sind und welche nicht. Wichtig ist auch, dass das Unternehmen bereit ist und die finanziellen Möglichkeiten hat, in Massnahmen zu investieren. Ohne dies geht es nicht. Unternehmen investieren dadurch vor allem in ihr Kerngeschäft. Die Finanzierung von anderen Projekten, die sich nicht sofort auszahlen, scheint daher zunächst schwierig. Und schliesslich muss sich das Unternehmen bewusst sein, dass die Implementierung der Massnahmen auch auf den Produktionsprozess Einfluss haben können. Daher ist es wichtig, die Mitarbeitenden von Beginn weg in diesen Dekarbonisierungsprozess mitzunehmen.

Gibt es eine Herausforderung beim Sammeln spezifischer Daten oder Kennzahlen?

Datenschutz ist natürlich ein wichtiges Thema. So lassen sich anhand von Kennzahlen zur Herstellung von Produkten auch Rückschlüsse bezüglich Kostenstrukturen ziehen, die von der Konkurrenz zum eigenen Vorteil genutzt werden könnten. Ein professioneller Umgang mit diesen Daten, wie ihn die EnAW bietet, und der Einsatz von State-of-theArt-Tools und -Technologien hilft auch dabei, diese Daten gezielt zu schützen.

Bei der Dekarbonisierung haben Sie sechs Massnahmenfelder definiert, die die eingesetzten Technologien, betriebliche Optimierungen, Wärme- und Kältenetze, neue Energieträger, die CO2Emmissionen, aber auch neue Produkte

betreffen. Welches Feld fordert Unternehmen bei den Planungen am meisten? Das ist sehr individuell. Grundsätzlich aber sind jene Massnahmenfelder, die stark in den Produktionsprozess oder in die Ausgestaltung und Qualität eines Produktes des Unternehmens eingreifen, in der Planung sehr herausfordernd. Bezüglich des Produktes geht es darum, dass dieses qualitativ zumindest gleichbleibend produziert werden kann, aber eben energieeffizienter. Die Umstellung der Produktionsprozesse ist sicherlich ein zentrales Element jeder Dekarbonisierung oder auch Defossilisierung, ist aber risikobehaftet, wie eine Operation am offenen Herzen.

Auch Ihr Angebot «Ressourceneffizienz» wirkt in mehrfacher Hinsicht. Einmal decken Sie die ressourcensenkenden Potenziale eines Unternehmens auf und helfen mit der Daten- und Prozessanalyse gleichzeitig bei der Erstellung der Nachhaltigkeitsberichte. Wie funktioniert das?

Nach der Daten- und Prozessanalyse des Betriebes wird die Umweltwirkung bewertet. Daraus lassen sich die Massnahmen und Ziele ableiten, um den Umweltfussabdruck zu reduzieren. Die Umsetzung der Massnahmen wird jährlich überprüft und bewertet. Wenn die Ziele erreicht sind, bekommt das Unternehmen die Datenauswertung und kann diese für ihr eigenes Datenreporting verwenden, also etwa für die Science Based Targets Initiative (SBTi) oder die GRI-Reportings. Dabei ist für uns wichtig, dass die EnAW bezüglich des Ökobilanzreportings systemoffen bleibt.

Sie werben jeweils für eine ruhige, schrittweise Vorgehensweise. Agieren Unternehmen oftmals zu hektisch oder kurzsichtig?

Das würde ich so nicht sagen. Die Schwierigkeit besteht vielmehr darin, den Überblick nicht zu verlieren. Gerade Massnahmen, die auf den ersten Blick banal erscheinen, sind diejenigen, die in

der Summe dann eben doch eine grosse Wirkung erzielen können. Andere Massnahmen wiederum stellen auf dem Papier einen grossen Hebel dar, aber sie passen nicht in die Ausrichtung des Unternehmens oder sind im Betrieb aus technischen und finanziellen Gründen schlicht nicht umsetzbar. Der erste Schritt ist immer die Begehung und Analyse vor Ort, um zu verstehen, welche Massnahmen zu dem Betrieb passen. Dieser erste Schritt bringt dann den Prozess ins Rollen, bei welchem dann die Ist-Zustandsund Potenzialanalyse folgt.

Wo sehen Sie in den nächsten Jahren die grössten Herausforderungen, wenn es um das Netto-Null-Ziel oder die angestrebte Kreislaufwirtschaft geht?

Steckbrief

Energiewende umsetzen Möchten Sie Ihr Unternehmen für die Zukunft fit machen und die Ressourcen Ihres Betriebes sowie der Umwelt schonen? Seit über 20 Jahren begleiten EnAW-Beraterinnen und -Berater Unternehmen aus allen Branchen und Wirtschaftszweigen dabei, ihre Energie- und Ressourceneffizienz kontinuierlich zu steigern und dabei auf erneuerbare Energien zu setzen. Mit konkreten Massnahmen unterstützt die EnAW Unternehmen auf dem Weg zu weniger CO2 tieferen Kosten und mehr Energie- und Ressourceneffizienz.

Mehr Informationen unter enaw.ch

Momentan machen die Unternehmen viele Schritte hin zum Netto-Null-Ziel und zur Kreislaufwirtschaft, indem sie beispielsweise über die von der EnAW vorgeschlagenen Massnahmen Emissionsreduktionen erzielen oder Stoffe aufbereiten und wiederverwerten, die sie früher entsorgt haben. Einige dieser Schritte sind gross, andere eher klein. Bei den kleinen Schritten wird oft hinterfragt, ob sie überhaupt sinnvoll sind, da ja die Wirkung überschaubar ist. Doch auf dem Weg zu unseren Zielen ist jeder einzelne Schritt wichtig, da es auch um die eigene Firmenkultur und die Verbindlichkeit gegenüber allen Stakeholdern geht. Etwas Wichtiges, dass man aber nicht vergessen darf, sind die Hochtemperaturprozesse in vielen Industrien, welche sehr schwierig zu dekarbonisieren sind, d.h. wo man noch auf Gas angewiesen ist. Hier liegt der Fokus, natürlich zusammen mit den Energielieferanten, auf der Substitution durch konkurrenzfähige Bio- oder synthetische Gase. Sollten sich diese Prozesse nicht umstellen lassen, kann es im Extremfall auch dazu kommen, dass bestimmte Produkte mit der aktuellen Spezifikation nicht mehr hergestellt werden können und durch andere ersetzt werden müssen. Eine weitere grosse Herausforderung von Gesellschaft, Politik und Verwaltung besteht darin, dass die Zielerreichung Netto-Null-2050 nicht zu einer Deindustrialisierung in der Schweiz führt und es zu Produktionsverlagerungen ins Ausland kommt. Damit wäre der Umwelt nicht gedient.

Insofern haben Betriebe heute auch eine intrinsische Motivation, auf

VON RÜDIGER SCHMIDT-SODINGEN

Wie diese Politik gelingen kann, beschreibt die St. Gallener Rechtsanwältin und Notarin

Susanne Vincenz-Stauffacher, FDP, Mitglied des Nationalrates und dort auch Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-N).

Frau Vincenz-Stauffacher, die Wichtigkeit einer nachhaltigen Umwelt- und Klimapolitik ist mittlerweile unstrittig. Wie schätzen Sie die entsprechende Klimapolitik der Schweiz derzeit ein? Ich möchte vorausschicken: Im Bereich Umwelt und Klima muss die Energiepolitik und damit die Versorgungssicherheit immer mitgedacht werden. Ohne genügend Energie laufen wir in der Wirtschaft, aber auch wir alle zusammen als Gesellschaft in eine Sackgasse, was schlussendlich weder der Umwelt noch dem Klima dient. Die Schweiz macht viel im Bereich der Umwelt-, Klima- und Energiepolitik. In den letzten drei Jahren haben wir im Parlament mehrere Vorlagen verabschiedet, welche die Schweiz in diesen Bereichen voranbringen sollen. Da ist zum einen das Klima- und Innovationsgesetz. Mit diesem wurde das Netto-Null-Ziel 2050 gesetzlich verankert. Dann das kürzlich von der Schweizer Bevölkerung an der Urne sehr klar angenommene Stromgesetz. Dieses bringt den dringend nötigen «Booster» für den Ausbau der erneuerbaren Energien mit Schwerpunkt Wasserkraft und Solarausbau, massvoll ergänzt mit Windenergie. Damit ist das Stromgesetz eine entscheidende Vorlage für die Erreichung des Klimaziels Netto-Null 2050. Es macht uns aber auch unabhängiger vom Ausland, weil es vor allem auch den Zubau für Winterstrom adressiert und wir so unseren Import im Winterhalbjahr reduzieren können. Und schliesslich das CO2-Gesetz, welches die Massnahmen zur Erreichung der Klimaziele definiert , oder die Beschleunigungsvorlage, die wir derzeit beraten. Dies zeigt: Es ist ein ganzer «Strauss» an Vorlagen, welche die ambitionierte und zielgerichtete, aber auch pragmatische Energie-, Umwelt- und Klimapolitik der Schweiz ausmacht. Vor diesem Hintergrund ist es völlig unverständlich, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zum Schluss kommen konnte, die Schweiz tue zu wenig zum Schutz der Bevölkerung gegen den Klimawandel. Aus diesem Grund habe ich es auch unterstützt, dass das Parlament zum besagten Urteil eine entsprechende Erklärung abgegeben hat.

In welchen Bereichen könnte noch mehr getan werden?

Ganz klar bei der Dauer der Bewilligungsverfahren für den Aus- und Zubau von Produktionsanlagen für erneuerbare Energien. Bei Neu- und Ausbauprojekten für grosse Stromproduktionsanlagen dauern die Verfahren heute noch viel zu lange. Die Erhöhung der Grimselstaumauer wartet zum Beispiel seit fast 20 Jahren auf eine Bewilligung. Obwohl das Stromgesetz bereits eine Verbesserung in diesem Bereich vorsieht, gilt es hier weiter dranzubleiben und die Verfahren zu straffen. Klar ist aber auch, dass die Bevölkerung in diese Prozesse einbezogen werden muss. In diesem Zusammenhang ist auch ein Blick auf das Verbandsbeschwerderecht zu werfen. An sich eine wichtige Errungenschaft und vom Grundsatz her zu schützen. Aber wenn es möglich ist, dass breit abgestützte Kompromisse von Kleinstvereinen über Jahre blockiert werden können, so wird das Verbandsbeschwerderecht zum Problem. So sind zum Beispiel mit den Wasserkraftprojekten Trift im Berner Oberland und Gornerli oberhalb Zermatt zwei Projekte des «Runden Tisches Wasserkraft» betroffen. Obwohl diese beiden Projekte von allen grossen Umwelt- und Naturschutzverbänden für

«Gesellschaftlicher Wohlstand und Klimaschutz widersprechen sich nicht, sondern gehen Hand in Hand»

Zwischen angestrebter Klimaneutralität und geplanten Stromproduktionsanlagen suchen Unternehmen wie Bürgerinnen und Bürger nach einer umfassenden, wirksamen Klima- und Energiepolitik.

gut befunden wurden, haben kleine Verbände dessen ungeachtet trotzdem Einsprache erhoben. Damit torpedieren sie nicht nur die Verbesserung der Stromversorgungssicherheit im Winter, sondern bringen das Verbandsbeschwerderecht selber und ohne Not unter Druck. Man darf gespannt sein, ob die besagten Verbände nach dem sehr klaren VolksJa zum Stromgesetz über die Bücher gehen.

Mit dem Stromgesetz hat das Parlament der Steigerung der erneuerbaren Stromproduktion höchste Priorität eingeräumt. Wieso sind Eignungsgebiete für Solar- und Windenergie wichtig und wie stehen Sie zur Forderung einer umfassenden Solarpflicht für Gebäude und Parkplätze?

Durch die Ausscheidung von Eignungsgebieten ermöglichen wir einen Ausbau der Stromproduktion dort, wo sie sinnvoll ist. Die übrige Landschaft wird zugleich besser geschützt, da sie nicht ins Eignungsgebiet fällt. Die Möglichkeit zur Abwägung ist also eine Win-Win-Situation für alle Seiten. Wenig abgewinnen kann ich demgegenüber einer umfassenden Solarpflicht. Der Ausbau von PV auf bestehenden Gebäuden ist zwar unbestritten eine effiziente Massnahme, da wir die bereits bestehende Infrastruktur nutzen können. Dieser Ausbau wird gemäss meiner Überzeugung aber ohne Zwang vorangehen. In diesem Zusammenhang wird von der Gegnerschaft von alpinen Solaranlagen immer wieder vorgebracht, eine Solarpflicht bei bestehenden und neuen Gebäuden würde die alpinen Anlagen überflüssig machen. Dabei wird aber übersehen, dass die alpinen Solaranlagen vor allem der Schliessung der Winterstromlücke dienen und eben auch dann Strom produzieren, wenn das Mittelland wenig Sonnenstunden hat.

Wie sehr hat Sie das Referendum gegen das intensiv verhandelte Stromgesetz überrascht?

Es hat mich schon überrascht, da das Gesetz im Parlament sehr breit unterstützt war. Wie so oft in der Politik waren am Ende alle ein bisschen unzufrieden, was in der Regel darauf hinweist, dass ein guter Kompromiss gefunden wurde. Jede Seite musste Kröten schlucken, aber am Ende hat man ein gutes, zukunftsfähiges Gesetz verabschiedet und sich gemeinsam dafür eingesetzt. Vor diesem Hintergrund hatte ich wenig

Verständnis für die Gegnerinnen und Gegner. Schlussendlich hatte das Referendum aber durchaus auch positive Seiten. Es hat uns ermöglicht, der Bevölkerung die Vorteile des Gesetzes aufzuzeigen und die zum Teil krassen «fake news» der Gegenkampagne aufzudecken. Dass uns dies angesichts der klaren Zustimmung der Bevölkerung an der Urne offensichtlich gelungen ist, freut mich nach wie vor sehr.

Lassen sich die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger, die beim Referendum einen «blinden Bauwahn» an die Wand malten, auch als Kommunikationsproblem lesen?

Nein, nicht wirklich. Diese Sorgen gründeten wohl eher auf bewussten Fehlinformationen, wie sie in der Gegenkampagne angeführt wurden, und zum Teil auch auf Missverständnissen. So wurde zum Beispiel von der Gegnerschaft behauptet, es handle sich beim Stromgesetz um einen «Schnellschuss», den es in Ruhe zu überdenken gelte. Da kam es offenbar zu Verwechslungen.

