oora 41 • Macht

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12. Jahrgang • 3/2011 • Nr. 41 (September) 5,50 EUR/7,50 SFr (Einzelpreis)

www.oora.de

THE R ACE he ißt jetzt und erscheint v iermal pro Jahr

oora

Die christliche Zeitschrift zum Weiterdenken

Macht

Lass dich nicht unterkriegen

Liebe machen Sex in der Ehe  Seite 44

Mut zur Macht Interview mit dem CleanTech-Pionier Fred Jung  Seite 6

Wenn Kirche krank macht Geistlicher Missbrauch  Seite 18


Streetart-Satire: Stencil von Muammar al-Gaddafi an einer Hauswand in Chicago, USA. Foto: Joe Marinaro


Editorial Das Team von links nach rechts: Matthias, Anne, Jörg, Anneke, Michael, Johanna

Machtwechsel // Seit Monaten erfasst der Arabische Frühling ein Land nach dem anderen. Ausgehend von der Revolution in Tunesien ist eine ganze Serie von Protesten und Aufständen in der arabischen Welt zu beobachten. Wo jahrzehntelang autoritär herrschende Regime selbstverständlich waren, erhebt sich das Volk: nach Tunesion zunächst im 80-Millionen-Einwohner-Land Ägypten und schließlich in Lybien, wo über 40 Jahre lang Muammar al-Gaddafi Alleinherrscher war. Es ist eine Zeit von Machtwechseln; eine Zeit, wo Völker für sich beanspruchen, selbst die Staatsgewalt in die Hand zu nehmen. Bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass tatsächlich stabile Demokratien entstehen, in denen das Volk in seiner Gesamtheit die Staatsgewalt trägt. Macht – dieses Wort mag für viele Ohren zunächst etwas hart klingen. Aber Macht begegnet uns in verschiedenen Kontexten überall: Sie hilft uns, Dinge durchzusetzen und zu verändern, sie kann aber auch zum Stolperstein werden. Macht wurde uns anvertraut und es liegt an uns, wie wir mit ihr umgehen. Man kann in diesem Zusammenhang auch von Verantwortung sprechen. Fred Jung, Vorstandsvorsitzender einer schnell wachsenden Firma, spricht bei Macht von »geschenkter Verantwortung für andere Menschen« (S. 6). Er gründete eine Firma für erneuerbare Energien und mischt nun, nach 15 Jahren, bei der aktuellen Energiewende kräftig mit. Allein im vergangenen Jahr hat er beispielsweise 500 neue Mitarbeiter eingestellt. Was macht es mit einem Menschen, wenn er so rasant an Macht und Einfluss gewinnt? Um das herauszufinden, trafen wir uns mit ihm persönlich in seiner Firmenzentrale. Und dann die Frage: Haben Hintermänner und -frauen manchmal sogar mehr Macht als diejenigen, die ganz vorne stehen? Wir setzen uns mit Redenschreibern auseinander, deren Aufgabe es ist, mächtige Reden zu formulieren (S. 22). Es gibt im Leben aber auch Situationen, in denen wir uns machtlos – eben ohnmächtig – fühlen (S. 14) oder in welchen wir die Grenzen unserer Macht erkennen und merken, wie eng diese eigentlich gesteckt sind (S. 13).

Die Sponsoring-Aktion In der letzten Ausgabe starteten wir eine Sponsoring-Aktion, bei der wir mit Hilfe unserer Leser 50 oora-Pakete verschenken wollten. Dank einem überwältigenden Echo konnten wir davon bereits 35 Pakete an verschiedene Gruppen verschicken. Wow – und: Danke! Natürlich wollen wir die restlichen 15 auch gerne noch verschenken. Du kannst uns dabei helfen. Wie genau, verraten wir auf Seite 27.

Sex ist auch so ein Thema, das uns allgegenwärtig umgibt. Günter J. Matthia schreibt ganz unverblümt, wie das gemeinsame Sexleben in der Ehe entwickelt werden kann (S. 44). Unser Kolumnist Axel Brandhorst widmet sich einem relevanten und zeitlosen Thema (S. 24): Was macht die ganze nackte Haut um uns herum eigentlich mit uns? Für unsere Interviewreihe trafen wir uns diesmal mit dem Musiker Johannes Falk in seinem »Tonbiotop« in Heidelberg (S. 30). Jetzt wünschen wir dir viel Inspiration beim Lesen dieser Ausgabe. Dein oora Redaktionsteam oora.de

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Inhalt

oora

Artikel, die mit dem Lautsprecher gekennzeichnet sind, gibt es als Audioversion in iTunes und auf www.oora.de/audio.

Schwerpunkt: Macht

Quergedacht

6

Mut zur Macht

24

Möpse zum Frühstück

Interview: Dominik Hofmann

Kolumne: Axel Brandhorst

28

Verrücktes Gebet, Erotik und gemeindelos Jörg Schellenberger

10

Interview mit dem CleanTech-Pionier Fred Jung

Spieglein, Spieglein an der Wand

Christliche Menschenführung im Nackt-Scanner

Neues aus dem Hinterhof der Geistlichkeit Diese Titel haben es nicht aufs deutsche Cover geschafft

Axel Brandhorst

13

30

Der Pop-Pilger

Wir törichten Wissenschaftler?

Ansichten eines Mediziners

Dr. Tobias Kees

Interview: Cosima Stawenow

Interview mit Johannes Falk

Ohnmacht

36

Eine Lehrerin erlebt den Burn-out – Tagebuchauszüge

Nachhilfe für einen allwissenden Gott?

Anneke Reinecker

Rosemarie Stresemann

16

Zahlen der Macht

39

Zwischen Erdbeben und Menschenhandel

Infografik: Anja Brunsmann

Anne Coronel

18

Wenn Kirche krank macht

40

Jacob Wiebe

Kolumne: Linda Zimmermann

22

Der macht die Worte

42

Kindheit

Lyrik: Daniel Sailer

Claudia Gruhn

44

Liebe machen

14

Die militärische Machtverteilung in der Welt Geistlicher Missbrauch

Redenschreiber − Drahtzieher im Hintergrund

Gebet

Leserportrait Judith Kühl Problem oder Lösung

Unter der Oberfläche

Sex in der Ehe

Günter J. Matthia

48

Von Nieren, Blinddärmen und Humor

Kolumne: Mickey Wiese

Mein Freund Gott und ich

Details 5 27

Gedankensturm oora braucht dich!

43 50

Buchrezensionen Impressum | Leserbriefe

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Stand der Sponsoring-Aktion + Abopreis


Gedankensturm | Macht

Gedankensturm

Sachen zu Mac ht aus

der Redaktion

Gedankensturm ist, wenn jede Redakteurin und jeder Redakteur einen Begriff zugespielt bekommt und dann losschreibt, was ihr oder ihm dazu in den Kopf kommt.

Wissen ist Macht Text: Anneke Reinecker

Was heißt das eigentlich? Wenn ich etwas über jemanden weiß, das ihm schaden könnte, wenn es jemand anderes erfährt, dann habe ich natürlich Macht über diese Person, weil ich sie ja theoretisch damit erpressen könnte. Weil ich aber derartige Dinge nicht vorhabe, frage ich mich, wie mein Wissen mir denn im Guten Macht verschaffen könnte?! Wenn ich mich z. B. über etwas schlau mache, und dann mein Wissen einsetze, um etwas für die Allgemeinheit zu bewegen. Manche Leute, z. B. Politiker, wissen allerdings Dinge (hoffe ich zumindest), können dieses Wissen aber manchmal nicht einsetzen, weil es zu politisch unpopulären Entscheidungen führen würde. Andererseits ist das bewusste Verschweigen von Wissen auch eine Möglichkeit, Macht auszuüben.

Macht nix Text: Michael Zimmermann

Eine Momentaufnahme nach einem dramatischen Fernsehabend im Zweiten: Die deutsche FrauenFußballnationalmannschaft wurde vor wenigen Momenten von einer zähen japanischen Mannschaft gestoppt. Das Ergebnis: viele traurige Gesichter, Fassungslosigkeit. Aus der Traum vom dritten Weltmeistertitel in Folge. »Macht nix, ist doch nur ein Spiel«, wird der eine da sagen. Stimmt aber nicht. Die jungen Frauen haben alles gegeben, gefightet wie die Wilden und es hat doch nicht gereicht. Das macht eben doch was. Anders kann ich mir die trancehaft-apathischen Gesichter nicht erklären, die die Kameraleute auf dem Wolfsburger Rasen gerade einfangen. Und dann noch das Drama um die hübsche Kim Kuhlig: schwer verletzt in der 4. Spielminute. Kreuzbandriss. Sechs Monate Spielpause. Völlig uncool.

Ohnmacht Text: Matthias Lehmann

Ich habe drei Schwestern. Das bedeutet, ich bin mit der ganzen Palette von Mädchenfilmen aufgewachsen. Darin kam es gelegentlich vor, dass eine meist weibliche Person plötzlich hektisch mit den Händen vor dem Gesicht herumwedelte, dabei mit den Augen rollte, um dann mit einem sanften Schrei zu Boden zu sinken. Das war dann Ohnmacht. Also sowohl im Film als auch bei mir, denn angesichts der weiblichen Übermacht bei der Filmauswahl war ich derartigen Emotionskonglomeraten hilflos ausgeliefert. Solche Ohnmachtsanfälle traten im Film erstaunlicherweise just dann auf, wenn es für die von Ohnmacht Heimgesuchte nicht ganz unvorteilhaft war, zeitweise der Sprechund Handlungsfähigkeit beraubt zu sein. Und auch für mich stellte der vermeintlich ohnmächtig-unfreiwillige Romanzenkonsum eine doch irgendwie angenehme Alternative zu Gartenarbeit und medialer Abstinenz dar. Seltsames Phänomen. Der alte Siegmund Freud würde es vielleicht »sekundären Ohnmachtsgewinn« nennen.

