Standpunkte 02/2018

Page 1

Standpunkte

Frisch aufgetakelt

Der Frachtsegler Peking wird restauriert

plus: Termin bei den Chefs NORDAKADEMIE vollzieht Führungswechsel

NeueSerie:Wirtschafts-

förderungimNorden

Das Magazin von Nr. 2 / Mai 2018 / 36. Jahrgang www.nordmetall.de

Bild des Monats:

Alles neu macht – der April: Schon Ende Februar hatte der portugiesische Frachter Akacia mit hoher Geschwindigkeit das Tor der Holtenauer Südschleuse im Nord-OstseeKanal gerammt. Die 1912 gebaute rund 1.000 Tonnen schwere Schließanlage wurde teilweise durchbrochen. Halbiert barg der niederländische Schwimmkran „Matador 3“ jetzt den Tor-Torso, mit Unterstützung der Werft Nobiskrug. Nun wird das 106-jährige Stahlungetüm bei German Naval Yards begutachtet, ein Ersatztor wurde Anfang April eingebaut. Details und Videos: http://bit.ly/Schleusentor

STANDPUNKT NR. EINS

die Debatte um die Besetzung der Ministerposten in der Bundesregierung hat ein latentes Thema der Nation wieder auf die Agenda gebracht: das Ost-West-Verhältnis in Deutschland, nicht nur in Spitzenpositionen, sondern auch bei den Einkommen.

Unternehmen wie kleine Pflänzchen hegen

Wenn fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung die Ostdeutschen nicht verstehen, dass viele von ihnen weniger verdienen, als manche Landeskinder im Westen, dann kann ich das gut nachvollziehen. Dennoch gehört zur ganzen Wahrheit, dass Mieten und Lebenshaltungskosten in Greifswald oder Neubrandenburg deutlich niedriger ausfallen, als in Kiel, Bremen oder erst recht Hamburg. Und es lohnt sich, auf die Ursachen für die Unterschiede im Gehaltsniveau zu schauen. Der neue Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, gibt dazu eine klare Analyse: „Wir werden in den neuen Bundesländern nie ein solches Gehaltsniveau haben wie im Westen, dafür fehlen uns die Wachstumsmetropolen“, so der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Thüringen. Nicht gleiche, aber doch gleichwertige Lebensverhältnisse seien nur erreichbar, wenn kleine und mittelständische Unternehmen im Osten „wie kleine Pflänzchen“ besonders gehegt würden.

Was das im Einzelnen insbesondere für unser Verbandsgebiet Mecklenburg-Vorpommern heißt, habe ich vor Kurzem mit Ministerpräsidentin Schwesig diskutiert (S. 12). Solange neue Bundesbehörden wie das Fernstraßenamt ins prosperierende Leipzig statt nach Rostock gehen, ist da für die Akquise der Landespolitik noch Luft nach oben.

Was die Wirtschaftsförderer im Norden tun können, um dem Vorsprung des Südens im Allgemeinen und dem Aufholbedarf des Nordostens im Besonderen abzuhelfen, lesen Sie in unserer neuen Serie, die in diesem Heft startet (S.8).

Was die Industrie in Mecklenburg-Vorpommern an Initiativen braucht, hat unser Arbeitgeber-Dachverband VU gerade der Landesregierung und den Gewerkschaften in einem Zukunftspakt vorgeschlagen. Wenn Unternehmensansiedlungen vereinfacht, Verkehrs- und digitale Infrastruktur verbessert und Bürokratie abgebaut werden, kommt eines von ganz allein: höhere Einkommen und sich immer weiter angleichende Lebensverhältnisse in Ost und West.

Foto: dpa
3 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL
Thomas Lambusch, Präsident NORDMETALL

Termin bei den Chefs

Mit Elan in eine neue Epoche

Christoph Fülscher und Jörg Meier führen die NORDAKADEMIE. S. 40

Titel

Mast- und Schotbruch

Hamburgs legendärer Frachtsegler „Peking“ wird aufwendig renoviert, inklusive handgearbeiteter Takelage. S. 20

Serie Teil 1

Mehr als Geld und gute Worte

Wirtschaftsförderung im Norden: Was Schleswig-Holstein und Hamburg tun.

S. 8

Bildung

Meisterliche Schrauber

Wie eine Stadtteilschule im sozialen Brennpunkt von NORDMETALL Cup und lüttIng. profitiert. S. 18

Mehr Durchblick NORDMETALL berät seine Mitglieder zum Tarifvertrag 2018 6 Mecklenburger Arbeitsmarktdebatte Die Spitzen von VU und NORDMETALL diskutierten mit der Ministerpräsidentin 12 Mitgliederversammlung und Unternehmerforum AGV NORD debattiert Rezepte gegen den Fachkräftemangel 14 Mehrwert Verband Folge 52: DigiNet.Air hebt ab für den Mittelstand 30 Aus der Hauptstadt Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft lässt beim „Soli“ nicht locker 32 Rubriken Made in Northern Germany Kontergewichte von der Eisengießerei Dinklage 24 Menschen und Meldungen 26 Termine 29 Grafik des Monats 31 Cartoon / Wirtschaftszitat 33 Panorama Mega-Flieger von Airbus 38 Mein Standpunkt Debattenkultur 44 Kontakt / Personenregister / Impressum 45 Kurz vor Schluss / „Wagner liest“ 46 Thema Face to Face Katja Suding (FDP) und Marcus Weinberg (CDU) diskutieren Familienpolitik 34 14
Verbände
02/2018
Fotos:
Foto oben: Michael
4 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 5 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL
Christian Augustin, Kay Riechers, Michael Bahlo
Bahlo

Nach der Tarifrunde 2018:

Wie geht es weiter?

Bäte man in einer Quizshow um eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse der Tarifrunde 2018, bekäme man wohl überwiegend eine klare Antwort: „Zu teuer und zu komplex“. Doch wie so oft im Fernsehen, träfe das nur die halbe Wahrheit. Denn in den kommenden Monaten stehen für die Unternehmen wichtige Entscheidungen an, mit denen Sie die Kosten des Abschlusses direkt beeinflussen können. NORDMETALL wird seine Mitglieder daher umfassend beraten, um alle Möglichkeiten, die der Tarifvertrag bereithält, optimal zu nutzen.

nutzen, die der neue Tarifvertrag zur Kostenentlastung bietet – wie immer mit tatkräftiger Unterstützung unseres Verbandes:

• Die erste Stellschraube ist der dauerhafte Differenzierungsbaustein T-Zug (B). Diese Entlastung um 0,62 Prozent (bezogen auf das Tarifgebiet Hamburg) kann erstmals schon zum 31. Juli 2019 genutzt werden, steht aber auch in den Folgejahren in diesem Umfang zur Verfügung. Insbesondere wenn es um den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherung der Marktposition geht, kann dieser Baustein in einem schnellen, unbürokratischen Verfahren unter Einbeziehung der Gewerkschaft genutzt werden. Bedarf es stärkerer Eingriffe in das Tarifgefüge, steht weiterhin der Abschluss eines firmenbezogenen Verbandstarifvertrages nach dem sog. Pforzheim-Verfahren zur Verfügung. Auf diese Möglichkeiten bereiten wir unsere Mitglieder intensiv vor.

• Noch früher rollt ein zweiter Zug auf die Unternehmen zu: das tarifliche Zusatzgeld, T-Zug (A), in Höhe von 27,5 Prozent eines Monatsverdienstes. Hier werden die Unternehmen schon bis zum 31. Oktober 2018 die Anträge jener Beschäftigten erhalten, die im Jahr 2019 statt der Auszahlung des Geldbetrages eine Freistellung von acht Tagen beanspruchen möchten. Die Betriebe werden im Vorwege viele Fragen klären müssen – zum Beispiel: Wer prüft die Anspruchsvoraussetzungen, und wie kann das wegfallende Arbeitsvolumen betriebsintern ausgeglichen werden? Werden eventuell neue Schichtpläne notwendig? Auch hier steht NORDMETALL bereit, um die Firmen schnell und effektiv zu unterstützen, denn der Umgang mit den Anträgen ist jeweils bis zum 31. Dezember mit dem Betriebsrat zu erörtern.

ten, tariflich festgelegten Voraussetzungen. Auch hier werden die Unternehmen – ähnlich wie bei den Freistellungstagen nach dem T-Zug (A) – eine Prozessbeschreibung benötigen: um bereits erreichte Teilzeitquoten nachzuhalten und um prüfen zu können, ob Ansprüche abgelehnt werden dürfen, weil das entfallende Arbeitsvolumen nicht qualifikationsgerecht kompensiert werden kann.

• Ebenfalls bis 31. Oktober 2018 müssen die Unternehmen anhand ihrer spezifischen Situation bewerten, welchen der verschiedenen Wege sie wählen wollen, das Arbeits(zeit)volumen zu vergrößern.