Während zum Beispiel der sogenannte «Solarexpress» angesichts der drohenden Strommangellage tatsächlich in rekordhohem Tempo von beiden Räten beraten worden war, haben wir am Stromgesetz rund zwei Jahre gearbeitet und damit in intensiven Verhandlungen einen austarierten und breit getragenen Kompromiss erarbeitet.

Was sind neben einer angestrebten Unabhängigkeit von Stromimporten die zentralen Aufgaben der Energiepolitik? Die zentrale Aufgabe der Energiepolitik ist meiner Meinung nach die jederzeitige Gewährleistung und Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. Situationen wie im Winter 2022/2023 mit der drohenden Strommangellage

gilt es unbedingt zu vermeiden, da diese gravierende Folgen hätte. Mit der Annahme der Energiestrategie 2050 hat uns die Bevölkerung aber auch eine klare Richtung vorgegeben, welche Art der Energieversorgung anzustreben ist. Wir müssen deshalb die richtigen Rahmenbedingungen setzen, um den Anteil an fossilen Energien im Strommix der Schweiz zu reduzieren und die erneuerbaren Energien auszubauen. Nach dem klaren Bekenntnis der Schweizer Bevölkerung zur Wasserkraft, zu Solarund Windkraft wird uns im Rahmen der Energiepolitik nun die Frage beschäftigen, welchen Stellenwert zukünftig die Kernenergie im Strommix der Schweiz haben soll.

Die Wirtschaft ist vielleicht der wichtigste Hebel, um die Klimaziele zu erreichen. Wie können Unternehmen auf kommunaler, kantonaler und Bundesebene bei einem nachhaltigen Wirtschaften unterstützt werden?

Es geht darum, von Seiten der Politik auf allen drei Staatsebenen Investitionsanreize zu schaffen, um die Unternehmen in ihrer Transformation zu unterstützen und ihnen dabei Planungssicherheit zu bieten. Das vom Volk angenommene Stromgesetz beinhaltet unter anderem genau solche Massnahmen. Ich stelle auch mit Freude fest: Unternehmen wollen nachhaltiger werden, denn Nachhaltigkeit lohnt sich. Die Schweizer Wirtschaft nutzt die unternehmerischen Chancen, welche sich durch die Dekarbonisierung ergeben. So vereint zum Beispiel der Wirtschaftsverband Swisscleantech mittlerweile über 600 Unternehmen, welche sich zur klimatauglichen Wirtschaft bekennen. Sie zeigen eindrücklich, dass gesellschaftlicher Wohlstand und Klimaschutz sich nicht widersprechen, sondern Hand in Hand gehen können.

Das Referendum hat uns ermöglicht, der Bevölkerung die Vorteile des Gesetzes aufzuzeigen und die zum Teil krassen ‹fake news› der Gegenkampagne aufzudecken».

Sie haben im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Klimapolitik verschiedentlich das persönliche Engagement betont. Was meinen Sie damit?

Es ist eigentlich ganz einfach: Jede Person hat ihre Entscheidungen und Handlungen grundsätzlich selber in der Hand und kann einen Beitrag zu einer nachhaltigen Klimapolitik leisten. Dies einerseits mit ihren Konsumentscheidungen, aber andererseits auch im persönlichen Engagement, ganz konkret in der Gestaltung der eigenen Lebensumstände, zum Beispiel hinsichtlich Wohnen, Mobilität oder Gestaltung von Freizeit und Ferien. Dabei ist aber selbstverständlich nicht ausser Acht zu lassen, dass nicht jeder und jede in den eigenen Entscheidungen völlig frei agieren kann, sei es aus finanziellen Gründen oder aus anderen Sachzwängen. Aber es wäre schon viel gewonnen, wenn diejenigen, welche die tatsächliche Wahlfreiheit haben, diese zugunsten eines nachhaltigen und enkeltauglichen Engagements treffen. Zum Beispiel auch als Vermieterinnen und Vermieter, indem sie ihrer Mieterschaft mit der Einrichtung von Ladestationen den Umstieg auf ein Elektrofahrzeug erleichtern. Denn was nützt das Engagement eines Arbeitgebers oder einer Arbeitgeberin, welche ihren Mitarbeitenden als Geschäftsfahrzeug ein Elektroauto zur Verfügung stellen, wenn dieses zu Hause nicht geladen werden kann.

Was ist Ihre Vision für die Zukunft, wenn man die Schweizer Bemühungen in den Kontext der internationalen Anstrengungen und Kooperationen stellt?

Das Pariser Klimaabkommen basiert auf der Grundlage, dass jedes Land für sich für die Erreichung der Klimaziele verantwortlich ist. Die Schweiz mit ihren Möglichkeiten soll aber durchaus auch international eine Vorreiterrolle einnehmen, gerade auch wenn es um die Entwicklung neuer Technologien geht. Damit meine ich aber nicht, dass wir jederzeit als Musterschülerin vorangehen müssen. Schweizer Unternehmen, welche sich in einem internationalen Umfeld bewegen, sollen nicht benachteiligt werden. Die internationale Abstimmung von Vorgaben ist deshalb zentral, ein «swiss finish» zu vermeiden. Zusammenfassend kann ich aber sagen: Ich bin davon überzeugt, dass wir die Energiewende schaffen können.

Steckbrief

Nationalrätin Susanne VincenzStauffacher arbeitet seit 1993 als selbständige Rechtsanwältin und Notarin im Kanton St. Gallen. Seit 2013 bzw. 2016 ist die FDP-Politikerin und Präsidentin der FDP-Frauen Schweiz Ombudsfrau Alter und Behinderung und Präsidentin der Stiftung Opferhilfe in den drei Kantonen SG – AR – AI. Aktuell ist sie u.a. Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK-N) und Co-Präsidentin der parlamentarischen Gruppe cleantech. Weiter ist sie seit dem Jahr 2023 Präsidentin des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbands (SWV). Mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern lebt sie in Abtwil.

Bessere Winterversorgung, weniger Stromimporte

Forderung nach beschleunigtem Umbau des Energiesystems

Der Branchendachverband der Schweizer Stromwirtschaft VSE listet aktuell 124 bekannte Ausbauprojekte für erneuerbare Energien in der Schweiz. Mit Stand vom 2. Mai sind 40 Wasserkraftprojekte, 48 geplante alpine PV-Freiflächenanlagen, 31 Windkraftprojekte, drei Biomasse-Projekte und zwei Geothermie-Projekte in der Entwicklung, die eine Jahresproduktion von 4,6 Terawattstunden erreichen und mindestens 3,8 TWh zusätzlichen Winterstrom produzieren könnten.

In seiner Studie «Energiezukunft 2050» skizziert der Verband die wesentlichen Punkte einer zukunftsweisenden, sicheren Energieversorgung der Schweiz bis 2050. Als zentral sieht die Studie die zu geringe «Zubaugeschwindigkeit von Photovoltaik und Windkraft» an, die nicht ausreiche, um völlig auf fossile Energien zu verzichten. Vor allem der Ausbau von Windkraftanlagen stehe praktisch still. Die Studie betont noch einmal die Abhängigkeiten beim Stromimport, speziell im Winter. Jedoch könne die Stromerzeugung aus alpinen PV-Freiflächenanlagen 2050 rund zwei TWh betragen, die Leistung aus der Windproduktion rund drei TWh.

Auch beim Wasserstoff sei noch einiges möglich. «Der Import von grünem Wasserstoff über die entstehende europäische Wasserstoffinfrastruktur kann neben Wasserkraft und PV zu einer tragenden Säule der Energieversorgung im Winter werden.» So könnten mit Wasserstoff betriebene Gaskraftwerke rund 13 TWh Elektrizität ganzjährig liefern, «davon 9 TWh im Winter», was 20 Prozent des Winterbedarfs entsprechen würde. Der Umbau des Energiesystems sei kein Selbstläufer, betont VSE-Direktor Michael Frank. Es brauche eine hohe Akzeptanz für einen «massiv beschleunigten Zubau der inländischen Produktion», dazu «erhöhte Effizienzanforderungen sowie ein gutes energiepolitisches Verhältnis zur EU». «Ein solches offensiv-integriertes Szenario würde der Schweiz die robusteste, resilienteste und günstigste Energieversorgung für die Zukunft bringen.»

Gemeinschaftsgefühl als entscheidender Schub für die Energiewende

Bereits 2012 wiesen die Akademien der Wissenschaften in einer Stellungnahme zum «CORE-Energieforschungskonzept 2013-2016» daraufhin, dass die Energiewende vor allem «eine gesellschaftliche Herausforderung» sei.

Das eigentliche Problem liege darin, «Gesellschaft und Wirtschaft dazu zu bewegen, ihren Umgang mit der Energie grundlegend umzugestalten».Um wirklich ein Umdenken und einen praktischen Wandel herbeizuführen, seien zudem Forschungsfragen mit einem grösseren Zeithorizont nötig, die klären, «wie staatliche Massnahmen das Verhalten relevanter Akteure beeinflussen und wie energiepolitische Entscheidungsprozesse ablaufen». «Auch Fragen

zur Raumplanung, zum Einfluss von Lebensstilen, der Transformation von Institutionen und sozio-technischen Systemen sowie Umweltfragen sollten im Konzept mehr Gewicht erhalten.»

Ein Jahrzehnt später kann man festhalten, dass sich Gesellschaft und Unternehmen bei der Energiewende durchaus bewegen. Allerdings stellen neue gemeinschaftliche Modelle als Basis eines neuen Verbrauchsverständnisses wohl noch immer die grösste Hürde dar. Wo Unternehmen längst einsehen müssen, dass Kundinnen und Kunden wissen wollen, wie ihre Produkte wirken und wie sie hergestellt wurden, während gleichzeitig neue Mitarbeitende weniger nach den Karrieremöglichkeiten als nach der Energiebilanz fragen, müssen

bei Verbraucherinnen und Verbrauchern egoistische Denkweisen, die den Energiebrauch partout weiter als Privatsache statt als Gemeinschaftsaufgabe ansehen, aufgebrochen werden. Allerdings wirken Trends wie HomeOffice sowie ein neues gemeinschaftliches Wohnen und Arbeiten auch hier stärker als vor Corona gedacht. Energie fürs Arbeiten wird nicht mehr nur im Betrieb, sondern auch zuhause verbraucht. Energie fürs Wohnen fliesst zunehmend in flexibel genutzte «Joker»-Räume. Das Bewusstsein für einen gemeinsamen Energieverbrauch löst das auf den Eigenverbrauch fixierte Denken der Vergangenheit ab – und befeuert den Wunsch nach einer ganzheitlichen, nachhaltigen Energiewende im Einklang mit der Natur.

Nachhaltige Energiequellen für Unternehmen

Auf welche erneuerbaren Energien können Unternehmen mittel- und langfristig setzen? Wie funktioniert die Energieversorgung für LKW? Und was können Gesellschaft und Wirtschaft gemeinsam für eine schnellere Förderung der entsprechenden Energien tun? Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft, geht mit seiner Frau, der Informatikerin Cornelia Quaschning, in dem Buch «Energierevolution jetzt!» (Hanser München, 2022) alle Möglichkeiten durch. Beide verweisen deutlich auf Photovoltaik, Windkraft und Batterien als spielentscheidende Energiequellen und -speicher. Die Industrie übernehme beim Energiewandel eine entscheidende Rolle – und habe sich, auch aufgrund immer höherer Folgekosten des Klimawandels einschliesslich kaum mehr zu bezahlender Gesundheitsschäden, längst auf die nötige Revolution eingestellt. «Inzwischen wollen grosse Teile der Industrie von selbst auf eine klimaneutrale Produktion umstellen.» Klimaneutrale Produkte würden «immer häufiger als Wettbewerbsvorteil gesehen. Wenn wir bei den Produkten dann noch den Klimafussabdruck angeben und anhand

des Fussabdrucks Importzölle festlegen, können wir unsere Industrie zukunftsfähig machen.» Am wichtigsten sei natürlich die Stromversorgung, die allen Bedenkenträgern zum Trotz, durch neue dezentrale Kraftwerke eben nicht unsicherer werde. Im Gegenteil. Umso wichtiger sei es, die erneuerbaren Energien, auf die es ankommt, tatsächlich so breit wie möglich «einzufangen». Wo in bergreichen Regionen Wasserkraft zum Einsatz kommen könne, werde in anderen Bereichen die Windkraft «den grössten Part einer klimaneutralen Energieversorgung übernehmen müssen».

Zwischenzeile Windenergie an Land könne 25 Prozent des gesamten Energiebedarfs decken – und müsse deshalb endlich flächendeckend akzeptiert werden. Statt AntiWindkraft-Regeln, die «immer absurdere Züge annehmen», müssten mehr Landesflächen als «Windeignungsgebiete» ausgewiesen werden. Der wichtigste natürliche Energieerzeuger bleibe die Photovoltaik. Photovoltaikanlagen gehören für das Autorenehepaar auf Wiesen und Felder, auch wenn es Menschen gebe «die eine pestizidbelastete Monokultur auf dem Feld schöner finden als eine Photovoltaikanlage». «Wir brauchen

einen gesunden Mix an Windkraft und Photovoltaik. Beide ergänzen sich nahezu optimal. Im Frühjahr und Sommer liefert die Photovoltaik mehr Strom, im Herbst und Winter die Windenergie. Wenn wir nur auf eine der beiden Technologien setzen würden, bräuchten wir gigantische Speicher, die viele Monate überbrücken könnten.» Zwar erfordere die Kombination von Photovoltaik und Windkraft ebenfalls Speicher, nur «sind diese dann viel kleiner und lassen sich problemlos technisch und ökonomisch realisieren.» Grüner Wasserstoff werde zudem bei der Stromspeicherung und im Güterfernverkehr eine zusätzliche Rolle spielen, die bei sinkenden Kosten der Gewinnung und besseren Transportsystemen noch grösser ausfallen könne. Allerdings könnten auch Stromabnehmer entlang der Autobahnen eine Lösung für den Fernverkehr sein. «Entlang der rechten Autobahnspur werden dazu auf den Hauptrouten des Autobahnnetzes Oberleitungen installiert, wie man sie auch von der Bahn her kennt. Erkennt nun ein LKW eine Oberleitung, fährt er automatisch Stromabnehmer aus. Soll der LKW auf Strecken ohne Oberleitung fahren, kommt wieder eine Batterie zum Einsatz.»

