Eigenverantwortunghatkeinen guten Ruf Sie klingt nach Pflicht, nach Verzicht, nach Arbeit. Und doch ist Eigenverantwortung das wirksamste Instrument, das wir haben.
Ich, als selbstdiagnostizierter Kontroll-Freak bin etwa eine überzeugte Anhängerin dieser Haltung. Denn ändern, was andere tun? Sehr schwierig. Aber was man selbst tut – das liegt tatsächlich in der eigenen Hand.
Was das mit Gesundheit zu tun hat?
Sehr viel. Ob wir wollen oder nicht: Am Steuer unseres eigenen Körpers sitzen nun mal wir selbst.
Selbstverständlich wünschten wir uns mitunter eine hochpräzise Diagnose eine kristallklare Ursache für unsere Beschwerden – das «Bébéli» möge doch bitte benannt werden – und idealerweise auch die perfekte Therapie, die alles in einem löst. Doch die Realität ist – wie so oft – komplexer Besonders im Schweizer Gesundheitswesen.
Personalisierte Medizin – also eine Medizin, die sich an individuellen Voraussetzungen,anGenetik LebensstilundLebensumständen orientiert – gilt als grosse Hoffnung der Zukunft. Die Forschung ist hierzulande vielversprechend unterwegs. In der klinischen Anwendung allerdings zeigt sich ein anderes Bild Zwar gibt es Fortschritte, etwa in der Onkologie: molekulare Tumorboards, genetische Profile zur Therapieentscheidung. Doch im Alltag dominiert nach wie vor das Schema F– eine Lösung für viele, die das Individuelle oft ausblendet.
Gerade deshalb lohnt es sich, das eigene Wissen zu schärfen und Verantwortung zu übernehmen – für den Körper, für informierte Entscheidungen, für eine aktive Rolle im medizinischen Gespräch Digitale Hilfsmittel wie Wearables erlauben heute eine einfache Erfassung von Vitaldaten – Schlaf Herzfrequenz, Aktivitätsniveau. Informationen zu Therapien, Risiken oder Alternativen sind so zugänglich wie nie zuvor Wer gut vorbereitet ins Gespräch mit medizinischem Fachpersonal geht, kann sich besser einbringen – und im Idealfall auch besser verstanden fühlen.
Natürlich ersetzt Eigenverantwortung kein gerechtes, durchdachtes Gesundheitssystem. Und nicht jeder verfügt über die nötigen Mittel für Gentests, Mikrobiomanalysen oder zusätzliche Konsultationen. Aber ein bewusster Umgang mit dem eigenen Körper beginnt nicht bei teurer Technologie – sondern beim Interesse an sich selbst. Wer sich kümmert, entscheidet besser Und wer besser entscheidet, lebt auch besser
Pamela Beltrame, verantwortlich für den Schwerpunkt –und für ihre Meinung
«Bei Jägern und Sammlern war ADHS ein Vorteil»
Die steigenden ADHS-Diagnosen werfen Fragen auf. Thomas Müller, Co-Präsident der Schweizerischen Fachgesellschaft für ADHS, erklärt, wann eine Abklärung sinnvoll ist und welche Rolle Kokain bei der Diagnose spielt.
Interview: Silvia Tschui
Jeder Zweite scheint heute an ADHS zu leiden Was ist ADHS überhaupt?
THOMAS MÜLLER: ADHS gehört zur Kategorie der psychiatrischen Störungen mit drei Unterformen. Zum einen gibt es die klassische Form, bei der die Hyperaktivität im Vordergrund steht. Als Kind fällt ein solcher Patient als Pausenclown auf der ständig stört, zappelt, mit dem Stuhl kippelt und draussen vom Baum fällt. Dann gibt es die unaufmerksam-unfokussierte Form, bei der die Unruhe internalisiert ist und Menschen stark ablenkbar sind. Und es gibt Mischformen. Also insgesamt Konzentrationsschwierigkeiten, Impulsivität und Hyperaktivität, die entweder nach aussen oder nach innen gerichtet ist.
Ist ADHS eine Modediagnose?
Nein, aber es gibt Wellen, in denen bestimmte psychiatrische Themen in der Gesellschaft «en vogue» sind und dann vermehrt darüber berichtet wird Aktuell sind das ADHS, Autismus-SpektrumStörungen und Traumata. Früher waren es Schizophrenie oder die sogenannte Hysterie. Und wenn ein Thema weite Verbreitung findet, erkennen sich vielleicht mehr Menschen, lassen sich testen, werden diagnostiziert und therapiert und erleben so eine Verbesserung ihrer Lebensumstände. Also ist die mediale Verbreitung des Themas eine gute Sache?
Jein. In den letzten Jahren haben sich unzählige Begriffe aus der Psychiatrie und Psychologie in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeschlichen. Jeder ist ständig wegen irgendetwas traumatisiert, getriggert, man soll achtsam sein, hat einen Hyperfokus auf etwas, ein Verhalten ist «schizophren» oder man fühlt sich «ausgebrannt» und so weiter Das schadet wirklich betroffenen Menschen, da so die Bedeutung der Begriffe und
schliesslich auch die echten Diagnosen und Behandlungen abgewertet und trivialisiert werden.
Wie viele Menschen haben denn ADHS?
Ungefähr fünf bis sechs Prozent der Kinder und drei Prozent der Erwachsenen. Allerdings sind diese Zahlen bei Erwachsenen mit Vorsicht zu geniessen: ADHS wächst sich entgegen früheren Meinungen nicht aus, es gibt keinen magischen Schalter, der am 18. Geburtstag umgelegt wird. Es gibt also höchstwahrscheinlich viele nicht-diagnostizierte Erwachsene, die einfach gelernt haben, sich einigermassen anzupassen.
Wenn sie sich angepasst haben, warum brauchen sie dann noch eine Diagnose?
Weil diese Anpassungsleistung – zum Beispiel sich zu zwingen, sich auf etwas zu konzentrieren, nicht in ein Gespräch hineinzupfuschen, obwohl man bereits glaubt, zu wissen, was der andere sagen will, oder sich zu zwingen, Rechnungen pünktlich zu bezahlen, es aber trotzdem nicht zu schaffen – unglaublich viel Energie im Alltag kostet, die auf Kosten der seelischen Gesundheit geht Und weil unbehandeltes ADHS bei vielen Menschen zu Brüchen im Lebenslauf sozialen Problemen und der Nichtausschöpfung des tatsächlich vorhandenen intellektuellen sowie beruflichen Potenzials führt.
Woran erkennt ein Erwachsener, dass er eine Diagnose braucht? Ganz typisch ist Prokrastination von Nichtigkeiten. Dass man es nicht schafft, kleinste Aufgaben zu erledigen. Etwa die Wäsche aus der Maschine zu nehmen, die Abwaschmaschine auszuräumen oder Rechnungen zu bezahlen, die man innert 30 Sekunden via QR-Code abhaken könnte Dass man aber gleichzeitig auch anspruchsvolle
Aufgaben meistern kann, wie zum Beispiel einen Vortrag für den man drei Wochen Zeit gehabt hätte, am Abend vorher zu erledigen und dabei alles um sich herum zu vergessen. Dann gibt es die quälende, innere Unruhe oder eine erhöhte Neigung zu risikoreichem, impulsivem Verhalten, zum Beispiel Extremsport als Hobby Auch eine Neigung zu unüberlegten Entscheidungen und Drogenkonsum kann ein Indikator sein. Wer einen Lebenslauf voller Brüche hat, ständig den Job gewechselt hat, könnte ebenfalls eine Abklärung in Betracht ziehen.
Wie läuft eine Abklärung ab?
Fachgesellschaften haben Richtlinien entwickelt. In der psychiatrischen Praxis evaluiert man mittels klinischer Fragebögen aktuelle und vergangene Verhaltensweisen. Dazu zählen auch Befragungen des persönlichen Umfelds. Nur so am Rande: Es gibt auch einen völlig unwissenschaftlichen Lackmustest.
Ja, bitte?