So ist insbesondere zu entscheiden, ob man in der „alten Quotenwelt“ mit 13 Prozent der 40-Stunden-Verträge verbleibt oder in die „neue Welt“ wechselt. Diese eröffnet mehrere Wege, um die bisherige 13-Prozent-Quote deutlich zu erweitern – was dringend nötig ist, um das durch die „befristete Teilzeit“ entfallende Stundenvolumen zu kompensieren. Auch hier wird NORDMETALL mit Workshops und Handreichungen die Mitgliedsunternehmen intensiv unterstützen, um den individuell richtigen Weg zu finden. Gewinnt man also mit der Antwort „zu teuer und zu komplex“ die Quizshow? Vielleicht erreicht man noch die zweite Runde. Aber die neue Tarifwelt eröffnet sich so nicht. Unsere Mitgliedsunternehmen können sich darauf verlassen, dass NORDMETALL ihnen die zukunftweisenden Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigt, die der neue Tarifvertrag bietet. Richtig genutzt, werden diese nach und nach die Arbeit in den Unternehmen verändern, den unterschiedlichen Lebensentwürfen der Belegschaften gerecht werden und den Mitgliedsfirmen von NORDMETALL das nötige Arbeitsvolumen sichern. PS

Die Resonanz auf die zahlreichen NORDMETALL-Informationsveranstaltungen zu den Details des Tarifvertrages belegen: Viele Unternehmen begrüßen die Laufzeit von 27 Monaten und den nicht hoch genug einzuschätzenden Vorteil einer langen Planungssicherheit. Kritik entzündet sich dagegen an der finanziellen Belastung

von 3,42 Prozent über die Gesamtlaufzeit (bezogen auf das Tarifgebiet Hamburg). Gerade im Norden prüfen viele Mitgliedsbetriebe, wie sie die Personalkosten in der M+E-Industrie senken können, oder entwickeln Alternativszenarien, Standortverlagerungen nicht ausgeschlossen. Umso wichtiger ist es, alle Stellschrauben zu

Diese Freistellungsansprüche betreffen einen konkret beschriebenen Personenkreis und sind eingebettet in das politische Vorhaben der „befristeten Teilzeit“, das die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD schnellstmöglich umsetzen möchte (Einzelheiten dazu und die Kritik der Arbeitgeber finden Sie auf Seite 12/13). Diese geplanten gesetzlichen Ansprüche werden von den Tarifvertragsparteien modifiziert: M+E-Tarifbeschäftigte, die ihre Arbeitszeit lediglich für einen Zeitraum von sechs bis 24 Monaten verkürzen möchten, dürfen dies nur auf maximal 28 Stunden tun – unter bestimm-

€€€+
» »» »» 6 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 7 2 / 2018
Was sind die ErgebnisseTarifrundeder 2018?
??????

WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG 1

Schub für Nordelbien

Die Förderung der Wirtschaft gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Staates im Rahmen der Daseinsvorsorge für Unternehmen und Bürger. Aber wer fördert wen? Welche Fördermöglichkeiten gibt es? Und wie muss sich Wirtschaftsförderung in Zeiten von Digitalisierung und Industrie 4.0 aufstellen? Eine dreiteilige Serie beleuchtet das Thema. Standpunkte hat sich im Verbandsgebiet umgesehen. Den Anfang machen Hamburg und Schleswig-Holstein

Wirtschaftsförderung ist sexy. Anders scheint der Erfolg von Sendungen wie „Die Höhle der Löwen“ kaum erklärbar. In der mittlerweile fünften Staffel dürfen sich erneut Jungunternehmer vor potenziellen Investoren und einem Millionenpublikum auf dem Sender Vox präsentieren. Ziel der Start-ups ist es, Finanzmittel von den Investoren-Juroren einzuwerben, um möglichst schnell ihr Produkt oder ihre Dienstleistung an den Kunden zu bekommen. Von inzwischen mehr als 200 Startern gelang rund zehn Prozent der Durchbruch. Doch zwischen solch medienwirksam inszenierten Unternehmensgründungen und dem wirklichen Business

liegen in aller Regel Welten. „Wirtschaftsförderung ist ein langfristig angelegtes und oft sehr mühsames Geschäft“, sagt Rudolf Neumüller, Leiter des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Hamburg. Das Zentrum ist Teil der vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Initiative „Mittelstand 4.0 – Digitale Produktionsund Arbeitsprozesse“. Es unterstützt vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) auf ihrem Weg zur Digitalisierung. Handels- und Handwerkskammer der Hansestadt arbeiten in ihm mit der Technischen Universität Hamburg (TUHH), der Helmut-Schmidt-Universität und der Hochschule für Angewandte Wissenschaf-

ten zusammen. „Unser Auftrag und Ziel ist es, den Wissenstransfer in die Unternehmen voranzutreiben“, sagt Neumüller. Geld gibt’s keines, dafür aber Workshops, Best-Practice-Projekte und jede Menge Kontakte.

Staatsaufgabe seit dem Kaiserreich Wirtschaftsförderung gehört seit den Zeiten Otto von Bismarcks zu den wichtigen Aufgaben des Staates. Die Industrialisierung im ausgehenden 19. Jahrhundert führte zur Bildung von Ballungsgebieten mit tiefgreifenden sozialen und politischen Veränderungen. Wirtschaftsfördernde Maßnahmen waren damals der Ausbau der Eisenbahn und des Gas-, Wasser- und Stromnetzes. Die Gründung und der Ausbau von Universitäten legten die Grundlagen für späteres wirtschaftliches Gedeihen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierten sich die Aktivitäten naturgemäß auf den Wiederaufbau. Wichtige Instrumente in Westdeutschland waren die Wäh-

rungsreform, günstige Außenhandelsbedingungen und der Marshall-Plan, aus dem das „European Recovery Program“ (ERP) hervorging. Der Marshall-Plan lief 1953 aus, das ERP-Sondervermögen gibt es bis heute. Förderungen von Existenzgründungen, aber auch Wachstumsfinanzierungen werden fast immer über zinsgünstige Kredite gefördert.

Ende der 1970er-Jahre wurden regionale Wirtschaftsförderungsmaßnahmen in der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) gebündelt. Sie unterstützt gezielt strukturschwache Regionen, soll gewerbliche Investitionen anstoßen, leistungsfähige Infrastrukturen auf kommunaler Ebene schaffen und lokale Akteure miteinander vernetzen. Das aktuelle Fördergebiet schließt für die Jahre 2014 bis 2020 die neuen Länder und Berlin komplett ein. Zudem gibt es ausgewählte strukturschwache Regionen, die als Fördergebiet ausgewiesen sind.

SERIE
Foto: Andreas Vallbracht Foto für Illustration: Shutterstock 8 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 9 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL
Hamburg – Konjunkturlokomotive im Norden und Zentrum der Metropolregion. Im Jahr 2017 hat die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hamburg Invest fast 660 Millionen Euro investiert, rund 9.000 Arbeitsplätze initiiert und 1.200 Unternehmen betreut.

Kiel – Eine robuste Konjunktur und ein gesunder Mittelstand sind auch in Schleswig-Holstein die Stützen der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaften des Landes und der Kreise haben 2017 mehr als 150 Unternehmen neu ansiedeln können, die rund 1.700 Arbeitsplätze geschaffen haben.

Förderung ist Ländersache

Verantwortlich für die Umsetzung der GRW-Förderung sind die Länder. Sie können räumliche und inhaltliche Schwerpunkte setzen und entscheiden, welche Projekte in welcher Höhe gefördert werden. Sie setzen Bewilligungsbescheide fest und kontrollieren die Einhaltung der Förderbestimmungen. Zwischen 1991 und 2016 wurden bundesweit 47 Milliarden Euro an Fördermitteln bewilligt. Damit wurden Investitionen in Höhe von 252 Milliarden Euro ausgelöst, rund 1,1 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen und 2,4 Millionen Arbeitsplätze gesichert.

Wirtschaftsförderung ist zwar Ländersache, dennoch kooperieren die Gesellschaften auch miteinander, zum Beispiel in der Metropolregion Hamburg, dem Zusammenschluss aus 20 Kreisen und kreisfreien Städten sowie mehr als 1.000 Kommunen in den vier Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg. Vertreter aus Schleswig-Holstein und Hamburg sitzen wechselseitig in den Aufsichtsräten ihrer Wirtschaftsförderungsgesellschaften, und in einem überregionalen Wirt-

schaftsförderungsrat sind Partner aus allen Ländern der Metropolregion vertreten.

Kirchturmdenken oder natürliche Konkurrenz?