Climeworks Orca-Anlage in Island mit den Co-CEOs und Mitbegründern C. Gebald und J. Wurzbacher : CO2-Entfernung als letzter Schritt zur Klimaneutralität

Steckbrief

Über swisscleantech swisscleantech vereint klimabewusste Unternehmen. Der Wirtschaftsverband bewegt Politik und Gesellschaft, damit die Schweiz ihr Netto-Null-Ziel möglichst schnell erreicht. Er ist eine prägende Stimme in der Energie- und Klimapolitik und unterstützt seine Mitglieder mit Know-how, Services z. B. zur Erstellung von Klimabilanzen und der Vernetzung an über 30 Events pro Jahr dabei, ihre Klimaziele zu erreichen. swisscleantech zählt über 600 Mitglieder aus allen Branchen. Zusammen mit den angeschlossenen Verbänden vertritt swisscleantech über 24‘000 Schweizer Unternehmen und rund 400‘000 Mitarbeitende. Mehr Informationen unter swisscleantech.ch

Firmen engagieren sich für Netto-Null: drei Beispiele

Wie bringt man einen mittelständischen Betrieb auf Klimakurs? Diese Frage stellte sich die Griesser AG, ein führender Hersteller von Sonnenschutzprodukten. Die Analyse zeigte auf, dass die Dekarbonisierung der Servicefahrzeuge ein wichtiger Hebel für die Reduktion der Emissionen ist. Als Teil der Klimavision wurde deshalb bereits

2023 ein Grossteil der Flotte auf E-Fahrzeuge umgestellt. Ausserdem wurde an der Entwicklung von nachhaltigeren Produkten und an der Lieferkette gefeilt. So können durch die Erhöhung des Recycling-Anteils im Aluminium die grauen Emissionen deutlich gesenkt werden. Der CO₂-Fussabdruck von Griesser sinkt damit um bis zu 30 %.

Der Senkung der Emissionen in der Lieferkette hat sich auch das Softwareunternehmen SAP verschrieben. Das Ziel von SAP ist es aber nicht nur, die eigene Lieferkette – von der Beschaffung von IT-Equipment bis hin zur Nutzung ihrer Applikationen bei Kunden – zu dekarbonisieren. SAP will auch ihre Kunden aktiv bei dieser Aufgabe unterstützen. Deshalb wurde der CO₂ -Fussabdruck auf Produkt- und Unternehmensebene nahtlos in die Anwendungssoftware von SAP integriert. Ziehen alle Lieferanten mit, können in Einkauf und Produkteentwicklung jederzeit transparente Entscheide bezüglich Kosten und Emissionen gefällt werden. Auf diese Weise kann Nachhaltigkeit im Einklang mit Finanzen gemanagt werden.

Der Weg der Schweizer Wirtschaft

zu Netto-Null

Unternehmen gehen im Klimaschutz neue Wege. Die Stossrichtungen sind klar: Es gilt die eigenen Emissionen herunterzufahren, die Lieferketten zu dekarbonisieren und auch über neue Businessmodelle nachzudenken. Dieser Weg ist nicht nur Herausforderung, sondern auch Chance für eine tiefgreifende Transformation.

Mit der Annahme des Klimaschutzgesetzes hat die Schweiz beschlossen, bis 2050 CO2-neutral zu werden. Damit müssen auch Unternehmen neue Wege einschlagen. Um klimatauglich zu werden, muss die Schweizer Wirtschaft Fortschritte in zwei Bereichen machen:

1. Eine ambitionierte Reduktion der lokalen, direkten Emissionen. Verbleibende Restemissionen müssen durch CO2-Entfernung ausgeglichen werden.

2. Eine Dekarbonisierung der weltweiten Lieferkette zur Reduktion der indirekten Emissionen.

Wege für die erfolgreiche Reduktion der lokalen Emissionen finden wir durch eine Analyse der CO2-Emissionen der schweizerischen Wirtschaft. Der richtige Massnahmenmix unterscheidet sich je nach Unternehmen und muss auf Basis einer individuellen Klimabilanz bestimmt werden.

Dekarbonisierung von Transport und Firmenflotten

Der grösste Anteil an den lokalen Emissionen der Schweizer Wirtschaft muss dem Verkehr angelastet werden. Lastwagenverkehr, Firmenfahrzeuge, Lieferwagen sowie der Treibstoffverbrauch der Bauindustrie tragen zu diesen rund 7 Mio. t CO2-Emissionen bei. Im Verkehrssektor ist der Lösungsweg durch die Elektromobilität vorgezeichnet. Für

gewisse Nischen werden sich alternative Antriebe wie Wasserstoff oder Synfuels etablieren. Idealerweise soll die Umstellung auf E-Mobilität mit der Beschaffung von erneuerbarem Strom gekoppelt werden. Analysen der Empa zeigen, dass der Betrieb von E-Fahrzeugen auch mit dem derzeitigen Schweizer Strommix die Emissionen deutlich reduziert.

Modernisierung der Firmengebäude Mit 4 Mio. t sehr hoch ist auch der Anteil der CO2-Emissionen durch die Beheizung der Gebäude des Industrie- und Dienstleistungssektors. Auch hier sind die technischen Lösungen bekannt. Wer im Rahmen von Modernisierungen die Gebäudehüllen saniert und bei den Heizungsanlagen auf erneuerbare Energien setzt – beispielsweise mittels Wärmepumpen, kann auf kosteneffiziente Weise seine CO2-Emissionen deutlich reduzieren.

Elektrifizierung der Prozesswärme Ebenfalls mit rund 4 Mio. t CO2-Emissionen tragen die Industrieprozesse zu den Emissionen der Wirtschaft bei. Im Vordergrund stehen die Emissionen aus Wärmebehandlungen, wie sie vor allem in der chemischen Industrie, der Nahrungsmittelindustrie und der metallverarbeitenden Industrie zur Anwendung kommen. Hier sind die Hürden auf dem Weg zur Dekarbonisierung etwas grösser – es zeichnen sich aber ebenfalls

Lösungen ab. Oft wird der Weg über die Elektrifizierung führen. Der Ersatz von fossilen Brennstoffen durch synthetische Brennstoffe oder Wasserstoff dürfte nur in den seltensten Fällen kosteneffizient sein. Spannende neue Technologien erscheinen am Horizont. Mit Hochtemperatur-Wärmepumpen kann Wärme bis zu einer Temperatur von 200 °C erzeugt werden. Für die Produktionsprozesse der Nahrungsmittelindustrie dürfte dies meist ausreichen, wenn gleichzeitig Optimierungen an der Prozessführung vorgenommen werden. Üblicherweise werden solche Anpassungen im Rahmen der Investitionszyklen geplant – Beschleunigung ist aber wünschenswert.

Herausforderung Zementindustrie und Abfallverbrennung Weitere 4 Mio. t CO2-Emissionen entstammen der Abfallverbrennung und der Zementproduktion. Hier wird es nicht möglich sein, die CO2-Emissionen durch Elektrifizierung zu reduzieren. Es gilt das CO2 aus dem Abgas aufzufangen und z. B. in alten Erdöl- oder Gasfeldern zu speichern (genannt Carbon Capture & Storage, CCS) – die Kosten dafür müssen die Verursacher übernehmen. Dies gibt einen guten Anreiz, Zement sparsamer einzusetzen und neue Lösungen in der Herstellung von Beton zu suchen. Im Bereich der Abfallentsorgung könnte eine verursachergerechte Bepreisung das

Diese Stossrichtung ist auch für den Möbelhändler IKEA wichtig. Zusätzlich schliesst der Möbelhändler auch die Kreisläufe auf der Produkteseite. Im Rahmen der «extended producer responsibility» will IKEA ihre Matratzen am Ende der Lebensdauer nicht mehr verbrennen, sondern recyclieren. Ausserdem pusht IKEA ein neues

Recycling ankurbeln. Ob im Verkehr, bei den Gebäuden oder in den Prozessen und sogar bei CCS – für alle Massnahmen wird Strom als Energiequelle benötigt. Deshalb ist der rasche Ausbau der Stromversorgung aus erneuerbaren Quellen entscheidend. Umso wichtiger war die klare Annahme des Stromgesetzes durch das Stimmvolk im Sommer 2024.

Dekarbonisierung der Lieferkette Unser Konsum verursacht nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit Emissionen. Die Produktion von Importgütern führt zu noch einmal etwa gleich viel indirekten Emissionen im Ausland, wie wir im Inland zu verantworten haben. Die Verantwortung der Wirtschaft muss deshalb über die eigenen Emissionen hinausgehen und auch die Lieferketten miteinbeziehen. Immer mehr Firmen treten daher mit ihren Lieferanten in den Dialog, um mit ihnen herauszufinden, wie eingekaufte Vorleistungen mit weniger Emissionen hergestellt werden könnten. Voraussetzung für den Erfolg ist eine transparente Datenlage. Denn die meisten Vorlieferanten beziehen ihre Rohstoffe ebenfalls aus einer Vorfertigung, was die Nachverfolgung oft sehr komplex macht.

Businessmodell: Die Produkte des Unternehmens werden zurückgenommen, bei Bedarf revidiert und günstiger einem weiteren Kundenzyklus zugeführt. Noch ist der Anteil dieses Businessmodells klein. Gelingt die Skalierung aber, kann der Kundenwunsch nach «Tapetenwechsel» mit deutlich tieferem Ressourcenverzehr befriedigt werden.

Gelingt es, über die gesamte Lieferkette Transparenz sicherzustellen, können Einkauf- und Produkteentwicklung auf jeder Stufe klimataugliche Einkaufsentscheide fällen.

Neue Businessmodelle als Erfolgsfaktor Schliesslich sollten wir aber auch die bestehenden linearen Businessmodelle infrage stellen, wenn wir die Wirtschaft konsequent klimatauglich gestalten wollen. Die Kreislaufwirtschaft als Beispiel bietet hervorragende Möglichkeiten, hochstehende Lebensqualität mit tieferem Ausstoss von Treibhausgasen zu verbinden. Güter, die langlebig und einfach zu reparieren sind, halten länger und benötigen damit weniger Primärressourcen und verursachen deshalb weniger Emissionen in der Herstellung. Damit kreislauffähige Businessmodelle zum Erfolg werden, braucht es aber neue Formen der Kooperation zwischen Konsumenten, Herstellern und Lieferanten. Wiederverwendete und aufgearbeitete Güter müssen wieder ihren Wert bekommen – Zweitnutzung muss der neue Chic sein. Setzen wir diese Schritte um, ist das Ziel bis 2050 erreichbar: klimataugliches Wirtschaften in der Schweiz.

Wir sollten auch die bestehenden linearen Businessmodelle infrage stellen, wenn wir die Wirtschaft konsequent klimatauglich gestalten wollen.

«Wir treiben die Energiewende voran, indem wir Unternehmen zu aktiven Erzeugern und Verteilern machen»

Von der Stromerzeugung über die effiziente Nutzung bis hin zur profitablen Verteilung: Der 2020 gegründete Energielösungsanbieter Ampere Dynamic setzt mit erneuerbaren Energien neue Kräfte bei Unternehmen frei.

Niklas Fruth, Founder und Geschäftsleiter von Ampere Dynamic, über ganzheitliche Lösungen, die Unternehmen mehr Rentabilität, Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit bescheren.

Herr Fruth, sind Unternehmen verwundert, wenn Sie ihnen zeigen, dass sie dank einer umfassenden Energiestrategie vom Verbraucher zum Erzeuger und Verteiler werden können – und damit nachhaltiger, unabhängiger und erfolgreicher?

Unternehmen sind oft überrascht, wenn sie das Potenzial einer umfassenden Energiestrategie erkennen. Viele gehen zunächst davon aus, dass Energie für sie lediglich ein Kostenfaktor ist, den sie nicht beeinflussen können. Wenn sie jedoch verstehen, dass sie durch die Erzeugung und Verteilung von Energie nicht

nur ihre Kosten senken, sondern auch neue Einnahmequellen erschliessen und ihre Unabhängigkeit von traditionellen Energieversorgern erhöhen können bzw. auch selbst am Energiemarkt teilnehmen können, führt das häufig zu einem AhaErlebnis. Diese Strategie ermöglicht es Unternehmen, aktiver Teil der Energiewende zu werden und gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile zu realisieren.

Was bedeutet es für Sie, Energie «ganzheitlich» zu denken, und wie spiegelt sich dieser Ansatz in Ihren Projekten wider?

Energie ganzheitlich zu denken bedeutet, alle Aspekte der Energieversorgung, -nutzung und -verteilung im Blick zu haben. Es geht darum, sich nicht nur auf die Erzeugung von Energie zu fokussieren, sondern auch deren effiziente Nutzung,

Speicherung und Verteilung zu optimieren. Dieser Ansatz spiegelt sich in unseren Projekten wider, indem wir massgeschneiderte Lösungen entwickeln, die auf die spezifischen Bedürfnisse unserer Kunden abgestimmt sind. Das bedeutet, dass wir nachhaltige Energiequellen wie Solarenergie nutzen, intelligente Speichersysteme integrieren und innovative Verteilungskonzepte anwenden, um maximale Effizienz und Rentabilität zu erreichen. Dabei schauen wir vor Ort beim Kunden auch immer über den Tellerrand der Energie und klären, was der Ausbau für andere positive Auswirkungen auf die bestehende Infrastruktur oder Tätigkeiten des Unternehmens haben könnte. Jedes Unternehmen, das zum Energieerzeuger und Teil des Strommarktes wird, erschliesst auf seine Art ein neues Geschäftsfeld.

Wie würden Sie die Vision und Mission von Ampere Dynamic beschreiben? Was treibt Sie persönlich und Ihr Team an? Die Vision von Ampere Dynamic ist es, die Energiewende voranzutreiben, indem wir Unternehmen helfen, von passiven Energieverbrauchern zu aktiven Erzeugern und Verteilern zu werden und mit unseren Partnern aktiv an einem neuen Energieökosystem arbeiten. Unsere Mission ist es, durch innovative, nachhaltige und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen die Energieversorgung von Unternehmen zukunftssicher zu machen. Wir zeigen, wie sich BWL und Ingenieurwesen im Thema Energie für unsere Kunden wunderbar kombinieren lässt. Wir sind dabei Löser und Dienstleister zugleich und zeigen Kunden, dass es keinen Grund gibt, nicht nachhaltig sein zu können. Was mich und mein

Team antreibt, ist die Überzeugung, dass wir durch unsere Arbeit einen bedeutenden Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstosses und zur Schaffung einer nachhaltigeren Wirtschaft leisten können.