Es gibt manche Fälle, da fragt man den Patienten, ob er schon mal Kokain konsumiert hat. Wenn er bejaht und man fragt, wie es denn war sagt der Patient oft: «In meinem Hirn ist es so schön ruhig und klar geworden.» Oder: «Es hat mich beruhigt.» Bei dieser Aussage weiss man eigentlich schon, dass sich eine ADHS-Diagnose meist bestätigen wird.
Weshalb wirken Kokain und andere Stimulanzien wie Amphetamin oder Ritalin auf Menschen mit ADHS beruhigend statt anregend?
Es ist nicht restlos geklärt Die Forschung geht davon aus, dass sich die neuronale Spontanaktivität in Gehirnnetzwerken, die eine Schlüsselfunktion in der Aufmerksamkeitskontrolle spielen, bei
Der prähistorische Jäger mit ADHS – Unruhe im Schlaf, aber ein scharfes Auge für die Gefahren.
Menschen mit diesen Genvarietäten anders verhält. Stimulanzien sorgen via komplexer Wechselwirkungen für eine verstärkte Ausschüttung von Dopamin im Hirn. Und dieses Dopamin sorgt wiederum für eine «Normalisierung» der neuronalen Aktivität zwischen diesen Hirnregionen Das führt bei vielen Patienten zu innerer Ruhe und gibt ihnen erst die Fähigkeit, Dinge des Alltags strukturiert und ohne grossen Energieaufwand zu erledigen. Plötzlich schafft man es, die Socke, die seit einer Woche herumliegt, einfach aufzuheben und wegzuräumen.
Gibt es Messungen die diesen Dopaminmangel bestätigen können, oder bildgebende Verfahren, die die Hirnaktivität messen?
Es gibt zwar Messverfahren, die Hinweise sichtbar machen können. Das Problem ist, und das ist ein generelles Hauptproblem in der heutigen Psychiatrie, dass die Forschungs- und Datenlage noch nicht die ganz eindeutigen Marker hergibt, die vergleichsweise in der inneren Medizin längst existieren. Was aber ganz klar ist: Die ADHS-Medikation mit Methylphenidat –
Zur Person
Prof Dr Thomas J Müller ist
Co-Präsident der Schweizerischen
Fachgesellschaft ADHS und Ärztlicher
Direktor der psychiatrischen
Privatklinik Meiringen im Kanton Bern
unter dem Namen Ritalin bekannt –, weist einen sehr hohen Wirkungsgrad auch im Vergleich zu Medikamenten anderer medizinischer Disziplinen auf.
Stichwort Medikation. Was sind Nebenwirkungen?
Wir verschreiben hier keine Bonbons, sondern ein höchst wirksames Medikament, das bei Missbrauch auch gefährlich sein kann. Mögliche Nebenwirkungen sind kardiologische Probleme, etwa Herzrhythmusprobleme wie Tachykardien. Ich nehme mir deswegen bei der Einstellung der Medikamente immer Zeit und kläre vorher allfällige somatische Erkrankungen ab Die Hirnchemie ist bei jedem anders, deshalb wirkt auch die Medikation bei jedem etwas anders und muss individuell angepasst werden.
Weshalb ist Ritalin in der Gesellschaft so umstritten?
Generell ist dies bei Psychopharmaka ein Problem. Patienten berichten, dass sie Angst haben, durch die Medikamente verändert zu werden oder die Kontrolle über sich zu verlieren. Da braucht es gute Begleitung und Aufklärung um die Ängste zu nehmen und die Betroffenen von den Chancen zu überzeugen. Und speziell bei Stimulantia begegnet mir oft das Vorurteil, dass man sich durch die Einnahme nur optimieren möchte und dass man davon abhängig wird Bei richtiger Diagnosestellung ist dies aber nicht der Fall.
Gibt es bei ADHS geschlechtsspezifische Unterschiede?
Tendenziell ist es so, dass Frauen und Mädchen eher zur Variante der Unaufmerksamkeit neigen und in der Schule deshalb weniger auffallen. Buben und Männer fallen durch Impulsivität und Hyperaktivität auf und werden deshalb im Schulalter öfter diagnostiziert. Und im Erwachsenenalter sehe ich, dass bei Frauen hormonelle Schwankungen die Symptome verstärken können, was aber viel zu wenig Beachtung findet.
Was sind die Ursachen von ADHS?
Es gibt eine starke genetische Komponente. Das Umfeld, in dem man aufwächst spielt auch eine grosse Rolle. Oft machen Eltern instinktiv vieles richtig, schicken ihre Kinder zum Sport, bieten Strukturen und gleichzeitig Anregungen, um die Neugierde zu stillen. So lernt ein Kind früh Strategien, die das Leben einfacher machen, so dass es später dadurch auch weniger leidet.
Wenn ADHS genetisch determiniert ist: Hat diese Genvariation auch einen Vorteil?
Ich gehe davon aus, dass zu den Zeiten der Jäger und Sammler diese Genvariation tatsächlich einen Überlebensvorteil darstellte. Wenn man sich von allem ablenken lässt, bedeutet das ja auch, dass man mehr wahrnimmt So hat ein ADHS-Betroffener den lauernden Bären oder Löwen vielleicht früher erkannt als ein Nicht-Betroffener Es gibt diese wunderbare Studie, bei der 27 für ADHS typische Genvarianten bei Menschen getestet wurden, die bis 45000 Jahre vor unserer Zeit lebten. Damals lag der Anteil bei 75 Prozent, heute bei den vorher genannten drei bis sechs Prozent Eine weitere Studie zeigt dass ADHS-Betroffene bei Jäger/Sammler-Computersimulationen besser abschneiden.
Dass die Genvariante zum Nachteil wurde, hat also mit der Sesshaftigkeit zu tun?
Ich denke schon. Persönlich würde ich gerne eine Studie an den heute noch nomadisch lebenden San im Südwesten Afrikas durchführen. Meine Hypothese: Die Genvariation ist bei ihnen noch stärker verbreitet als hierzulande Interessant ist auch, dass in Island signifikant mehr ADHS-Medikamente verschrieben werden als in anderen nordischen Ländern. Das kann natürlich viele Gründe haben; einer könnte sein, dass die Genvarietät tatsächlich stärker verbreitet ist Und daraus könnte man schlussfolgern: Wer fährt in der Spätantike in einem langen Boot in den Nordatlantik und besiedelt eine leere Insel? Da muss man ja waghalsig sein. Und Risikobereitschaft ist ein Marker bei ADHS. Es handelt sich aber bei diesen Überlegungen um reine Spekulation. Es gibt dazu auch eine tolle Studie an Fruchtfliegen– darf ich noch einmal?
Natürlich!
Eine Arbeitsgruppe in Maastricht pflanzte eine der Genvarianten, die man mit ADHS in Verbindung bringt, in Fruchtfliegen ein. Danach massen die Forscher deren Flugbewegungen in einer Glasröhre mittels Lichtschranke. Die Fruchtfliegen flogen wild herum. Und dann gaben die Forscher Methylphenidat, den Wirkstoff von Ritalin, ins Futter Resultat: Die Fruchtfliegen flogen wieder normal umher Das ist doch einfach eine wunderbare Studie. Sie beweist gleich zwei Dinge: 1. Es handelt sich tatsächlich um eine genetische Komponente. 2. Die Medikation mit Methylphenidat wirkt.
Wenn man davon ausgeht dass knapp sechs Prozent der Bevölkerung diese Genvarietät haben und einzelne Vorteile damit einhergehen weshalb spricht man dann von Störung? Und nicht von Syndrom oder Ähnlichem?
«Es gibt einen Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und Kreativität.»
Der Begriff Störung beinhaltet, dass Betroffene oder die Umwelt leiden. Und das ist bei ADHS der Fall. Und dann werden Sie jetzt zu Recht einwenden: «Ja, Herr Müller, dann brauchen diese Leute halt den entsprechenden Arbeitsplatz, bei dem die Eigenheiten von Menschen mit ADHS zum Vorteil werden.» Aber diese Arbeitsplätze sind rar. Und es gibt Menschen mit so starker Ausprägung dass sie wirklich gequält sind. Deshalb Störung.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Kreativität und ADHS?