Machtspiele Text: Jörg Schellenberger

Wenn Menschen auf Kosten anderer mit der Macht spielen, kann mich das sehr wütend machen. Aber selbst mal in die Rolle eines großkotzigen Machtspielers zu schlüpfen, kann mir auch enormen Spaß machen. So war es auch beim letzten Spieleabend, als wir Monopoly auspackten. Ich war in der Rolle des Großgrundbesitzers und mein Mitspieler in der des armen kleinen Mannes. Ich selbst baute die fetten Hotels und sah zu, wie mein Mitspieler auf meine lange Straße blickte und widerwillig den Würfel in die Hand nahm. Er würfelte eine hohe Zahl und landete direkt in der komfortablen Schlossallee mit schönen Hotels. Er musste daraufhin eine Straße an mich verkaufen. Sein Ärger war groß, meine Freude dafür umso größer. Es war nur ein Spiel. Aber es war ein schönes Spiel.

Die Macht der Medien Text: Johanna Weiß

»Medien« ist der Plural von »Medium«. Medium – das klingt abstrakt, sogar ein wenig esoterisch. »Was ist dein Medium?« soll vielleicht heißen »Wie trittst du mit der geistlichen Welt in Verbindung?« Ein Medium ist ein Mittel zum Zweck, wohl in den Kommunikationswissenschaften anzusiedeln, das Mittel zur Kommunikation also. So gesehen wird fast alles zum Medium – gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst. Mit Klamotten, Auto, Mobiltelefon, Haarschnitt ... zeigt man, was man von gesellschaftlichen Konventionen hält, welcher Subkultur man sich zugehörig fühlt, oder wie viel oder wenig man sich aus Statussymbolen macht. So kommt zu jeder Investition neben »Was brauche ich?«, »Was will ich?«, »Was kann ich mir leisten?« auch ein »Was will ich eigentlich sagen?!« ...

Machtwechsel Text: Anne Coronel

Machtwechsel bedeutet Neuanfang. Alles auf Null und die Aussicht auf schöpferische Prozesse. Die Struktur jedoch bleibt: Einer, der Macht ausübt und einer, der ihm untergeben ist. Für den Mächtigen gibt es nun zwei Möglichkeiten: Entweder er bringt voran oder er bremst aus. Dabei würde er natürlich immer sein Gesicht wahren, keine Schwäche zeigen und stets mit erhobenem Haupt agieren. So aber nicht bei meinem »Chef«. Er hat kreiert, regiert und dirigiert, war Chef der ganzen Menschheit. Aber irgendwann hat er sein Haupt fallen lassen, wurde schwach, zu schwach. Und genau das wollte er. Das war seine Definition von Macht. Und jetzt sind wir beide stark. Er mehr als ich. Aber das muss er. Denn er ist Gott.

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Macht | Mut zur Macht

Macht ist f端r mich geschenkte Verantwortung f端r andere Menschen. Fred Jung

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Mut zur Macht | Macht

Mut zur Macht Interview mit dem CleanTech-Pionier Fred Jung Interview: Dominik Hofmann

Fred Jung hat mit seinem Unternehmen in den letzten zehn Jahren rasant an Einfluss gewonnen. Wir sprechen mit ihm über Macht. // Schon auf dem Weg zu dem Mann, den ich heute treffen soll, fallen mir die unübersehbaren Spuren auf, die er in der Region hinterlassen hat: Riesige Windräder reihen sich links und rechts der Autobahn aneinander. Unentwegt ziehen sie ihre Kreise durch die Luft – unentwegt wie das Wachstum der Firma, die sie erbaut hat: die juwi AG in Wörrstadt, einer der weltweit größten Projektentwickler für Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien. Der Mann, den ich heute treffen soll, heißt Fred Jung. Er sitzt im Vorstand der juwi AG und hat sie 1996 selbst gegründet – als Zwei-Mann-Betrieb im Mainzer Hinterland gemeinsam mit seinem Partner Matthias Willenbacher. 2011 beschäftigt juwi fast 1500 Mitarbeiter, die in diesem Jahr voraussichtlich die Marke von 1 Milliarde Euro Umsatz knacken werden. Am Stammsitz der juwi-Gruppe angekommen, laufe ich im Foyer an einer Reihe von Auszeichnungen vorbei, mit denen Fred Jung und sein Partner geehrt wurden: »Greentech Manager 2009« werden sie genannt und »Entrepreneur des Jahres«. Sie verkörpern eine Spezies, die in den Medien gerade viel Aufmerksamkeit genießt: Erfolgreiche CleanTech-Unternehmer. Sie bauen Firmen auf, die Millionen-Gewinne abwerfen und gleichzeitig Gutes tun für den Globus und die Menschen darauf. Wirtschaftlicher Erfolg, gesellschaftliche Anerkennung, eine einflussreiche Position – das sind die klassischen Zutaten der Macht. Man könnte Fred Jung also durchaus als mächtig bezeichnen. Und doch sitzt vor mir schließlich ein Mann, wie er bodenständiger nicht sein könnte. Schon bei der Begrüßung scherzt er über sich selbst, weil er wegen einer Verletzung am Daumen einen Verband tragen muss, durch den er permanent mit »Daumen hoch« durch die Gegend läuft und ein bisschen aussieht wie das Firmenmaskottchen. Und doch: Ich höre gebannt zu, sobald Fred Jung den Mund öffnet. Weil ich spüre, dass dieser Mann etwas zu sagen hat – und weil er Dinge sagt,

die so gar nicht zur gängigen Vorstellung eines Konzern-Vorstandes passen wollen: Sie haben gesagt1, Ihre Vision sei ein größerer Antrieb für Sie als Geld oder Macht. Was ist diese Vision?

Die Vision sind 100% erneuerbare Energien – dezentral und regional, in Deutschland und anderen Regionen der Welt – und das so schnell wie möglich. Wie wichtig ist für Sie die Fähigkeit, Visionen in Worte ­fassen zu können und andere davon zu begeistern?

Das ist gerade heute wichtiger denn je. Wir haben eigentlich alle ein Dach über dem Kopf und können uns genug zu Essen leisten. Da werden die Sinnfragen immer wichtiger: »Warum arbeite ich eigentlich? Für was gebe ich meine Zeit her?« Deshalb ist es heute zentral, Mitarbeitern einen Sinn für ihre Tätigkeit zu geben – und zum Sinn gehört eine Vision. Führungskräfte müssen diese Vision übrigens authentisch vorleben, denn neben der Vision ist Glaubwürdigkeit das wichtigste. Hat denn jede Führungskraft automatisch eine Vorbildfunktion – ob sie will oder nicht?

Ja, das ist automatisch ein Teil von Führung. Aber zunächst muss man überhaupt ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass man Vorbild ist – da hilft der gemeinsame Austausch, wie er z. B. beim »Kongress Christlicher Führungskräfte« stattfindet. Als Jugendlicher hatte ich ein paar richtig gute Vorbilder: Unternehmer, Christen, aber auch mein Vater, wo ich gesagt habe: »So wie der seine Familie führt oder sein Unternehmen, wie der mit Leuten umgeht – daran kann ich mich orientieren.« Sie halten also Mentoring für wertvoll?

Ja, sehr. Ich glaube, man braucht immer wieder solche Vorbilder. Deswegen ist es gut, sich selbst, wenn man in einer Führungsposition ist, für Mentoring zur Verfügung zu stellen, zu diskutieren, wie man mit bestimmten Situationen umgeht, dass man aber auch nur mit Wasser kocht und tagtäglich Fehler macht. oora.de

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Macht | Mut zur Macht Sie sind in einer solchen Position, und wir sprechen heute über das Thema »Macht«. Nach Max Weber ist Macht »jede Chance, den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen«. Was bedeutet Macht für Sie?

Macht ist für mich geschenkte Verantwortung für andere Menschen. Die kann ich nicht nach eigenem Gutdünken ausüben, sondern nur mit Blick auf den Menschen. Macht hat immer zwei Seiten – und gerade in Deutschland haben wir die negativen Seiten von Macht deutlich zu spüren bekommen. Es kommt immer auf die Person an, die Macht ausübt: Führung wird durch Menschen geprägt und Menschen durch Werte. Das Wertesystem ist entscheidend – hier bieten Gottes Wort und der Glaube eine starke Basis.

Wer Wertschätzung nur durch Geld bezahlen will, wird keine besonders motivierten Mitarbeiter haben.

Für Sie ist also der Glaube keine Privatsache, sondern hat seinen Platz auch mitten im Arbeits- und Wirtschaftsleben?

Auf jeden Fall! Die Bibel ermutigt uns ja, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen2 und Jesus hat seinen Glauben auch alltäglich gelebt, ohne einen Unterschied zu machen, in welchem Umfeld er gerade ist. Außerdem ist es längst gesellschaftlicher Konsens, dass wir wieder mehr Werte brauchen – und die können nicht per Stellenbeschreibung verordnet werden. Die Grundlagen werden viel früher gelegt: durch Erziehung, durch Schule und eben auch durch Religion – dort wird das Weltund Menschenbild geprägt. Ich beobachte da übrigens eine sehr positive Tendenz. Durch die Werte-Diskussion schöpfen viele Menschen mit ausgeprägtem Wertesystem wieder neuen Mut, diese Werte auch zu vertreten: Mut zu Werten, Mut zu Familie. Wir sollen also unsere christlichen Werte nach außen tragen. Welche Werte wären das für Sie als Führungskraft?

Zuerst kommen Wertschätzung und Glaubwürdigkeit, dann Ehrlichkeit, Vertrauen und Offenheit. Aber auch Disziplin und Leidenschaft. Viel davon hängt übrigens von einer guten Kommunikation ab. Ein Mitarbeiter muss glaubwürdig vermittelt bekommen, dass er wertgeschätzt wird und als Mensch wichtig ist. Wir versuchen deshalb, viel für unsere Mitarbeiter zu tun: Wir haben eine KiTa, einen Andachtsraum, einen Fußball- und Volleyballplatz sowie ein sehr gutes Beteiligungsprogramm. Wertschätzung gegenüber Mitarbeitern muss sich allerdings auch und gerade in schwierigen Situationen beweisen. Zum Beispiel dann, wenn man sich von einem Mitarbeiter trennen muss. Auch eine Kündigung kann wertschätzend und konstruktivkritisch erfolgen. Sie sprechen zum Teil von teuren Maßnahmen. Welchen Preis hat es, ein solches Machtverständnis und solche Werte in der heutigen Wirtschaft aufrecht zu erhalten?

Ich sehe keinen negativen Preis. Es erfüllt mich mit mehr Freude, wenn die Mitarbeiter motiviert bei der Sache sind – das macht mich glücklich. Fred Jung mit oora-Autor Dominik Hofmann.