Sie haben Ampere Dynamic in nur drei Jahren von einem Start-Up zu einem der bedeutendsten Energiedienstleister aufgebaut. Was waren dafür die entscheidenden Momente? Angefangen hat alles mit der Auswahl des richtigen Zeitpunkts und der Entscheidung für die richtige Kundenzielgruppe. 2020 wurde das Fördersystem der Schweiz für Grossanlagen geändert. Damit war uns klar, dass nun der Zeitpunkt für Industrie und Gewerbe gekommen ist, in den Energiemarkt einzutreten. Entscheidende Momente oder

Bewegungen auf dem Markt gab es viele, zum Erfolg gebracht haben uns sicherlich die richtigen Partnerschaften zur richtigen Zeit. Das gilt einerseits für unsere Mitarbeiter, denn wir haben uns explizit in Zürich niedergelassen, um mit unserer modernen Arbeitskultur dem Fachkräftemangel zu begegnen und wundervolle intelligente und begeisterte Mitarbeiter zu finden und zu halten. Die Zusammenarbeit mit technologischen Vorreitern und führenden Industrieunternehmen hat uns ermöglicht, innovative Lösungen schneller zur Marktreife zu bringen. Ein weiterer Schlüsselfaktor war unser frühzeitiger Fokus auf Nachhaltigkeit, Effizienz und Professionalität. Schliesslich war es auch unsere Fähigkeit, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren und uns anzupassen, die uns geholfen hat, in kurzer Zeit so stark zu wachsen.

Gemeinsam mit der Hugelshofer-Gruppe haben Sie im Mai 2024 den grössten Schnellladepark für Elektro-Lastwagen in der Schweiz errichtet, der gerade den Swiss Logistics Award erhielt. Was waren die besonderen Herausforderungen bei dem Projekt? Die grössten Herausforderungen bei diesem Projekt waren die Integration der Infrastruktur in bestehende logistische Abläufe und die Sicherstellung, dass die Ladezeiten den Anforderungen des modernen Frachtverkehrs entsprechen. Für einen Logistiker muss eine Anlage immer funktionieren. Die LKW müssen schnell ein- und wieder abfahren können. Dazu kamen eine eigens entwickelte Stahlkonstruktion mit Dächern, die eine Spannweite von 20 Metern und 10 Metern Höhe erzielen, die Erhaltung der Parkplätze, die Entwässerung der

Steckbrief

Vom Start-up zum grössten Schnellladepark für E-LKW Europas Ampere Dynamic ist ein inhabergeführtes und regional verankertes Unternehmen für erneuerbare Energien mit Sitz in Zürich und hat sich auf die Konzeption und Umsetzung von gross angelegten Photovoltaik-Anlagen und massgeschneiderten Energielösungen im Bereich Industrie und Gewerbe spezialisiert. Seit der Unternehmensgründung im Oktober 2020 setzt Ampere Dynamic Massstäbe in der Energiewirtschaft durch bewusste Kundenzentriertheit, nachhaltige Lösungen und ein starkes Engagement für die Umwelt und seine Mitarbeiter. Bis 2024 wurden gemeinsam mit den Kunden mehr als 65 Grossanlagen realisiert und eine beeindruckende Gesamtleistung von 32’081 kWp gebaut.

Mehr Informationen unter ampere-dynamic.ch

PP-Fläche, der Bau einer eigenen Trafostation… Darüber hinaus war eine enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Stakeholdern nötig, von den lokalen Behörden bis hin zu den beteiligten Technologiepartnern.

Sie leben eine partizipative Kultur mit Ihren Kunden aber auch im Unternehmen. Wie funktioniert das?

Eine partizipative Kultur bedeutet, dass wir unsere Kunden und Mitarbeiter aktiv in Entscheidungsprozesse einbinden. Bei Kundenprojekten stellen wir sicher, dass deren Bedürfnisse und Wünsche von Anfang an berücksichtigt werden, indem wir sie in jede Phase des Projekts involvieren. Innerhalb des Unternehmens fördern wir eine offene Kommunikation und ermutigen unsere Mitarbeiter, ihre Ideen und Vorschläge einzubringen.

Fruth Founder und Geschäftsleiter Ampere Dynamic

Jedes Unternehmen, das zum Energieerzeuger und Teil des Strommarktes wird, erschliesst auf seine Art ein neues Geschäftsfeld.

Neben der Vision, die Welt mit physischer Energie etwas besser zu machen, geht es bei uns auch um die positive Energie der Mitarbeiter. Wir glauben an «New Work» im Kontext einer partizipativen Kultur. Mehr Eigenverantwortung führt zu mehr Engagement und besseren, innovativen Lösungen. Letztendlich können wir nur dann wachsen, wenn wir die richtigen Mitarbeitenden haben.

Ihre Projekte sind massgeschneidert und setzen auf Rentabilität, Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit. Wie gelingt es, diese drei Aspekte bei jedem einzelnen Kunden in Einklang zu bringen? Der Schlüssel liegt in einer sorgfältigen Analyse der spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen jedes Kunden. Wir beginnen jedes Projekt mit einer detaillierten Untersuchung der aktuellen Situation des Unternehmens, seiner Energiebedarfe und seiner strategischen Ziele. Basierend auf diesen Informationen entwickeln wir Lösungen, die nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich rentabel sind. Durch den Einsatz von Technologie und Innovation stellen wir sicher, dass unsere Lösungen die Unabhängigkeit des Kunden erhöhen und gleichzeitig langfristig finanziell tragfähig sind. Die erneuerbaren Energien sind keine Raketenwissenschaft mehr. Gute Ingenieure und Wirtschaftler finden schon heute Lösungen, die nicht nur für unsere Welt mehr Nachhaltigkeit bedeuten, sondern auch für die interne Energiewirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden.

Wo liegen in den Bereichen Solarenergie und E-Mobilität in den nächsten Jahren die grössten Herausforderungen? Viel wird zur Zeit über die zukünftigen Probleme in Verteilnetzen diskutiert, viel Strom im Sommer und am Tag und eine Überlastung der Netze. Wir

unterstützen, dass unbedingt an Lösungen gearbeitet werden muss, und sehen hier auch schon wieder unseren Teil, den wir bei und mit unseren Kunden in Gewerbe und Industrie beitragen können. Für die Solarenergie wird es entscheidend sein, innovative Speicherlösungen zu entwickeln, um die Intermittierbarkeit der Stromerzeugung auszugleichen und den Betrieb der Anlagen für unsere Kunden noch profitabler zu machen. Bei der E-Mobilität werden der Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Verbesserung der Ladezeiten im Vordergrund stehen. Darüber hinaus wird es wichtig sein, die Kosten weiter zu senken und die Technologien für eine breitere Masse zugänglich zu machen. Ich persönlich sehe alle Probleme als lösbar an, wenn wir positiv, proaktiv und gemeinsam an ihnen arbeiten.

Die junge Generation wird den Erfolg erneuerbarer Energien in die Zukunft führen. Welche Ratschläge würden Sie Gründern und Unternehmern geben, die ebenfalls in der Energiebranche Fuss fassen möchten?

Mein Rat an junge Gründer und Unternehmer ist, stets offen für Innovationen zu sein und nicht davor zurückzuschrecken, Risiken einzugehen. Ein solcher Weg bedeutet auch immer eine persönliche Reise. Man muss bereit sein für Veränderungen. Wichtig sind eine klare Strategie und ein klarer Fokus. Die Energiebranche befindet sich im Wandel und braucht intelligente Leute, die bereit sind, neue Wege zu gehen. Wichtig ist es, sich ein starkes Netzwerk aufzubauen, das einem hilft, Herausforderungen zu meistern und neue Möglichkeiten zu erkennen. Und schliesslich: Die Mission sollte immer sein, Lösungen zu entwickeln, die nicht nur profitabel, sondern auch nachhaltig sind – das wird langfristig den Unterschied machen.

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Niklas

Das kostbarste Gut:

Die geförderten Startups Droople und Oxyle arbeiten an einer besseren Wasserqualität

VON RÜDIGER SCHMIDT-SODINGEN

Ein laut tönender Smiley von der Freundin aus Florenz. Ein zu leises Wimmern aus einem Schlafzimmer in der Nachbarschaft. Sind das die zwei Fronten, zwischen denen sich die genutzten und verpassten Chancen moderner Technik spiegeln? Wie kann es sein, dass wir immer schneller Nachrichten von anderen, weit entfernten Menschen erhalten, aber nicht mitbekommen, dass nur wenige Meter neben uns eine Person hinter einer Wand auf dem Boden liegt und nicht weiterweiss? Zu erkennen, wann ein Mensch oder eine konkrete Aktion zu einer Hilfestellung erforderlich ist, gehört zu den Herausforderungen unserer Zeit. Vor allem, wenn die Menschen oder die Ressourcen, sprich die humane und stoffliche Energie, die für diese Tätigkeiten gebraucht werden, knapp sind. Das Innovationsprojekt «Diana», das mithilfe der Schweizer Agentur für Innovationsförderung Innosuisse mehrere Projektpartner aus Wien, Portugal, Rumänien und der Schweiz in die Geriatrische Klink St. Gallen brachte, ist ein perfektes Beispiel dafür, wie neue Ideen länderübergreifend und mit den richtigen Förderstrukturen tatsächlich Probleme lösen – und das Leben von Menschen verbessern.

Beispiel: Hilfssensorik in der Geriatrie

Im Rahmen des EU-Programms «Active and Assisted Living (AAL)» testeten die Partner zusammen mit dem Chefarzt der Klinik, Thomas Münzer, wie KI-gestützte 3D-Sensoren als Digital Intelligent Assistant for Nursing Applications, kurz «Diana», im Klinikalltag eingesetzt werden können. Mit dem Wiener Projektleader Cogvis arbeitete die Klinik an Alarmsensoren, die nicht nur melden, wenn Patientinnen oder Patienten stürzen oder das Bett verlassen, sondern, etwa in der Nacht, auch aktiv Unterstützung anbieten. «Unser Ziel war es, komplexere Bewegungsabläufe zu überwachen und eine Interaktion zwischen KI und Patientinnen und Patienten zu ermöglichen», sagt Thomas Münzer. Einerseits sollten die Sensoren keine Bilder machen, um die Privatsphäre zu schützen, andererseits sollten sie aber Bewegungen aufzeichnen und klare Lösungsmöglichkeiten, etwa mit Licht direkt im Zimmer oder einer doch benachrichtigten Pflegeperson, eröffnen. Das Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe, weniger Stürze, keine minuten- oder gar stundenlang unentdeckten Unfälle. Im Januar 2023, nach einer dreijährigen Testphase, konnte das Projekt mit einer marktfähigen Lösung abgeschlossen werden, die demnächst noch weiterentwickelt werden soll. Münzer denkt an ein «KI-basiertes Frühwarnsystem», das Veränderungen erkennt, «bevor sie uns auffallen».

«Active and Assisted Living» war eine thematische Innovationspartnerschaft des EU-Rahmenprogramms Horizon 2020, bei der die Schweiz als nicht assoziiertes Drittland trotzdem mit innovativen «Schweizer Unternehmen, Endnutzer- und zivilgesellschaftlichen Organisation sowie Hochschulen» an thematischen EU-Partnerschaften teilnehmen konnte. Dies ist auch als Erfolg für Innosuisse zu werten, die Synergien über Landes- und Spartengrenzen

Der Domino-Effekt

Innovation braucht Synergien. Die Innovationsförderung hilft Unternehmen dabei, sich zu transformieren und neue Geschäftsmodelle zu wagen. Die zentrale Frage: Wie können Innovationen internationale Märkte erobern und dabei Nachhaltigkeit und ein besseres Zusammenleben erreichen?

hinaus aufzeigt und laut ihrem Geschäftsbericht «im Jahr 2023 in neue Dimensionen der Innovationsförderung» vorstossen konnte. 2023 schüttete die Agentur «als Allzeithoch» 492 Millionen Franken aus. Die Stärke der wissenschaftsbasierten Förderung, deren Leitung im Sommer von Annalise Eggimann auf Dominique Gruhl-Bégin übergehen wird: Die richtigen Partner und Synergien finden, um Ideen Schritt für Schritt in funktionierende Geschäftsmodelle zu übersetzen und dabei Risiken oder Hürden gewissenhaft zu prüfen.

Umfassende Startup-Hilfe

Das Inkrafttreten der Teilrevision des Bundesgesetzes über die Förderung der Forschung und der Innovation, FIFG, per 1. Januar 2023 habe Innosuisse zudem die Einführung des neuen Förderinstruments «Startup Innovationsprojekte» ermöglicht und «den Weg zur Ausrichtung direkter Projektbeiträge an Unternehmen, die sich an bilateralen internationalen Innovationsprojekten beteiligen», bereitet. Beides, so der Geschäftsbericht, komme «einem eigentlichen Paradigmenwechsel in der Innovationsförderung von Innosuisse gleich» und stelle «zusätzliche Anforderungen an die Projektevaluation und Projektbegleitung». «Insbesondere die Prüfung der finanziellen Tragbarkeit und Nachhaltigkeit eines geförderten Projekts stellt ganz andere Anforderungen als dies bei Innovationsprojekten der Fall ist, bei denen Förderbeiträge ausschliesslich an beitragsberechtigte

Forschungseinrichtungen ausgerichtet werden.» Innosuisse habe sich deshalb entschlossen, kurzfristig eine eigene Due-Diligence-Prüfung zu etablieren. Zum erstaunlichen Erfolg entwickelte sich 2023 der Startup-Bereich. «Das Coaching-Angebot stiess nach eher stagnierenden Jahren auf eine überdurchschnittlich grosse Nachfrage und verzeichnete mit 519 Gesuchen einen bisher nie dagewesenen Höchststand», so der Geschäftsbericht weiter. Mit neuen Trainingsmodulen für Unternehmertum will Innosuisse gezielt Studierende der Schweizer Hochschulen unterstützen und eher früher als später ins Wirtschaftsleben schicken. Anfang dieses Jahres wurden 22 Startups mit dem Scale-up-Award ausgezeichnet, der es den jungen Unternehmen ermöglicht, in die zweite Phase des Scale-up-CoachingProgramms zu wechseln und entsprechend schneller zu wachsen. Da besonders Märkte im Ausland eine wichtige Rolle spielen, sollen auch regulatorische Vorgaben und Investor Relations geplant und besprochen werden.