Das wird auch oft verbreitet. ADHS als Superkraft und so ähnlich. Wie mich das ärgert! Solche Kategorisierungen schaden Betroffenen. Es gibt natürlich kreative und nicht so kreative, höchst intelligente und weniger intelligente Menschen mit ADHS. Die Frage stellt sich da: Wie misst man wissenschaftlich Kreativität? Es gibt aber tatsächlich Indikatoren dafür, dass es einen Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und Kreativität gibt So haben etwa Künstler ein im Vergleich zu anderen Berufsgruppen überdurchschnittliches Risiko, an bipolaren Erkrankungen zu leiden. Man kann psychische Krankheiten als eine Kehrseite der Medaille sehen, die uns als Menschheit voranbringt: Risikobereitschaft, Hunger nach Neuem, Muster erkennen, kreativ denken, spontane Entscheidungen treffen – dies sind Grundlagen jedes Innovationsgeists. Befindet sich aber ein solches Verhalten ausserhalb der von der Gesellschaft als «normal» angesehenen Spannbreite, können sich diese Eigenschaften für den Einzelnen zu grossem Leid verkehren.
Zwischen Lust und Last
Gastbeitrag Das Gespräch über Intimität bleibt selbst im 21. Jahrhundert erstaunlich leise. Doch wer Nähe und Erfüllung sucht, wird erkennen: Erfüllte Sexualität beginnt dort, wo das Schweigen endet – ein Blick aus sexualmedizinischer und psychotherapeutischer Perspektive. Von Beate Immel
Vielleicht sprechen Sie selten oder gar nicht über Sexualität. Vielleicht ist sie etwas Leises in Ihrem Leben – ein Gefühl, das sich zwischen Alltag und Verpflichtungen beinahe unbemerkt zurückzieht. Oder aber sie ist für Sie ein Ort der Kraft, ein Raum für Verbindung und Lebensfreude. So oder so: Sexualität begleitet uns – in verschiedenen Formen, durch alle Lebensphasen. Sie ist dabei nie losgelöst vom gesellschaftlichen Kontext, sondern eingebettet in Normen, Erziehung, Erfahrung und Beziehung. Sie berührt unsere tiefsten körperlichen, seelischen und sozialen Schichten. Sie kann Quelle von Intimität, Nähe und Lust sein – ebenso wie von Scham, Schmerz und Unsicherheit. Im besten Fall eröffnet sie uns einen Zugang zu uns selbst: zu unseren Wünschen, Bedürfnissen und Hoffnungen. In unserer westlich geprägten Gesellschaft ist Sexualität allgegenwärtig – in Werbung, Medien, Popkultur. Oft idealisiert, verkürzt und mit einem Hauch vermeintlicher Befreiung inszeniert. Doch paradoxerweise bleibt das persönliche Erleben von Sexualität häufig ein Tabuthema. Dabei liegt das eigentliche Problem nicht in der Lustlosigkeit oder der Erektionsstörung selbst, sondern im Alleinsein mit diesen Gefühlen – im Schweigen, im Nichtwagen, Nichtsprechen und Nichtwissen. Nie war die gesellschaftliche Offenheit gegenüber unterschiedlichen sexuellen Lebensentwürfen so gross wie heute. Polyamore Beziehungen, Asexualität oder queere Identitäten können heute öffentlich und authentisch gelebt werden. Doch mit der Freiheit kommt auch die Verunsicherung. Was darf ich wollen? Was ist zu viel, was zu wenig? Was gilt heute als normal?
In der psychotherapeutischen Praxis berichten junge wie ältere Menschen, dass sie sich überfordert fühlen von gesellschaftlichen Erwartungen, Rollenbildern oder «Trends», die nicht zur eigenen Identität passen. Eine Patientin formuliert es so: «Ich dachte immer, ich müsste bestimmte Dinge mögen – weil alle darüber sprechen. Aber die Wahrheit ist: Ich wusste überhaupt nicht, was ich selbst will.»
Der Weg zur eigenen Sexualität
Unsere Sexualität wandelt sich – je nach Lebenssituation, Beziehung, Körpergefühl. In jungen Jahren und im frühen Erwachsenenalter mag sie von Neugier, Entdeckung und Spiel geprägt sein. Wer als Kind jedoch gelernt hat, dass Berührungen gefährlich oder schambesetzt sind, wird später oft Schwierigkeiten haben, Nähe zuzulassen – selbst in einvernehmlichen Kontexten. Sexualisierte Gewalt, emotionale Vernachlässigung oder subtile Abwertungen innerhalb der Familie hinterlassen oft tiefe, langanhaltende Spuren. In der therapeutischen Praxis berichten viele Patienten erst nach Jahren von solchen Erfahrungen –nicht aus Misstrauen, sondern aus einer tief verwurzelten Scham. Neben den Auswirkungen einer in der Kindheit erlernten ungesunden Sexualität treten im Erwachsenenalter weitere Herausforderungen auf: Es geht um die Frage, wie Sexualität in der Partnerschaft oder mit den eigenen familiären Aufgaben und Lebensherausforderungen oder gesellschaftlichen Erwartungen vereinbart werden kann. Das mittlere
einflussen. Doch dass Intimität, Zärtlichkeit und Nähe bis ins hohe Alter zentrale menschliche Bedürfnisse bleiben, ist unbestritten.
Sexualität in Langzeitbeziehungen
Die Annahme, Liebe allein garantiere erfüllte Sexualität, führt bei Paaren zuweilen zu Frustration. Denn sexuelle Bedürfnisse verändern sich. Manchmal geht es weniger um Lust als um Selbstzweifel, Stress oder alte Verletzungen.
Ein Ehepaar, seit 22 Jahren verheiratet, berichtet von seiner körperlichen Distanz. In der Therapie lernt es, neu zu fragen: Was verbindet uns noch? Was
Sexualität in Zahlen
• 43 Prozent der Frauen und 31 Prozent der Männer berichten über sexuelle Funktionsstörungen
• Weniger als 15 Prozent suchen deswegen medizinische Hilfe auf
• Mehr als 50 Prozent der Krebspatientinnen geben an, dass ihre sexuelle Identität durch die Erkrankung infrage gestellt wird
• In der Schweiz berichtet rund ein Drittel der Paare über sexuelle Schwierigkeiten – meist im Verborgenen
Quellen: BAG, JAMA, Deutsche Krebshilfe
söhnen, sind zentral – auch für eine lebendige Sexualität. Hilfreich können Gespräche ohne Schuldzuweisungen sein, Berührungsrituale und gemeinsame Phantasiereisen oder eine neue Haltung zu sexuellen Praktiken jenseits von Leistungsdruck.
Sexualität in Langzeitbeziehungen braucht häufiger Neuverhandlung, Mut zur Offenheit, bewusste Zuwendung. Sie ist ein empfindliches Pflänzchen, welches im Alltag mit Aufmerksamkeit gedeihen kann, aber es verkümmert, wenn es nicht ausreichend genährt wird.
Körperliche Einflüsse auf Sexualität
In der hausärztlichen, gynäkologischen oder urologischen Sprechstunde werden Libidomangel, Erektionsstörungen, Impotenz oder Orgasmusschwierigkeiten thematisiert. Diese lassen sich jedoch nur bedingt rein funktional betrachten und behandeln. Meist stehen sie im Kontext von Beziehungsthemen, psychischen Belastungen oder chronischen Erkrankungen. Viele körperliche und psychische Erkrankungen haben direkten Einfluss auf das sexuelle Empfinden. Sie reduzieren sexuelles Verlangen, Medikamente wie Antihypertensiva, Antidepressiva oder hormonelle Veränderungen können sich zusätzlich störend auswirken. Chronische Erkrankungen oder operative Eingriffe, etwa nach Krebserkrankungen, fordern eine neue Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper. Sexualität nach Prostataoperationen, nach Brustamputationen oder bei Inkontinenz sind
gen. Darüber hinaus entstehen Hemmungen, Schamgefühle und Schwierigkeiten in Beziehungen. Isolation und Einsamkeit können hier eine zusätzliche Belastung darstellen.
