Wie warm wird unser Winter, Herr Sommer?
In den letzten Wintern drohten Versorgungsengpässe mit Strom. Wie diesmal die Aussichten sind und welchen Einfluss die Geopolitik oder das Wetter haben, erklärt Andy Sommer, Leiter Energiemarktanalyse beim Stromunternehmen Axpo.
Herr Sommer, in den letzten Wintern kam die Schweiz knapp an Stromversorgungsengpässen vorbei. Wie sieht es für nächsten Winter aus?
ANDY SOMMER: Aktuell zeichnet sich keine aussergewöhnliche Situation ab. Die Nachfrage liegt auf ähnlichem Niveau wie im Vorjahr, die Wasserkraftbilanz ist leicht unter der Norm. Allerdings reduziert der längere Ausfall des Kernkraftwerks Gösgen die Kapazitäten.
Wie müsste die Schweiz Mangelkapazitäten ausgleichen?
Unter normalen Bedingungen ist die Schweiz stärker als im letzten Winter auf Importe angewiesen. Grundsätzlich droht aber keine Versorgungsproblematik. Kritisch wird es bei einer sogenannten Dunkelflaute, wenn in weiten Teilen Europas weder Wind noch Sonne Strom liefern. Dann müssten Reservekraftwerke mit hohen Kosten einspringen. Und durch die hohe Importabhängigkeit im Winter wirken sich diese höheren Kosten direkt auf die Schweizer Strompreise aus.
Moment, die Schweiz importiert doch nicht nur?
Nein, im Winter importiert und im Sommer exportiert die Schweiz Strom. Dies hängt sehr stark mit der Wasserkraft zusammen, welche zwei Drittel der Schweizer Produktion ausmacht. Die Produktion aus Wasserkraft ist sehr sommerlastig. Weiter spielt die Schweiz als Transitland im Herzen Europas eine zentrale Rolle.
Brauchen wir nicht endlich ein Stromabkommen mit der EU?
Das Fehlen eines Stromabkommens mit der EU ist ein Nachteil. Für die Verbraucher bedeuten die dadurch verursachten Ineffizienzen höhere Kosten. Mit einem Stromabkommen würde auch die Versorgungssicherheit erhöht, nicht nur für die Schweiz, sondern für das gesamte europäische System. Eine engere Anbindung wäre für alle Seiten vorteilhaft.
Warum ist in der Schweiz der Strompreis so volatil?
Der Markt ist ein Zusammenspiel von Nachfrage und Angebot, sowie von Netzkapazitäten, die die Märkte verbinden. Die Nachfrage wird vor allem durch die internationale Konjunktur und die Temperaturen getrieben. Das Angebot in der Schweiz besteht insbesondere aus Atomkraft, Wasserkraft und Sonnenstrom. Konkret gesagt: Im Winter, wenn der Bedarf steigt, liefern viele erneuerbare Anlagen weniger, weshalb die Schweiz Strom importieren muss. Dieser stammt besonders aus thermischen Kraftwerken, also Gas und in geringerem Masse Kohle. Die Volatilität der Schweizer Preise kommt somit aus den konventionellen Energieträgern und aus dem Windangebot, welches insbesondere in Deutschland gerade im Winter eine massgebliche Rolle einnimmt.
Sie erwähnten Gas – wie beeinflussen die Gaspreise den Strompreis?
Am Grosshandelsmarkt gilt das Grenzkostenprinzip: Das Kraftwerk mit den höchsten Betriebskosten bestimmt den Preis. In Nordwesteuropa sind das meist Gaskraftwerke. Damit schlägt der europäische Gaspreis direkt auf den

«Auch zukünftig werden unsere Strompreise vom Wetter und von geopolitischen und wirtschaftlichen Treibern beeinflusst.»
Strompreis durch – und dieser hängt seit dem Ukraine-Krieg stark vom globalen Flüssiggasmarkt ab. Daher wird dieser Gaspreis zunehmend auch durch die geopolitischen und konjunkturellen Entwicklungen in Asien und Nordamerika beeinflusst, aber auch durch die Meteorologie.
Gibt es weitere Einflüsse auf den Strompreis?
Zum einen die Kohlepreise, aber sie spielen aktuell nur in Nachfragespitzen eine wirkliche Rolle. Stärker fallen die Kosten für CO2-Zertifikate ins Gewicht. Anlagen, die beim Produktionsprozess CO2 ausstossen, benötigen diese. Die Zertifikate verteuern zwar die Produktion in Gas- und Kohlekraftwerken, gleichzeitig senden sie aber Investitionssignale an Entwickler von erneuerbaren Energien.
Wie wichtig sind fossile Energieträger aktuell noch für die Stabilisierung des Strommarkts?
