Tastenmagie ohne Grenzen
Bereits zum dritten Mal kuratiert der Meisterpianist Igor Levit das Klavier-Fest von Lucerne Festival im Konzertsaal des KKL Luzern. Dabei hat er die Palette des Angebots nochmals erweitert.

Nach den Klavier-Festen von 2023 und 2024, die sowohl künstlerisch überzeugten als auch einen enormen Publikumserfolg verzeichneten, präsentiert Igor Levit für die dritte Ausgabe des KlavierFests im Rahmen von Lucerne Festival erneut ein faszinierendes Programm. An dem viertägigen Anlass, der am Auffahrtswochenende vom 29. Mai bis 1. Juni stattfindet, erproben Künstlerinnen und Künstler verschiedenster Stilrichtungen in fünf Konzerten die Magie der Tasteninstrumente, indem sie Notation und Improvisation, Klassik, Jazz und Pop verbinden.
Kurator Igor Levit begeistert als Pianist Mit seiner Auswahl will Levit frischen Wind ins Kulturleben bringen und dialogische Formen des Musizierens erproben. Diesmal rahmt er das Programm mit zwei eigenen Darbietungen ein. Am Eröffnungsabend gibt er ein klassisches Klavierrezital. Es beginnt mit den Balladen op. 10 von Johannes Brahms, einem versonnenen Frühwerk des Komponisten, und fährt mit Robert Schumanns grosser Fantasie C-Dur op. 17 fort, einer glühenden Liebeserklärung des Komponisten an seine Braut Clara Wieck. Nach der Pause setzt Levit das halsbrecherische Unternehmen fort, das er 2024 mit der Klavierversion von Beethovens dritter Sinfonie, der «Eroica», begonnen hat: Er spielt Beethovens siebte Sinfonie in der oft als unspielbar bezeichneten Klavierbearbeitung von Franz Liszt. Wie stets geht es Levit dabei nicht ums Zurschaustellen seiner technischen Brillanz, sondern um den künstlerischen Ausdruck und um die Herausforderung, den Steinway wie ein Orchester klingen zu lassen. Levits Abschlusskonzert am 1. Juni steht ganz im Zeichen Mozarts: Das Lucerne Festival Orchestra umrahmt mit der «Serenata notturna» KV 239 und der Haffner-Sinfonie in D-Dur KV 385 das be-
zaubernde Klavierkonzert Es-Dur KV 271. Der damals 21-jährige Komponist schrieb es im Jahr 1777 für die Pariser Pianistin Louise Victoire Jenamy. Da frühere Biografen Mozarts den Namen Jenamy falsch wiedergaben, ist das Konzert bis heute auch unter dem Namen «Jeunehomme» bekannt. Alfred Brendel hat das Stück, das mit Ecksätzen von perlendem Überschwang und einem innigen, ergreifenden Mittelsatz aufwartet, mehrfach eingespielt, zuletzt bei seinem denkwürdigen Abschiedskonzert Ende 2008 mit den Wiener Philharmonikern unter Sir Charles Mackerras im Musikverein, und er hat es als «Weltwunder» bezeichnet. Als solches wird es sich auch unter den Händen Igor Levits entfalten. Drei Faktoren tragen zum Rang des Künstlers bei, der 1987 im russischen Nischni Nowgorod geboren wurde, 1995 mit seiner Familie nach Deutschland kam
und als 18-Jähriger seine internationale Karriere begann: Technik, Gestaltungsgabe und Leidenschaft. Schon sein 2013 bei Sony erschienenes Debütalbum mit den fünf letzten Sonaten Beethovens zeigte diese Verbindung von Exaktheit, Erfindungskraft und Hingabe. Levit ist aber nicht im Elfenbeinturm zu Hause, sondern auch ein politischer Kopf. Als in Berlin lebender säkularer Jude und deutscher Staatsbürger setzt er sich für Frieden, Freiheit und Menschenrechte ein. Chamäleon zwischen Rap, Neo-Klassik und Jazz
Für den zweiten Abend des diesjährigen Festivals lädt Levit einen ganz besonderen Gast ein: den kanadischen Musiker Jason Beck, der sich als Künstler Chilly Gonzales nennt und als Rapper wie als Pianist zu Ruhm gelangt ist. Der 1972 ge -

borene Nachfahre ungarischer Juden ist eine höchst schillernde Figur. Er gilt als eigentlich schüchterner Mensch, der sich jedoch in der Figur von Chilly Gonzales ein schrilles, extrovertiertes Alter Ego schuf. Als Pianist, der vorzugsweise im Morgenmantel und in Pantoffeln auftritt, bewegt er sich zwischen eingängiger, hitverdächtiger Neo-Klassik und Jazz. Als Rapper lässt er gern sein satirisches Talent aufblitzen. Seine riesige Diskografie verzeichnet Kollaborationen mit Grössen wie Jarvis Cocker, Feist, Drake und Peaches. Bei einem 27-stündigen Konzertmarathon in Paris stellt er 2009 den Rekord im Dauerklavierspielen auf, mit dem Elektro-Duo Daft Punk gewinnt er 2014 einen Grammy. Gonzales, der nach mehrjährigen Aufenthalten in Berlin und Paris seit 2012 in Köln lebt, ist ein Vulkan von einem Musiker. Auf dem im Herbst 2024 erschie -
Klavier-Fest vom 29. Mai bis 1. Juni
Igor Levit: Brahms, Schumann, Beethoven; 29. Mai, 18.30 Uhr
Chilly Gonzales: Eigene Werke; 30. Mai, 19.30 Uhr
Iveta Apkalna: Bach und Glass; 31. Mai, 17.00 Uhr
Malakoff Kowalski, Igor Levit, Chilly Gonzales, Johanna Summer: Songs with Words; 31. Mai, 20.00 Uhr
Lucerne Festival Orchestra, Igor Levit: Mozart; 1. Juni, 17.00 Uhr
Alle Konzerte finden im Konzertsaal des KKL Luzern statt.