Schweigen brechen, Behandlung suchen
Eine Frau (40), in psychotherapeutischer Behandlung, erzählt leise, fast entschuldigend: «Ich habe das Gefühl, ich funktioniere nur noch. Für meine Kinder, für die Arbeit, für alle. Aber ich spüre nichts mehr. Lust habe ich schon lange nicht mehr.» Dass sie darüber spricht, ist ein Durchbruch. Denn sexualmedizinische Themen sind in psychotherapeutischen Behandlungen selten der Ausgangspunkt. Eine junge Frau (28) im stationären Kontext spricht verzweifelt von ihrer Überforderung, sich im Dschungel der sexuellen und Beziehungsmöglichkeiten zu orientieren: «Alle sprechen über irgendeinen Sex, aber ich weiss nicht, wie er sich anfühlt. Was kann ich denn überhaupt erwarten?» Ein schwuler Mann, Ende dreissig, teilt in der Gruppentherapie seine Ängste mit, nicht attraktiv genug zu sein in einer Szene, die Jugend und Performance nahezu glorifiziert. Diese Beispiele verdeutlichen, wie wichtig eine interdisziplinäre Sichtweise ist. Themen rund um Sexualität müssen in medizinische und therapeutische Gespräche integriert werden – nicht als «Extra», sondern als unverzichtbarer Bestandteil einer ganzheitlichen Gesundheitsversorgung. Wirksame sexualmedizinische und psychotherapeutische
Das eigentliche Problem liegt nicht in der Lustlosigkeit oder der Erektionsstörung selbst, sondern im Alleinsein mit diesen Gefühlen.
Behandlungsansätze kombinieren häufig mehrere Ebenen, wie etwa Untersuchungen, Interventionen, sexualtherapeutische Übungen sowie Fragen, die bewegen: Bin ich in meinem Körper zu Hause? Wie ist es, wenn ich mich fallen lasse? Wie wirkt meine Erkrankung auf meine Beziehung? Was macht mein Medikament mit meinem Begehren? Denn Sexualität ist immer auch ein soziales Konstrukt. Vorstellungen von Körperlichkeit, Begehren, Partnerschaft und Geschlechterrollen wirken – auch im Behandlungszimmer – oft unbewusst mit. Wer in der Klinik oder Praxis fragt, wie es um die Sexualität steht, öffnet eine Türe. Diese führt nicht selten zu Verletzungen – zu früher Ablehnung, zu übergriffigen Erfahrungen, zu lebenslangem Schweigen. Sexualität braucht einen sicheren Raum. In Gesprächen, Partnerschaften und der medizinischen Versorgung. Gute sexualmedizinische Arbeit ist dialogisch: Zuhören, Validieren, Nachfragen, Einordnen – ohne Bewertung. Eine Psychotherapie kann helfen, eine eigene Sprache zu finden durch das gemeinsame Erforschen eigener Wünsche, Grenzen, Phantasien und auch Ängsten. Hier geht es oft um Erlaubnis: sich selbst besser kennenzulernen, sich ernst zu nehmen – die eigene sexuelle Identität zu finden. Dabei geht es nicht um «Normalität», sondern um Authentizität. Um Wege, die zur eigenen Lebenswirklichkeit passen.
Sexualität ist kein Add on. Kein Bonus, der ein gelingendes Leben abrundet. Sie ist Teil unseres Menschseins. Sie darf lustvoll sein, leise, suchend, verletzlich. Und sie darf sich verändern. Wer ihr Raum gibt – in sich, in der Beziehung, in der Medizin –, öffnet Türen: zu mehr Selbstakzeptanz, mehr Verbindung und mehr Lebendigkeit.
PD
Gastbeitrag Dr. med. Beate Immel, stv. Chefärztin Klinik Schützen Rheinfelden, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Die Klinik zählt seit über 40 Jahren zu den führenden Einrichtungen für Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie.
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Die unsichtbare Last der chronischen Müdigkeit
Adrian-Minh Schumacher, Neuroimmunologe und Forscher am Universitätsspital Amsterdam, erklärt, wann Müdigkeit chronisch wird – und was wir alle aus den Strategien gegen die Fatigue lernen können Von Jana Schibli
Sie hat einen schlechten Ruf, die Müdigkeit. Dabei sei sie etwas ganz Normales, macht AdrianMinh Schumacher gleich zu Beginn unseres Gesprächs klar: «und eigentlich auch etwas Gutes». Denn, so fährt der Neuroimmunologe fort, der nach der Corona-Pandemie in der Fatigue-Ambulanz des Universitätsspitals Zürich (USZ) arbeitete: «Müdigkeit an sich dient dazu, dass unser Körper uns signalisiert, dass wir uns etwa für den Tag genug angestrengt haben. Wir haben gearbeitet oder Sport gemacht und müssen abends den Punkt finden, um zur Regeneration ins Bett zu gehen.»
Doch es gibt Fälle, bei denen dieser physiologische Vorgang nicht mehr richtig funktioniert. Chronisches Müdigkeits- oder Fatigue-Syndrom (CFS) nennt man diese Erkrankung die als Folge der Pandemie zunehmend Aufmerksamkeit erfährt. Dass Müdigkeit schwierig zu definieren ist und noch keine Biomarker – also messbare biologische Kennzeichen, etwa im Hirn oder im Blut – für die Erkennung ihrer Chronifizierung be-
kannt sind, erschwert die Diagnose und vor allem die Behandlung. Denn müde –sind wir das nicht alle ständig?
Unverhältnismässige Erschöpfung
Chronische Müdigkeit geht aber über eine gewöhnliche Müdigkeit hinaus, obwohl auch sie auf einem Spektrum stattfindet. Schumacher nennt drei Hauptkriterien für die Diagnose eines chronischen Fatigue-Syndroms: ein nicht erholsamer Schlaf eine signifikante Reduktion der alltäglichen Aktivitäten aufgrund der Müdigkeit und eine Belastungsintoleranz. Letztere sei das wichtigste und spezifischste Kriterium und beschreibe eine extreme Erschöpfungsperiode, die nach einer eigentlich gar nicht so anstrengenden Tätigkeit wie etwa einem Spaziergang im Wald eintrete. «Das ist ein grippeartiges Gefühl über mehrere Tage», erklärt Schumacher, «manche beschreiben es als Mischung aus Jetlag und Kater Häufig ist es auch von Bettlägerigkeit begleitet.» Ein chronisches Fatigue-Syndrom
«Es ist sich zu ich von die
ist wichtig, sich zu fragen: Jage ich Dingen hinterher, denen ich denke, dass sie mich entspannen, die mich aber nur stressen?»
Adrian-Minh Schumacher, Neuroimmunologe und Forscher am Universitätsspital Amsterdam
kann nach Infektionskrankheiten wie einer Grippe, Epstein-Barr oder eben Covid-19 eintreten. Doch auch schwerwiegende Unfälle oder Operationen können es auslösen Ebenso das, was die wissenschaftliche Literatur «major life events» nennt: starke Veränderungen im persönlichen Leben, etwa der Verlust einer nahestehenden Person. Weil aber gerade auch mentale Erkrankungen wie Depressionen starke Müdigkeit auslösen könnten, sei es wichtig diese Möglichkeiten zuerst abzuklären und gegebenenfalls zu therapieren, so Schumacher Oder: Könnte es Eisenmangel sein? Eine Schlafstörung? All das gelte es zuerst in Betracht zu ziehen.