Trotz vieler Gemeinsamkeiten herrscht eine natürliche Konkurrenz unter den Wirtschaftsförderern. Vor allem, wenn es um Ansiedlungen größerer Unternehmen und Konzerne geht, stößt die Kooperation an ihre Grenzen. Wenn ein Unternehmen wie Tesa aus Hamburg ins nahegelegene Norderstedt zieht, wie 2015 geschehen, wandern mal eben mehr als 1.000 Arbeitsplätze nach Schleswig-Holstein ab. Und auch wenn ein Großunternehmen wie Siemens seine Windturbinen-Fabrik in Cuxhaven baut und andere Standorte wie Emden und Bremerhaven das Nachsehen haben, können einige Wirtschaftsförderer nicht zufrieden sein. Hamburg, die selbst ernannte „Wind-Hauptstadt“ Europas, hatte sich zwar nicht aktiv um die Ansiedlung der Turbinenfabrik beworben, dennoch hätte eine solche Produktionsstätte auch der Hansestadt gut zu Gesicht gestanden. Schließlich hatte sie bereits einige Jahre zuvor die Siemens

Weltzentrale für Windenergie für sich gewinnen können. Auch der Windanlagenhersteller Nordex wurde 2011 in der Elbmetropole angesiedelt und wenige Jahre später beim Ausbau seiner Hauptverwaltung von den Wirtschafsförderern begleitet. Ansiedlungen einerseits, Bestandspflege andererseits –Wirtschaftsförderer müssen beides im Blick haben. Dr. Rolf Strittmatter, Geschäftsführer von Hamburg Invest, der früheren Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF), erklärt: „Wir wollen den Standort strategisch weiterentwickeln. Neuansiedlungen gehören dazu. Brot- und Buttergeschäft ist aber die Betreuung der Bestandsfirmen. Auch, weil dort kurzfristig in hohem Umfang neue Arbeitsplätze geschaffen werden.“

80 Hektar neue Flächen in Hamburg

Für die Entwicklung und Vermarktung von rund 80 Hektar städtischer Gewerbe- und Industrieflächen im Stadtstaat kümmert sich seit Anfang 2018 die Hamburg Invest Entwicklungsgesellschaft. Sie bietet Services aus einer Hand, will ansiedlungswillige Firmen für die Hansestadt gewinnen und sie beim Gang durch den Behördendschungel unterstützen. Kritiker monieren allerdings, dass die Gesamtfläche von 80 Hektar viel zu gering sei. Eine so dünn besiedelte Metropole wie Hamburg (750 Einwohner/Quadratkilometer) könnte durchaus größere Flächenpotenziale zur Verfügung stellen.

Von denen gibt es in den umliegenden Ländern genug. Im Flächenland Schleswig-Holstein kümmert sich die Landesgesellschaft WTSH (Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein) ebenso um die Förderung von Wirtschaft und Investitionen, wie die Gesellschaften der Kreise und Städte. Das „Landesprogramm Wirtschaft“ speist sich aus Mitteln der GRW-Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe, Geld aus Brüssel über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sowie aus weiteren Beteiligungsfonds des Landes. Es sollen Innovationspotenziale gefördert werden, die die Wettbewerbsstruktur nachhaltig stärken. So wurde die Lufthansa Technik Intercoat in Kaltenkirchen mit EU-Mitteln (EFRE) bei der Entwicklung eines speziellen Kunststoffs zur Reparatur von Verschleiß- und Korrosionsschäden unterstützt.

Geld aus Brüssel – wie lange noch?

Auch im nicht gerade strukturschwachen Hamburg unterstützt der EU-Strukturfonds Entwicklungsvorhaben. Argument der Förderer: Die Hansestadt sendet als

Dr. Rolf Strittmatter, Chef der Hamburg Invest (oben), und Rudolf Neumüller, Leiter des Mittelstands 4.0-Kompetenzzentrums Hamburg. Zwei Wirtschaftsförderer, ein Ziel: den Standort voranbringen.

Innovationslokomotive zahlreiche Impulse in den europäischen Markt aus. Wer hier fördert, stärkt indirekt auch andere Regionen. Allerdings gilt grundsätzlich: Wer in den Genuss von Fördermitteln, also öffentlichen Geldern, kommen will, muss bürokratische Hürden nehmen.

Die Unternehmen Still, Jungheinrich, Sick und Pepperl+ Fuchs hat das nicht geschreckt. Gemeinsam mit Partnern aus der TUHH arbeiten sie gerade an einem quelloffenen Softwaresystem. Es soll Industrieumgebungen wie zum Beispiel ein Lager digital in dynamischen Karten abbilden und als Plattform für die Entwicklung von standortbezogenen Diensten dienen. Später könnten darauf basierend Gabelstapler selbstständig durch Industriehallen fahren oder ein Mitarbeiter über ein Tablet den Ort des nächsten freien Fahrzeugs abfragen. Das Projekt „IIL“ läuft noch bis Anfang 2019, gefördert werden immerhin 50 Prozent der Ausgaben von rund 1,5 Millionen Euro.

Pessimisten vermuten, dass mit solchen Geldflüssen aus Brüssel bald Schluss sein könnte. Nicht zuletzt aufgrund des Brexit und des damit verbundenen Wegfalls eines großen Nettozahlers fordert EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, künftig nur noch Regionen in armen Mitgliedsstaaten zu fördern. Für Schleswig-Holstein hieße das zum Beispiel, dass ab 2021 – dann beginnt die nächste siebenjährige EU-Finanzperiode – Mittel von bis zu 780 Millionen Euro wegfielen. LS

Foto: imago 10 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 11 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL

Dr.

Gute Aufholjagd, besseres Auskommen

Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Landtagsfraktion hatte Ende April nach Rostock geladen, um unter dem Motto „Gutes Land. Gute Leute. Gute Löhne.“ zur Arbeitsmarktpolitik im Nordosten zu diskutieren

Neben Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, dem DGB Nord-Vorsitzenden Uwe Polkaehn und dem SPD-Wirtschaftspolitiker Jochen Schulte (MdL) waren auch VU-Präsident Thomas Lambusch und NORDMETALL-Hauptgeschäftsführer Dr. Nico Fickinger auf dem Podium vertreten. Lambusch, den die Sozialdemokraten nicht nur als Arbeitgeber- sondern auch als NORDMETALL-Präsident ankündigten, führte im vollen Konferenzsaal des Radisson Blue Hotels in die unterschiedlichen Zuständigkeiten ein, die ein Arbeitgeber-Dachverband wie die VU in Mecklenburg-Vorpommern als Landesorganisation von BDA und BDI einerseits wahrnimmt und die NORDMETALL andererseits als Tarifpartner der IG Metall ausfüllt.

Schönstes Bundesland

Der Rostocker Unternehmer nahm sodann den Dreiklang des Veranstaltungstitels als Basis seines Impulsreferats: „Mecklenburg-Vorpommern, das schönste Bundesland Deutschlands zum Leben und Arbeiten“, habe sein Bruttoinlandsprodukt seit 1991 verdreifacht, sei als Schiffs- und Bootsbaustandort mit 160 Unternehmen und rund 5.000 Mitarbeitern führend, verfüge über eine erfolgreiche Tourismus-, Forst- und Fischereiwirtschaft. Ein gutes und noch dazu preisgünstiges Land zum Leben sei der Nordosten auch, weil die Durchschnittsmiete in Schwerin immer noch bei 6,80 Euro pro Quadratmeter liege, während Hamburg bei 12 und München bei 18 Euro rangierten. Gleichwohl gebe es

nach wie vor viele ungelöste Probleme zwischen Gadebusch und Greifswald, etwa das vergleichsweise niedrigste Bruttoinlandsprodukt und die niedrigste Industriedichte aller Flächenländer, die im Durchschnitt kleinste Betriebsgröße in der Industrie – und als Resultat dessen das niedrigste Durchschnittseinkommen.

Legendäre Landesverbundenheit

„Die Verbundenheit der Einwohner Mecklenburg-Vorpommerns mit ihrer Heimat ist fast schon legendär“, deutete Lambusch das SPD-Motto „Gute Leute“ aus. Er verwies aber auch darauf, dass angesichts der wirtschaftlichen Schwäche die Einwohnerzahl seit der Wende um 16 Prozent gesunken sei. Mit nur knapp einem Viertel an Hoch- und Fachhochschulabsolventen liege das Land im Vergleich weit hinten, mit einem Förderschüler-Anteil von 13 Prozent weit vorn unter den 16 deutschen Ländern. „Potenzial- und Chancenverlust sind eine tickende Zeitbombe in Mecklenburg-Vorpommern“, resümierte der Arbeitgeberpräsident vor diesem Hintergrund.

Dünne Industriestruktur

„Gute Löhne“ würden trotz der kleinteiligen und dünnen Industriestruktur im Nordosten durchaus gezahlt:

„Die durchschnittliche jährliche Lohnentwicklung liegt mit 3,32 Prozent Steigerung seit 1992 über dem Bundesdurchschnitt“, so Lambusch. Im wichtigen Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes etwa habe sich die Aus-

bildungsvergütung im ersten Lehrjahr in nur zehn Jahren auf 620 Euro verdoppelt. „Vergütungen müssen erarbeitet werden und unterliegen marktwirtschaftlichen Wettbewerbsmechanismen, sie sind nicht politisch zu verordnen“, wandte sich Lambusch an die Ministerpräsidentin und ihre versammelten Parteifreunde.