Win-Win-Situationen schaffen

Von den 22 beförderten Startups beschäftigen sich allein vier mit Medtech. Artiria Medical erleichtert mithilfe eines neuen Führungsdrahts minimalinvasive Eingriffe bei Schlaganfallpatienten. Das an der ETH Zürich gegründete Startup Magnes verfolgt mit dem Analysesystem Nushu in Turnschuhen den Gang von Patienten. ORamaVR bietet XR-Simulationen für Krankenhäuser oder

medizintechnische Betriebe an, und Terapet sichert mit seinem Qualyscan die Protonentherapie-Technologie ab. Neben erweiterten KI-Anwendungen und Umwelttechnologien gehen auch neue Geschäftsmodelle für Exoskelette und Bildungsservices in die nächste Förderrunde. Während Matchspace mit seiner Plattform gezielt Musiklehrerinnen und -lehrer vermittelt, skaliert das 2018 gegründete Startup Droople den weltweiten Wasserverbrauch, um den bewussten Umgang mit Wasser voranzutreiben. Ebenfalls mit Wasser beschäftigt sich Oxyle, das an einer gezielten Zerstörung der «Ewigkeitschemikalien» PFAS arbeitet. Kurz-, mittelund langkettige PFAS sollen gefiltert und «bis unter die Nachweisgrenze» zerstört werden. Mithilfe von Oberflächenladungen eines speziellen, nanoporösen Katalysators greifen hydratisierte Elektronen

und Hydroxylradikale die per- und polyfluorierten Chemikalien an, um sie in mineralische Bestandteile zu zerlegen. So wie allein Droople und Oxyle im Grunde an einem Strang ziehen, um Wasser als kostbarstes Gut unseres Planeten zurück in ein nachhaltiges Kreislaufsystem zu entlassen, geht der Anspruch sämtlicher Förderanstrengungen der Innosuisse dahin, Flagship-Projekte für die Netto-Null-Welt mit einer «Milderung der Nachteile, die Schweizer Unternehmen durch den Ausschluss aus dem EU-Forschungsprogramm Horizon Europe entstehen», zu kombinieren. Ähnlich wie bei den Sensoriklösungen für Kliniken und Pflegeheime erhofft sich die Innovationsförderung vor allem Domino-Effekte. Wenn auf die erste Innovation die zweite oder gar dritte folgt, haben die Projektpartner und auch Förderer alles richtig gemacht.

Ziel: Die richtigen

Partner und Synergien finden, um Ideen Schritt für Schritt in funktionierende Geschäftsmodelle zu übersetzen und dabei Risiken oder Hürden gewissenhaft zu prüfen.

«Die Zertifizierung festigt die Grundlage für ein nachhaltiges

Wachstum »

Die Erwartungen an Unternehmen bezüglich eines nachhaltigen Handelns steigen auf allen Seiten. Was bedeutet das für die Verifizierung von Nachhaltigkeitsberichten, weltweit anerkannte Standards und kontinuierlich anzuwendende Handlungsrichtlinien?

Antworten von Dr. Elisabetta Carrea, CEO der Swiss Safety Center AG, die Unternehmen bei ihren Nachhaltigkeitsbemühungen unterstützt, schult und verifiziert.

Frau Dr. Carrea, Sie sind promovierte Verfahrensingenieurin und beschäftigen sich seit Jahren mit technischen Sicherheitsaspekten, etwa beim Brand-, Umwelt- und Arbeitsschutz. Wie erleben Sie es, dass das Thema Sicherheit nun auch in die eher vagen Bereiche der Unternehmensplanung und -führung greift?

Die Anforderungen an die Sicherheit und das Risikomanagement in Unternehmen steigen kontinuierlich. Die Gesellschaft geht davon aus, dass Sicherheit als Selbstverständlichkeit gilt und durch die Anbieter gewährleistet werden muss. Durch strengere gesetzliche Vorschriften in Bereichen wie Brandschutz, Umweltschutz, Arbeitssicherheit und sozialer Verantwortung müssen Unternehmen ihre Prozesse und Anlagen immer genauer unter die Lupe nehmen. Die Sicherheit ist somit nicht mehr nur ein optionales Zusatzangebot, sondern eine gesetzliche Pflicht, welche die soziale Verantwortung eines Unternehmens widerspiegelt.

Nachhaltigkeit ist zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden. Wie verändert ein durchdachtes, nachweisbares und damit sicheres Nachhaltigkeitsmanagement Unternehmen und deren Wirkungskreis? In einer Welt, die immer stärker auf Nachhaltigkeit setzt, ist es für Unternehmen unverzichtbar, die Auswirkungen seiner Geschäfte auf Umwelt, Menschen und Gesellschaft gezielt zu managen und kontinuierlich zu verbessern. Es bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes, um verantwortungsbewusst zu agieren und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Einmalige Aktionen reichen nicht aus, es geht darum, die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten geschickt zu nutzen, um stetig besser zu werden. Ein Nachhaltigkeitsmanagementsystem bietet dafür einen strukturierten Rahmen. Es umfasst die Aspekte des Umweltschutzes, der ökonomischen Nachhaltigkeit sowie die sozialen Aspekte von der Entwicklung einer Nachhaltigkeitspolitik bis hin zur regelmässigen Überprüfung und Verbesserung. Nachhaltigkeitsmanagement fördert Transparenz, senkt

Kosten, stärkt das Vertrauen und verschafft Unternehmen durch verbessertes Image und Zukunftssicherung einen Wettbewerbsvorteil.

Die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten bereitet Unternehmen schlaflose Nächte. Es gibt eine Fülle von Vorgaben und Berichtsstandards. Was raten Sie hier?

Die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts ist ein komplexer Prozess, der eine sorgfältige Planung und eine systematische Datenerhebung erfordert. Unternehmen haben dabei die Wahl aus einer Vielzahl von Richtlinien und Standards wie GRI (Global Reporting Initiative), UN Global Compact, SDGs (17 Sustainable Development Goals), B-Corp oder ESRS (European Sustainability Reporting Standards). Die Auswahl des geeigneten Rahmens hängt von den individuellen Unternehmensgegebenheiten, den Zielen und den Anforderungen der Stakeholder ab. Ein erfolgreicher Nachhaltigkeitsbericht entsteht nicht über Nacht. Vielmehr ist ein kontinuierlicher Prozess der Datenanalyse und Berichterstattung erforderlich. Der Nachhaltigkeitsbericht sollte zeigen, was geplant und erreicht wurde sowie was im Weiteren geschehen soll. Die grosse Herausforderung liegt darin, Massnahmen zu definieren und diese konsequent und mit den versprochenen Effekten umzusetzen. Um die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen zu steigern, kann der Nachhaltigkeitsbericht von einer unabhängigen Institution wie dem Swiss Safety Center verifiziert werden.

Inwiefern hilft eine Zertifizierung, um Ruhe, Sicherheit und auch eine Art Routine in die Erstellung der nichtfinanziellen Berichte zu bringen?

Die Zertifizierung ist nach verschiedenen weltweit akzeptierten Standards möglich. Die prominentesten sind ISO 9001 (Qualität), ISO 14001 (Umwelt), ISO 45001 (Arbeitssicherheit) und ISO 50001 (Energieeffizienz). Sie sind wie ein Kompass für Unternehmen. Sie schaffen einen stabilen Rahmen, in dem nicht-finanzielle Berichte nicht mehr als lästige Pflicht, sondern als natürliche Frucht einer gut gepflegten Unternehmenskultur entstehen. Die Zertifizierung sorgt für Ordnung und Klarheit, sodass sich Unternehmen gezielt auf die kontinuierliche Verbesserung ihrer Leistungen und die Stärkung ihres Ansehens fokussieren können. Die Zertifizierung festigt die Grundlage für ein nachhaltiges Wachstum.

An wen richten sich Ihre Kurse für Nachhaltigkeitsberichte?

Wir bieten zwei Kurse zu diesem Thema. Der erste Kurs «Nachhaltigkeitsberichte

– Grundlagen» offeriert eine Übersicht der Richtlinien, Leitfäden und Anforderungen an Nachhaltigkeitsberichte und richtet sich an Geschäftsführung, Managementsystembeauftragte im Bereich Qualität, Umwelt, Energie und Arbeitsschutz. Nachhaltigkeitsmanager und -managerinnen sowie Fachund Führungskräfte, Projekt- und Prozessmanager, die an der Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes beteiligt sind (Einkauf, Logistik, Controlling, Marketing, Personal, IT etc.), können natürlich enorm davon profitieren. Der zweite Kurs «Nachhaltigkeitsberichte –Berichte erstellen» behandelt Themen wie Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie Hilfsmittel und Richtlinien, die dafür nützlich sind bzw. zu befolgen sind. Der Kurs richtet sich an Geschäftsführungen in einem Unternehmen sowie alle Akteure, welche direkt oder indirekt an der Sammlung und Ermittlung der Daten, der Erstellung und der Publikation des Nachhaltigkeitsberichtes involviert sind.

Der Nachhaltigkeitsbericht sollte zeigen, was geplant und erreicht wurde sowie was im Weiteren geschehen soll.

Engagement für die Nachhaltigkeit Die Swiss Safety Center AG engagiert sich als Teil der SVTI-Gruppe mit spezifischen Dienstleistungen, Produkten und Qualifizierungen im Sicherheits- und Qualitätsbereich. Als Teil ihrer nachhaltigen Unternehmensführung setzt sich die Swiss Safety Center AG für innovative Lösungen ein, um einen positiven Einfluss auf die Umwelt zu nehmen. Als Mitglied des internationalen «TIC Council» ist sie die unabhängige Drittstelle für Prüfungen, Inspektionen, Konformitätsbewertungen und Zertifizierungen von Systemen, Produkten und Personen. Jährlich führt die Swiss Safety Center AG mit ihren 150 Mitarbeitenden an vier Standorten in der Schweiz mehr als 2000 ISO-Zertifizierungen durch und bietet rund 300 Kurse pro Jahr an.

Mehr Informationen unter safetycenter.ch Steckbrief

Die ISO 26000 dient als Richtlinie für soziale Verantwortung. Wie verbessert der Leitfaden Unternehmen und deren Handeln?

Die soziale Verantwortung steht oft etwas im Schatten des Umweltschutzes, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Das soziale Verhalten von Unternehmen wird an Bedeutung gewinnen, unter anderem stärkt in Deutschland das Lieferkettengesetz (LkSG) diesen Aspekt. Es ist eine entsprechende Richtlinie für die ganze EU in Planung: die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD). Die ISO 26000 hilft als Richtline für soziale Verantwortung, das verantwortungsvolle Handeln im Unternehmen im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zu fördern.

Sie raten Unternehmen ausserdem zu einer Zertifizierung nach ISO 14001. Was bewirkt diese Norm?

Eine Zertifizierung im Bereich Umweltschutz ist mehr als nur ein Gütesiegel; sie ist ein strategischer Schachzug für Unternehmen. Durch die systematische Analyse und Optimierung von Prozessen lassen sich nicht nur Kosten sparen und die Wettbewerbsfähigkeit steigern, sondern auch die eigenen Risiken minimieren. Eine Zertifizierung signalisiert Kunden, Investoren und Mitarbeitern gleichermassen, dass das Unternehmen Nachhaltigkeit ernst nimmt. Zertifizierte Unternehmen sind oft bevorzugte Partner, haben in Genehmigungsverfahren Vorteile und profitieren von einer höheren Attraktivität für qualifizierte Mitarbeiter.

Ende Oktober, am 29.10.2024, bieten Sie einen «Safety Talk» zur Inklusion auf Spielplätzen und Freizeitanlagen an. Die Safety Talks der Swiss Safety Center AG sind eine kostenlose Vortragsreihe mit anschliessendem Apéro zum Austausch und Networking. Als Unternehmen glauben wir an die transformative Kraft der Inklusion. Unsere Mission ist es, eine integrative Umgebung zu schaffen, in der Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern auch aktiv gefördert wird. Der gemeinsame Zugang zu Spielräumen gewinnt dabei an zentraler Bedeutung. Die Swiss Safety Center AG als akkreditierte Inspektionsstelle unterstützt Gemeinden und Private in der Planung, Gestaltung und Kontrolle von sicheren Spielplätzen und berücksichtigt dabei auch die Aspekte der Inklusion.

Dr. Elisabetta Carrea CEO
©iStockphoto.com/anyaberkut

Das Flottenmanagement der Zukunft

Was braucht es, um Unternehmen und deren Waren und Mitarbeitende mobil zu halten? Neue Mobilitätskonzepte sollen die Nachhaltigkeit steigern – und zugleich Lust auf mehr Kooperationen und eine bessere Auslastung der Flotte machen.

VON RÜDIGER SCHMIDT-SODINGEN

Der LKW-Parkplatz. Zubetonierte Weiten. Ein seit Jahrzehnten unangetasteter Ort. Doch gerade hier könnte sich in Zukunft einiges tun. Müssen Unternehmen tatsächlich eigene Flotten betreiben und ihre LKW tagelang auf Hinterhöfen stehen lassen?

Wie wäre es, das Flottenmanagement mit modernen LKW als Corporate Carsharing zu organisieren, mehr Waren auf die Schiene zu setzen und den bis dato versiegelten Hof für PV-Anlagen oder andere sinnvolle Auf- oder gar Umbauten zu nutzen? Bereits im Juni 2016 formulierte Eucar, der Verband der europäischen Automobilhersteller für Forschung und Entwicklung, die zentralen Herausforderungen für eine sichere und integrierte Mobilität bis 2030. Einerseits, so der Verband, gehe es um «die Entwicklung von

Technologien und Dienstleistungen, die den Anforderungen der Kunden und der Gesellschaft gerecht werden und gleichzeitig immer anspruchsvollere regulatorische Standards erfüllen». Digitalisierung und Vernetzung stünden im Zentrum der zukünftigen Mobilität. Durch die rasante technologische Entwicklung in der IT- und Halbleiterindustrie werde «ein völlig neues Anwendungsspektrum für intelligente und sichere Mobilität möglich». Darüber hinaus formierten sich «neue Marktteilnehmer, die an kurze Innovationszyklen gewöhnt sind» und KI oder Deep Learning zu nutzen wüssten. Vernetzung braucht Sicherheit Schon früh rückte der Verband bei vernetzten Fahrzeugen den Sicherheitsaspekt in den Vordergrund. Wo Unternehmen die Sicherheit ihrer Flotte jahrzehntelang über den Gesundheitszustand der Fahrerinnen und Fahrer oder das Alter der eingesetzten LKW definierten, warnte Eucar, dass der technologische Vorsprung und die Kundenerwartungen

Güterverkehr in der Schweiz 2022

27.91 tkm (+0.2 %) Transportleistung insgesamt

17.43 tkm (-0.1 %)

Transportleistung Schiene

23‘200

Neuzugelassene LNF

79.3

Prozent Anteil Dieselfahrzeuge

10.5

Prozent Anteil Elektrofahrzeuge

201.5 g CO 2/km (-7.2 %) Durchschnittlicher Emissionswert

26

Flottenmanagement

an die Konnektivität eine wachsende Herausforderung darstellten, «um die Verbindung und die interne Fahrzeugkommunikation gegen Eindringlinge von aussen, beispielsweise durch Hacking, zu sichern». Die Herausforderung wachse, «da die Zeit durch die zunehmende Rechenleistung auf der Seite der Hacker steht. Jede Lösung sollte daher den gesamten Fahrzeuglebenszyklus berücksichtigen. Darüber hinaus muss das Restrisiko (Restrisiko nach Berücksichtigung aller Sicherheitsmassnahmen) angemessen angegangen werden, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.»