Längere Ruheperioden nach Erkrankungen
Denn: Für das chronische Fatigue-Syndrom gibt es derzeit keine evidenzbasierte medikamentöse Therapie. Manche Strategien, die Betroffenen helfen können, lassen sich aber auch im eigenen Alltag und bei nicht chronischer Müdigkeit anwenden Gute Erfahrungen
man r sagt management, das von nen und «Hier geht es giehaushalt so Reserven hat – dass n ande n lauf unnötig viel dann in eine len», erklärt Schumac rade nach
mit dem Pacing Das ist das EnergieErgotherapeutin-therapeuten vermittelt wird: mit seinem Enerumzugehen, dass man man nicht an der elle im TagesverEnergie raushaut, um Erschöpfungsperiode zu falher einschneidenden Ereignissen oder Operationen soll man unbedingt darauf achten, sich die richtige Erholungszeit zu nehmen und im Tagesverlauf Ruhepausen einzuplanen. Dasselbe gilt für Infektionserkrankungen: «Wir tragen dem in der Gesellschaft wenig Rechnung Sobald das Fieber weg ist, geht es wieder in den Alltag und an die Arbeit, und diese zusätzliche Woche, die vielleicht noch nötig wäre, die nimmt man sich nicht», so der Neuroimmunologe. Erholung ist wie Comfort-Food Erholung das müsse nicht zwingend Schlaf bedeuten. Konkrete Beispiele gibt er nicht, denn das sei so individuell wie das Konzept des «Comfort-Food»: Jede Person könne selbst spüren, welche Aktivität sie in einen Erholungszustand versetze, und könne dies gezielt einsetzen. Schumacher rät ausserdem davon ab zu sehr auf trendige Therapien und aufwendige Strategien zu fokussieren: «Es ist auch wichtig sich zu fragen: Laufe ich irgendwelchen Sachen nach, bei denen ich denke, sie würden mich entspannen, aber eigentlich führen sie nur zu Stress?»
In der Forschung geht es derzeit darum, wichtige Biomarker zu finden, an denen man das chronische Fatigue-Syn-
drom objektiv und messbar festmachen und es so effektiver therapieren kann. Gerade die Rolle des Immunsystems und jene der Blutgefässe stünden im Fokus, so Schumacher Doch es ist ihm wichtig zu betonen, dass es sich bei der Fatigue trotz wachsender medialer Aufmerksamkeit und einer deutlichen Zunahme von Zuweisungen in die Fatigue-Ambulanz am USZ keinesfalls um ein Massenphänomen handele. Von Covid-Infizierten hätten jeweils sechs bis zehn Prozent anhaltende Folgen der Infektion wie Geschmacksverlust oder eben Müdigkeit. Nur bei zehn Prozent dieser Patientinnen und Patienten mit Post Covid werde daraufhin ein chronisches Fatigue-Syndrom diagnostiziert
Zur Person
Adrian-Minh Schumacher ist Neuroimmunologe und Forschungsstipendiat am Universitätsspital Amsterdam, wo er Biomarker, unter anderem für Fatigue, erforscht Bis Ende 2023 behandelte er in der Ambulanz des Universitätsspitals Zürich Patienten mit Fatiguesymptomen.
Wenn die Batterien komplett leer sind: Chronische Müdigkeit ist mehr als nur Erschöpfung
Fit im Kopf: Wege, denVerstandzubewahren
Schlüssel verlegt– istdas derBeginndes unvermeidlichenkognitivenVerfalls? DieguteNachricht:nein, nichtunbedingt Vergesslichkeit bedeutet nichtgleichDemenz. Dienochbessere Nachricht: Schonmit kleinen, gezieltenVeränderungen im Lebensstillässt sich dasRisikoeiner frühen Demenzdiagnose erheblichverringern.
Viele Demenzerkrankungen kündigen sichschleichend an –oft durchsubtile Veränderungen,die zunächst kaumauffallen: Störungendes Kurzzeitgedächtnisses, Wortfindungsprobleme,das gelegentliche Verlegenvon Gegenständen oder leichteOrientierungsschwierigkeiten.Diese ersten Anzeichenmögen unscheinbarwirken, verdienen jedoch unsereAufmerksamkeit. Wichtig istvor allem,Vergesslichkeit und Wortfindungsstörungennicht sofortals unvermeidliche Alterserscheinungenabzutun. Viel zu oftwirddie notwendigeUntersuchung aus Angstvor einer möglichen Demenzdiagnose aufgeschoben. Dabeikönnen leichte kognitive Einschränkungen viele verschiedene Ursachen haben,die weit über eine Demenzdiagnosehinausgehen. Es geht nicht nurumeine medizinischeDiagnose, sondernumdie Erhaltung dergeistigen Leistungsfähigkeit und Fitness
Gewohnheiten als Schlüssel
ProBrain-Initiative
Kognitive Einschränkungen können viele verschiedene Ursachen haben, dienicht unbedingt eine Demenzdiagnose bedeuten.
Das Altern istein unvermeidlicher Prozess –docherlässt sich in vielerlei Hinsichtaktivgestalten. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit denFaktoren, die unseregeistigeGesundheitbeeinflussen, istentscheidend,umdem kognitivenVerfall entgegenzuwirken und das Demenzrisikozu senken.Was das bringen kann, hateine internationale Kommission aus Experten berechnet. Die Gruppeüberprüft regelmässigdie wissenschaftliche Literatur aufgut abgestützte Massnahmen,umDemenzerkrankungen zu verhindern.Inihrem letztenBerichtbei «The Lancet»legen die Forscher dar,dasssich mitder Elimination von14Gesundheits-und Lebensstilfaktoren weltweit 45 Prozent der Erkrankungsfälle verhindern oder zumindest zeitlich nach hinten verschieben liessen. Demnach sind etwa4 von10Demenzfällen auf veränderbareRisikofaktorenzurückzuführen. Geistige Fitness liegt alsoteilweiseineigener Hand. Die Untersuchung zeigt etwa, dass schon in jungen Jahren einfache Massnahmen entscheidendzur Förderungder geistigen Gesundheitbeitragen können. Besondersder Zugang zu Bildung spielt eine fundamentale Rolle.Einesolide Bildung im frühen Lebenstärktdie «kognitive Reserve»,wodurch dasGehirn auchimAlterbesservordenHerausforderungen des Lebens gewappnet ist. Doch auch im späterenLebensalter istesessenziell, denGeistdurch kontinuierliches Lernen sowie neue Erfahrungen zu fördern. Ebensowichtigsinddie Pflege sozialer Kontakteund die Teilnahme an Gemeinschaftsaktivitäten,die das geistigeWohlbefindenfördern. Nebengeistigen Anreizen istdie Pflegeder körperlichenGesundheit von entscheidenderBedeutung.Nichtnur derKörperprofitiert vonBewegung, sondernauch das Gehirn. Ein aktiver Lebensstil,gemässigter Alkoholkonsum und ein rauchfreiesLeben sind entscheidend, um neurodegenerativenErkrankungen vorzubeugen und die geistige Leistungsfähigkeit im Alterzusichern Einzentraler Bestandteildiesesgesunden Lebensstilsist eine gute Durchblutung. Wirddie Blutzirkulation gestört, wird dasGehirn nicht ausreichend mit Sauerstoff undNährstoffen versorgt, wasseine Funktion erheblich beeinträchtigenkann.
Altern istunvermeidlich,abergeistigeFitness istbeeinflussbar –ein Spielraum, der nichtungenutztbleiben sollte
DieInitiative«ProBrain» von Schwabe Pharma hatzum Ziel, diegeistige Gesundheitzu schützen und zu fördern. Die Aufklärungskampagne stelltdie Bedeutung der Gehirngesundheit in den Mittelpunkt.Unser Gehirn begleitetuns einLeben lang–und genau wie unser Körper braucht esPflege undTraining. Mitder richtigen Mischung ausgeistiger Aktivität,Bewegung und einem bewussten Lebensstil können Sie Ihre geistige Leistungsfähigkeit steigernund das Risiko kognitiver Einschränkungen senken.Die ProBrain-Initiative(probrain.ch) unterstütztSie dabei,Ihregeistige Gesundheitzuschützen
Einigeeinfache Massnahmen können bereitsAbhilfe schaffen und die kognitive Gesundheitzusätzlichunterstützen. ZurHeilpflanze Ginkgoliegenetwa Untersuchungen vor, dieeinen positivenEffekt aufdie Durchblutung zeigen. Hierempfiehlt es sich,Fachpersonen ausder Apotheke oder der Drogerie um Rat zu fragen.