Aber was ist, wenn Wettbewerb und Kostendruck steigen? Muss man da nicht allein aus wirtschaftlichen Gründen Abstriche machen?

Wir haben bei juwi sicherlich durch den Boom in den erneuerbaren Energien gute Rahmenbedingungen gehabt. Aber selbst, wenn diese enger sind, kann man seine Werte in die Tat umsetzen – das hängt nicht immer mit Geld zusammen. Wertschätzung zum Beispiel hängt nicht nur mit Geld zusammen. Wer Wertschätzung nur durch Geld bezahlen will, wird keine besonders motivierten Mitarbeiter haben.

Ein selbst entwickelter »Solarcarport« dient der Parkplatz­überdachung. 8

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Neben Kosteneinsparungen könnte ich mir noch einen weiteren Grund vorstellen, in Sachen Wertevorstellung ab und zu ein Auge zuzudrücken – dazu sagte der Philosoph Ludwig Marcuse: »Da man Macht haben muss, um das Gute durchzusetzen, setzt man zunächst das Schlechte durch, um Macht


Mut zur Macht | Macht

Ich sehe mich zum Beispiel als Feuerlöscher und Joker. Wenn es brennt, bin ich ein Dienstleister für meine Mitarbeiter und möchte, dass deren Arbeit gelingt.

Info Firma: juwi AG Sitz: Wörrstadt bei Mainz Tätigkeit: Projektentwicklung und -realisierung von Anlagen zur Gewinnung ­erneuerbarer Energien (Wind, Solar, Geothermie, Biogas etc) Vorstand: Fred Jung, Matthias Willenbacher, Jochen Magerfleisch Mitarbeiter- und Umsatz-Entwicklung (ca.): 1996: 2 k.A. 2000: 30 40 Mio. € 2005: 100 90 Mio. € 2010: 1000 800 Mio. € 2011: 1500 1 Mrd. €

zu gewinnen.« Muss man manchmal solche Kompromisse eingehen?

Da ist die Frage, was man unter Kompromissen versteht. Solange Kompromisse legal, offen und ehrlich sind und den Werten nicht zuwider laufen, dann würde ich sagen: Das machen wir täglich. Alles andere ist ein No-Go. Da muss man mitunter auch mal auf ein Geschäft verzichten. Dafür gewinnt man aber langfristig Reputation und ist ein gern gesehener Partner. Jesus zeichnet einen krassen Gegenentwurf zum weltlichen Machtverständnis: »Wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.« Inwiefern kann und soll ein Unternehmer dieses christliche Machtverständnis im eigenen Unternehmen ausleben?

Man kann auch als Führungskraft dienen. Ich sehe mich zum Beispiel als Feuerlöscher und Joker. Wenn es brennt, bin ich ein Dienstleister für meine Mitarbeiter und möchte, dass deren Arbeit gelingt. Sie sollen wissen, dass der Chef voll hinter ihnen steht und ihnen das Rückgrat stärkt. Jesus spricht auch vom Kamel und dem Nadelöhr: Wie behält man den Blick für die Schätze im Himmel, wenn die Schätze und der Ruhm auf Erden größer werden?

Bisher hält mich Gott ganz schön am Boden. (lacht) Was trägt, ist natürlich auch meine Familie, die mir immer wieder Bodenhaftung gibt. Meine Frau ist ein wichtiges Korrektiv, auch die Gemeinde, der Hauskreis. Die Gefahr ist sicherlich da, die ist bei jedem da, der mehr Verantwortung trägt, mehr Geld verdient oder mehr Einflussmöglichkeiten hat. Man muss sich nur immer fragen, mit welcher Motivation, mit welchem Antrieb man diese Möglichkeiten nutzt.

Die Kantine von juwi. Insgesamt erzeugt der Bürokomplex mehr Strom, als er an Energie verbraucht.

Sollten Christen mehr Mut zur Macht beweisen?

Ja! Und wo genau?

Überall! Da, wo jeder Einzelne von uns steht. Wir sollten Verantwortung übernehmen und den Mut haben, auch mal Unpassendes zu sagen, etwas Ungewohntes, das nicht dem Trend entspricht, aber unserer inneren Überzeugung. Herr Jung, vielen Dank für das Gespräch. ///

Fußnoten: 1 In einem Interview mit »Christen im Beruf« 2 Apostelgeschichte 5,29 3 Matthäus 28,18

Glauben Sie, Jesus war sich seiner Macht bewusst?

Ich glaube schon, es gibt ja auch biblische Aussagen dazu: »Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden«.3 Darf und sollte man sich, insbesondere als Christ, seiner Macht bewusst sein und diese auch vertreten?

Hochmut kommt vor dem Fall. Es ist gut, sich einerseits seiner Möglichkeiten bewusst zu sein, sie andererseits aber nicht nach außen zu tragen und zu wissen: Macht kann ganz schnell wieder weg sein. Das hat Hiob schmerzlich erfahren.

Dominik Hofmann (26) lebt mit seiner Frau Bini in Wiesbaden. Sie wohnen gemeinsam mit Freunden in einem alten Hinterhaus und bauen dort ein Coworking-Café mit Musikstudio & Tüftler-Werkstatt auf - mit viel Raum für kreative Ideen und ihren »Hauskreis auf dem Weg zur Hauskirche«. In seiner Freizeit schreibt Dominik an seiner Diplomarbeit über Social Business und auch auf www.domiundbini.de

oora.de

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Macht | Wenn Kirche krank macht

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Wenn Kirche krank macht | Macht

Wenn Kirche krank macht Geistlicher Missbrauch Text: Jacob Wiebe

Wenn ungesunder Druck in Gemeinden und Kirchen Menschen derart belastet, dass sie krank davon werden, handelt es sich oft um falsch eingesetzte Macht leitender Personen. Beispiele, Definitionen und Tipps für den Umgang mit derartigen Situationen findest du hier. // Sexueller Missbrauch ist das Thema, das die katholische Kirche in den letzten zwei Jahren tief erschüttert hat. Immer neue, peinlich-grausame Details kamen hinter dicken, scheinbar undurchdringlichen Klostermauern und klerikalen Amtsstuben hervor. Wie konnten diese Verbrechen nur so lange geheim gehalten werden? Warum haben die Betroffenen die ganze Zeit geschwiegen? Und vor allem: Warum ist es bei einer Institution, deren Kerngeschäft »Wahrhaftigkeit« ist, so schwierig, bei derart schwerwiegenden Vorfällen zur »Wahrheit« vorzudringen? Fragen, auf die wir nur schleichend Antworten finden. Eine weitere Form des Missbrauchs, die die Kirche heute genauso schwächt, ist der geistliche Missbrauch. Es handelt sich dabei um eine Sonderform von seelischem Missbrauch, die im kirchlichen Umfeld und mit frommer Tarnung häufig im Namen Gottes, der Liebe und der Wahrheit praktiziert wird. Die entstehenden Schäden stehen denen anderer Missbrauchsformen in nichts nach, führen sie doch zu einem pervertierten Gottesbild und somit zu einer tiefen Verunsicherung. Jenny und Klaus

Jenny ist Christin und geht mit ihren Eltern in eine strenge Freikirche, die das Leben ihrer Mitglieder bis hin zur Kleiderordnung reglementiert. Sie ist ein junges, sportliches und aufgewecktes Mädchen, muss aber immer sehr »zugeknöpft« und mit langem Rock gekleidet sein – sogar beim Sportunterricht. Doch Jenny ist clever: Sie verlässt jeden Morgen »angemessen gekleidet« das Elternhaus und zieht dann vor dem Unterricht ihre enge, modische Jeans auf dem Mädchen-WC ihrer Schule an. Als Jenny sich eines Tages taufen lassen möchte, wendet sie sich mit diesem Wunsch an die Ältesten ihrer Gemeinde. Doch schon längt haben diese sie im Visier – es gibt genug Mitschüler, die für die Gemeindeleiter als informelle Mitarbeiter tätig sind. Der Taufwunsch wird abgelehnt, Jenny wird vor der ganzen Ge-

meinde als »Sünderin«, die gegen die Gemeinderegeln verstößt, enttarnt und zur Buße aufgefordert. Heute will Jenny nichts mehr von Gemeinde wissen. Klaus ist seit Jahren krank. Neben einer starken Skoliose leidet er an Asthma und Schuppenflechte. Die charismatisch geprägte Gemeinde, in der Klaus seit einiger Zeit Mitglied ist, hat einen »prophetischen Heilungsdienst«. Hier wird nicht nur für kranke Menschen gebetet – es werden auch Dämonen ausgetrieben und prophetische Worte gegeben. Klaus öffnet sich in seinem aufrichtigen Wunsch nach Heilung dieser »übernatürlichen Welt« und lässt für sich beten. Aber es passiert nichts. Ein »Prophet« erkennt in ihm einige »böse Geister«, die ausgetrieben werden müssen. Klaus muss daher ein spezielles Programm der Gemeinde besuchen, um »frei« zu werden. Da auch das nicht hilft, ist er nun auch noch »dämonisiert«. Die Propheten erkennen aber noch ein weiteres Problem als Ursache: Klaus hat keinen Glauben! Denn würde er »richtig glauben«, so sagt man ihm, wäre er frei und gesund und dazu erfolgreich. Klaus sagt heute: »Die Kirche und der Glaube haben mich kranker gemacht als je zuvor.«

Die entstehenden Schäden stehen denen anderer Missbrauchsformen in nichts nach, führen sie doch zu einem pervertierten Gottesbild und somit zu einer tiefen Verunsicherung. Diese Beispiele aus meiner Seelsorge-Praxis (Namen sind geändert) ereignen sich heute in vielen Institutionen und Gemeinden. Ich selber habe geistlichen Missbrauch erlebt und bin damit auf meinem Weblog nach vielen Jahren an die Öffentlichkeit gegangen.1 Seitdem ist mir diese Form des Missbrauchs – durch meine Klienten – überall begegnet: in Bibelschulen und Missionswerken, in christlichen Schulen und Gemeinden jeder Denomination. oora.de

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Macht | Wenn Kirche krank macht

Die Kirche und der Glaube haben mich kranker gemacht als je zuvor.