Eine gute Wirtschaftspolitik dürfe den Firmen das Ansiedeln oder Verbleiben im Land nicht verleiden, weder durch niedrigere Fördersätze noch durch höhere Vergabe-Mindestlöhne, bilanzierte Thomas Lambusch: „Eine kluge Standortpolitik beginnt im Kopf, auch mit der Wortwahl. „Deshalb werben wir für ein effektiveres Landesmarketing, das unser Landesmotto ‚Land zum Leben‘ erweitert um den Begriff des Arbeitens“ – und für einen Zukunftspakt, der Digitalisierung, Qualifizierung und die Ansiedlung von Industriebetrieben im Land vorantreiben soll. Luc

Heils „Lückenteilzeit“ träfe Norddeutschlands Industrie schwer

NORDMETALL-Hauptgeschäftsführer Dr. Nico Fickinger nutzte die SPD-Fachkonferenz in Rostock dazu, um Ministerpräsidentin Schwesig und ihre Parteifreunde darauf hinzuweisen, dass der von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgelegte Gesetzentwurf zum Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit gerade im strukturschwachen Nordosten schweren Schaden anrichten könnte: „Hier wird eine Lückenteilzeit definiert, statt eine Brückenteilzeit geplant“, so Fickinger. In der norddeutschen M+E-Industrie sind befristete Neueinstellungen selbst mit Sachgrund nur für 18 Monate zulässig, so regelt es der Tarifvertrag. „Soll ein Arbeitgeber bei einer gesetzlich nun vorgesehenen MitarbeiterTeilzeit von fünf Jahren nacheinander vier Personen einstellen und jeweils nach eineinhalb Jahren wieder entlassen? Das wäre absurd und sicher keine Werbung für den Flächentarif“, so der Arbeitgeberrepräsentant. Die IG Metall Küste müsse hier längere Befristungsmöglichkeiten zugestehen, die Politik bessere Voraussetzungen schaffen, um Personallücken zu füllen, etwa durch eine Lockerung der Befristungsmöglichkeiten, so Dr. Nico Fickinger an die Adresse der SPD.

Fotos: SPD-Fraktion MV
Geballte Fachkompetenz in Sachen Arbeitsmarkt (v.l.n.r.): Thomas Lambusch, Präsident VU Mecklenburg-Vorpommern, Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführer NORDMETALL, Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommern, Jochen Schulte, wirtschaftspolitischer Sprecher SPD-Landtagsfraktion, Uwe Polkaehn, Vorsitzender DGB Nord. Impulsreferat: Thomas Lambusch führte auf der Rostocker Konferenz der SPD-Landtagsfraktion ins Thema ein.
12 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 13 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL

Anschließend begrüßte Bucerius Law School-Geschäftsführer Meinhard Weizmann die Vertreter der 440 Firmen der flächentariffreien Arbeitgeberorganisation zum Unternehmerforum. Manfred Lehde, Vorsitzender des Allgemeinen Verbandes der Wirtschaft Norddeutschlands, betonte in seiner Eröffnungsrede:

„Der zunehmende Fachkräftemangel trifft besonders unsere kleinen und mittelständischen Betriebe hart.“

Er verwies auf rund 75.000 unbesetzte Stellen, die allein im MINT-Bereich des Nordens beklagt werden. Lehde appellierte an Bildungs- und Arbeitsmarktpolitiker in Bund und Ländern, nichts unversucht zu lassen, um

diesen „Hemmschuh“ der (nord-)deutschen Wirtschaftsentwicklung zu beseitigen.

Dass das Problem bei der Bundesagentur für Arbeit ernst genommen wird, bewies deren Vorstandsmitglied Raimund Becker in seinem Impulsreferat: Von der stärkeren Präsenz der Agenturmitarbeiter in Schulen zur intensiveren Berufsorientierung über mehr Deutschkurse für Zugewanderte bis zu Werbeaktionen für die Gewinnung von Fachkräften in Asien reiche die Palette der Gegenmaßnahmen, berichtete Becker. So könne der negativen demografischen Entwick-

Fachkräftegipfel

Demografie, Digitalisierung und Diversität – diese drei Stichworte beherrschten die Debatten und Analysen zum Thema Fachkräftemangel, dem der NORDMETALL-Schwesterverband AGV NORD seine diesjährige Mitgliederversammlung sowie das Unternehmerforum in Hamburgs Bucerius Law School widmete.

rungen und wählten ein neues Vorstandsmitglied: Christian Heinen, Head of People & Culture bei Nordex SE, rückte für den Windkraftanlagenhersteller in das AGV NORD-Spitzengremium auf.

Fotos: Christian Augustin
V.l.n.r.: Raimund Becker (Vorstandsmitglied Bundesagentur für Arbeit), Meinhard Weizmann (Geschäftsführer Bucerius Law School) und Manfred Lehde (AGV NORD-Vorsitzender). Anwesender AGV NORD-Vorstand mit Neuzugang (v.l.n.r.): Dr. Nico Fickinger (Geschäftsführendes Vorstandsmitglied), Christian Heinen (Nordex SE), Manfred Lehde (Vorsitzender), Julian Bonato (MHG Heiztechnik GmbH), Roland Habeck (HAWART OMV Landtechnik GmbH), Dr. Andreas Dikow (Webasto Thermo & Comfort SE).
Im imposanten Gebäude der renommierten Juristenschmiede ließen sich die AGV NORD-Mitglieder zu Beginn des Treffens die positive Finanzentwicklung des Verbandes erläutern, beschlossen einige Satzungsände14 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL

Oben: Unternehmerforum 2018 in der Hamburger Bucerius Law School.

Links: Matthias Iken (stv. Chefredakteur Hamburger Abendblatt).

lung in Deutschland entgegengewirkt, qualifiziertes Personal aus diversen Ländern gewonnen und der Trend zur Digitalisierung genutzt werden. Die Vertreter der AGV NORD-Mitgliedsfirmen diskutierten beim anschließenden Unternehmerforum die Wirksamkeit der Maßnahmenbündel kritisch: Dr. Andreas Dikow, AGV-Vorstandsmitglied und Geschäftsführer Webasto Thermo & Comfort SE in Neubrandenburg, forderte Langzeitkonzepte, die sich an den Bedürfnissen der nächsten Jahrzehnte orientierten. Dr. Christina Boll, Forschungsdirektorin des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), mahnte

Untere Bildleiste (v.l.n.r.): Dr. Andreas Dikow (AGV NORD-Vorstandsmitglied und Geschäftsführer Webasto Thermo & Comfort SE, Neubrandenburg), Dr. Christina Boll (Forschungsdirektorin HWWI), Raimund Becker (BfA) und Karin Prien (Schleswig-Holsteins Kultusministerin, CDU).

ganz im Sinne einiger Wortbeiträge aus dem Auditorium eine stärkere Leistungsorientierung in den Schulen an. Karin Prien, Kultusministerin in Schleswig-Holstein berichtete von entsprechenden Initiativen, mit denen sie im Norden den Rechtschreibunterricht stärken, Zeugnisnoten wieder einführen und Prüfungen aufwerten wolle. Matthias Iken, stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, appellierte dafür, diesen Weg in allen Bundesländern zu gehen und sich im Übrigen von Schreckensszenarien nicht einschüchtern zu lassen.

Dr. Nico Fickinger, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des AGV NORD, hob in seiner Zusammenfassung die erfolgreiche Zusammenarbeit der Verbände und Arbeitsagenturen in vielen gemeinsamen Initiativen hervor. Zugleich mahnte er, die Bundesagentur dürfe nicht zu einer betriebs- und praxisfernen Weiterbildungsschmiede mutieren und in privat organisierte Geschäftsfelder eindringen. Letztlich sei aber insbesondere die Schul- und Bildungspolitik in der Pflicht, für ausreichend qualifizierte Jugendliche und weniger Schul- und Studienabbrecher zu sorgen, damit Verbände und Arbeitsagenturen nicht teure Nachsorge betreiben müssten.

Beim anschließenden Empfang waren sich die Forumsgäste aus Politik und Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden einig: Dieser Fachkräftegipfel hat etwas bewegt. Luc

Mitte rechts: Dr. Nico Fickinger (Geschäftsführendes Vorstandsmitglied AGV NORD) fasst die Diskussion zusammen.

Rechts: Ulrich Teller (Mitgliederbetreuung AGV NORD, l.) im Gespräch mit Gerhard Erb (Jastram GmbH).

Manfred Lehde (AGV NORD-Vorsitzender, l.) im Gespräch mit Michael vom Baur (stv. Vorsitzender FDP-Mecklenburg-Vorpommern).

AGV NORD-Gäste: Anna von Treuenfels-Frowein (FDP-Fraktionsvorsitzende Hamburg) mit Jörg Meier (Kanzler NORDAKADEMIE, l.) und Christoph Fülscher (Vorstand NORDAKADEMIE).

Fotos: Christian Augustin

Lernen mit Kopf, Herz und Hand

Mit NORDMETALL Cup und lüttIng. bereitet die Hamburger Stadtteilschule

Stübenhofer Weg ihre Schülerinnen und Schüler auf das Berufsleben vor. Wir haben die Schule im sozialen Brennpunkt Kirchdorf Süd besucht.