Frühzeitige Abklärungen
Werseine geistigeFitnesspflegenund bewahren möchte,solltenicht zögern, einigeDingefrühzeitig abkärenzulassen. Dabeigehtesnicht nurumallgemein bekannte,«klassische»Risikofaktorenwie hohe LDL-Cholesterinwerte, erhöhten Blutdruckoder chronisch erhöhte Blutzuckerwerte, wie sie bei Diabetes Typ2 vorkommen Ebensowichtig sind dieSinnesorgane: Alswichtigsten Faktor identifizierten die Forscher in ihrer Untersuchungetwa eine unbehandelte Schwerhörigkeit (sieheGrafik). Sie begünstigt eine De-
menz,weil die betroffenen Personen ohne Hörgerät vomsozialen Lebenausgeschlossen sind. Auch Sehverlustkann etwazusozialemRückzugund kognitiverUnterforderungführen. RegelmässigeHörscreenings und Sehtests ab dem mittlerenLebensaltersowie eine frühzeitigeKorrekturvon Sehschwächen unddie Versorgungmit Hörgeräten könnenhierwirksamAbhilfe schaffen. Oftunterschätztwirdauchdie Psyche im Hinblick aufdie geistigeGesundheit Anhaltende depressiveEpisoden können kognitive Störungen undneurobiologische Veränderungen im Gehirn hervorrufen. Psychosoziale Unterstützung sowie einemedikamentöse Behandlung sind daherwesentliche Präventionsmassnahmen,umgeistigerDegeneration vorzubeugen
UnterKontrolle altern
Es istbereits wichtig, zu wissen,welche Massnahmen und Lebensgewohnheiten diegeistigeFitness beeinflussen. Noch entscheidender jedoch istdie Erkenntnis,dassder oftunvermeidlich dargestellteVerfall derLeistungsfähigkeit im höherenAlter tatsächlich verzögertoder sogarverhindertwerdenkann. Denn es sind nichtdie grossen, schwer fassbaren Veränderungen, die dasLeben retten –es sinddie kleinen, aber entscheidenden Anpassungen im Alltag. WenigerStress, erholsamer Schlaf,eine gesundeErnährung,körperliche undmentale Aktivität sowie pflegende sozialeKontaktesind dabeivon zentraler Bedeutung
Dieser Inhaltwurde von NZZContentCreation im Auftragvon Schwabe Pharma erstellt 5% Geringe Bildung
Adipositas Bluthochdruck Alkoholkonsum
SozialeIsolation Luftverschmutzung Sehverlust
hohes Lebensalter 45% grundsätzlich modifizierbar
QUELLE:THE LANCET
DieAngst vordem Älterwerden mag bleiben, doch die wichtigste Entscheidungist:Verantwortung zu übernehmen, eine positive Haltung gegenüber dem Altereinzunehmenund den eigenen Lebensweg aktivzugestalten.Gesundes Alternist keinZufall, sonderndas Ergebniseines entschlossenen Kurswechsels.
durch gezielte Diät- und Fastenmethoden die Selbstheilungskräfte des Körpers zu unterstützen
Die klassische Mayr-Kur basiert auf vier S-Prinzipien: Schonung Säuberung Schulung und Substitution. Schonung bedeutet vor allem die Entlastung des Darms durch leicht verdauliche Nahrung und reduziertes Essen. Die Säuberung erfolgt über reichliches Trinken sowie abführende Massnahmen, etwa das morgendliche Bittersalz oder Einläufe. (Deswegen auch die vielen Toiletten übers ganze Resort verteilt.) Schulung beschreibt die bewusste Nahrungsaufnahme Damit verbunden ist nicht nur das achtsame Essen (kein Handy am Tisch, bitte!), sondern auch das lange Kauen und – ganz wichtig – das Einspeicheln des Essens. Nach F.X. Mayr ist gründliches Einspeicheln der Nahrung entscheidend da es die Verdauung unterstützt. Speichel enthält Enzyme, die Kohlenhydrate vorverdauen Langes Kauen entlastet Magen und Darm, fördert Sättigung und verbessert die Nährstoffaufnahme. Wer zu kurz kaut, isst in der Regel auch zu viel. «Es braucht eine gewisse Zeit, bis der Blutzuckerspiegel ansteigt. Essen wir sehr schnell, führen wir unser Sättigungsgefühl an der Nase herum. Die Sensibilität für das richtige Quantum an Nahrung stumpft ab, der Magen überdehnt sich und kann in der Folge noch mehr aufnehmen. Gutes Kauen schont zudem die Verdauung, denn Speichel dient auch als Darmwandschutz», erklärt Dr Gartner Das vierte S, die Substitution, umfasst das Verabreichen von Vitaminen, Mineralstoffen und Basen, um Mangelzuständen vorzubeugen.ImParkIglswerdendievier Mayr-Prinzipien um zwei weitere S ergänzt: Sport und Selbstfindung. «Bewegung und Muskelaufbau ist ein ganz zentrales Element», sagt Dr Gartner «Insbesondere das Krafttraining ist mit zunehmendem Alter entscheidend für die Gesundheit.» Krafttraining verlangsame den Muskelabbau im Alter, stärke die Knochendichte und verbessere die Stoffwechselprozesse. Es fördere Mobilität senke das Risiko für chronische Erkrankungen und gelte als wichtiger Faktor für einlanges,gesundesLeben(«Longevity»), führt der Arzt weiter aus. «Und Heilfasenperioden können dazu Anstoss geben, neben dem körperlichen auch den seelischen Ballast loszuwerden Im Rahmen von Arztgesprächen oder durch psychologische Fachberatung kann die Therapie zur Selbstfindung genutzt werden» ergänzt Andrea Gnägi, die seit 16 Jahren das Park Igl leitet.
Ganz zeitgemäss Fasten
In ihrer heutigen Form hat sich die MayrKur weiterentwickelt Sie ist kein rigides Fasten mehr sondern eine individuell angepasste Regenerationsdiät. Milch (Sauermilch, Buttermilch, Pflanzenmilch oder laktosefreie Kuhmilch) und trockene Brötchen kommen zwar noch zum Einsatz, sind aber längst nicht mehr Pflicht und dienen mehr dazu, das intensive Kauen zu üben.
Die moderne Mayr-Medizin versteht sich als Hilfe zur Selbsthilfe.