Es gibt Hoffnung und Wiederherstellung für jeden Zerbruch, wenn wir Gott erlauben, uns von innen zu heilen. Was »geistlicher Missbrauch« ist

Die Autoren David Johnson und Jeff VanVonderen definieren: »Geistlicher Missbrauch ist der falsche Umgang mit einem Menschen, der Hilfe, Unterstützung oder geistliche Stärkung braucht, mit dem Ergebnis, dass dieser Mensch in seinem geistlichen Leben geschwächt wird. Es gibt geistliche Systeme, in denen die Meinungen, Gefühle und Bedürfnisse eines Menschen nicht zählen. Sie bleiben unbeachtet.«2 Beim geistlichen Missbrauch geht es um »Grenzüberschreitungen« von Autoritätspersonen. Der Missbrauch ist dabei häufig tief im System einer Organisation verankert, so dass sich die Täter oft nicht dessen zerstörerischer Kraft bewusst sind. Der Schaden ist in jeder Hinsicht immens, wie Marc Dupont treffend analysiert: »Missbrauch ist der missbräuchliche Gebrauch von Macht. Ob der Missbrauch emotional, körperlich, sexuell oder geistlich ist, immer geht es um den verkehrten Einsatz von Macht und Autorität – die Macht, die ein Einzelner gebraucht, um andere zu kontrollieren, zu beherrschen, zu manipulieren 20

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und/oder zu benutzen. Das Opfer erfährt eine Schädigung, sei es ein körperlicher, emotionaler, sexueller oder geistlicher Schaden oder auch eine Kombination davon. Missbrauch handelt davon, dass Menschen mit Macht und Autorität diese verkehrt einsetzen, um eigene Ängste, Verletzungen oder Unsicherheiten zu kompensieren. Missbrauch ist in einigen Fällen besonders schlimm: in Fällen, in denen ein heiliges Vertrauensverhältnis verraten wird. Es ist nicht nur verkehrt und schlimm wegen des Autoritätsmissbrauchs und der unmittelbaren Schädigung des Opfers, sondern weil es sich eigentlich um einen Verrat handelt. Die ultimative Tragödie des Missbrauchs durch Eltern oder geistliche Leiter ist, dass es für das Opfer, wenn es nicht Betreuung und Heilung erfährt, schwierig bis unmöglich ist, Gott völlig zu vertrauen. Da sowohl Eltern als auch geistliche Leiter in unserem Leben Repräsentanten der Vaterschaft Gottes und des Hirtenamtes Jesu sind, wird ein entstelltes Bild von Liebe und Autorität ein verkehrtes Verständnis von Gott in unserem Herzen erzeugen.«3


Wenn Kirche krank macht | Macht

Neben dem psychischen Schaden, den die Opfer davontragen, kommt somit ein noch größerer dazu: der geistliche Schaden. Opfer geistlichen Missbrauchs haben oft und für lange Zeit ein falsches Gottesbild. Gott steht für sie für Ablehnung und Schmerz, für Macht und Angst, für Manipulation und Enge. Weil sie von »geistlichen Autoritäten« manipuliert und zum Beispiel gemobbt wurden, werden diese Erfahrungen auch auf Gott, in dessen Namen die Täter gehandelt haben, projiziert. Dazu werden die Opfer in Kirchen und Organisationen oft alleine gelassen. Das kann so aussehen: Zunächst wird die Person bewusst von Leitern isoliert, ignoriert und stigmatisiert. Bald schon stellt sich die betroffene Person die Frage: »Bin ich verrückt geworden?« – und fängt an, sich zurückzuziehen. Lothar Käser nennt das, was dabei tiefenpsychologisch geschieht, eine »ekklesiogene Psychose«. Er spricht davon, dass es viele Christen gibt, die aufgrund eines vergifteten Glaubens und einer falsch angewandten Schamkultur »zu klinischen Fällen werden. Dieses Ausmaß ist wohl eher selten. Das Leiden, das geheim gehalten wird, ist aber weiter verbreitet, als wir glauben.«4 Äußert schmerzhaft

Meine persönliche Erfahrung mit dem Thema liegt mittlerweile 15 Jahre zurück. Ich wurde damals als Pastor von anderen Verantwortlichen der Gemeinde aus dem Amt gemobbt – eine äußerst schmerzhafte Erfahrung. Als Folge dessen war ich sieben Jahre lang kein Mitglied irgendeiner Gemeinde. Ich hatte mir damals geschworen, nie wieder etwas mit Kirche zu tun haben zu wollen. Ich gab meine »Berufung« für den geistlichen Dienst auf, studierte Informatik und arbeitete über zehn Jahre lang in der IT-Branche – das waren meine Jahre der Heilung und Wiederherstellung. Heute stehe ich wieder im »geistlichen Dienst«, leite ein kulturell-missionales Projekt und bin Pastor einer jungen Gemeinde. Es gibt Hoffnung und Wiederherstellung für jeden Zerbruch, wenn wir Gott erlauben, uns von innen zu heilen. Wie man vorgehen kann

Hier einige Anregungen, die hilfreich sind, wenn man Opfer von geistlichem Missbrauch geworden ist: 1. Verlasse so schnell wie möglich das missbrauchende System. Du wirst dir nur noch mehr Schmerz hinzufügen, wenn du versuchst, »treu« zu sein oder den Versuch startest, die Gemeinde oder Organisation zu »retten«. 2. Grenze dich räumlich und innerlich gegenüber den Menschen ab, die dich missbrauchen. Geistlicher Missbrauch funktioniert nur aufgrund der starken Loyalität gegenüber einer (geistlichen) Autorität. Diese gilt es aufzukündigen und sich dem Zugriff der entsprechenden Personen zu entziehen – innerlich, aber unbedingt auch räumlich. 3. Lass dir Zeit und verarbeite das erlebte Trauma. Geistlicher Missbrauch ist ein tief sitzendes Trauma! Stürze dich deshalb nicht gleich wieder in die nächstbeste Gemeinde, wenn du das Gefühl hast, dass es dir »besser« geht, sondern lass dir Zeit und gehe dabei behutsam mit dir um. Suche dir seelsorgerlichen Rat und therapeutische Hilfestellung.

4. Stelle dich der Realität. Deine Einstellung gegenüber Autoritätspersonen, Kirche, bestimmten Glaubensgrundsätzen und gegenüber Gott hat einen Frontalaufprall erlitten. Vieles liegt in Scherben. Es ist gut, das zunächst zu akzeptieren. 5. Lerne zu vergeben. Entscheide dich immer wieder für den Weg der Vergebung. Das befreit dich aus dem Gefängnis der Bitterkeit. 6. Verstehe den Unterschied zwischen Vergebung und Versöhnung. Bei Vergebung entschließt sich jemand einem anderen zu vergeben. Bei Versöhnung gehen zwei Parteien aufeinander zu und bekennen ihre Schuld. Was aber, wenn der Täter nicht um Vergebung bittet? Dann ist Vergebung auch ohne Versöhnung möglich. 7. Versöhne dich mit deiner Biografie. Wir neigen dazu, unerwünschte Erinnerungen zu verdrängen. Das hilft uns jedoch nicht, weil wir trotzdem entsprechend unserer verwundeten Gefühle reagieren. Besser ist es, du verarbeitest das dunkle Kapitel deiner Geschichte – wenn nötig mit Hilfe eines erfahrenen Therapeuten – und versöhnst dich mit diesem Teil deiner Biografie. Du kannst sagen: »Ja, ich habe Narben davongetragen, Schmerz und tiefe Enttäuschung erlebt, aber die Täuschungen haben nun ein Ende genommen. Gott liebt mich leidenschaftlich. Er stand immer zu mir und steht immer noch zu mir. Was kaputt gegangen ist, kann er wieder neu machen.« Aus Scheiße wird Humus

Auf meiner Reise zur Heilung bin ich vielen schrägen, flügellosen Engeln begegnet, die mir geholfen haben, den richtigen Weg zu finden. Einer davon ist ein evangelischer Pfarrer aus Wuppertal. Er wollte meine Geschichte hören und hörte mir sehr aufmerksam zu. Als ich zu Ende erzählt hatte, sagte er mir nur einen einzigen Satz. Dieser Satz, obgleich sehr profan, war für mich damals die Offenbarung. Er lautete: »Jacob, Gott macht selbst aus Scheiße noch Humus. Vergiss das nie!« Ich habe es nicht vergessen. Ich werde es nie vergessen. ///

Fußnoten: 1 Zum Beispiel in der PDF-Datei der Vorträge zum Thema »Macht, Vollmacht, Machtmissbrauch« unter www.context21.com > Rubrik Downloads. Direktlink: www.context21.com/downloads/ GeistlicherMissbrauchInChristlichenSettings.pdf 2 David Johnson & Jeff VanVonderen: Geistlicher Missbrauch − Die zerstörende Kraft der frommen Gewalt, Projektion J Verlag Asslar 1996, Seite 23 + 27 3 Marc Dupont: Walking Out of Spiritual Abuse, Sovereign World Ltd., Tonbridge, Kent, GB 1997, Seite 8/9 4 Lothar Käser: Kultur und Über-Ich. In: Scham- und Schuldorientierung in der Diskussion, Thomas Schirrmacher und Klaus W. Müller (Hg.), VTR + VKW 2006, Nürnberg + Bonn

Jacob Wiebe (47) wurde in Waldheim bei Omsk, einer deutschen Kolonie in Sibirien, geboren. Er ist Informatiker und Theologe und lebt mit seiner Frau Anita und seinen drei Kindern in Detmold. Er ist Pastor der www.mosaikchurch.com, und sein theologischer Schwerpunkt liegt in den letzten Jahren in der Jesusforschung. Sein Blog: www.context21.com

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Quergedacht | Möpse zum Frühstück

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Möpse zum Frühstück | Quergedacht

Möpse zum Frühstück Neues aus dem Hinterhof der Geistlichkeit Text: Axel Brandhorst // Kolumne