Seyyid und Serhat beugen sich konzentriert über ihren Miniatur-Rennwagen. Die Radmutter ist abgefallen –ausgerechnet während des ersten Wertungsrennens bei der Hamburger Landesmeisterschaft des NORDMETALL Cup 2018. „Halb so schlimm“, beruhigen sich die beiden Schüler gegenseitig. Der Schaden lässt sich mit etwas Klebstoff leicht beheben. Und erneut rast „Black Hawk“ mit mehr als 80 Stundenkilometern über die 20 Meter lange Rennstrecke – Fahrzeit: 1,223 Sekunden. Ein halbes Jahr lang haben sich Seyyid, Serhat, Bünjamin und Semanur intensiv auf diesen Tag Mitte Februar vorbereitet. Für die Jugendlichen ist es ein Heimspiel. In der Sporthalle ihrer Schule – der Stadtteilschule Stübenhofer Weg im Hamburger Problem-Kiez

Kirchdorf Süd – brettern seit dem Morgen kleine, aus Kunststoff gefertigte Formel-1-Rennwagen über zwei Pisten. „Black Hawk“ startet im Feld der Ü14-Teams. Die Konkurrenz ist mit insgesamt 16 Mannschaften sehr groß. Bis auf die Stadtteilschule sind ausnahmslos Hamburger Gymnasien am Start. Doch auch davon lässt sich das Vierer-Team nicht nervös machen. Serhat und Bünjamin sind in der zweiten, Konstrukteur Seyyid sogar schon in der dritten Saison mit dabei. Sie wissen, worauf es ankommt: auf ihr Auto und ihre Motivation. Und die ist groß. Zum ersten Mal in ihrer Schulgeschichte wollen sie beim NORDMETALL Cup unter die besten Zehn kommen.

Unterstützt werden sie dabei von Physik- und Mathematiklehrerin Marion Hengelhaupt. 2012 nahm sie zum ersten Mal mit einem Team an dem multidisziplinären Technologiewettbewerb der NORDMETALL-Stiftung teil. „Ich verstehe mich als Beraterin der Schülerinnen und Schüler. Sie sollen in dem Projekt ihren eigenen Weg gehen“, sagt Hengelhaupt, ganz im Sinn des Schulleitsatzes „Wir beraten, orientieren und begleiten“.

Schwerpunkt Berufsorientierung

Ein anderer Leitsatz lautet: „Lernen mit Kopf, Herz und Hand.“ Den hatte bereits der Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi im ausgehenden 18. Jahrhundert formuliert.

Für Schulleiter Matthias Herpe bedeutet das, seinen mehr als 600 Schülerinnen und Schülern vor allem eine praxisnahe, intensive Orientierung in Richtung auf technische Berufe zu bieten. Von jeher liege ein Schwerpunkt auf der Vermittlung von Mathematik und Naturwissenschaften. Regelmäßig nimmt die Schule an den Mathewettbewerben Pegasus und Känguru teil, ermöglichte in Kooperation mit der Technischen Universität Hamburg Robotikkurse oder entwickelte im Rahmen der NORDMETALL-Schüler-Technik-Akademie lüttIng Laptops auf Raspberry-Pi-Basis.

Organisiert sind diese Projekte und AGs am Stübenhofer Weg als Schülerfirmen. So tragen Schülerinnen und Schüler der neunten und zehnten Klassen auch die Ver-

antwortung für den NORDMETALL Cup, das Schulrestaurant Barista, den Technikverleih- und -Wartungsservice Medien Stübi, eine Textilwerkstatt und eine Holzmanufaktur. Jeden Mittwoch arbeiten die Jugendlichen einen ganzen Tag lang an ihren Produkten. Die Fähigkeiten der Jugendlichen werden bereits im Laufe der achten Klasse in einer Potenzialanalyse genau untersucht. Ende der neunten Klasse sollte jeder einen Plan entwickelt haben, wie es nach der zehnten Klasse weitergehen wird. Dabei helfen auch Anlagen- und Betriebsbesichtigungen sowie Praktika. Bei den „Black Hawks“ ist dieser Plan aufgegangenen: Seyyid will die höhere Technikschule besuchen und anschließend Ingenieurswesen studieren. Bünjamin möchte IT-Systemelektroniker, Serhat Kriminalpolizist werden. Semanur plant, nach dem Abitur Medizin zu studieren. „Berufliche Bildung beginnt in der Schule – z. B. mit Technologiewettbewerben wie dem NORDMETALL Cup“, sagt Peter Golinski, NORDMETALL-Geschäftsführer. „Sie geben den Teilnehmenden einen praxisnahen Einblick in Fertigkeiten, Berufsbilder und Chancen, die in der Metall- und Elektroindustrie benötigt werden und gegeben sind.“

Lernen in besonderer Lage

Schulleiter Herpe hält den eingeschlagenen Weg für den einzig richtigen. „26 Prozent unserer Schülerinnen und Schüler beginnen nach der zehnten Klasse eine Ausbildung“, sagt er. Unterstützung erfährt er dabei von der Stadt. Seit Mai 2013 ist die Stadtteilschule Stübenhofer Weg Teil des Projekts „23+ Starke Schulen“, das sich die Verbesserung der Lernleistung von Schüle-

rinnen und Schülern in Stadtteilen in besonderer Lage zum Ziel gesetzt hat. „Unsere größte Herausforderung ist das gemeinsame Lernen mit so unterschiedlichen Leistungspotenzialen und unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft, wie wir sie in Kirchdorf Süd haben“, sagt Herpe. Die Lehrkräfte erhalten im Rahmen von „23+“ vielfältige Beratungs- und Fortbildungsangebote mit Hospitationen, didaktischen Trainings und schulübergreifenden Workshops, um mit dieser besonderen Herausforderung besser umgehen zu können. Schulleiter Herpe verschafft das Projekt den Freiraum, um seine Vision für die „Stübi“ kontinuierlich weiterzuentwickeln und mit Leben zu füllen. So geht auf seine Initiative zurück, dass der NORDMETALL Cup 2018 zum ersten Mal an einer der teilnehmenden Schulen ausgetragen wurde. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Seyyid, Serhat, Bünjamin und Semanur hat ihr Engagement den sechsten Rang und damit einen Ehrenplatz in der Stübi-Teamgalerie eingebracht. BiB

Web-TV-Tipp:

Mehr über berufliche Bildung in der Metropolregion Hamburg erfahren Sie im Web. In der Sendung „Standpunkte TV“ vom 28. März 2018 diskutieren unter anderen NORDMETALLGeschäftsführer Peter Golinski, Jungheinrich ­Ausbildungsleiter Holger Ernst und HIBB ­ Geschäftsführerin Dr. Sandra Garbade über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen. Mehr unter: www.nordmetall.de/das-machen-wir/presse-und-oeffentlichkeitsarbeit/standpunkte-tv

Fotos: Alexander Spiering
Zaryab bezeichnet sich selbst als „Schrauber“. Der Zehntklässler ist im „Medien Stübi“ aktiv. Jetzt kommt es auf die richtigen Worte an: Das Team „Black Hawk“ –v. l.: Seyyid, Semanur, Bünjamin und Serhat – trifft am Team-Stand auf die Jury.
18 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 19 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL
Schulleiter Matthias Herpe sieht viel Potenzial seiner "Stübi"-Schüler in technischen Fertigkeiten.

Ein Drahtseilakt für die „Peking “

Der legendäre Frachtsegler aus dem Jahre 1911, der in zwei Jahren für immer neben der Elbphilharmonie festmachen soll, wird renoviert, braucht eine neue Takelage. Ein Job für die Experten im Hamburger Hafenmuseum.

Es riecht nach geräuchertem Schinken. Ungewöhnlich, denn Fleisch ist im historischen Schuppen des Hafenmuseums Hamburg nirgendwo zu sehen. Stattdessen Spannschrauben, Marlspieker, Presshülsen, große Holz hämmer und vor allem 4. 500 Meter „stehendes Gut“. So heißen im Seemannsdeutsch die Drahtseile, mit denen ein Mast verspannt wird. „Und diese Seile müssen bluten“, erklärt Katja Schroeder. Die Bootsbauerin zieht fest an den schweren Seilen, ihre

Hände sind verschmiert. Eigentlich müsste sie schwitzen bei diesem Kraftakt, aber die Kälte in der Halle verhindert es. In der vergangenen Woche war ihr Trinkwasser noch eingefroren, an diesem Sonntag sind die Temperaturen etwas angenehmer.

Wenn ein Seil blutet, quillt das Labsal heraus, mit dem man es zuvor eingeschmiert hat, und dann weiß Katja

Schroeder: Nun habe ich kräftig genug zugezogen. Labsal ist ein Anstrichmittel aus Teer, das der Takelage als

Konservierung dient. 40 Jahre lang kann stehendes Gut, das auf diese traditionelle Art behandelt wurde, Wind und Wetter standhalten.