Die Mayr-Küche zeichnet sich durch leicht verdauliche, basenbetonte Speisen aus. Zu Mittag und Abend bekomme ich jeweils eine cremige basische Gemüsesuppe Darauf folgt ein täglich wechselnder Hauptgang nach dem Prinzip der Trennkost (keine Kohlenhydrate und Eiweisse mischen). Abends gibt es nach der basischen Suppe eine Scheibe Knäckebrot oder ein Mayr-Brötchen und 50 Gramm Eiweisszulagen wie Ei, Käse, Kalbs- oder Geflügelschinken, Forellenfilet, Tofu oder einen Gemüseaufstrich. Rigide und dogmatisch ist man im Park Igls nicht. Wer eine Extrawurst haben will, bekommt seine Extrawurst allerdings nur im übertragenen Sinne. Denn Würste haben selbstverständlich nichts auf dem Kur-Ernährungsplan zu suchen
Die Küche unter Chefkoch Markus Sorg ist phantastisch und fühlt sich überhaupt nicht nach Verzicht an. In meinem Fall führte das gute Essen dazu, dass ich in der Kurwoche nicht abgenommen habe. Doch die Schlussmessung ergab, dass sich – wohl dank der täglichen Trainings im Gym, der vielen Spaziergänge in der Natur und der Yoga-Praxis – die Zusammensetzung meines Körpergewichts optimiert hat: Der Fettanteil ist gesunken, die Muskelmasse hat sich erhöht. Viel wichtiger aber scheint mir, dass mein Bewusstsein für gesunden Lifestyle geschärft wurde und ich viel über den Metabolismus, das «Bauchhirn» und die «Darm-Hirn-Achse» dazugelernt habe, auch dank den interessanten Fachvorträgen, die im Park Igls mehrmals wöchentlich im Rahmen des Abendprogramms angeboten werden. Die Mayr-Kur setzt auf die Annahme, dass eine gestörte Darmfunktion zu einer Vielzahl systemischer Beschwerden führen kann Diese Sichtweise findet in der modernen Forschung zunehmend Bestätigung Das intestinale Mikrobiom also die Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm, beeinflusst nicht nur die Verdauung sondern auch das Immunsystem, das endokrine System und sogar das zentrale Nervensystem. Der Ernährungsplan der Kurgäste wird in acht Stufen – 0 bis 7 – unterteilt Wer erschöpft ist, bekommt Stufe 7 zum Aufbau Wer rigide fasten will, kann sich freiwillig für Stufe 0 (Teefasten) entscheiden und verzichtet dabei auf feste Nahrung. Ich bekomme Stufe 4 zugeteilt, was konkret bedeutet: Zum Frühstück gibt es ein bis zwei Tassen «Mayr-Nahrungsmittel», wie zum Beispiel (Schafs-
milch-)Joghurt, Buttermilch oder Pflanzenmilch, dazu ein halbes bis ein ganzes Mayr-Brötchen plus 50 Gramm Eiweisszulage. Jeden Bissen sollte man sorgfältig kauen und gut einspeicheln Bittertropfen vor dem Essen unterstützen die Entgiftung und die Verdauung. Die Idee ist, dass man während der Kur auf Kaffee verzichtet. Wer das nicht will, dem wird in Absprache mit dem Arzt ein Kännchen Kaffee oder eine Tasse Espresso serviert. Durch Reduktion belastender Nahrungsmittel, gezielte Substitution und Darmentleerung soll das Milieu im Darm über die Dauer der Kur positiv beeinflusst werden. In der Folge soll es zu einer Reduktion von Entzündungsparametern, einer verbesserten Resorptionsfähigkeit der Darmschleimhaut und einer Regulation der Darmflora kommen. Die vorübergehende Kalorienreduktion und der Verzicht auf einfache Kohlenhydrate fördern die Insulinsensitivität und wirken sich positiv auf Blutzuckerwerte und Blutfettwerte aus. In einer kontrollierten Umgebung unter ärztlicher Aufsicht kann eine Mayr-Kur daher auch als komplementäre Massnahme bei metabolischem Syndrom, Reizdarm, chronischer Müdigkeit (Chronische Fatigue) oder Long Covid in Erwägung gezogen werden.
Die Kurkrise gehört dazu
Bei bestimmten Krankheitsbildern – wie schweren Essstörungen, Leberinsuffizienz oder entzündlichen Darmerkrankungen – ist allerdings Vorsicht geboten. Auch die psychische Verfassung sollte
berücksichtigt werden, da die Kur eine hohe Disziplin und Bereitschaft zur Selbstbeobachtung verlangt. «Fast alle Gäste haben nach ein paar Tagen eine leichte Krise, wir nennen es die Kurkrise», sagt Dr Gartner. «Denn durch die Säuberung des Darms kann es im Rahmen der Mayr-Kur passieren, dass Giftstoffe und Schlacken ins Blut gelangen und für ein vorübergehendes Unwohlsein sorgen.» Das gehe aber bald vorüber Bei mir äusserte sich die «Kurkrise» durch bleierne Müdigkeit.
Am letzten Tag der Kur findet wiederum ein ausführliches Gespräch mit der Ärztin oder mit dem Arzt statt. Dabei werden nicht nur die Erfolge besprochen, sondern auch Ziele für den Alltag zu Hause gesteckt. Ein gesunder Lifestyle mit ausgewogener Ernährung und regelmässiger Bewegung sollte schliesslich nicht nur während einer Kur gelebt werden. Entsprechend versteht sich die moderne Mayr-Medizin denn auch als Hilfe zur Selbsthilfe, um langfristig ein gesundes Leben zu führen.
Jeder Kurgast bekommt zum Abschied sein persönliches Dossier mit auf den Weg. Darin sind Informationen zur gesunden Ernährung inklusive zahlreichen Rezepten zum Nachkochen, enthalten, aber auch Tipps zur Schlafhygiene und Inputs für den «neuen Lebensstil». Die zentralen Botschaften in Bezug auf die Ernährung werden nochmals hervorgehoben: jeden Bissen gut einspeicheln und gut kauen, aufs Sättigungsgefühl achten, mindestens zwei Liter Wasser pro Tag trinken, Speisen nicht zu stark würzen Denn gemäss Mayr-Medizin ist, wie man isst, fast noch wichtiger, als was man isst.
Park Igls Medical Spa Resort
Gegründet wurde das Park Igls Medical Spa Resort Anfang der 1990er Jahre. 1997 wurde der Zürcher Rechtsanwalt Albert Gnägi als Mitinvestor ins Boot geholt. Seit 2009 leitet seine Tochter Andrea Gnägi den Betrieb, der sich mittlerweile ganz in Besitz der Familie befindet. Das Viersternehaus in Igls bei Innsbruck mit integriertem Ambulatorium beschäftigt rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und gehört zu den renommiertesten Gesundheitszentren Österreichs Sein Medical Spa wurde mehrfach international ausgezeichnet. Das Behandlungskonzept im Park Igls kombiniert universitäre Medizin und Diagnostik mit den Erkenntnissen der Mayr-Medizin, die vom österreichischen Arzt F. X. Mayr (1875–1965) begründet wurde
Park-igls.at
Im Park Igls bietet sich ein beeindruckender Panoramablick auf die schneebedeckten Gipfel der Tiroler Alpen.
Schutzstich gegen Gürtelrose
Eine Gürtelrose ist kein harmloser Hautausschlag, sondern eine schmerzhafte Erkrankung die zu Komplikationen führen kann Vorsorgliche Impfungen machen deshalb Sinn Von Yvonne Vahlensieck
Fast jeder hat als Kind die Windpocken gehabt. Das ist keine grosse Sache, denn die Virusinfektion, auch Wilde Blattern genannt, verläuft meist harmlos. Ein paar Tage Fieber Ausschlag und Juckreiz, dann hat sich das erledigt. Oder auch nicht Denn das Varizellenvirus nistet sich unbemerkt in Nervenzellen ein–bevorzugt in den Spinalnerven, die vom Rückenmark in die Haut und Muskulatur verlaufen. Kommt es dann nach Jahren oder Jahrzehnten zu einer Reaktivierung des Virus, so löst dies eine Gürtelrose aus In der Schweiz gibt es geschätzt 30000 Neuerkrankungen pro Jahr, wobei ältere Menschen öfter betroffen sind. Da die Erkrankung oft schmerzhaft verläuft und zu Komplikationen führen kann, wird in der Schweiz seit einigen Jahren eine Impfung für Personen ab 65 Jahren oder mit bestimmten Risikofaktoren empfohlen.