Axel hat seine ganz persönliche Studie durchgeführt: Wie viel weibliche Brust begegnet ihm so an einem Tag? Das Ergebnis ist ernüchternd – die Auswirkungen auf das Intimleben von Pärchen auch. // Ich hab’ mal wieder etwas getan, was man nicht tut: Ich habe Möpse gezählt. Ja, genau: Titten, Melonen, Bespaßungsvorbauten und was es noch so an inflationären Bezeichnungen für die weibliche Brust gibt. Ich entschuldige mich gleich eingangs für die wüste Sprache, doch sie tut Not, um zu unterstreichen, was ich sagen will. Wer bis zum Ende durchhält, wird mich verstehen. Einen ganzen Tag lang habe ich von morgens bis abends für jedes un- oder aufreizend bekleidetes Paar weiblicher Säuglingsernährungsvorrichtungen, welches mir gedruckt, digital oder in Natura im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge sprang, einen Strich in mein kleines Geheimbüchlein gemacht. Ich verrate die Summe der Strichlein nicht, es sei aber angemerkt, dass sie mich trotz meiner Rolle als Protagonist der Erhebung in baffes Erstaunen versetzt hat und mich so mancher Beobachter meines Tuns in Anbetracht der Menge an Strichlein und der Absenz sonstiger Schriftzeichen auf den benötigten Geheimbüchlein-Seiten nun sicher für völlig dem Wahn anheimgefallen hält. Sei’s drum, was die anderen denken, steht sowieso nicht in meiner Macht. Was dabei auffällt, war den meisten eh schon klar: Am häufigsten wird die weibliche Brust in der Werbung missbraucht. Hierbei scheint ein Ideal angestrebt zu werden, das inzwischen nur noch mit höchstens 18 Jahren, viel Gift und noch mehr Silikon zu erreichen ist. Ach ja: Natürlich geht’s viel leichter. Dank Photoshop. Die Realität wiederum eifert der Werbung nach, aber da die Realität nicht photoshopbar ist, müssen hier Abstriche gemacht werden. Das scheint nicht jedem zu passen, und so gibt es ja auch inzwischen einen ganzen Haufen Männer, denen ihr, liebe Frauen, nicht mehr genügt und die sich von der Realität verabschiedet haben, um ihre Sexualität ins Virtuelle zu verlagern

und um ein paar gefühlte Level anzuheben. Das löst einige Probleme mit einem Aufwasch: Weder Scham noch Einfühlungsvermögen, weder Rücksicht noch Einlassen, weder Tiefe noch Zugeständnisse sind mehr nötig, und trotzdem ist ein reges Sexualleben einfach und sauber zu haben. Aber auch mit den anderen, die die Realität vorziehen, passiert etwas. Schon lange ist zu beobachten, dass die Sexualisierung der Öffentlichkeit die noch vorhandenen Restzweisamkeiten entsexualisiert. Eigentlich klar: Wer den ganzen Tag mit Intimität zugeballert wird (und genau das ist es, was der Anblick weiblicher Brüste bei uns Männern auslöst: ein Gefühl von Nähe, ein Stück vom Himmel, gefunden im Gegenüber), der ist dann schon bedient, wenn der Partner auf der Matte steht. Nicht, dass jeder mit Unlust auf seinen Partner reagiert; so mancher ist auch spitz wie Nachbars Lumpi und muss die an-

Schon lange ist zu beobachten, dass die Sexualisierung der Öffentlichkeit die noch vorhandenen Restzweisamkeiten entsexualisiert.

gesammelte Spannung abbauen – aber unsere Kraft und Lust auf Intimität, die ist begrenzt. Und wenn die bereits frühmorgens per Knusperflockenwerbung von einer/einem anderen weggefrühstückt wird, dann gibt’s für den Partner zwar noch Sex, aber halt keine Intimität mehr. Besonders prädestiniert für Probleme sind Paare, bei denen der eine übersättigt und lustlos, der andere umso aktiver wird von der täglichen Propagandaoora.de

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Quergedacht | Möpse zum Frühstück

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3. Dich auf den Partner einlassen. In einer ähnlich sexualisierten Welt schrieb ein berühmter Theologe einen gutgemeinten Ratschlag (1. Korinther 7,2). Auch und gerade im nicht-Perfekten liegt ein Reiz! Nämlich der der Bedürftigkeit nach dem Gegenüber. 4. Poppen, was das Zeug hält! Die Werbeheinis versprechen uns ein Stück Himmel, wenn wir ihren Ramsch konsumieren – und halten es nicht. Du kannst darauf verzichten – und ein echtes Stück Himmel erleben, indem du dich auf deinen Partner einlässt. Am Ende will ich noch erwähnen, dass ich das hier sehr männlich wahrgenommen habe. Das liegt daran, dass ich ein Mann bin. Für die Frauen gilt das gleiche Prinzip, nur bekommen sie anderes vor die Nase. Aber darüber soll eine Frau schreiben! Und was machen die Singles? Keine Ahnung. Vielleicht muss da ein Single drüber schreiben. ///

Axxl (38), eigentlich Axel Brandhorst, ist in zweiter Ehe verheiratet und Vater einer bezaubernden Tochter. Er lebt im Kanton Bern in der Schweiz und ist im deutschsprachigen Raum in Seelsorge und psychologischer Beratung unterwegs. Sein Herz schlägt dafür, Menschen zu befähigen, eine gute Beziehung mit sich, ihrem Schöpfer und anderen Menschen leben zu können. Sein Blog: www.axxl.wordpress.com. Sein Business: www.axelbrandhorst.org

© Axel Brandhorst

Sexinflation. Denn zu erwarten, dass ein Mensch dauerhaft mit ungestillten Bedürfnissen klarkommt, ist zwar edel, aber völlig illusorisch. Und Angebote zur einfachen Erfüllung ebendieser Bedürfnisse gibt es ja mannigfaltig geartet und in herzanrührendem Überfluss. Es sei der Vollständigkeit halber kurz angemerkt, dass die erwähnten Spitz-Stumpf-Beziehungszusammensetzungen nicht die allergefährdetsten sind. Auch wirkliche, nicht vorgetäuschte Intimität ist ein Bedürfnis, und wenn wir eine Spitz-SpitzKombination haben, wird fröhlich gepoppt, was beide zufriedenstellt, während der Mangel an Intimität unmerklich wächst. Und dass so ein Loch in der Seele gesund sein soll, nur weil es nicht bemerkt wird, ist auch nicht wirklich logisch, oder? Dito die Stumpf-Stumpf-Kombination: Hier haben wir das gleiche Problem, nur ohne Sex. Wir sehen: Die Lösung, so es eine gibt, liegt woanders. Die Lösung verrat ich aber nicht. Sonst sagt ihr’s ja weiter, und nachher weiß es jeder ... nur ein paar Schlussfolgerungen fürs tägliche Leben will ich vorschlagen: 1. Reize reduzieren. Das ist nicht einfach, denn sie lauern überall. Aber Hand aufs Herz: Wer von uns braucht mit nackter Perfektion beworbene Frühstücksflocken? Und dagegen kann man was unternehmen: in Tupperware umfüllen, dem Hersteller die Meinung schreiben, andere kaufen und noch viel mehr. 2. Mit dem Partner thematisieren, was das Zeug mit dir macht. Es gibt niemanden, mit dem es nix macht; und für das, was es mit dir macht, kannst du nix. Das ist Veranlagung – oder Schöpfung, für die Christen unter uns :-)


oora braucht dich

15 to go! Die Sponsoring-Aktion

Im Juni haben wir so viele von euch per E-Mail angeschrieben wie wir nur konnten, um eine wichtige Aktion mit euch zu teilen: die Sponsoring-Aktion. Die Reaktion auf unser Mailing war überwältigend. Viele haben uns ihre Wertschätzung mit lieben E-Mails und dem Kauf eines oder mehrerer Sponsoring-Pakete ausgedrückt. Es solle uns unbedingt weiterhin geben, war eine der Reaktionen. 1

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Mittlerweile wurden so 35 der angestrebten 50 Sponsoring-Pakete von euch Lesern finanziert. Dadurch konnten bereits 350 Studenten mit inspirierender oora-Lektüre versorgt werden, und wir haben dringend benötigte Mittel, um offene Rechnungen zu begleichen. Dafür sind wir enorm dankbar! Mit eurer Hilfe wollen wir auch die restlichen 15 Pakete noch verschicken. Wir sind uns sicher: Gemeinsam mit euch Lesern schaffen wir das!

Wie du uns helfen kannst! Wir stehen vor zwei großen Herausforderung en: Zum einen brauchen wir mehr Abonnente n, da die Menge der aktuellen Abos nicht unsere laufe nden Kosten deckt. Zum anderen ist dringend Kapital nötig, um offene Rechnungen zu begleichen. Um potentielle Leser und gut vernetzte Multi plika­toren zu erreichen, lassen wir ausgesuchten Bibel schulen und christlichen Studentengruppen aktue lle oora-­ Hefte zukommen. Da das aber eine Investition bedeutet, die unsere ­momentanen Möglichkeiten übersteigt, suchen wir für diese Aktion 50 Sponsoren für 500 oor a-Hefte ... Du kannst im Shop auf unserer Webseite ein 10er Sponsoring-Paket für 50 Euro kaufen. Wir leiten die von dir gesponsorten Hefte dann an eine von uns sorgsam ausgewählte Gruppe weiter und teilen dir mit, an wen. Warum uns diese Aktion hilft: • Wir machen durch jedes der 50 Euro-Spon soring-­ Pakete ein kleines Plus, das wir für die offen en ­Kosten verwenden können. • Es werden 500 oora-Hefte an poten tielle Leser ­verschenkt, die zu Abonnenten werden könne n. Weiterer Benefit: • Du kannst direkt beim Aufbau einer unab hängigen christlichen Zeitschrift mit dabei sein.

Einige eurer Reaktionen auf unsere Sponsoring-Aktion:

Würdest du eines der 15 übrigen Sponsoring-Pakete übernehmen?

Über deine Unterstützung würden wir uns riesig freuen! Hier der Link zu der Aktion in unserem Online-Shop: www.oora.de/shop/sponsoring-aktion Ganz liebe Grüße, Dein oora Redaktionsteam Anne Coronel, Anneke Reinecker, Johanna Weiß, Jörg Schellenberger, Matthias Lehmann, Michael Zimmermann

Vielen Dank für eure E-Mail. Hiermit mein Beitrag für eure Zukunft, liebes oora-Tea m! –M.K.

Hey, liebes Redaktionsteam! Ich finde, ihr macht eine tolle Arbeit und ich möchte euch und das was ihr macht gerne mit Hilfe dieser SponsoringIdee unterstützen. Auf dass ihr viele neue Leser gewinnt. –DW.