Tickets: lucernefestival.ch
nenen Album «Gonzo» rappt er erstmals auch auf Deutsch. In Luzern tritt er gemeinsam mit dem Geiger Yannick Hiwat auf. Angekündigt sind Neufassungen von Kompositionen aus seiner erfolgreichen «Solo Piano»-Trilogie sowie neue Stücke. Auch auf den Entertainer Gonzales darf man sich freuen: Als zweisprachig aufgewachsener Kanadier spricht er Deutsch mit unwiderstehlichem französischem Akzent.
Eine luftige Orgel mitten im Publikum
Die Mitte des diesjährigen Klavier-Fests bildet überraschenderweise ein Orgelkonzert. Es wird von der lettischen Musikerin Iveta Apkalna bestritten, die in ihrem so sorgfältig wie originell konzipierten Rezital Werke von Johann Sebastian Bach und Philip Glass einander gegenüberstellt und dabei Bezugspunkte zwischen Barock und Minimal Music aufzeigt: in der kristallinen Struktur der Kompositionen wie in der Suche nach dem Transzendenten. Die Künstlerin möchte, dass man ihre Musik nicht nur hört, sondern in der Bewegung ihres Entstehens auch visuell erlebt. Deshalb bedient sie das Instrument, das die Freunde von Lucerne Festival vor 25 Jahren stifteten, nicht in luftiger Höhe vor den Orgelpfeifen, sondern von einem Spieltisch auf der Bühne aus. Wenn sie Bachs Passacaglia c-Moll BWV 582 und die Chaconne aus seiner Partita BWV 1004 für Violine solo (bearbeitet für Orgel von Matthias Keller) mit der «Music in Contrary Motion» und «Mad Rush» von Philip Glass kontrastiert, wird sie das Publikum auf eine unvergessliche Zeitreise mitnehmen. Besonders gespannt sein darf man sodann gleichentags auf das vierte Konzert des Fests: In ihm präsentiert der Komponist und Sänger Malakoff Kowalski, ein Grenzgänger zwischen Jazz, Pop und Klassik, ein Programm, das er in Anspielung auf Mendelssohns «Lieder ohne Worte» «Songs with Words» nennt. Er hat Gedichte des Beat-Poeten Allen Ginsberg (1926 – 1997) über Miniaturen von Chopin, Schumann, Chatschaturjan, Ravel, Grieg, Debussy, Fauré und Amy Beach gelegt. Dabei wird Kowalski, ein Meister der Behutsamkeit, abwechselnd von drei Persönlichkeiten am Klavier begleitet: von Igor Levit, Chilly Gonzales – und von der phänomenalen deutschen Jazzpianistin Johanna Summer, die das Luzerner Publikum schon bei den ersten beiden Klavier-Festen begeistert hat und die Levit unbedingt wieder dabeihaben wollte. Zwölf «Songs with Words» sind soeben bei Sony auf CD erschienen; in Luzern werden sie zum ersten Mal live aufgeführt. Mit ihnen hat Malakoff Kowalski, der als deutsch-amerikanisch-persischer Musiker in Berlin lebt, ein betörendes Album geschaffen. Die mehrheitlich dem Frühwerk Ginsbergs entstammenden Gedichte zeigen noch nicht den wilden Autor von «Howl», sondern einen introvertierten Lyriker, dessen Verse mit der Musik ein überzeugendes Ganzes ergeben. Als Kreuzung aus Tom Waits und David Bowie, Bill Evans und Kurt Weill sind die «Songs with Words» schon bezeichnet worden. Doch mit welchen Namen man sie auch in Verbindung bringt: Aufgeführt werden sie von vier Musikerpersönlichkeiten, die nicht bloss eine Ad-hoc-Gruppe bilden, sondern – ganz im Sinne des Luzerner Klavier-Fests – ein eingeschworenes Team.
Dieser Inhalt wurde von NZZ Content Creation im Auftrag von Lucerne Festival erstellt.