Moderne Drähte werden bei der ersten Roststelle aussortiert. Außerdem riechen sie nicht so köstlich nach Schinken. Der Geruch kommt nämlich von dem Labsal, lernen die Besucher, die an diesem Nachmittag den TakelExperten über die Schulter schauen dürfen. Geschichte zum Zuschauen, und ein Mythos zum Anfassen.

20 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 21 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL
Rolling home: Die „Peking“ vor rund 100 Jahren unter vollen Segeln in der Elbmündung. Foto: Werk (l.) Roland Magunia/ Hamburger Abendblatt

Die Takelage, die hier am Bremer Kai des Hansahafens restauriert wird, gehört zur „Peking“, dem legendären Frachtsegler, der Ende Februar 1911 bei Blohm & Voss vom Stapel lief. Viele Jahre lang fuhr die „Peking“ immer um Kap Hoorn herum nach Chile, um Salpeter zu holen, den begehrten Rohstoff für die Herstellung von Dünger und Sprengstoff.

30 Mann Besatzung für 32 Segel. Keine Maschinen, 60 Hände und ein Teamgeist. „Wir wollen den Mythos nicht überstrapazieren, aber das alte Handwerk, das wir hier zeigen und weitergeben, das würde sonst verloren gehen“, sagt Schroeder.

Die Arbeiten, die sie und das deutsch-dänische Team hier vorführen, fanden das letzte Mal vor 20 Jahren am Schwesterschiff „Passat“ statt. Solche Einsätze sind selten, weshalb es selbst in den Küstenländern mittlerweile kaum noch Menschen gibt, die diese ungewöhnliche Handwerkskunst beherrschen.

Glücklicherweise aber immer mehr, die sie lernen wollen. „Die meisten jungen Leute hatten bislang nur Joysticks in der Hand, aber das langweilt auf Dauer. Die

wollen lieber wissen, wie man einen Sturm übersteht“, sagt Helle Jespersen aus Kopenhagen. Die dänsiche Schiffbauerin trägt einen Totenkopfschal um den Hals und das Herz am rechten Fleck. Sie hat schnell Fans unter den Zuschauern.

„Kann ich hier ein Praktikum machen?“, fragt ein junger Mann. Der 28-jährige Constantin vom Brock begann seine Ausbildung als Bootsbauer im vergangenen Jahr, doch was hier entstehe, das sei so besonders, da würde er gerne ein Teil von sein.

Doch die Besucher sehen nicht nur das Gestern, an dem vor ihren Augen gearbeitet wird, sondern genauso ein Stück Zukunft. Die Takelage stellt den ersten sichtbaren Baustein des neuen Hafenmuseums in Hamburg dar; die „Peking“ soll, wenn sie fertig ist, das Glanzstück dieses Riesenprojekts werden.

120 Millionen Euro hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags für die Errichtung des Museums, das die herausragende Funktion der deutschen Häfen darstellen soll, bereits bewilligt. 26 Millionen Euro davon waren für die Überführung der „Peking“ aus New York (dort lag sie zuletzt als Museumsschiff)

nach Deutschland vorgesehen sowie für die aktuellen Sanierungsarbeiten an der Viermast-Stahlbark, die auf der Peters Werft in Wewelsfleth stattfinden.

2025 soll das neue Museum voraussichtlich eröffnen, Hunderttausende Besucher werden pro Jahr erwartet. Allerdings ist bislang noch nicht ganz klar, wo es in Hamburg gebaut wird.

„Ich fand es schade, dass die Öffentlichkeit außer den Standortdiskussionen vom Deutschen Hafenmuseum bislang nichts mitbekommen hat“, sagt Carsten Jordan, der seit Anfang des Jahres das Hafenmuseum leitet.

„Also haben wir unsere Türen geöffnet, damit alles etwas lebendiger wird.“

Der 44-jährige Historiker arbeitete zuvor für die Reederei Hamburg Süd, er hat ein Gefühl für außergewöhnliche Schiffe und ihre Ausstrahlungskraft. „Die Peking fasziniert so sehr, weil sie die Krönung der Segelschifffahrt darstellte“, sagt Jordan. „Sie gehörte zu den Besten und Schnellsten. Mit ihr ging eine Ära zu Ende.“

Die Idee mit dem Besuchertag kommt prima an. „Ganz cool, anderen bei der Arbeit zuzuschauen“, sagt ein junger Mann, der vorn am Eingang einen Kaffee trinkt. Hinter ihm strömen immer neue Besucher in die rund 2 .500 Quadratmeter große Halle.

Selbst erfahrene Takel-Experten wie Olini Dam (oben rechts), Jochen Gnass (rechts Mitte) sowie Carla Enchelmaier und Magnus Bisgaard (rechts unten) konnten bei dem ungewöhnlichen Einsatz für die „Peking“ noch einiges lernen.

„Das hätte ich nicht gedacht, dass das heute so voll wird“, sagt Jochen Gnass, der das Projekt im Auftrag der Stiftung Hamburg Maritim betreut. Seit 35 Jahren arbeitet Jochen Gnass als Takler, aber so viele Zuschauer hatte er noch nie.

Als kleiner Junge in Övelgönne lief er schon immer zu den Seeleuten, um alles über die Schiffe zu lernen, die an der Elbe an ihm vorbeisegelten. Nun beantwortet er geduldig selbst die zahlreichen Fragen, die die großen und kleinen Besucher stellen. Wie lang die „Peking“ ist beispielsweise. „Ein bisschen länger als der Michel.“ Wie viel sie transportieren konnte? „Die Ladung würde heute 382 Eisenbahnwaggons füllen.“

Ein Steuerberater aus Hamburg-Lokstedt lächelt. Er hat bereits mit der „Seacloud“ den Atlantik überquert, 20.000 Kilometer im Kanu zurückgelegt und mit seinen Enkeln diverse Male das Maritime Museum besucht. Und nun so nah dran an einem legendären Segelschiff: Das scheint Detlev Heubel sehr glücklich zu machen. „Es ist schön, es ist romantisch. Und so, wie die Seile hier liegen, so muss es damals auf der Reeperbahn ausgesehen haben, wo sie geflochten wurden.“ YW

Teamwork: Helle Barner Jespersen (links) aus Kopenhagen und ihre deutsche Kollegin Katja Schroeder.
„Die Peking gehörte zu den Besten und Schnellsten.“
22 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 23 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL
Fotos: Roland Magunia/Hamburger Abendblatt

Kontergewichte 1974

Eisengießerei Dinklage

Es wirkt wie ein kleiner Vulkanausbruch: Rauch steigt auf, es glüht orange-rot und die Luft riecht nach geschmolzenem Metall. Allerdings spielt sich dieses Szenario nicht in Italiens Gebirgsketten ab, sondern gleich um die Ecke in Niedersachsen. Die Eisengießerei in Dinklage ist die einzige ihrer Art im Norden Deutschlands.

In dem 146-Personen-Betrieb werden Gegengewichte, sogenannte Kontergewichte, hergestellt. Sie sorgen dafür, dass Krane, Gabelstapler, Bagger oder Rohrleger nicht nach vorn kippen, wenn sie ihre Lasten transportieren. Wer jetzt denkt, man schütte etwas Stahl- und Eisenschrott, Kalkstein und Zuschlagstoffe in den 1.450 Grad heißen Schmelzofen und fertig ist die Schmelze, der irrt. Das exakte Mischungsverhältnis aller Elemente ist entscheidend für die Qualität der Gewichte, die am Ende bis zu zehn Tonnen wiegen können. Jeden Morgen wird im Dinklager Werk der sechs Meter hohe Kaltwind-Kupolofen angeheizt. Ein Vorgang, der gut zwei Stunden dauert, dafür ist der Ofen dann aber auch bis zur letzten Schicht gegen 22 Uhr durchgehend in Betrieb. Geschäftsführer Björn Ploch erklärt den Ablauf: „Anders als bei Hochöfen wird hier nicht in regelmäßigen Abständen abgestochen, sondern der Schmelzvorgang verläuft kontinuierlich. Pro Tag laufen so bis zu 160 Tonnen Eisen aus dem Ofen. Direkt neben dem Ofen steht eine schwere Pfanne, die sich langsam mit flüssigem Eisen füllt. Sobald eine Pfanne voll ist, muss gegossen werden.“

Dafür wird die Schmelze von Schlacke befreit und in eine cirka zwei Meter hohe Form gegossen. Es ist ein

bisschen wie beim Sandkuchen-Backen aus der Kindheit: Für die Produktion nimmt man – vereinfacht gesagt –ein Modell der Kontergewichte in Originalgröße. Dieses wird in einen speziellen Formsand gedrückt, wodurch eine Halbform mit Hohlraum entsteht, in den später das flüssige Metall gegossen werden kann. Genauso verfährt man mit der Unterseite des Modells. Die beiden Hälften werden aufeinandergepresst und mit der flüssigen Schmelze gefüllt. Nach dem Erstarren der Schmelze, das bis zu 96 Stunden dauern kann, wird die Sandform zerschlagen, und zurück bleibt das fertige Gewicht. In der Praxis ist es natürlich nicht ganz so simpel, vor allem, wenn die Gussstücke exakte Strukturen haben sollen.