Viel Erfolg! Ich glaube, r dass es euch weite ll! so n be ge –M.E .

Abopreis In diesem Jahr erscheint oora vier Mal statt vorher drei Mal im Jahr. Entgegen unserer früheren Aussage ist es leider nicht möglich, das ohne Mehrkosten zu realisieren. Als wichtige Maßnahme, um oora als Projekt weiterhin finanzieren zu können, müssen wir deshalb den Abopreis leicht anheben. So werden wir ab dem 1. Dezember 2011 für ein normales oora-Abo statt 16,50 EUR jetzt 18,50 EUR berechnen. Abonnements, die in die Schweiz, nach Österreich oder in ein anderes EU-Land gehen, werden statt 22,50 EUR jetzt 24,50 EUR kosten. Wir hoffen dafür auf euer Verständnis.

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Quergedacht | Problem oder Lösung

Problem oder Lösung Unter der Oberfläche Text: Linda Zimmermann // Kolumne

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Problem oder Lösung | Quergedacht

Linda kämpft mit ihrer Arbeit, weil andere ihren Job nicht richtig erledigt haben. Was nun? // Es ist passiert: Ich bin im Stress. Gestern noch von den Aufgaben meines Jobs begeistert, von den kleinen Erfolgen aufgeputscht, von der nahenden Deadline angespornt, ändern sich plötzlich die Vorzeichen. Ich spüre Druck, der mir den Nacken verspannt und jede Leichtigkeit nimmt. Ich schreie meinen Laptop an, weil er mir permanent die Formate zerschießt. Ich schimpfe auf die Tageszeitung, weil sie ausgerechnet heute ein Wort ausgelassen hat und ich auch beim dritten Anlauf noch nicht begreife, was die von der Presse mir eigentlich sagen wollen. Ich schmähe meinen Kaffee, weil er blechern schmeckt – eindeutig höchste Zeit, um die wahren Gründe meines Stimmungswandels aufzuspüren. An der mir gestellten Aufgabe hat sich nichts geändert, die ist sinnvoll und machbar. Die Zusammenarbeit mit Profs und Co läuft nach wie vor wie geschmiert. In für mich unbekannter Disziplin bezwinge ich dieses faszinierende wie starre Tabellenkalkulationsprogramm, das aus Zahlen fluffig-leichte Diagramme macht, die ihren Betrachter nie und nimmer ahnen lassen, wie viel Herzblut in einem jeden von ihnen steckt. Während ich durch die Wohnung tigere, wird mir klar, dass mich dieses subtil aggressive Gefühl in dem Moment der Feststellung übermannte, dass mir für meine Aufgabe unvollständige Daten bereitgestellt wurden. Ich fühle mich nicht überfordert, nicht zeitlich unter Druck oder von Arbeit überwältigt, sondern einzig und allein abhängig. Abhängig von der Gunst oder Ungunst anderer. Innerhalb weniger Stunden hat der Frust über die lückenhaften Daten die Atmosphäre in meiner sonst so friedlichen Arbeitswelt getrübt. Ich bin versucht, meine Arbeit abzubrechen und mich damit zu rechtfertigen, dass mir nicht vollständig zugearbeitet wurde. Als Meisterin des gedanklichen Vorformulierens ersinne ich bereits empörte Worte einer fiktiven E-Mail, die das Versäumnis der sich nichtsahnend im Urlaub tummelnden Datenlieferantin betont. Das Problem wäre damit analysiert

Als Meisterin des gedanklichen Vorformulierens ersinne ich bereits empörte Worte einer fiktiven E-Mail, die das Versäumnis der sich nichtsahnend im Urlaub tummelnden Datenlieferantin betont.

und der Ball zurückgespielt. Mein gutes Recht – davon bin ich überzeugt. Aber ist es auch sinnvoll? Männer sind ja bekanntlich nicht in erster Linie für weise Ratschläge gut. Sie haben durchaus spannendere Vorzüge. Meiner gibt dennoch in unregelmäßigen Abständen, meist als direkte Reaktion auf Panikmache meinerseits, seine in männlicher Stille gereiften Überzeugungen preis. Wie neulich die Frage, ob ich grundsätzlich lieber »Teil des Problems« oder doch »Teil der Lösung« sein möchte. Es läge an mir, sagt er. An mir? Aber die Schuld liegt doch bei den anderen! Dann die Einsicht: keine Ausreden, keine guten Gründe. Was bleibt, ist die Frage, ob ich den Perspektivwechsel einleite oder nicht. Das könnte ja heißen: unverschuldet weniger gute Ergebnisse bringen zu können, auch mal Fehler von anderen auszubügeln oder der Verzicht darauf, fundierte Problemanalysen zu präsentieren – und das alles im Sinne der Lösungsorientierung. Ich mag dieses vereinfachte Schubladendenken nicht, aber tatsächlich fällt mir auf, dass sich Menschen tendenziell einer der zwei Seiten zuordnen lassen: Die, die nach Computerabstürzen oder Fahrraddiebstählen ohne groß zu hadern den Rechner neu installieren oder ein neues Rad kaufen und dabei wie selbstverständlich Backup und Diebstahlversicherung einplanen. Und die, die nach dem missglückten Start einer Gruppenarbeit echauffiert einen Verantwortlichen für die Stagnation suchen. Meinem Naturell wird in letzterer Kategorie am ehesten entsprochen. Es ist der einfachere Weg, der mir erlaubt, sobald es schwierig wird, klein beizugeben. Schließlich existiert ein konkretes Problem, das diese herrlich erklärbare Notstandsituation rechtfertigt, in der

mir sprichwörtlich die Hände gebunden sind. Und ich somit nichts tun muss. Mich nicht bewegen muss. Nichts lösen muss. Mit dem Effekt, dass sich dann in den meisten Fällen auch tatsächlich nichts bewegt. Würde ich in meiner kleinen DatenMisere hingegen auf eine Lösung setzen, so würde ich meine Kommilitonen fragen, ob sie nicht zufällig die Daten haben, die mir fehlen, würde mich in der schönen Sommerhitze mit ihnen zu einer Übergabe treffen, würde unter nun real steigendem Zeitdruck die fehlenden Diagramme erstellen und mich anschließend königlich fühlen, weil ich mich dieses Mal für den konstruktiven Weg entschieden habe. Könnte ich ja mal versuchen, vielleicht gefällt es mir sogar auf der Seite der Lösungsorientierten. Erfolgreicher wäre ich so allemal. Und sozial verträglicher vermutlich auch. ///

Linda Zimmermann (31) lebt mit ihrem Mann Michael in Nordhausen am Harz. Sie studiert dort Sozialmanagement und fängt langsam an, sich Gedanken zu machen, was danach kommt.

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Quergedacht | Lyrik

Kindheit Text: Daniel Sailer

Über meinen Kindertagen liegt ein Schleier von Vergessen, die Erinnernung verblasst. Alte Augen, die sich plagen all das Kleine zu ermessen, was einst Lust war ist heut Last. Durch die Abenteuer streifen, die ich täglich neu erfunden, ob als Räuber, König, Ritter jeden Augenblick zu greifen, ob als Seemann lange Stunden trotzend jedem Sturmgewitter. Mit den Jahren ist der Spiegel matt von trüber, grauer Blindheit, all die schönen Bilder schwinden, wachsen dicht bemooste Ziegel auf den Dächern meiner Kindheit und dem Suchen folgt kein Finden. Doch dann kommst Du in mein Leben, wie ein klares, helles Scheinen, und durchwirbelst meine Welt. Hast mir Deine Sicht gegeben, was mir groß war wird zum Kleinen, hast mich auf den Kopf gestellt. Und mit all den kleinen Sachen, Deiner Freude, Deinem Singen, damit gibst Du mir ein Stück von dem tief verborg‘nen Lachen, eigner Kindheit hellem Klingen, das verlor‘n geglaubt, zurück.

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Buchrezensionen | Quergedacht

ücher, die wir gelesen haben

N.T. Wright Glaube – und dann?

C.S. Lewis Die große Scheidung

Bernd Siggelkow Papa Bernd

In den letzten Jahren habe ich viele Menschen erlebt, die von N.T. Wright beeinflusst sind und mich mit ihrer Sichtweise von der Welt inspirierten. Daraufhin habe ich selbst einmal ein Buch von ihm gelesen. N.T. Wright, Historiker und Theologe, fasziniert durch seine Herangehensweise an Bibeltexte. Für die Konservativen ist er oft zu liberal und für die Liberalen zu konservativ. Für ihn geht es beim Christsein nicht darum, in den Himmel zu kommen, sondern darum, das Reich Gottes hier auf Erden zu errichten. Diese Weltsicht findet man auch in dem Buch »Glaube − und dann?« wieder. Bei Wrights Argumentation wird deutlich, dass er nicht nur die Bibel gut kennt, sondern auch die historischen Schriften der Antike. Das Buch behandelt die Frage der Charakterformung, die sich am Ideal der Transformation in das Ebenbild Christi orientiert. Der Autor stellt eine Tugendethik auf, die er aus der antiken Tugendlehre ableitet und auch bei Paulus wiederentdeckt. Das Buch hat inhaltlich viel zu bieten und regt zum Weiterdenken an. Da es sehr viel um Theologie geht, zieht sich das Buch allerdings in der zweiten Buchhälfte sehr hin. /// Jörg Schellenberger

Der Ich-Erzähler (offenbar der Autor selbst) erlebt eine phantastische Reise. Zu Beginn der fabelartig-poetischen Erzählung befindet er sich in einer großen, grauen Stadt und steigt mit einigen Personen in einen Bus ein, der nicht rollt, sondern fliegt. Auf der Reise durch die Lüfte lernt er einige der Passagiere kennen. Schließlich landet die Reisegesellschaft auf einer grasbewachsenen weiten Ebene. Hier begeben sich die Einzelnen vorsichtig auf Entdeckungstour. Der Autor erfährt von einheimischen, himmlischen Wesen, was es mit dem Plateau auf sich hat: Es handelt sich um einen Vor-Himmel, auf den viele der Buspassagiere aber ungehalten reagieren und lieber schnell wieder in die monotone, unendliche Stadt zurückwollen. Lewis setzt sich parabelhaft-narrativ mit weltanschaulichen Fragen auseinander und dringt tief in mögliche Antworten auf Fragen nach Errettung, der Auswirkung von Sünde und dem Schlüssel zum Himmel vor. Es ist keine ganz leichte Kost und kann gut ein zweites Mal gelesen werden. Meine absolute Empfehlung für jeden, der sich mit Erlösung, Himmel und Hölle auseinandersetzt und keine platten Antworten möchte. // Michael Zimmermann