Neben automatisierten Fahrfunktionen, die einige Autostrecken demnächst faktisch zum Schienenverkehr umbauen, gehe es vor allem darum, Hybridfahrzeuge zu fördern und möglichst breit einzusetzen. Längerfristig gehe es um Entwicklung einer breiten «Stromund Wasserstoffinfrastruktur» und um «neue Fahrzeugkonzepte», die «besser für zukünftige integrierte Mobilitätssysteme und die Bedürfnisse der urbanen

Mobilität sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr geeignet sind». Eine Lösung, so der Verband, seien leichtere Fahrzeuge, die rund 25 Prozent weniger wiegen und entsprechend weniger Energie benötigten. Gleichzeitig müssten die Entwicklungszyklen der Automobilbranche entscheidend verkürzt werden, um mit den neuesten ITAnwendungen Schritt halten zu können. Zentrale Herausforderungen für Nutzfahrzeuge Was Nutzfahrzeuge angehe, erwartete Eucar, «dass in Zukunft immer mehr Menschen in urbanen Agglomerationen leben». Dies erhöhe den Druck auf umweltgerechte Fahrzeuge. Gleichzeitig müssten die Vorteile, die Nutzfahrzeuge in städtischen Gebieten mit einer «guten Kenntnis und Übersicht über ihre Umgebung» haben, noch weiter genutzt werden. Und in der Tat denken nicht nur Logistikdienstleister darüber nach, öffentliche Verkehrsmittel für die «letzte Meile» ihrer Warensendungen

Eine automatisierte und klug berechnete Strassennutzung samt neuer Stromtanksysteme könne trotz mehr beförderter Ladung für einen besseren Verkehrsfluss und mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz sorgen.

zu nutzen. Längst geht es auch darum, unregelmässige An- oder Abtransporte von Waren mithilfe öffentlicher Nahverkehrsstrukturen schneller zu organisieren und somit klimaneutral zu stellen. Bei Fernverkehrsfahrzeugen müssten dagegen der Langstreckenantrieb sowie die Fahrzeuge selbst hinsichtlich ihres Gewichts, ihrer Abmessungen und Form optimiert werden. «Ein höherer Automatisierungsgrad im Fernverkehr wird den Fahrer dabei unterstützen, die Aufgaben effizienter und sicherer zu erfüllen. Vollständig autonome oder sogar fahrerlose Nutzfahrzeuge im Fernverkehr könnten Lösungen für den zukünftigen Fernverkehr, die Regulierung der Fahrzeiten und die Sicherheit bieten.»

Eine automatisierte und klug berechnete Strassennutzung samt neuer Stromtanksysteme könne trotz mehr beförderter Ladung für einen besseren Verkehrsfluss und mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz sorgen. Ziel aller Bemühungen müsse ein integriertes Logistiksystem sein, dass Stadt- und Fernverkehrsfahrzeuge miteinander verbinde – und entsprechende Warenumschlagplätze oder Wechsel beim Antrieb vorsehe.

Gelingt der Durchbruch auf der Schiene?

Schweizer Fahrzeugbestand betrug der Anteil der Elektrofahrzeuge 2022 bei den Personenwagen 2,3 Prozent, bei den Lieferwagen nur 1,2 Prozent und bei Lastwagen und Sattelschleppern magere 0,4 Prozent. Unter den schweren Güterfahrzeugen zählte das BFS immerhin 50 Wasserstoff-LKW. Dass die revidierte Energiegesetzgebung im Rahmen der Energiestrategie 2050 auch leichte Nutzfahrzeuge zu weniger CO2-Emissionen zwingt, erhöht den Handlungsbedarf beim Flottenmanagement.

Was kann Mobility Management ändern?

Prozent Leerfahrten bei schweren Güterfahrzeugen

21

Prozent Schwere Gütertransporte: Nahrungsmittel

20

Prozent Schwere Gütertransporte: Steine und Erden

Quelle: Bundesamt für Statistik BFS, Bundesamt für Energie BFE

Angesichts der letzten BFS-Zahlen zum Güterverkehr in der Schweiz stellt sich jedoch die Frage, inwieweit Strasse und Schiene besser miteinander kombiniert werden können. 2022, so das BFS, hätten schwere Strassengüterfahrzeuge 66 Prozent ihrer Transportleistungen im Binnenverkehr und nur 34 Prozent im internationalen Verkehr, also beim Import, Export oder Transit, erbracht, «während bei der Bahn der internationale Verkehr mit einem Anteil von 77 Prozent dominierte». Auch seien die mittleren Transportdistanzen im Schienengüterverkehr deutlich grösser als auf der Strasse: «2022 wurden Güter auf dem Schweizer Schienennetz durchschnittlich über eine Distanz von 172 Kilometern befördert, der Vergleichswert auf der Strasse lag bei 47 Kilometern.»

Das BFS nennt in diesem Zusammenhang eine zentrale Herausforderung: «Während die regionale Feinverteilung der Waren aufgrund der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur in den meisten Fällen nur über die Strassen erfolgen kann, bietet die Schiene vor allem bei längeren Transportwegen Vorteile.»

Erneuerung des Fahrzeugparks

Dass schwere Güterfahrzeuge die höchste Erneuerungsrate aufweisen, ist für das BFS nicht überraschend. Die hohe Erneuerungsrate hänge damit zusammen, dass schwere Güterfahrzeuge «pro Jahr und Fahrzeug etwa dreimal so viele Kilometer zurücklegen wie die Personenund die Lieferwagen». Zudem setze «die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) bei den Lastwagen und Sattelschleppern Anreize, frühzeitig auf moderne (und somit schadstoffärmere) Fahrzeuge umzusteigen, um von tieferen Abgabesätzen zu profitieren». Durch verbesserte Batterien und ein dichteres Ladenetz erhofft sich das BFS zudem einen deutlichen Schub für Liefer- und Lastwagen sowie Sattelschlepper, die im Gegensatz zu PKW nur langsam zur Elektromobilität wechseln. Im gesamten

Allerdings setzen immer kürzere Lieferfristen die Unternehmen unter Druck. Obwohl die Gesellschaft und die Gesetzgebung ein nachhaltiges Verhalten wünschen oder vorgeben, will kein Kunde bei der Belieferung warten. Insofern wollen sich Unternehmen, insbesondere Logistiker, die täglich weitere Strecken bedienen müssen, keine Experimente bei der Energieversorgung ihrer LKW erlauben. Folglich beziffert das Bundesamt für Energie BFE in seiner Berichterstattung «Energieverbrauch und Energieeffizienz der neuen Personenwagen und leichten Nutzfahrzeuge 2022» den Anteil von Dieselfahrzeugen an den neuzugelassenen LNF mit 79.3 Prozent, was einer Abnahme von 6 Prozent entspricht. Im Gegenzug habe sich der Anteil von Elektrofahrzeugen an der Neuwagenflotte auf 10.5 Prozent verdoppelt. Den durchschnittlichen Emissionswert der Neufahrzeuge gibt die Erhebung mit 201.5 g CO2/km an. Das Minus von 7.2 Prozent gegenüber dem Vorjahr erreicht dennoch nicht die Zielwerte des CO2-Gesetzes. Das bedeutet: Noch mehr Flotten müssen schneller auf Elektrobetrieb umgestellt werden oder mit Kooperationspartnern den Einsatz ihrer Fahrten sinnvoller und emissionsärmer planen. Inwieweit könnten Unternehmen Produkte gemeinsam auf einem LKW transportieren oder an festen Punkten mittelgrosse Waren mitnehmen und entsprechend wieder abgeben? Wie sicher kann eine solche Planung mit anderen sein, ohne Termine zu verzögern und den Traum von einem gemeinsamen Planen und Nutzen ad absurdum zu führen? Weitere Ansätze zu einem besseren Mobility Management lassen sich hinter den statistischen Zahlen schnell finden. So zeigt die Studie des BFS, dass 26 Prozent der von den inländischen schweren Güterfahrzeugen erbrachten Fahrleistung 2022 ohne Ladung erfolgten. Auch die zwei Hauptgründe, warum inländische schwere Güterfahrzeuge durch die Strassen kurven, dürften findige Mobilitätsmanager inspirieren: 21 Prozent der Trucks sind für Nahrungsmittel unterwegs, 20 Prozent für «Steine und Erden». Die Preisfragen lauten: Was könnten leere Transporter und Kipplaster auf Rückwegen transportieren – oder wie sollten sie eingespart und durch andere, leichtere Maschinen und Systeme ersetzt werden? Was könnten multifunktionale Parkpunkte mit Tank- und Ladestellen leisten oder vereinfachen? Wie müssen neue Ladeeinheiten aussehen, damit sie auch von leichteren Fahrzeugen einfach von A nach B transportiert werden können? Nicht nur die versteinerten LKWParkplatzwüsten hinter den Unternehmenstoren warten auf Antworten.

Das intelligente

Güterverkehr

Strom-Management

PV plus Speicher plus Steuerung: Agrola revolutioniert mit integrierten MicrogridLösungen die Gewinnung und Verteilung von Solarstrom für E-Autos und ländliche Gebiete.

Ein entscheidender Aspekt auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel ist die möglichst intelligente und ökonomische Gewinnung, Speicherung und Verteilung von Solarstrom. Mit ihrer integrierten Microgrid-Lösung verbindet die Schweizer Energiedienstleisterin Agrola nicht nur die einzelnen Stufen der Stromgewinnung und -nutzung, sondern bringt innerhalb eines lokalen Mikronetzes auch moderne Energiemanagementsysteme und E-Schnellladestationen zusammen.

Durch eine perfekte Verbindung von Photovoltaik- und Batterieanlagen sind Microgrids grösstenteils unabhängig von zentralen Elektrizitätswerken und versorgen und organisieren sich mittels modernster Technik praktisch selbst. Jedes System speist sich aus einer eigenen PV-Anlage, die an ein Batteriesystem angeschlossen ist. Der natürlich gewonnene Strom wird so, je nach Bedarf und Planung, entweder direkt verbraucht oder zwischengespeichert und richtig dosiert an die angeschlossenen Verbraucher oder die ladenden Autos weitergegeben.

Smarte Selbstversorgung und Unabhängigkeit

Angesichts der alternden Infrastruktur herkömmlicher Stromnetze setzen Microgrids auf ökonomische, lokale Kleinnetze. Diese senken die allgemeinen Energie- und Netzausbaukosten, reduzieren Spitzenleistungen und verbessern technisch sowohl den lokalen Energieverbrauch als auch die übergeordnete Netzstabilität erheblich. Vor allem können Microgrids die Elektromobilität entscheidend voranbringen. Denn neben zunehmend leistungsfähigeren Batteriespeichern werden mehr Mikronetze auf dem Land dafür sorgen, dass E-Autos schneller, günstiger und insgesamt sorgloser geladen werden können. Microgrids tragen damit aktiv zur Sicherung der kritischen Infrastruktur im ländlichen Raum bei.

Microgrids an immer mehr Agrola-Standorten

In Zollbrück im Emmental ist die Landi-Tankstelle samt TopShop bereits seit Ende 2022 mit einem Microgrid samt Schnelllader mit einer Leistung von 165 kW ausgerüstet. Damit können E-Autos den vor Ort produzierten Solarstrom laden, unabhängig von der verfügbaren Leistung im öffentlichen Netz. Mittlerweile sind neben dem Standort Zollbrück auch etliche weitere Agrola-Ladestandorte mit Microgrids ausgestattet. Und das System wird laufend an weiteren Standorten mit Schnellladestationen eingebaut. Immer mit dem gleichen Ziel: Strom lokal produzieren, hohe Ladeleistung bereitstellen und mit der vorhandenen Netzinfrastruktur klarkommen.

Steckbrief

Die Agrola AG ist eine Schweizer Energiedienstleisterin und Tochter der fenaco Genossenschaft. Das Unternehmen liefert Strom, baut Photovoltaikanlagen, vertreibt Holz-Pellets und Heizöl. Mit Schnell-Ladestationen für Elektrofahrzeuge und WasserstoffTankstellen investiert Agrola gemeinsam mit den Landi Genossenschaften in die nachhaltige Mobilität. Das Agrola Tankstellennetz umfasst über 400 Standorte und ist damit das grösste im ländlichen Raum der Schweiz. Die Agrola AG befindet sich in einem Transformationsprozess von der rein fossilen Brenn- und Treibstoffhändlerin hin zur umfassenden und nachhaltigen Energiedienstleisterin.

Mehr Informationen unter agrola.ch/solar

Marten van Klooster, Projektleiter Microgrid und Leiter Business Management bei Agrola, perfektionierte drei Jahre lang die Microgrid-Lösung. Van Klooster erklärt das Laden ohne teuren Netzausbau vor Ort so: «Wenn ein Auto kommt und laden will, wird direkt die gerade produzierte Sonnenergie genutzt. Um eine hohe Ladeleistung zu erreichen, wird der Ladevorgang mit Energie aus dem Batteriespeicher ergänzt. Nur wenn diese beiden

Güterverkehr

Stromquellen nicht ausreichen, kommt die restliche Energie aus dem Netz dazu. Wenn nicht geladen wird, bringen wir den Speicher wieder auf eine Minimumebene zurück, um das nächste schnelle Laden zu ermöglichen.»

Die Steuerung des Microgrids bestimmt dabei dynamisch und je nach Wetterlage, ob die Energie aus dem Speicher mehr oder weniger für den Eigenverbrauch freigegeben wird. Das System berechnet innerhalb von Millisekunden die Rahmenbedingungen, um allen angeschlossenen Verbrauchsstellen eine optimale Versorgung zu gewährleisten.

Als mögliche künftige Erweiterungen plant Agrola eine Vernetzung dezentraler Microgrids mit Solar- und Speicheranlagen über das öffentliche Netz. «Die Ausbaumöglichkeiten mit weiteren Komponenten sind nach oben offen. Ein Beispiel der Zukunft könnte sein, dass wir aus der überschüssigen Energie Wasserstoff erzeugen», bekräftigt Marten van Klooster. Er sieht Microgrids auch als perfekte Lösung für die Landwirtschaft. Gerade grosse Betriebe in entlegenen Regionen könnten damit unabhängiger werden. «Viele Landwirtinnen und Landwirte besitzen bereits eine Photovoltaikanlage und

möchten diese erweitern. Das Vorhaben scheitert jedoch oft an der begrenzten Anschlussleistung.»