„Wir haben mittlerweile mehr als 140 Modelle im Programm“, erklärt Ploch. Die meisten sind in ihrer Form so perfekt an das Heck der Stapler und Bagger angepasst, dass der Laie sie überhaupt nicht wahrnimmt.“

Produziert wird im 3-Schicht-Betrieb. Das Produktportfolio des mittelständischen Unternehmens umfasst neben Formen, Gießen und Guß-Nachbearbeitung auch die mechanische Bearbeitung auf modernen NC-Bearbeitungszentren sowie Oberflächenfinish mit auftragsindividueller Farbgebung. AF

Made in Germany Northern
Foto: Gießerei Dinslaken 25 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL

Menschen und Meldungen

Stipendiatenbesuch

51 Stipendiaten der Stiftung der deutschen Wirtschaft trafen sich Ende April im NORDMETALL-Tagungshotel Hasenwinkel, um Herausforderungen und Chancen der deutschen Wirtschaft bis 2025 kennenzulernen. Das einwöchige Seminar im Mecklenburger Herrenhaus

Hybridfähre nach Norderney

Abgase sind auf Norderney kein Problem: die meiste Zeit ist Autofahren dort verboten. Nun wird auch die Anreise noch sauberer. Die AG Reederei Norden-Frisia hat die Pella Sietas Werft mit dem Bau einer umweltfreundlichen Inselfähre mit Hybridantrieb beauftragt. Ein Teil der Antriebsleistung kommt als Strom aus Batterien, die Restwärme wird genutzt und die Bordbeleuchtung funktioniert mit energiesparenden LEDs. Außerdem wird die Fähre mit modernster Technik zur Emissionsminderung ausgerüstet. „Wir freuen uns sehr über den Auftrag einer so traditionsreichen Reederei wie der AG Norden-Frisia“, sagt Natallia Dean, Geschäftsführerin von Pella Sietas. DJ

Mobilität

für Land und Luft

Erst über den Feierabendstau einfach hinwegfliegen, dann die letzten Straßenkilometer nach Hause chauffiert werden – das ist keine ferne Zukunftsvision mehr! Rein elektrisch angetriebene und autonom gesteuerte Fortbewegungsmodule werden bei Airbus, der VW-Tochter Italdesign und Audi konkret geplant. Kernstück ihrer neuen „Pop.Up Next“-Studie ist eine ultraleichte zweisitzige Passagierkabine, die mit einem Auto- oder Flugmodul gekoppelt wird. Letzteres sowie das Interieur der Kapsel kommen von Airbus, Audi steuert die Batterietechnik und die Automatisierung bei. Durch die Koppelung der spezialisierten Module wollen die Unternehmen bessere Mobilität erreichen als mit einem Fahrzeug, das alle Fortbewegungsarten vereint. DJ

Chancen verdoppelt

„Du bist spielentscheidend!“ – unter diesem Motto bietet STILL zukünftig deutlich mehr jungen Menschen eine hochwertige Berufsausbildung. Zum Ausbildungsbeginn 2018 verdoppelt der Intralogistik-Anbieter die Ausbildungskapazitäten in seinen Niederlassungen. 40 neue Azubis machen dort zukünftig jährlich ihren Aufschlag im Berufsbild Mechatronik. In den nächsten Jahren wird STILL damit seine bundes-

weiten Mechatronik-Ausbildungskapazitäten auf 160 Azubis erhöhen. Mit den Kapazitäten am Hamburger Stammhaus bildet STILL insgesamt über 260 junge Fachkräfte in zwölf Berufen aus. „Mit der Erweiterung wollen wir dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenwirken“, so STILL Arbeitsdirektor Thorsten Hofmann , „schließlich ist der Nachwuchs für unsere Zukunft spielentscheidend.“ DJ

wurde unterbrochen von einer Exkursion nach Lübeck zum Industriearmaturenhersteller Mankenberg und von einem Hamburg-Besuch: Im Haus der Wirtschaft diskutierten die Stipendiaten mit NORDMETALL-Hauptgeschäftsführer Dr. Nico Fickinger und Referenten des Verbandes wie Imke Kuhlmann (Berufsbildung und Arbeitsmarkt), bevor es zur Hafenrundfahrt an die Elbe ging. Luc

Fotos: Italdesign, STILL GmbH Fotos: Elias Küpper/ RWTH Aachen, Pelle Sietas
26 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 27 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL

Menschen und Meldungen

4 Werften für Schiffe 5

Fünf neue Korvetten will die Marine haben. Das führte erst zu Diskussionen zwischen den norddeutschen Werften, jetzt aber werden alle am Auftrag beteiligt. Die festgelegte Arbeitsteilung sieht vor, dass die vorderen Teile von zwei der fünf Schiffe German Naval Yards in Kiel fertigt. Den Rest übernehmen Unternehmen der Lürssen-Gruppe: Drei Vorderteile kommen von Lürssen aus Bremen, die hinteren Teile von der Wolgaster Peene-Werft. Der „Hochzeitsstoß“ genannte Zusammenbau, die Endausstattung, Erprobung, Inbetriebnahme und Übergabe erfolgen bei Blohm + Voss in Hamburg. DJ

Elektromobilität schafft Arbeitsplätze

Manche orakeln über einen drohenden Wegfall Tausender Arbeitsplätze durch die Elektromobilität, bei Mercedes passiert das Gegenteil. Im Bremer Mercedes Werk werden 180 neue feste Stellen geschaffen. „Unsere Produktion läuft auf Hochtouren und gleichzeitig bereiten wir uns auf die Serienproduktion des EQC vor“, erklärt der Standortverantwortliche Peter Theurer. „Dies ist im Wesentlichen der Verdienst unserer hoch motivierten und kompetenten Mannschaft. Mit der Qualifizierungsoffensive zur Vorbereitung auf Zukunftstechnologien und Elektromobilität sowie den 180 neuen Jobs machen wir uns weiterhin fit für die Zukunft.“ Letztes Jahr wurde das Werk mit dem Automotive Lean Production Award und dem Industrial Excellence Award für seine Serienproduktion und innovativen Herangehensweisen ausgezeichnet. Die Erfolgsstory scheint also unverändert weiterzugehen. DJ

Termine von NORDMETALL, NORDMETALL-Stiftung und AGV NORD

Mitgliederversammlung, Treffen zum Netzwerken, Informationsveranstaltungen zu Arbeitsrecht, Bildungsfragen oder der Stiftungsarbeit — die norddeutschen Industrieverbände NORDMETALL und AGV NORD sowie die NORDMETALL-Stiftung bieten ein reichhaltiges Angebot.

Nähere Informationen zu Anmeldung, Ablauf, Referenten, kurzfristigen Änderungen oder weitere Termine finden Sie auf unserer Homepage unter www.nordmetall.de/veranstaltungen.

Mai

29.05.2018 Informationen zum Manteltarifvertrag

30.05.2018 Global Mobility

„Steuerrechtliche Aspekte des internationalen Mitarbeitereinsatzes“

NORDMETALL Bremen NM/AGV (Tarifrecht)

NORDMETALL Hamburg NM/AGV (Sozialpolitik/Arbeitsrecht)

31.05.2018 Informationen zum Manteltarifvertrag II NORDMETALL Bremen NM/AGV (Tarifrecht)

Juni Termine

05.06.2018 Informationen zum Manteltarifvertrag NORDMETALL Hamburg NM/AGV (Tarifrecht)

05.06.2018 Informationen zu Teilnovellierungen der M+E­Berufe (Digitalisierung)

Technisches Bildungszentrum Bremen NM (Bildung)

07.06.2018 Informationen zum Manteltarifvertrag II NORDMETALL Hamburg NM/AGV (Tarifrecht)

12.06.2018 Psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt –was Arbeitgeber tun können

13.06.2018 Informationen zu Teilnovellierungen der M+E­Berufe (Digitalisierung)

14.06.2018 Mitgliederversammlung und Vorstandssitzung NORDMETALL

20.06.2018 Treffpunkt nordbildung – „Start­ups treffen die Metall­ und Elektroindustrie“

21.06.2018 Informationen zu Teilnovellierungen der M+E­Berufe (Digitalisierung)

24.06.2018 Kinder­ und Familienfest im Rahmen der Festspiele Mecklenburg­Vorpommern

25.06.2018 Informationen zu Teilnovellierungen der M+E­Berufe (Digitalisierung)

28.06.2018 Girls’ Day – Abschlussveranstaltung

NORDMETALL Hamburg NM/AGV (Arbeitsorganisation)

Handelskammer Hamburg NM (Bildung)

Meyer Werft Papenburg Papenburg NM

Startup Dock Hamburg­Harburg NM (Bildung)

Berufliche Schule Rostock NM (Bildung)

Schlosshotel Hasenwinkel Hasenwinkel NORDMETALL­Stiftung

Regionales Berufsbildungszentrum Technik, Kiel NM (Bildung)

Fotos: Daimler AG, © 2014 Bundeswehr / Matthias Letzin
Haus der Wirtschaft Hamburg NM (Bildung) 28 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 29 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL

Experten für Digitalisierung: Peter Golinski, Geschäftsführer nordbildung, Johannes Fronius, Projektreferent DigiNet.Air, Sylvia Schultz, Projektkoordinatorin DigiNet.Air und Thomas Küll, Leiter Weiterbildung bei NORDMETALL (v.l.n.r.).