Der anhaltende Zubau von Windund Solaranlagen in Europa ist zu begrüssen und auch Teil der Unternehmensstrategie von Axpo. Es gibt immer mehr Stunden, teils ganze Tage, die vollständig von erneuerbaren Energien versorgt werden. Doch für die Mehrheit des Jahres braucht es konventionelle Kraftwerke, um den Bedarf zu decken. Fossile Energien bleiben für die Stabilität auf absehbare Zeit unverzichtbar.
Trotz all dieser Massnahmen: Der Strompreis ist volatiler als früher. Gibt es hierfür weitere Gründe?
Der begrüssenswerte Zubau in Europa von Anlagen zur erneuerbaren Energieversorgung hat leider tatsächlich einen Nachteil: Die grosse und wachsende Abhängigkeit von Witterungsbedingungen. Im Sommer ist die
Zur Person
Andy Sommer ist Leiter des Teams Fundamental Market Analysis bei Axpo. Der Ökonom analysiert seit vielen Jahren die europäischen Energiemärkte und gilt als Experte für Preisprognosen, Strom- und Gasmarktdynamiken sowie für die Auswirkungen von Energiepolitik und globalen Trends.
Axpo
Axpo ist nicht nur die grösste Schweizer Stromproduzentin, sondern auch internationale Vorreiterin im Energiehandel und in der Vermarktung von Solarund Windkraft. Rund 7000 Mitarbeitende verbinden Erfahrung und Know-how mit der Leidenschaft für Innovation und der gemeinsamen Suche nach immer besseren Lösungen. Axpo setzt auf innovative Technologien, um die sich stets wandelnden Bedürfnisse ihrer Kunden in über 30 Ländern in Europa, Nordamerika und Asien zu erfüllen.
Stromproduktion hauptsächlich von Photovoltaik getrieben, im Winter von Windproduktion. Wenn kein Wind weht oder keine Sonne scheint, müssen konventionelle Kraftwerke übernehmen. Entsprechend zeigen die Strompreise im historischen Vergleich riesige Schwankungen.
Inwiefern beeinflussen geopolitische Entwicklungen, etwa Lieferketten oder
Konflikte, unsere Versorgungssicherheit und die Preise?
Aktuell ist die Stromproduktion aus Gaskraftwerken günstiger als aus Kohlekraftwerken. Somit beeinflussen die Entwicklungen am globalen Gasmarkt die Strompreise in Europa und der Schweiz. Kommt hinzu: Seit dem Ukraine-Konflikt beziehen die Schweiz und Europa vermehrt Flüssiggas aus den USA und Asien. Mehrere Faktoren beeinflussen die Preise auf dem globalen Flüssiggasmarkt, etwa das Wetter und konjunkturelle Entwicklungen in Asien und Nordamerika. Auch Geopolitik im Wettbewerb Europas um Flüssiggas spielt eine Rolle.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, was Axpo tut, um kommenden Winter Energieversorgungsengpässe in der Schweiz zu verhindern?
Vielleicht dieses Beispiel: Weil die Schweiz keine Speichervorrichtungen für Erdgas besitzt, hat Axpo Speicherkapazitäten in Anlagen in Italien besorgt, die von ihrer italienischen Tochtergesellschaft betrieben werden. Weiter hat Axpo Gasverträge mit Akteuren in der Schweiz abgeschlossen, was ihnen erlaubt, in Notsituationen Gas zu beziehen.
Ein Blick in die Zukunft: Wie verändert sich das Energiegeschäft in den nächsten fünf Jahren?
Wir gehen davon aus, dass der Zubau erneuerbarer Energien in den nächsten Jahren weitergeht. Gleichzeitig wird die Nachfrage wegen mehr Elektroautos, Wärmepumpen, Industrieprozessen und Rechenzentren steigen. Das bedeutet: Flexibilität bei der Stromerzeugung und Stromnachfrage wird noch wichtiger, sowie deren Vernetzung. Deshalb werden finanzielle Mittel in die Speicher und den Ausbau der europäischen Netze fliessen. Aber auch zukünftig werden die Strompreise vom Wetter in Asien und Europa bis hin zu geopolitischen und wirtschaftlichen Treibern beeinflusst bleiben. Die gute Nachricht: Energiehandel kann Preisund Versorgungsrisiken deutlich reduzieren – auch im Interesse der Schweiz. Bei Axpo sind wir entsprechend aufgestellt, um diese Entwicklungen zu beobachten und darauf zu reagieren.
Ist ein vollständiger Verzicht auf konventionelle Energien realistisch –und in welchem Zeithorizont?
Obwohl sich der Ausbau der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren sicherlich fortsetzen wird, ist derzeit ein Ende dieser Abhängigkeit von konventionellen Energieträgern nicht absehbar.
Und auf welche Technologie schauen Sie mit besonderem Interesse?
Grösstes technologisches Potenzial sehen wir aktuell im Bereich Batterien. Sollte eine langfristige Batteriespeicherung möglich werden, wird dies zum Gamechanger für die Versorgung mit erneuerbarer Energie.
Dieser Inhalt wurde von NZZ Content Creation im Auftrag von Axpo erstellt.