Landwirtschaft wird Energiewirtschaft Aus Landwirtinnen und Landwirten könnten mit vernetzten und dezentralen Lösungen Energiewirtinnen und -wirte werden. Sie nutzen ihren Solarstrom nicht nur zur Eigenversorgung, sondern beliefern damit auch ihre Umgebung. Dadurch wird lokale Wertschöpfung generiert. Zugleich tragen Energiewirtinnen und -wirte langfristig zur Sicherung der kritischen Infrastruktur im ländlichen Raum bei – mit selbst produzierter, erneuerbarer Energie. Mittlerweile betreibt die Agrola AG

über 80 Photovoltaik-Anlagen. Allein die beeindruckende Fassaden-PV-Anlage «UFA Silo 3» in Herzogenbuchsee besteht aus 1‘192 Modulen auf dem Dach und an der Fassade und produziert jährlich 445‘000 kWh Strom. Das entspricht einem Viertel des Energieverbrauchs des Werks und seiner Lagersilos. Alternativ könnte damit der Bedarf von rund 100 Einfamilienhäusern gedeckt werden.

Indem sie zukunftsfähige Energie- und Mobilitätslösungen anbietet, gestaltet Agrola die neue Energiewelt aktiv mit. Damit erfüllt sie ihr Versprechen, die Versorgungssicherheit der Schweizer Bevölkerung mit Energie und Wärme zu gewährleisten.

Angesichts der alternden Infrastruktur herkömmlicher
auf ökonomische, lokale Kleinnetze.

«Mit dem bequemsten E-Auto-Abo in die Zukunft»

Einfach vor der Haustür in die E-Mobilität starten – inklusive Versicherung, Wartung, Steuern und auf Wunsch sogar Strom zum Laden.

Mit dem «flexibelsten E-Auto-Abo der Schweiz» setzt die Züricher Mobilitätsanbieterin Clyde neue Massstäbe. Fabrizio Tollin, seit 1. Januar CEO von Clyde, über die Ökosysteme der Zukunft, Nachhaltigkeit als Business Case und die «Schlüsselrolle» des E-Autos.

Herr Tollin, E-Autos und Batteriesysteme werden immer besser. Welche Anreize müssen gesetzt werden, damit mehr Kundinnen und Kunden aufs E-Auto umsteigen?

Ich denke, es geht vor allem um finanzielle Anreize, die gesetzt werden müssen. Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es für ein E-Auto in der Schweiz keine steuerlichen Vorteile. Aber das ist die politische Ebene, auf die wir ohnehin nur geringen Einfluss haben. Wichtiger ist deshalb, auf die gut ausgebaute Ladeinfrastruktur hinzuweisen, die das E-Auto besonders in der Schweiz sehr interessant und auch finanziell erschwinglich macht. Die Ladeinfrastruktur wächst jeden Tag. Hierzulande wird das Ladenetz immer dichter, im Ausland ist es dagegen noch sehr unterschiedlich ausgebaut. Gleichzeitig wird aber auch die Batterieleistung immer besser. Das heisst: Sie können mit einer Ladung immer grössere Distanzen fahren.

Mit Ihrem Abomodell wollen Sie E-Autos deshalb bewusst leichter zugänglich machen?

Ja, das wollen wir. Die Menschen sehen, dass sich die Technik bei den E-Autos immer schneller entwickelt. Und mit einem E-Auto-Abo haben Sie mehr Flexibilität und Sicherheit. Wir als Anbieter stellen Ihnen das E-Auto bereit – und Sie müssen sich um nichts kümmern. Mit der Option «Premium – mit Strom» übernehmen wir auf Wunsch auch den Stromkauf und Sie können kostenlos zu Hause, am Arbeitsplatz oder an öffentlichen Ladestationen laden. Sie müssen nicht mit dem Autohändler verhandeln, nicht mit Versicherungen. Wir kümmern uns ums Nummernschild Ihres Kantons, um die Steuern und den Service.

Sie sagen, dass dem E-Auto bei der Energiewende eine Schlüsselrolle zukommt. Was bedeutet das für die private und auch geschäftliche Nutzung? Neben den Early Adoptern, die von Anfang an ein E-Auto fahren wollten und sich für das E-Auto begeistern, gibt es

viele Privatleute, die noch überlegen und nicht so entscheidungsfreudig sind. Die müssen wir davon überzeugen, was das E-Auto kann. Vor allem im B2B-Bereich sehen wir grosses Potenzial. Elektrofahrzeuge bringen für Unternehmen nur Vorteile. Sie lassen sich perfekt als Dienstwagen einsetzen und können über Wallboxen direkt auf dem Firmengelände geladen werden. Gleichzeitig ermöglichen sie auch den Angestellten eine perfekte Anfahrt zum Arbeitsplatz. E-Autos leisten dazu einen wichtigen Beitrag für die Umwelt, was man bei den demnächst geforderten Nachhaltigkeitsberichten nicht unterschätzen sollte. Unser E-Auto-Abo hat dazu den Vorteil, dass, anders als beim Leasing, alles inklusive ist. Komplizierte Verhandlungen oder Forecasts fallen weg.

Viele Autofahrerinnen und Autofahrer machen sich Sorgen, dass sie keine Ladestation in der Nähe haben. Wie lässt sich das lösen?

Wir müssen den Leuten mehr Informationen geben und erklären, wo sie bereits überall Strom beziehen können. Wie gesagt, die Ladeinfrastruktur wird jeden Tag besser. Sie haben in der Schweiz überhaupt kein Problem, eine

Steckbrief

Die nachhaltige Lösung für die Zukunft

Clyde wurde 2019 als Teil des Innovation und Venture LAB der AMAG Import AG gegründet. Anfang 2022 begann die Transformation zum rein elektrischen Mobilitätsanbieter. Seit Anfang 2024 ist Clyde zu 100 Prozent elektrisch unterwegs. Als Teil der neuen Business Unit «AMAG Energy & Mobility» der AMAG Group AG treibt Clyde den Weg zur CO2neutralen individuellen Mobilität voran. Diese konzentriert sich auf die Themen Energie, Laden und Strom.

Mehr Informationen unter clyde.ch

Ladestation zu finden. Dazu wird es in entlegeneren Bergregionen vermehrt mobile Ladestationen geben, die praktisch zum E-Auto kommen. Auch im Ausland werden die Lademöglichkeiten in den nächsten Monaten weiterwachsen. Dazu hat sich in den letzten Jahren bereits die Reichweite von 200 oder 300 Kilometern auf 500, 600 oder 700 erhöht.

Clyde will mit dem E-Auto-Abo mehr Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit schaffen. Welche Rolle spielt dabei das bidirektionale Laden? Das bidirektionale Laden ist hochinteressant. Und es wird in Zukunft viel zur Netzstabilität und zu einem effektiven Energiemanagement beitragen. Man muss jedoch sehen, dass es vor allem

für Heimbesitzerinnen und Heimbesitzer interessant sein wird, die dann überschüssigen Strom direkt in ihr Haus oder sogar ins Netz (V2H und V2G) weiterleiten und nutzen können. Für Mieterinnen und Mieter wird es vielleicht auch Lösungen geben, aber das hängt von den Strukturen und Möglichkeiten der jeweiligen Häuser und Wohnungen ab. Das bidirektionale Laden wird zweifellos kommen und die Kosteneffizienz des E-Autos noch einmal erhöhen.

Sie pochen im Zuge der Dekarbonisierung auf ein «Recht auf Laden». Was ist dafür notwendig, um dieses Recht durchzusetzen?

Wir pushen dieses Recht, denn es ist ein wichtiger Punkt für die E-Mobilität. Wir brauchen in Miethäusern mehr Wallboxen, deswegen arbeiten wir mit unserem Partner Helion an Ladelösungen, die jeder bei sich zu Hause umsetzen und installieren kann. Vor allem Immobilienbesitzer wehren sich oft gegen Ladestationen für ihre Miethäuser. Es ist aber klar, dass jede Wallbox eine Investition in die Zukunft ist.

Stellt der Mehrverbrauch an Strom durch mehr E-Autos eine Herausforderung dar?

Natürlich führen mehr E-Autos zu einem erhöhten Strombedarf. Die Netzkapazitäten müssen deshalb erhöht werden. Gleichzeitig müssen wir die Strukturen verändern. Wir müssen auf die erneuerbaren Energien setzen. Der Strom, den wir brauchen oder mehr brauchen, werden wir selbst produzieren können. Dazu braucht es noch mehr PV-Anlagen und ein intelligentes Strommanagement. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Die Abstimmung zum lange verhandelten Stromgesetz hat gezeigt, dass die Schweizerinnen und Schweizer Verantwortung übernehmen und die erneuerbaren Energien zügig ausbauen wollen. Davon profitiert vor allem auch das E-Auto.

Wie wird die Nutzung von E-Autos in zehn Jahren aussehen? Es wird viel mehr E-Autos geben und die E-Mobilität wird sich durchgesetzt haben. Besonders auch Dienstfahrzeuge werden mit Strom bewegt werden. Wir werden dazu noch bessere Batterien haben, die noch grössere Reichweiten erzielen. Dazu wird die Ladeinfrastruktur noch besser sein als heute. Bidirektionales Laden wird möglich sein, dazu wird es «connected services» geben und autonome E-Fahrzeuge, die uns ja bereits vor 20 Jahren angekündigt wurden. Das Auto und das Besitzen eines Autos werden wichtig bleiben, das ist keine Frage. Aber man muss auch sehen, dass die Leute nicht mehr neun Jahre mit dem gleichen Modell fahren werden. Die Zyklen werden sich verkleinern, gleichzeitig werden Autos über Abo-Modelle wie Clyde für bestimmte Zielgruppen noch attraktiver werden. Mit einem E-AutoAbo brauchen Sie sich, wie gesagt, um nichts - auch nicht den Restwert - zu kümmern und können gleichzeitig völlig unabhängig, umweltbewusst und sicher Auto fahren.

Das bidirektionale Laden ist hochinteressant. Und es wird in Zukunft viel zur Netzstabilität und zu einem effektiven
beitragen.

Als Partner für die Elektromobilität haben Daniel Neuhaus (r.) und MOVE ihre Leistungen in die bestehenden Prozesse und Werkzeuge von Benjamin Herzig und AIL integrieren können

MOVE Mobility Die MOVE Mobility AG ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Energiedienstleister Groupe E, Primeo Energie und Energie Wasser Bern. Mit einer umfassenden Palette von Services stellt MOVE sicher, dass sich Elektroautos jederzeit und überall sicher und bequem laden lassen – sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum.

Um im öffentlichen Ladenetz von MOVE schweizund europaweit zu laden, haben Fahrerinnen und Fahrer von E-Autos – abhängig von ihrem Ladeverhalten – die Wahl zwischen unterschiedlichen Abonnementen. Die smarte MOVE App erlaubt es ihnen, die zahlreichen Ladestationen einfach aufzufinden und sie nach verschiedenen Kriterien zu filtern.

Für Geschäftskunden und private Eigentümerinnen und Eigentümer von Ladestationen, die in ihrem bestehenden Netz, an ihrem Firmensitz oder bei ihren Immobilien eine (erweiterte) Ladeinfrastruktur für Elektroauto-Fahrerinnen und -Fahrer konzipieren und realisieren möchten, hält MOVE skalierbare Ladelösungen bereit. Diese reichen, da sich das System auf jegliche Anforderungen konfigurierten lässt, von der Installation einzelner Wallboxen bis hin zu komplexen Lösungen für Zugang und Abrechnung von E-Fahrzeugflotten.

Mehr Informationen unter move.ch

Das inhabergeführte Familienunternehmen verfügt seit 1949 über ein hohes Mass an Erfahrung und Kompetenz im Full Service Leasing für Kundinnen und Kunden mit Autoflotten. Heute verwaltet es an den drei Standorten Muttenz, Urdorf und Genf mehr als 14‘000 Firmenfahrzeuge in der ganzen Schweiz. Hier ist es auch der einzige Dienstleister im Flottenmanagement, der banken- und markenunabhängig ist. Steckbrief

Auto-Interleasing AIL

MOVE integriert Lösungen für die Elektromobilität in die Prozesse fürs Flottenmanagement

Auto-Interleasing (AIL) managt für ihre Kundinnen und Kunden Tausende von Flottenfahrzeugen, was einen grossen Automatisierungsgrad bedingt. Mit dem Ansteigen der Zahl von Elektrofahrzeugen in diesen Flotten galt es, die digitalen Prozesse den neuen Erfordernissen anzupassen.

Als Anbieter von Flottenmanagementlösungen sind die Mobilitätsexperten von Auto-Interleasing (AIL) vorwiegend beratend tätig. Sie unterstützen ihre Flottenkunden über den ganzen Abwicklungszyklus vom Beschaffen übers Managen bis zum Verkauf von Firmenwagen. In dieser Eigenschaft sind sie sehr früh auch mit dem Thema Elektromobilität in Berührung geraten: Da sie die Entwicklungen im Markt sehr aufmerksam verfolgen und in engem Kontakt mit ihren Kundinnen und Kunden stehen, registrierten die Beraterinnen und Berater von AIL schnell, dass diese auf die neue Mobilitätsform aufmerksam geworden sind und sich für Elektroautos für ihre Flotten interessierten. Ausschlaggebend dafür waren vorerst noch Überlegungen in Bezug auf Image und Umwelt, obwohl viele Autos zu diesem Zeitpunkt noch über wenig Reichweite verfügten und teuer in der Anschaffung waren.

Geschäftsprozesse auf Elektromobilität trimmen

Aus der veränderten Nachfrage der Kundinnen und Kunden sahen sich die Expertinnen und Experten von AIL vor die Herausforderung gestellt, eine ganze Reihe von neuen Kompetenzfeldern

aufzubauen: Zum einen mussten sie die Fähigkeit erlangen, ihren Kundinnen und Kunden die (natürlich noch nicht bestehende) Ladeinfrastruktur für die

Elektroautos zu errichten – und zwar am eigenen Firmenstandort und am Wohnort der Mitarbeitenden.

