OECD Economic Outlook – December 2021: Switzerland - German version

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Schweiz Das reale BIP wird 2021 voraussichtlich um 2,9 %, 2022 um 3 % und 2023 um 2,1 % wachsen. Nachdem die Beschränkungen aufgehoben wurden, zog die Konjunktur 2021 erneut sprunghaft an, allerdings nahm die Ungewissheit aufgrund der aufeinanderfolgenden Pandemiewellen in der zweiten Jahreshälfte erneut zu. Der anhaltende Anstieg der Exporte, insbesondere in der Chemie- und Pharmaindustrie, und das sich aufhellende Geschäftsklima dürften die privaten Investitionen beflügeln. Bessere Arbeitsmarktaussichten und die Abnahme der aktuell hohen Ersparnisse werden das Konsumwachstum stützen. Die Inflation hat unter dem Einfluss der hohen Energiepreise leicht angezogen, wird aber voraussichtlich moderat bleiben. In Anbetracht der fest verankerten Inflationserwartungen und noch immer hohen Ungewissheit bleibt der derzeit konjunkturstützende geldpolitische Kurs angemessen. Die pandemiebedingten fiskalischen Maßnahmen sollten nach und nach aufgehoben werden, wohingegen die gezielten Unterstützungsmaßnahmen für gefährdete Arbeitskräfte und Unternehmen einstweilen noch aufrechterhalten werden sollten. Strukturreformen, die darauf abzielen, das Geschäftsumfeld zu verbessern, Wettbewerbs- und Handelsschranken zu beseitigen, mehr Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen und die ökologische Nachhaltigkeit von Investitionen und Konsum zu verbessern, würden eine kräftige Erholung fördern. Das Tempo der Erholung hat sich verlangsamt, bleibt aber robust Seit Mitte Oktober ist die Zahl der COVID-19-Infektionen deutlich gestiegen. Für den Zugang zu Innenbereichen von Restaurants, Bars und Museen wird seit Mitte September ein COVID-Zertifikat verlangt. Allerdings haben sich die Impffortschritte seit Oktober verlangsamt. Mitte November waren etwa 65 % der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft, was unter dem Durchschnitt der Europäischen Union liegt. Mit dem Aufheben der meisten Beschränkungen im Frühjahr belebte sich die Wirtschaftstätigkeit im zweiten Quartal 2021 stark. Das Exportvolumen hat sich unter dem Einfluss der Chemie- und Pharmaindustrie rasch erholt. Zugleich sind Anzeichen dafür vorhanden, dass die Wachstumsdynamik in der letzten Zeit etwas nachgelassen hat. So verzeichnet der Einzelhandel ein schwächeres Wachstum und die Zahl der Kfz-Neuzulassungen ist gesunken. Da das Geschäftsklima aber nach wie vor gut ist, dürfte das Wachstum insgesamt solide bleiben. Es wird damit gerechnet, dass das BIP noch vor Jahresende zu dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau zurückkehren wird. Die Arbeitslosenquote liegt zwar nach wie vor über dem Vorpandemieniveau, die Zahl der freigesetzten Arbeitskräfte und der Arbeitslosen ist seit Jahresbeginn aber merklich gesunken, und die Zahl der offenen Stellen ist gestiegen. Nachdem der Verbraucherpreisanstieg etwa ein Jahr ein negatives Vorzeichen hatte, ist er unter dem Einfluss der höheren Energiepreise wieder gestiegen, liegt aber weiterhin deutlich unter der Obergrenze des Zielkorridors der Schweizerischen Nationalbank.

OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2021/2: LÄNDERNOTIZ SCHWEIZ © OECD 2021


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Switzerland Activity rebounded after the lifting of containment measures Y-o-y % changes 15

Index 15

Weekly Economic Activity index →

10

Labour market prospects are improving

← Real GDP, sport event adjusted¹

5

0

0

-5

-5

2019

2020

2021

-10

Millions 5.5

← Short time workers ← Unemployed, ILO

1200

10

5

-10

Thousand 1400

5.4

Domestic employment →

1000

5.3

800

5.2

600

5.1

400

5.0

200

4.9

0

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

4.8

1. GDP adjusted for the effects of major international sporting events, as such events can have a sizable impact on Swiss GDP but do not occur every year, complicating business cycle analysis. Source: Secrétariat d'État à l'économie (SECO); and Federal Statistical Office (FSO). StatLink 2 https://stat.link/oifd95

Switzerland: Demand, output and prices 2018

2019

GDP at market prices Private consumption Government consumption Gross fixed capital formation Final domestic demand Stockbuilding¹ Total domestic demand Exports of goods and services Imports of goods and services Net exports¹ Memorandum items GDP deflator Consumer price index Core inflation index² Unemployment rate (% of labour force) Household saving ratio, net (% of disposable income) General government financial balance (% of GDP) General government gross debt (% of GDP) Current account balance (% of GDP)

719.8 372.2 79.9 184.0 636.1 - 5.9 630.2 476.6 387.0 89.6 _ _ _ _ _ _ _ _

2021

2022

2023

Percentage changes, volume (2015 prices)

Current prices CHF billion

Switzerland

2020

1.2 1.4 0.7 0.6 1.1 0.7 1.9 -0.7 -0.2 -0.4

-2.5 -3.7 3.5 -1.7 -2.3 1.3 -0.9 -6.3 -4.4 -1.8

2.9 1.7 6.4 4.8 3.2 -3.0 -0.1 7.6 3.1 3.1

3.0 3.8 -2.5 3.6 2.9 -0.5 2.4 5.4 4.7 1.0

2.1 1.9 -0.4 1.1 1.4 0.0 1.4 4.4 3.8 0.9

-0.1 0.4 0.4 4.4 17.4 1.3 41.0 4.9

-0.5 -0.7 -0.3 4.8 23.1 -2.8 43.9 1.2

1.2 0.6 0.3 5.1 23.0 -2.3 46.8 6.2

1.4 1.0 0.7 4.6 20.1 0.2 47.2 6.5

1.0 0.8 0.8 4.4 18.7 0.8 46.9 6.4

1. Contributions to changes in real GDP, actual amount in the first column. 2. Consumer price index excluding food and energy. Source: OECD Economic Outlook 110 database.

StatLink 2 https://stat.link/e0omlq

OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2021/2: LÄNDERNOTIZ SCHWEIZ © OECD 2021


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Die staatlichen Maßnahmen sind nach wie vor beträchtlich Die solide Haushaltslage mit niedriger Staatsverschuldung hat es der Regierung ermöglicht, Arbeitskräfte und Unternehmen während der Krise großzügig zu unterstützen. Um die Erholung zu stützen, hat die Regierung eine Übergangsstrategie konzipiert, die darauf abzielt, die schrittweise Aufhebung der außergewöhnlichen coronabedingten Maßnahmen zu flankieren: Die Arbeitskräfte und Unternehmen sollen unterstützt werden, sich den strukturellen Veränderungen anzupassen und das Wachstum soll durch Investitionen und Strukturreformen angekurbelt werden. Die erweiterten Kurzarbeitsregelungen werden seit Juli 2021 schrittweise zurückgenommen, mit einer vollständigen Normalisierung des Programms ist aber nicht vor 2022 zu rechnen. Das Härtefallprogramm, das den am stärksten in Mitleidenschaft gezogenen Unternehmen Finanzhilfen, Kredite und Kreditbürgschaften anbietet, wird bis Ende 2021 weitergeführt. Den Kantonen wird mehr Flexibilität eingeräumt, um die Anspruchskriterien den spezifischen lokalen Bedürfnissen anzupassen. Angesichts der negativen Zinssätze und des verhältnismäßig kleinen inländischen Anleihemarkts hält die Schweizerische Nationalbank an Devisenmarktinterventionen fest. Mit diesem Instrument soll der Druck, der auf dem Schweizer Franken als sicherem Hafen lastet, abgefedert werden (wie auch die damit einhergehenden deflationären Spannungen). Die Geldpolitik wird voraussichtlich akkommodierend bleiben und am negativen Leitzins festhalten.