Neugierig auf die Person, die hinter der mittlerweile omnipräsenten »Arche« – einem Zufluchtsort für Kinder im sozialen Brennpunkt Berlin-Hellersdorf − steht, begann ich zu lesen, war aber zunächst enttäuscht. Obwohl ich die persönliche Geschichte von Bernd Siggelkow überhaupt nicht kannte, hatte ich oft das Gefühl, nichts Neues über ihn zu erfahren, was wohl an dem sehr schlichten Erzählstil liegt, aber auch daran, dass es kaum gelingt, dem Leser die erlebten Emotionen zu vermitteln. Meine Enttäuschung wandelte sich aber in großes Interesse, als die Geschichte der Arche selbst erzählt wurde. Bis dahin musste ich mich allerdings durch 70, manchmal zähe, Seiten durcharbeiten. Das Buch ist eher eine Biographie des Arche-Gründers als die Geschichte der Arche selbst. Bernd Siggelkows Liebe und Leidenschaft, die er für das Kinder- und Jugendwerk, vor allem aber für die einzelnen Kinder, hat, werden eingängig geschildert. Das Buch ist für diejenigen empfehlenswert, die gerne mehr aus erster Hand über die Arche und die Person dahinter erfahren wollen und diejenigen, die sich von der Liebe und Leidenschaft Bernd Siggelkows inspirieren lassen möchten. /// Kerstin Schellenberger

Broschiert, 250 Seiten, Francke 2011 ISBN 987-3868272437, € 14,95

Taschenbuch, 141 Seiten, Johannes Verlag 2008 ISBN 978-3894110093, € 6,50

Gebundene Ausgabe, 191 Seiten, Adeo 2010 ISBN 978-3942208185, € 17,99

Das Förderabo

Deine Möglichkeit uns zu unterstützen Mit dem Förderabo haben wir eine Möglichkeit geschaffen, mit der du uns dabei unterstützen kannst, den Weg als unabhängige Zeitschrift weiterzugehen. Unser finanzielles Fundament soll dabei wie bisher in erster Linie unsere Leserschaft sein. Das Förder­abo ist ein reguläres Abo, bei dem wir das Komma um eine Stelle verschoben haben: Es kostet 185,00 EUR statt 18,50 EUR im Jahr. Wenn du dein normales Abo in ein Förderabo umwandeln oder ein neues abschließen möchtest, dann schreib uns eine E-Mail an info@therace-online.de. Wir kümmern uns dann persönlich darum. Selbstverständlich kannst du – wenn sich beispielsweise deine finanzielle Situation ändert – das Förderabo wieder in ein reguläres Abo zurückwandeln.


Quergedacht | Liebe machen

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Liebe machen | Quergedacht

Liebe machen Sex in der Ehe Text: Günter J. Matthia

Audioversion unter www.oora.de/audio

Kein Sex vor der Ehe! Diesen Grundsatz haben die meisten Christen wohl bereits einmal gehört. Aber was ist mit dem Sex in der Ehe? In den meisten Gemeinden scheint dieses Thema nicht zu existieren – Ehepaare bleiben da viel zu oft auf sich allein gestellt. Eine Auseinandersetzung mit der schönsten Privatsache der Welt. // Es herrscht kein Mangel an Büchern, Artikeln, Online-Ratgebern und anderen Quellen, die samt und sonders Auskunft versprechen, wie das mit Liebe, Lust und Leidenschaft am besten funktioniert. Qualität und Niveau der Angebote umspannen die Bandbreite von wissenschaftlich bis vulgär. Es ist für jeden Geschmack etwas dabei, durchaus auch etwas für Menschen ohne Geschmack. Dennoch besteht Bedarf: »Wenn es um Sex geht, tun die meisten verheirateten Christen das, was für sie funktioniert. Wenn sie etwas entdeckt haben, was ihnen Befriedigung, Vergnügen, Nähe und einen Orgasmus bringt, werden sie in der Regel diese Praxis beibehalten. Dabei werden manche Paare allerdings von Schuldgefühlen geplagt, weil sie sich fragen, ob ihr Tun vielleicht sündig ist«, schrieben vor etlichen Jahren Melissa und Louis McBurney, professionelle Eheberater, in Christianity Today1. Sie berichteten, dass sie unzählige Anfragen bekommen, ob bestimmte Sexpraktiken »erlaubt« seien, weil in den Kirchen und Gemeinden das Thema Sexualität ignoriert und in den Kleingruppen auch nicht angesprochen wird. Die meisten »christlichen« Ehebücher bleiben schwammig oder stiften noch mehr Verwirrung, da der eine Autor dieses, der andere jenes verurteilt oder gutheißt – selbstverständlich immer biblisch belegt.

Biblische Moral bleibt unklar

Wer will, kann anhand der Bibel auch nachweisen, dass Sex außerhalb der Ehe erlaubt ist: Die Tatsache, dass der Glaubensheld Abraham mit seiner Magd – im Einvernehmen mit der Ehefrau und sogar auf deren Vorschlag hin – einen Sohn zeugte, wird in der Bibel nicht getadelt, sondern lediglich der Beweggrund: mangelnder Glaube, dass die betagte Sarah trotz göttlicher Verheißung noch schwanger werden könnte. Nur eines von mehreren Beispielen in der Heiligen Schrift.

Die Missionarsstellung als einzige für Christen zulässige Form des Geschlechtsverkehrs – solche religiösen Gesetze sind Gott sei Dank Vergangenheit im Christentum. Die biblischen Bücher geben – im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext – diverse Hinweise zu Moral und Ethik, aber die Bibel war nie ein Ratgeber zum Sex in der Ehe. Die Bibel ist ein sehr vielschichtiges und vielseitiges Portrait Gottes. Die zahlreichen Autoren der biblischen Bücher steuern das jeweilige Bild, wie sie Gott erkennen und erleben, bei. So entsteht ein Puzzle, das uns ahnen lässt, wer und wie Gott ist. Die Bibel ist aber kein Handbuch über sexuelle Spielarten und Praktiken, auch wenn manche frommen Autoren so tun als könnten sie eins aus ihr machen. oora.de

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Quergedacht | Liebe machen

Als sexuelle Wesen geschaffen

Unterschiede feiern

Wir können immerhin getrost davon ausgehen, dass der Schöpfer von der Intensität unserer Empfindungen nicht überrascht ist, denn er hat uns mit sexuellem Verlangen, den entsprechenden Organen und Hormonen sowie der mentalen Fähigkeit zu erotischen Höhenflügen ausgestattet. Daran hat sich in tausenden Jahren nichts geändert. Adam besaß Penis und Hoden, Eva Vagina, Klitoris und Brüste. Da sie Kinder in die Welt setzten, wussten sie offenbar auch damit umzugehen. Wie häufig sie Sex hatten, in welchen Stellungen, wann und wie sie zum Orgasmus kamen – und ob das jeweils sündig oder zulässig war – ist uns nicht überliefert.

Den meisten Paaren wird schnell bewusst, dass es bezüglich der Intensität und der Bandbreite des sexuellen Verlangens Unterschiede zwischen den Partnern gibt. Ob nun der Mann häufiger Sex möchte oder die Frau, wer von beiden experimentierfreudiger ist oder Vorlieben für bestimmte Stellungen und Praktiken entwickelt, spielt keine Rolle, denn gerade die Unterschiedlichkeit ist eine Chance: Auch im Bett – oder wo immer man Sex genießen möchte – können gegenseitige Rücksichtnahme, Verständnis und Achtung der Einzigartigkeit des Partners bewiesen werden. Eine Frau, die häufiger mit ihrem Mann schläft als es ihrem Verlangen entspricht, die Varianten der Stimulation ausprobiert, mit denen ihr Mann experimentieren möchte, beschenkt ihren Partner. Ein Mann, der seinen Sextrieb zügelt und sich Gedanken macht, wie er das Vergnügen seiner Frau steigern kann, der schnell zum Orgasmus käme, sich aber Zeit für ihren Höhepunkt nimmt, beschenkt seine Partnerin. Solche Geschenke sind Kennzeichen der Liebe. Das gilt übrigens für alle Lebensbereiche, nicht nur für die erotische Komponente der Ehe. Das biblische »achte einer den anderen höher als sich selbst«2 kann sich nur im alltäglichen Umgang miteinander, in guten wie in schlechten Tagen, beweisen. Wenn zwei Menschen so miteinander umgehen, entsteht im Lauf der Zeit eine Basis des Vertrauens, die für ein genussvolles langjähriges Sexleben

Was ist erlaubt?