Zum anderen bauten sie die Expertise auf, um geschätzte und attraktive Beratungsleistungen zum Thema Nachhaltigkeit anzubieten, etwa mit Reportings zum Verbrauch einzelner Fahrzeuge, Tipps zum Senken dieses Verbrauchs, CO2-Bilanzen etc. Last but not least mussten sie alle bestehenden Geschäftsprozesse für benzinbetriebene Autos auf elektrobetriebene adaptieren. So galt es beispielsweise, neu ein Ladekartenmanagement anzubieten, das möglichst ähnlich wie das bestehende Tankkartenmanagement funktioniert und das sich in der Praxis schon jahrelang bewährt hat.

MOVE findet Platz in digitalen Prozessen Um diesen firmeninternen Transformationsprozess zu initiieren, hat sich AIL auch an MOVE Mobility gewandt. Ausschlaggebend für diese Wahl war, dass AIL nicht eine Reihe verschiedener kleiner Partner, sondern nur solche mit einer bedeutenden Grösse am Markt wollte. Zudem entsprach die langjährige Erfahrung von MOVE in der Elektromobilität und im Bereitstellen von Ladeinfrastruktur den Bedürfnissen von AIL, ebenso wie die ausgezeichnete Netzabdeckung von MOVE für einen einfachen Zugang für die Fahrerinnen und Fahrer. Entscheidend war aber die ausgewiesene Fähigkeit von MOVE, Prozesse

adaptieren und eine grosse Anzahl Kundinnen und Kunden abwickeln zu können. Benjamin Herzig, Projektmanager bei AIL, blickt mit Freude auf das Entstehen einer ausgezeichneten Zusammenarbeit zurück: «Die hervorragende Partnerschaft ist in der konstanten gemeinsamen Entwicklung entstanden. Bei AIL bewirtschaften wir über 15‘000 Fahrzeuge, ein grosser Automatisierungsgrad ist also ausgesprochen wichtig. Wenn nun viele Fahrzeuge auf Elektromobilität wechseln oder wechseln werden, muss unser Partner also nicht nur in der Lage sein, eine grosse Anzahl Karten und Stationen abzuwickeln. Er muss sich und seine Leistungen überdies auch in unsere bestehenden Prozesse und Werkzeuge integrieren können, so dass wir in den bestehenden Systemen weiterarbeiten können. Diese Fähigkeit hat MOVE mit der grossen Erfahrung aus der Elektromobilität auf den Punkt gebracht. So haben wir in enger

Heute

Zusammenarbeit gemeinsam die nötige Expertise entwickelt.» In diesem Bereich profitiert MOVE also davon, dass die eigenen IT-Experten ihre Lösungen jeweils selber entwickeln, was ihnen die Flexibilität und Schnelligkeit verschafft, sich den Bedürfnissen der Partner und des Marktes umgehend anzupassen. Kunden brauchen Hilfe bei der Abrechnung Die Partnerschaft zwischen MOVE und AIL entwickelt sich allerdings immer weiter, da sich auch die Bedürfnisse der Flottenkunden ständig ändern. So beginnen sie derzeit etwa zunehmend damit, nach den Dienstwagen im Premiumsegment für den Aussendienst und fürs Management auch die Nutzfahrzeuge auf Elektrobetrieb umzustellen, was neue Herausforderungen schafft. Waren vor Jahren die Alternativen für Flottenkunden in der Elektromobilität eher schlecht und die Batterie und die

Reichweite die beherrschenden Themen, so hat sich das heute verändert. Heute liegen die Herausforderungen in der Abrechnung, der Infrastruktur und den Betriebskosten. Herzig beobachtet die Entwicklung wachsam: «Derzeit beantworten wir etwa Fragen nach dem Zugang zur Ladestation, nach der Infrastruktur oder nach steuerlichen Aspekten. Viele Flottenkunden benötigen Hilfe bei der Verarbeitung und Abrechnung von Ladungen, was insbesondere an Fremdstationen immer noch grosse Herausforderungen bereithält. Auch Rückvergütungen für die private Nutzung sind für Firmenkunden heute relevant.»

Tatsächlich ist zusammen mit dem Aufschwung der Elektromobilität auch die Regelungsdichte angewachsen. Flottenkunden müssen sich heute daher etwa damit auseinandersetzen, wie für die private Nutzung von Elektroautos Steuern zu bezahlen sind oder wie der private Strombezug fürs Laden zuhause steuerlich ausgewiesen werden muss. Verschiedene Wohnverhältnisse der Mitarbeitenden, beispielsweise in Mehrfamilienhäusern, machen derartige Probleme noch einmal komplizierter. Aber auch bei diesen neuen Fragestellungen steht MOVE AIL beratend zu Seite und hilft, Ladestationen zu vermitteln und Prozesse weiterzuentwickeln und zu begleiten, die etwa vom Einstellen neuer Tarife bis zum Ermitteln von Rückvergütungen reichen.

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

Ich muss mich eingangs als Spielverderber outen: Trotz dem spektakulären 70%-Sieg bei der Volksabstimmung zum Stromgesetz am 9. Juni dieses Jahres bin ich alles andere als euphorisch für unsere Energiezukunft. Strom ist wie das «Grundnahrungsmittel» von Wirtschaft und Gesellschaft. Und ich glaube, wir laufen hier auf eine Nahrungsmittelknappheit zu.

Der Vergleich mit der Nahrung passt in zweifacher Hinsicht: Ohne Nahrungsmittel geht nichts mehr, das ist auch beim Strom so. Bis 2050 müssen wir die Stromproduktion mindestens verdoppeln. Das ist eine Herkulesaufgabe. Dies liegt einerseits an einem stark steigenden Verbrauch aufgrund der Dekarbonisierung, Elektrifizierung und demographischen Veränderungen. Die meisten Studien prognostizieren einen Strombedarf von rund 80-90 Terrawattstunden bis 2050 (zum Vergleich: Heute produziert die Schweiz ca. 60TWh), einige Studien gehen sogar von über 100 Terrawattstunden aus. Und andererseits werden unsere Kernkraftwerke irgendwann wegfallen, selbst wenn man ihre Laufzeiten verlängert. Diese Kraftwerke haben zuverlässig über Jahrzehnte mehr als ein Drittel unseres Stroms geliefert – ihr Wegfallen reisst eine grosse Lücke in unsere Stromproduktion. Doch wie bei Nahrungsmitteln geht es nicht nur darum, genug davon zu haben, sondern auch genug vom richtigen. Wie zu viel Fastfood gesundheitlich nicht nachhaltig ist, so ist z.B. billiger und dreckiger Kohleoder Gasstrom nicht nachhaltig. Die Schweiz hat aktuell einen sehr sauberen Strommix, bezieht sie doch fast die Grossmehrheit ihres Stroms aus klimafreundlicher Wasser- und Kernkraft. Würde der Schweizer Strom aber beispielweise nur schon so «dreckig» wie der der Europäischen Union im Durchschnitt, würde sich Netto-Null nach unseren Berechnungen um mindestens zehn Jahre verzögern. Es geht also nicht nur darum, unsere Stromproduktion zu verdoppeln – sondern sie mit klimafreundlichen Produktionstechnologien zu verdoppeln.

Das Prinzip Hoffnung reicht nicht

Bei dieser notwendigen Verdoppelung mache ich mir weniger Sorgen um einen Blackout, oder in den Worten des Präsidenten der Elektrizitätskommission Werner Luginbühl, dass wir schon bald «Kerzen anzünden» müssten. Mir bereitet vor allem der Strompreis Sorgen, insbesondere für die Winter. Eine Studie von economiesuisse und der ETH sieht einen Spread – also die Differenz zwischen Winter- und Sommerstrompreis – von über 300 % bis 2050 voraus. Auch wenn das natürlich noch etwas Kaffeesatzlesen ist, bleibt es ein riesiges Problem: Für die Wirtschaft würden so hohe Strompreise bedeuten, dass im Winter energieintensive Unternehmen im schlimmsten Fall kaum mehr produzieren könnten. Die Folgen wären gravierend: Deindustrialisierung und Abhängigkeit der Produktion vom Ausland. Und für die Gesellschaft birgt ein hoher Strompreis auch Sprengpotenzial: Debattieren wir heute über die Krankenkassenprämien, könnten es in Zukunft die Strompreise sein. Wir müssen das Problem lösen. Das Prinzip Hoffnung reicht nicht aus. Es ist dabei nur begrenzt beruhigend, dass viele Experten sagen, mit dem eingeschlagenen Weg könne es klappen. So wie man nicht in ein Flugzeug einsteigen würde, bei dem sieben Experten sagen «Könnte gut fliegen» und drei «Bricht in der Luft auseinander», können wir keine blauäugigen Experimente in der Energiepolitik wagen. Mit dem Ja zum Stromgesetz am 9. Juni dieses Jahres haben wir einen ersten wichtigen und richtigen Schritt gemacht. Er war notwendig, sozusagen der «Frühlingsputz der

Energiepolitik». Mit ihm wurden viele wichtige Änderungen eingeführt, so eine Deblockierung bedeutender Wasserkraftprojekte oder eine Vereinfachung von Bauprojekten. Doch dieser Schritt ist noch lange nicht hinreichend. Es warten noch grosse Herausforderungen auf uns. Die wichtigsten politischen Prioritäten sind:

• Ein Stromabkommen mit der EU: Dieses würde uns bis 2050 rund 50 Milliarden Franken sparen, wie economiesuisse mit einer Studie mit der ETH berechnet hat. Leider wird dieses Abkommen, das für eigentlich alle Experten aus der Branche ein «No Brainer» ist, momentan noch in politischer Geiselhaft gehalten.

• Radikale Beschleunigung der absurden Bauverfahren: Man witzelt, dass die fünfte Landessprache der Schweiz die Einsprache sei. Das ist lustig und traurig zugleich, weil es stimmt. Wenn ein Windpark 20 Jahre braucht – davon 19 Jahre für die Bewilligung und eines für den Bau – läuft etwas falsch.

• Der Netzausbau darf nicht vergessen werden: Strom bringt wenig, wenn wir ihn nicht zu den Konsumenten bringen können. Und auch hier kommen noch grosse Investitionen von 50 Milliarden Franken bis 2050 auf uns zu. Besonders teuer (nochmals bis zu 30 Milliarden) wird es, wenn die Stromproduktion sehr zerstückelt wird, wir also beispielsweise sehr viel Strom von unzähligen verstreuten Dachsolaranlagen beziehen aber keine grösseren Anlagen oder Produktionsparks zu bauen vermögen.

• Technologieoffenheit: Insbesondere dürfen wir das Potenzial der Kernenergie nicht vernachlässigen. Dabei

Strom ist wie das «Grundnahrungsmittel» von Wirtschaft und Gesellschaft. Und ich glaube, wir laufen hier auf eine Nahrungsmittelknappheit zu.

Alexander Keberle Mitglied der Geschäftsleitung economiesuisse, Bereichsleiter Umwelt, Energie und Infrastruktur

geht es um eine Verlängerung der Laufzeiten, aber auch um eine saubere Prüfung des Ersatzes der bestehenden Kernkraftwerke durch neue. Auch andere Zukunftstechnologien, wie Geothermie, Fusion und weitere, müssen im Auge behalten werden. Ein gesunder Strommix ist ein ausreichend differenzierter.

• Förderung marktnäher gestalten: Aktuell sind die meisten Förderinstrumente eine Kakophonie von Lobbyinginteressen. Der wichtigste Fördertopf, der Netzzuschlag mit mehr als einer Milliarde pro Jahr, wurde sowohl von der Akademie als auch der Eidgenössischen Finanzkontrolle scharf kritisiert, weil er so ineffizient ausgestaltet ist.

Mindestens so wichtig wie die «topdown» Rahmenbedingungen sind jedoch die einzelnen Akteure im Markt. Besonders wichtig ist die Wirtschaft, die mit 55 Prozent der Hauptstromkonsument ist. Ihr Beitrag kann sein:

• Effizienz: Die Schweizer Industrie ist mehr als siebenmal so energieeffizient wie der EU-Schnitt. Grund dafür ist, dass Effizienz im ureigenen Interesse liegt: Wenn Energiepreise viel ausmachen, ist Effizienz kein «Wohltätigkeitsprojekt», sondern ein Muss. Zudem ist die Schweizer Wirtschaft hochentwickelt und technologisch fortgeschritten. Allerdings ist das offensichtliche Potenzial langsam ausgeschöpft. Weitere Effizienzfortschritte werden vor allem mit neuen Technologien folgen.

• Innovation: Die Schweizer Wirtschaft ist eine der innovativsten weltweit. Diese Innovationen helfen oft, Energie zu sparen durch bessere Prozesse und weiterentwickelte Maschinen. Davon profitieren nicht nur Kunden zuhause in der Schweiz, sondern auch global. • Ambition: Viele Unternehmen haben weitergehende Ambitionen. Ein smartes Instrument, das hilft, diese Ambitionen zu realisieren, sind die sogenannten «Zielvereinbarungen»: Wenn Unternehmen sich hohe Ziele stecken und diese erfüllen, können sie sich von bestimmten Abgaben befreien lassen. Energie ist eine Voraussetzung für eine erfolgreiche, wohlständige Schweiz. Wir müssen die Herausforderungen jetzt angehen. Heute profitieren wir von den Infrastrukturen, die Mitte des letzten Jahrhunderts von unseren Vorfahren gebaut wurden. Diese waren aus damaliger Sicht etwas überdimensioniert. Doch genau von diesen vorausschauenden Innovationen leben wir heute.

Heute liegt es an uns sicherzustellen, dass wir unseren Nachfahren kein Ei legen, sondern ebenfalls vorausschauend agieren. Dazu braucht es mehr dezidiertes Handeln und weniger rote Linien in der Politik. Wer der energiepolitischen Debatte folgt, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es so viele rote Linien gibt, dass sie sich überschneiden. Man muss kein Experte sein, um zu erkennen, dass diejenigen, die eine saubere, günstige Stromproduktion in der Schweiz, ohne Atomkraft und sicher nicht in den Bergen, auf Dächern, aber bitte ohne Zwang und erneuerbar, und bitte rund um die Uhr fordern, mindestens einige Ansprüche zu viel erheben. Das «Weggli und den Fünfer» gibt es nicht, auch nicht in der Energiepolitik. Darum mein Vorschlag in Anlehnung an John F. Kennedy: Für die Energiezukunft der Schweiz sollten wir nicht fragen, was unsere Bedingungen sind, sondern was wir tun können, um unseren Beitrag zu leisten. Nur durch gemeinsames, entschlossenes Handeln können wir eine sichere und nachhaltige Energiezukunft für die Schweiz gewährleisten.

Fotocredit

Der Natur und dem Klima zuliebe

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