Die Konjunkturerholung wird sich fortsetzen Dank des Konjunkturaufschwungs wird das BIP-Wachstum den Projektionen zufolge 2021 2,9 % erreichen. Ein Rückgang der pandemiebedingten Ungewissheit und niedrige Kapitalkosten dürften die Investitionstätigkeit 2022 weiter stützen. Der Konsum wird in den kommenden zwei Jahren voraussichtlich durch eine Normalisierung der Lage am Arbeitsmarkt und eine Verringerung der hohen Sparquote der privaten Haushalte beflügelt. Eine lebhafte Auslandsnachfrage dürfte die Exporte ankurbeln. Da 2022 mit deutlich niedrigeren coronabedingten Ausgaben zu rechnen ist, dürfte das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit in einen Überschuss umgewandelt werden. Für 2023 sind weitere Konsolidierungsschritte projiziert. Obwohl die Beschäftigung allmählich zunehmen wird, was die Löhne 2022 und 2023 um etwas mehr als 1½ % nach oben treiben dürfte, bleibt der Verbraucherpreisauftrieb den Projektionen zufolge weiterhin moderat. Die Ungewissheit ist aber nach wie vor hoch. Mit der steigenden Unternehmensverschuldung und den zunehmenden Ungleichgewichten am inländischen Immobilienmarkt haben die Risiken im Finanzsektor zugenommen. Handelsstörungen im Zusammenhang mit erneuten Pandemiewellen oder neuen Handelsbeschränkungen, insbesondere gegenüber der EU, könnten die Erholung beeinträchtigen. Günstiger könnte die Entwicklung ausfallen, wenn ein rascheres Abschmelzen angesammelter Ersparnisse Konsum und Wirtschaftstätigkeit ankurbeln sollte.

Gezielte geld- und fiskalpolitische Impulse würden eine inklusive Erholung ermöglichen Angesichts des moderaten Inflationsdrucks und der gut verankerten langfristigen Inflationserwartungen bleibt die akkommodierende Geldpolitik angemessen. Eine fortdauernde enge Überwachung der Finanzrisiken ist gerechtfertigt. Um zu verhindern, dass die Erholung beeinträchtigt wird, sollte die fiskalpolitische Unterstützung nur schrittweise zurückgenommen werden. In dieser Hinsicht sind vorübergehende Anpassungen in der Anwendung der Haushaltsregeln des Bundes, wie sie derzeit von der Regierung ins Auge gefasst werden, zu begrüßen, da sie in Bezug auf den Konsolidierungskurs mehr Spielraum zulassen könnten. Die Hilfeleistungen sollten zunehmend auf die Unterstützung der am härtesten getroffenen Unternehmen und Personen und nicht auf die Sicherung von Arbeitsplätzen ausgerichtet werden. Dabei geht es darum, die Reallokation von Arbeitskräften durch Förderung der Arbeitsuche und Höherqualifizierung zu erleichtern. Eine Verbesserung des Geschäftsumfelds, der Abbau von Wettbewerbs- und Handelshindernissen und die Förderung der Arbeitsmarktintegration unterrepräsentierter Gruppen, wie Ausländer*innen, Frauen und ältere Arbeitskräfte, würde die Produktivität steigern und die Erholung zusätzlich unterstützen. Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit von Konsum und Investitionen würden dazu beitragen, die Fortschritte beim Übergang zu einer CO2-armen Volkswirtschaft zu beschleunigen. OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2021/2: LÄNDERNOTIZ SCHWEIZ © OECD 2021


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