Daher die Unsicherheit unter Christen, von der die McBurneys berichteten. Sie ist auch hierzulande verbreitet. Was ist erlaubt? Was ist verboten? Eine Antwort in Form einer Liste von »guten« und »bösen« Aktivitäten mag sich mancher wünschen, aber auch ich kann und will sie nicht zusammenstellen. Die Missionarsstellung als einzige für Christen zulässige Form des Geschlechtsverkehrs – solche religiösen Gesetze sind Gott sei Dank Vergangenheit im Christentum. Manche frommen Ratgeber stellen heute neue Regeln auf. Doch darum geht es beim Thema Liebe, Leidenschaft und Lust gar nicht. 46

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Liebe machen | Quergedacht

unerlässlich ist. Liebe kann und soll wachsen, zunehmen, stark werden. Die Grundlage ist das gegenseitige Vertrauen, entstanden aufgrund der täglich erlebten Achtung und Wertschätzung, mit der ein Paar sich beschenkt. Entspannt experimentieren

Auf einem solchen Fundament der Liebe, in der Geborgenheit des Vertrauens, ist es erlaubt, dass nicht immer alles klappt. Oralsex, gegenseitige oder gemeinsame Masturbation, verschiedene Stellungen, Experimente mit Vibrator oder anderem Spielzeug, intime Massagen, Sex an ungewöhnlichen Orten – all das kann das Sexleben bereichern. Oder auch nicht. Das muss (und wird) jedes Paar selbst herausfinden. Wenn die Partner einander wirklich bedingungslos vertrauen, dann ist es keine Katastrophe, wenn der Orgasmus ausbleibt, der Penis nicht steif wird oder wenn man feststellt, dass etwas eben keinen Spaß macht oder eine Stellung nicht funktioniert. Es geht ja nicht um einen Wettbewerb, um Höchstleistungen, um Pflichtübungen, sondern Sex soll Vergnügen bereiten. Beiden, die daran beteiligt sind. Mal wird er, mal sie mehr Genuss empfinden, mal schaffen es beide in schwindelerregende Gefühlshöhen. Nicht alles macht allen Menschen gleich viel Spaß. Abwechslung, Experimentierfreude und eine gehörige Portion Humor – falls etwas nicht gelingt – können dazu beitragen, dass Sex nicht zur Routine wird, sondern aufregend bleibt. Eine goldene Regel

Nun mag mancher fragen: Aber was ist denn nun erlaubt? Was ist verboten? Eigentlich brauchst du eine solche Liste gar nicht mehr, falls ich mich bisher klar genug ausgedrückt habe: Ihr werdet es selbst herausfinden, wenn ihr einander achtet und liebt. Falls du wissen willst, wo beim Sex die Grenze liegt und dafür eine einprägsame Regel möchtest, so fällt die aus meiner Sicht sehr einfach aus: • Es ist euch beiden erlaubt, »Nein« zu sagen. • Es ist euch beiden nicht erlaubt, ein »Nein« zu ignorieren. Das gilt für alle Lebensbereiche. Wer sich auch im Sexleben daran hält, hat gute Chancen auf lebenslangen erotischen Genuss, auf Leidenschaft und Liebe in seiner Ehe.

im Beruf, Krankheit, Sorge oder Notlage – das lässt sich nicht immer einfach abschalten. Aber gegen übermäßigen Alkoholkonsum kann man genauso etwas tun wie gegen ein ungepflegtes Äußeres. Dass es Meinungsverschiedenheiten, gelegentlich Streit, gibt, kommt in so gut wie jeder Ehe vor. Aber dass du trotzdem nie die Achtung vor deinem Partner verlierst, liegt in deiner Verantwortung.

Abwechslung, Experimentierfreude und eine gehörige Portion Humor – falls etwas nicht gelingt – können dazu beitragen, dass Sex nicht zur Routine wird, sondern aufregend bleibt. Die Liebe eines Paares kann frisch bleiben, auch wenn die Brüste nicht mehr so fest sind und die Erektion sich nicht mehr so unmittelbar einstellt wie noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Vielleicht wird euch gerade das zu neuer Fantasie beflügeln, euch auf neue Ideen kommen lassen, wie die Lust entzündet werden kann. Es lohnt sich, die Liebe lebendig zu erhalten. Darf ich dir zum Schluss ein Geheimnis verraten? Ich werde in diesem September 56 Jahre alt und habe immer noch Spaß an Liebe, Lust und Leidenschaft. /// Fußnoten: 1 www.christianitytoday.com/mp/2001/spring/4.34.html 2 Philipper 2,3

Sex auch nach Jahrzehnten

Die erotische Hitze der frühen Beziehung wird nicht ewig lodern. Jungen Menschen erscheint das zwar meist unvorstellbar, aber das ändert nichts an den Tatsachen. Der Körper deines Ehepartners wird altern, genau wie deiner. Die Hormonproduktion wird sich ändern. Dein Sexualtrieb wird abnehmen. Deine körperliche Leistungsfähigkeit wird zurückgehen. Doch das heißt nicht, dass es in den reiferen Jahren keine Leidenschaft, keinen Sex mehr geben wird. Wer in jungen Jahren ein solides Fundament gelegt hat, wird auch nach zehn, zwanzig und dreißig Jahren noch Lust auf Sex und Spaß am Sex haben – mit dem gleichen Mann, der gleichen Frau. Liebe braucht Pflege. Von den frühen bis zu den späten Lebensjahren. Es gibt Lustkiller, denen man mehr und andere, denen man weniger aus dem Weg gehen kann. Überarbeitung, Stress

Günter J. Matthia (56) ist Autor mehrerer Bücher und zahlreicher Artikel in verschiedenen Publikationen. Er lebt mit seiner Ehefrau in Berlin, nimmt am emergenten Dialog teil und beschränkt sein Schreiben nicht auf fromme Bereiche oder Sachtexte. Seine beiden Blogs gewähren Einblick in sein weitgefächertes Spektrum: › gjmatthia.blogspot.com: kunterbunt und fast täglich › gjmberlin.wordpress.com: für die längeren Artikel

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Impressum

Leserbriefe

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Die christliche Zeitschrift zum Weiterdenken

Daniel Glauer, Student, Chemnitz

Nummer 41 • 3/2011

Ich habe den Eindruck, dass ihr zwar Themen gegenüber stellt, aber euch eines Kommentars enthaltet. (...) z. B. »Unfair« gegen »Mönch und Vermögensverwalter«. Wie ihr zu den Dissonanzen steht, die unvermeidlich entstehen, wenn man beide Artikel liest, scheint euer Geheimnis zu bleiben. (...) Denn dass das, was der grüne Anselm tut, direkt oder indirekt Grundlage für den »Unfair«-Artikel ist, kommt euch offenbar nicht. (...) Zu Ben Müller und seinem Artikel »Immer auf Erden«. Die Schlussfolgerung seines Artikels kann ich gut unterschreiben. Es ist nützlich hier auf Erden für ihre Bewahrung einzutreten. Natürlich, das ist ganz klar biblisch. Die Begründung dafür finde ich nur schlecht. (...) Der Gedanke, der dahinter steht ist: Wenn wir die Erde dann nicht mehr brauchen würden, wie die freikirchliche Ecke behauptet, könnten wir sie getrost runterwirtschaften. Das halte ich für eine Verdrehung der Wahrheit. (...) Gott hat einen Plan für jeden, aber keinesfalls kann Gottes Plan für uns sein, ihm dienen zu wollen, während wir seiner Schöpfung schaden. Es besteht demnach ein fundamentaler Zusammenhang zwischen dem Glauben und dem alltäglichen Leben. Wenn wir nicht nur dann Christen sind, wenn wir in einen Gottesdienst oder Hauskreis gehen, sondern jeden Tag, dann gibt es kein Ausspielen der Aspekte Glaube und Mission gegen die Bewahrung der Schöpfung. Es ist ganz klar unsere Pflicht, mit dem was Gott uns ge-

ISSN 2191-7892 Herausgeber: oora verlag GbR, Jörg Schellenberger und Michael Zimmermann, Dollmannstr. 104, 91522 Ansbach Redaktionsleitung: Jörg Schellenberger, Michael Zimmermann (info@oora.de) Redaktionsteam: Anne Coronel, Matthias Lehmann, Rebekka Preisendanz (Redaktionsassistenz), Anneke Reinecker, Jörg Schellenberger, Michael Zimmermann Anzeigen: Johanna Weiß (johanna@oora.de) Redaktionsbeirat: Klaus-Peter Foßhag, Gernot Rettig Gestaltung: Johannes Schermuly, www.ideenundmedien.de Druck: Müller Fotosatz & Druck GmbH, Selbitz, www.druckerei-gmbh.de Abonnement: oora erscheint viermal im Jahr (März, Juni, September, Dezember) und kostet 18,50 EUR in Deutschland bzw. 24,50 EUR in anderen europäischen Ländern. Darin sind Mehrwertsteuer und Versandkosten bereits enthalten! Das Abo kann immer bis sechs Wochen vor Bezugsjahresende gekündigt werden. Eine E-Mail an service@oora.de genügt. Das gilt nicht für Geschenk-Abos, die automatisch nach einem Bezugsjahr enden. Einzelpreis: 5,50 EUR/7,50 SFr. Preisänderungen und Irrtümer vorbehalten. Mengenrabatt: Ab 10 Hefte: 5,00 EUR pro Heft, ab 20 Hefte: 4,50 EUR pro Heft (inkl. Versand) Bankverbindung: oora verlag GbR, Konto-Nr. 836 89 38, BLZ 765 500 00, Sparkasse Ansbach • IBAN: DE18 76550000 0008 3689 38, BIC: BYL ADEM1ANS Leserservice: oora Leserservice, Postfach 1363, 82034 Deisenhofen, Telefon: 089/858 53 - 552, Fax: 089/858 53 - 62 552, service@oora.de © 2011 oora verlag GbR • www.oora.de Bilder: Wenn nicht anders vermerkt: photocase.com Titelbild: getwhatyoucan; S.2: Joe Mariano (flickr.com); S.14: Mr. Nico; S.10: dioxin; S.12: dergestalter; S.13/18/20: Johannes Schermuly; S.24/26: kallejipp; S.36: annaia; S.39: humedica; S.40: erdbeersüchtig; S.44: jameek; S.46: es.war.einmal..; Alle weiteren von oora oder von privat.

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oora 03/11

Leserbrief zu Ausgabe 1/2011 »Grün«

geben hat, sorgsam umzugehen. Egal, ob die Erde morgen noch steht oder nicht. Auch am letzten Tag haben wir diese Verantwortung. Was Ben Müller völlig ausblendet, sind die Zerstörungen auf Erden, die die Offenbarung berichtet. Diese Argumente, die seine These alt aussehen lassen, fehlen. Das zeigt die falsche Basis seiner richtigen Schlussfolgerung. Nicht, weil wir die Erde noch brauchen, sollten wir sie bewahren, sondern weil sie Gottes Geschenk an uns ist. Ein paar mehr Bibelstellen wären mir lieb gewesen. Zum Interview mit Martin Scott. Ihr schreibt: Zunächst befürchteten wir eine Überschneidung (...) mit dem Artikel Immer auf Erden (...) Somit [wurde] uns schnell klar, dass wir das Interview drucken wollen. Ihr argumentiert von der falschen Seite. Nicht das Interview musste seinen Platz erkämpfen, der Artikel von Ben Müller ist gegenüber dem Interview redundant und hätte fehlen dürfen. Was mich an Martin Scott stört, ist, dass er ebenso die ersten Fragen nur mit seinen Ideen und Vermutungen beantwortet, ohne biblische Begründung. Auch wenn vieles sinnvoll und nachdenkenswert erscheint, es ist nur eine Idee, wenn es keine biblischen Belege gibt. (...)

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