Schmerztherapie im Mittelpunkt
Herpes Zoster, wie die Erkrankung auch heisst, kündigt sich meist durch ein Brennen in der Haut an. Und zwar in der Hautregion, welche vom befallenen Nerv versorgt wird, respektive dort, wo eine Reaktivierung des Virus stattfindet, erklärt Oliver Senn, stellvertretender Leiter des Instituts für Hausarztmedizin an der Universität Zürich Die Beschwerden treten meistens einseitig auf da jeder Spinalnerv nur eine bestimmte Körperregion (Dermatom) versorgt. Nach zwei bis drei Tagen bilden sich im betroffenen Bereich Bläschen, die sich bei einem Befall der Bauchregion wie ein Gürtel um die Lende schlingen. «Kommen die Bläschen, ist die Diagnose relativ klar», sagt Senn. Er rät, spätestens dann den Hausarzt aufzusuchen. Dieser kann ein antivirales Medikament verschreiben, das den Krankheitsverlauf abmildert und die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen reduziert. Dies sollte in den ersten 72 Stunden nach Auftreten der Bläschen geschehen Wenn die Pusteln schon anfangen zu verkrusten, bringt eine virenhemmende Behandlung nichts mehr, weil der Krankheitserreger sich dann sowieso nicht länger vermehrt. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn das Virus den Sehnerv oder andere Nerven am Kopf befällt. In diesem Fall solle man rasch Hilfe suchen, so Senn. Die schnelle intravenöse Gabe eines antiviralen Medikaments kann helfen schwere Folgen wie Gesichtslähmungen, Augeninfektionen oder Sehstörungen zu vermeiden. Die weitere Behandlung einer Gürtelrose dient im Wesentlichen der Linderung von Beschwerden etwa durch Sal-
ben, die das Abheilen der Pusteln fördern. Am wichtigsten ist jedoch die Schmerzbekämpfung Betroffene schildern den durch Gürtelrose ausgelösten Schmerz häufig als extrem intensiv In der Akutphase setzen Hausärztinnen je nach individuellem Schmerzempfinden auf bekannte Wirkstoffe wie Paracetamol oder Ibuprofen. Bei schwer kontrollierbaren Schmerzen ist auch der Einsatz von Opioiden möglich. Vor allem bei länger andauernden Schmerzen können Medikamente helfen, welche die Erregbarkeit von Nerven dämpfen, wie bestimmte Antidepressiva oder Medikamente gegen Epilepsie.
Bei den meisten Menschen klingt eine Gürtelrose nach einigen Wochen ab Doch vor allem bei älteren Menschen rund zwanzig Prozent der über 65-Jährigen halten die Schmerzen länger an «Bei mehr als drei Monaten nach Abheilen der Pusteln sprechen wir von einer Post-Zoster-Neuralgie», sagt der Schmerzmediziner Bijan Cheikh Sarraf vomSchmerzzentrumNordwestschweiz. «Die Lehrmeinung ist, dass der chronische Schmerz durch eine dauerhafte Beschädigung der Nerven entsteht.» Bei therapieresistenten Schmerzen hat sein Team gute Erfahrungen mit der Behandlung durch hochdosierte CapsaicinPflaster gemacht, die auch speziell für die Behandlung einer Post-Zoster-Neuralgie zugelassen sind Der Wirkstoff aus Chilischoten blockiert die Schmerzrezeptoren der Haut. Auch eine neuromodulative Therapie, bei der Nerven elektrisch stimuliert werden, liefere gute Resultate. Warum das Virus oft nach vielen Jahrzehnten plötzlich wieder aktiv wird, ist noch nicht vollends geklärt. Ein Auslöser ist sicher ein geschwächtes Immunsystem – denn dann gelingt es dem Körper nicht mehr so gut, die Reaktivierung des eingenisteten Virus zu unterdrücken. Dies erklärt auch warum vor allem Ältere an Gürtelrose erkranken, denn mit zunehmendem Alter schwächelt das Immunsystem. Ebenfalls gefährdet sind Personen, deren Immunsystem aufgrund einer Krankheit oder der Einnahme von Immunsuppressiva beeinträchtigt ist. Bei jüngeren, eigentlich gesunden Menschen kann ein erhöhtes Stressniveau als Katalysator wirken. Prophylaxe durch Impfung
Deshalb gibt es in der Schweiz seit 2022 eine Impfempfehlung gegen Herpes Zoster für Menschen über 65 Jahre und weitere gefährdete Personengruppen. Laut Studien verhindert die Impfung mit dem Shingrix®-Vakzin eine Gürtelrose in über neunzig Prozent der Fälle. Tritt dennoch eine Erkrankung auf, so sind das Risiko
«Kommen die Bläschen, ist die Diagnose relativ klar.»
Oliver Senn, stv. Leiter des Instituts für Hausarztmedizin an der Universität Zürich
ralgie stark redu , ng in
für einen Verlauf mit Komplikationen und das Risiko einer Post-Zoster-Neuralgie stark reduziert. Hausarztmediziner Senn rät dazu, dieser Empfehlung zu folgen, zumal die Nebenwirkungen in etwa gleich sind wie bei anderen Impfstoffen – also lokale Beschwerden wie Schwellungen und Rötungen. «Auch wenn bei der ersten Impfdosis Nebenwirkungen auftreten, sollte unbedingt noch die zweite Impfung durchgeführt werden, sonst ist die maximale Schutzwirkung nicht gewährleistet.» Auch Menschen, die schon eine Gürtelrose durchgemacht haben, sollten sich impfen lassen, denn die Krankheit kann, obwohl selten, mehrmals auftreten. Zusätzlicher Bonus: Eine Impfung senkt möglicherweise das Risiko für Demenz (siehe Box).
Kann sein, dass zukünftige Generationen von der Gürtelrose verschont bleiben Denn in der Schweiz gehört die Impfung gegen Windpocken seit 2023 zu den Basisimpfungen für Säuglinge. Wenn Kinder keine Windpocken mehr bekommen, kann sich das Virus auch nicht mehr einnisten, so die Hoffnung. Daten aus den USA, wo es die Windpockenimpfung bei Säuglingen schon länger gibt, scheinen das zu bestätigen. «Ob sich diese Schutzwirkung wirklich bis ins hohe Alter so verhält, wird sich aber erst in vierzig oder fünfzig Jahren herausstellen», so Senn.
Schützt die Gürtelroseimpfung vor Alzheimer?
Vor wenigen Wochen berichtete eine Studie im Fachjournal «Nature», dass eine Impfung gegen Herpes Zoster das Risiko für Demenz reduziert: Über einen Zeitraum von sieben Jahren zeigte sich bei geimpften Personen eine um 3,5 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, als bei der ungeimpften Kontrollgruppe Besonders ausgeprägt war dieser Effekt bei Frauen. Zum Zeitpunkt der Impfung lag das durchschnittliche Alter der Gruppe bei 80 Jahren. «Die Studie ist gut gemacht und beruht auf einer grossen Personenzahl. Ich halte die Ergebnisse deshalb für relevant», sagt der auf Alzheimer spezialisierte Neurologe Aurélien Lathuilière von der Uni Genf, der an der Studie nicht beteiligt war. Der Effekt sei zwar nicht riesig, aber es mache trotzdem einen Unterschied.
Über den Schutzmechanismus durch die Gürtelroseimpfung kann Lathuilière nur Vermutungen anstellen: «Viele Menschen haben schon lange vor einer DemenzDiagnose Ablagerungen im Gehirn. Oft löst dann eine Infektion die klinischen Symptome aus.» Es sei daher plausibel, dass die Impfung das Auftreten von Symptomen herauszögert, weil sie den Herpes Zoster unterdrückt. Eine andere Erklärung wäre, dass die Impfung das Immunsystem generell moduliert und so entzündliche demenzauslösende Prozesse unterdrückt.
Unklar ist derzeit auch, ob das Resultat für alle Impfstoffe gegen Gürtelrose gilt: In der Studie erhielten die Versuchspersonen einen Lebend-Impfstoff mit abgeschwächten Viren. Der in der Schweiz empfohlene Impfstoff Shingrix® ist ein Tot-Impfstoff und enthält nur Bruchstücke des Virus
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AUFHÖCHSTEMNIVEAU
DieKlinikSchloss Mammernist dieführendeRehabilitationam Bodensee,welchedurch denneu erstellten BereichPrivé Topauf einneues Levelgehoben wurde. DieeinzigartigeKombination aus stilvollem Ambiente undmedizinischer,therapeutischer sowie pflegerischer Exzellenzhat einerklärtes Ziel:Zurückzur Gesundheit.Der Schlüsseldazuist eine interdisziplinäreExpertise sowie dashoheLeistungs-und Betreuungsniveau derqualifizierten Fachkräfte.Modernste Infrastruktur,einesternewürdige Gastronomie, erstklassige Hotellerie unddie Tatsache,dasshierdas ZwischenmenschlicheimZentrum steht, machen dieRehabilitationsoangenehm wiemöglich