Folge 52: Projekt DigiNet.Air

Nahe am Überschall in fast 10.000 Metern Höhe mit hunderten von Menschen an Bord – kaum irgendwo sonst sind hohes Tempo und neue Technologien so gefragt, wie in der Luftfahrtbranche. Die Digitalisierung beschleunigt die Prozesse noch stärker, eine Herausforderung besonders für kleine und mittlere Unternehmen. NORDMETALL s Bildungsverbund nordbildung hat sich zur Unterstützung solcher KMU mit sechs Partnern zusammengetan: Das Projekt „Netzwerk Digitales Lernen in der Luftfahrtindustrie der Metropolregion Hamburg“, kurz DigiNet.Air, will helfen, um mit passend qualifizierten Fach- und Führungskräften die Digitalisierung zu meistern. „Aktuell erfassen wir in vielen Gesprächen mit den Unternehmen deren Bedarfe und Erwartungen“, berichtet Sylvia Schultz, Projektkoordinatorin DigiNet.Air bei nordbildung. „Wir analysieren, was DigiNet.Air tun kann, um für die Zukunft den passgenauen Einsatz von Digitalisierung und Industrie 4.0 in den Betrieben voranzutreiben.“ Dazu stehen neben der Expertise aus Wirtschaft, Verbänden und Bildung auch mehrere Technologie-Demonstratoren bereit.

„Welche Unterstützung braucht der Ausbildungsbereich, um die Azubis einzubinden und deren Digitalkompetenz zu nutzen? Was für Fortbildungen machen Fachkräfte fit für die Digitalisierung? Wie können Führungskräfte den Prozess erfolgreich steuern? Diese Fragen wollen wir mit Ihnen beantworten und so zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildungsmodule entwickeln“, erklärt Sylvia Schultz. Sie und ihr Kollege Johannes Fronius suchen dafür KMU, die an dem vom Bundesministerium für Forschung und Entwicklung und der EU mit fünf Mil lionen Euro geförderten Projekt teilnehmen wollen. DJ

Kontakt:

Weitere Informationen auf www.diginetair.de und bei

Sylvia Schultz

Tel.: 040 6378 ­ 4209 schultz@nordbildung.de

Duale Ausbildung

Die Perspektive der Schulabgänger

DES MONATS

Würden Sie einen Schulabgänger in Ihre betriebliche Ausbildung aufnehmen, bei dem vorher nicht klar ist, ob er Ihnen später als Facharbeiter oder als Hochschulabsolvent (Bachelor) zur Verfügung steht?

35%

65% NEIN JA

Genug Praxis durch das duale Studium

Berufsausbildung notwendig oder genügt dafür beispielsweise auch ein duales Studium, wie es Nordakademie, HAW* oder HSBA** anbieten? (Angaben in Prozent)

15

20 25

Zusätzliche duale Ausbildung halten wir für notwendig

Mit dem aktuellen dualen Studium sind wir zufrieden

Illustration: Maren Spreemann GRAFIK

Duales Studium nutzen wir derzeit nicht

Administration
Quelle: NORDMETALL AGV NORD *Hochschule für Angewandte Wissenscha en Hamburg ** Hamburg School of Business
50 25 25 65 45
30
Ja Nein keine Angabe
Umfrage unter Hamburger NORDMETALL- und AGV NORD-Mitgliedsunternehmen
Digitalisierung für den Mittelstand
Foto: Niels Kreller 30 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 31 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL
MEHRWERT VERBAND

AUS DER HAUPTSTADT

im Einsatz für die Unternehmen

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) setzt sich seit über 17 Jahren für ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ein, das auf Freiheit und Verantwortung fußt. Getragen wird das Engagement von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie, darunter auch NORDMETALL. Hier berichten wir über die aktuelle Arbeit.

INSM lässt beim „Soli“ nicht locker

Uns geht es gut. Uns geht es auch immer besser. Diese Entwicklung in Deutschland veranschaulicht die zweite Ausgabe von „Wohlstand in Zahlen – Eine Bilanz.“ Die Sammlung wartet mit teils überraschenden Daten mitten aus dem Leben auf und deckt die Bereiche Konsum, Gesellschaft und Arbeit ab. Die Daten belegen, dass sich Deutschland dank der Sozialen Marktwirtschaft gut entwickelt hat. Darauf dürfen wir alle zu Recht stolz sein. Dieser Blick zurück hilft uns, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen, denn Deutschland kann mit mehr Sozialer Marktwirtschaft noch besser werden. Daran wollen wir alle gemeinsam arbeiten. Wie viel schneller findet heute ein Arbeitsloser eine neue Stelle als vor 20 Jahren? Wie viele Frauen arbeiten in Teilzeit, und wie haben sich die Einkommen seit Mitte der 90er-Jahre verändert? Sie wollen es wissen? Dann bestellen Sie kostenfrei eine Ausgabe von „Wohlstand in Zahlen“ unter www.insm. de/publikationen

Entgegen der aktuellen Planung der Bundesregierung, fordert die INSM die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle bis Ende 2019. Dafür bekommt sie jetzt neuen Rückenwind.

Prof. Dr. Hanno Kube

(r.), Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht der Universität Heidelberg, kommt in einem von der INSM beauftragten Rechtsgutachten zu dem Schluss, dass die Pläne der Großen Koalition, den „Soli“ für einen Teil der Steuerzahler beizubehalten, verfassungswidrig sind. Bereits die Tatsache, dass die Entlastung für Einkommensbezieher bis schätzungsweise 61.000 Euro/Jahr erst ab 2021 geplant ist, sieht Kube kritisch: Die Abschaffung des „Soli“ sei schon ab dem Auslaufen des Solidarpakts II Ende 2019 verfassungsrechtlich geboten. Zudem hält der Rechtsexperte die einkommensabhängig gestaffelte Entlastung des Solidaritätszuschlags für verfassungswidrig, da der „Soli“ als Ergänzungsabgabe nur durch einen besonderen Mittelbedarf des Bundes zu rechtfertigen sei – und nicht als Umverteilungsinstrument genutzt werden dürfe. Das Gutachten wurde am 23. April bei einer Pressekonferenz der INSM den Hauptstadt-Journalisten vorgestellt und von Prof. Kube erläutert. Die INSM wird sich auch weiterhin für eine Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung von Bürgern und Unternehmen einsetzen.

WIRTSCHAFTSZITAT

„Innovation macht den Unterschied zwischen einem Anführer und einem Anhänger aus.“
„Wohlstand in Zahlen“ –Erfrischende Fakten zum guten Leben in Deutschland
Foto: imago
Die 32 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 33 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL

Zwei Menschen, zwei Sichtweisen: Katja Suding (42) und Marcus Weinberg (50), Familienpolitiker der FDP­ und CDU/CSU­Bundestagsfraktion, trafen sich auf STANDPUNKTE­

Einladung in einem Hamburger Restaurant, um über die politischen Herausforderungen im Bereich Familien, Senioren, Frauen und Jugend zu debattieren.

Marcus Weinberg

… ist Hamburger, schloss dort 1997 sein Lehramtsstudium der Geschichte, Sozial­ und Erziehungswissenschaften ab und arbeitete als Lehrer an einer katholischen Schule im Stadtteil Wilhelmsburg. Für die CDU Altona wurde er 2001 in die Bürgerschaft, dann 2005 in den Bundestag gewählt. Er führte den Hamburger CDU ­ Landesverband zwischen 2011 und 2015, seit 2014 ist der Vater eines Sohnes familienpolitischer Sprecher der CDU/CSU ­ Bundestagsfraktion.

Standpunkte: Familienpolitik war in der letzten Wahlperiode ja sehr stark vom Thema ‚Vereinbarkeit von Familie und Beruf‘ geprägt. Werden unter der neuen Ministerin Franziska Giffey, die bisher SPD-Bezirkschefin im Berliner Problemkiez Neukölln war, nun Integrations- und Migrationsfragen in den Mittelpunkt rücken?

Weinberg: Richtig ist, dass die Familienpolitik und die Vereinbarkeit Familie und Beruf seit 2005 Schwerpunkte sind. Wir setzen das im Koalitionsvertrag für die kommenden Jahre fort, etwa mit dem Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich oder den Maßnahmen zur Steigerung

der Kita-Qualität. Aber wir ergänzen diesen Fokus jetzt verstärkt um Themen wie Kinderarmut, Kinderschutz oder Integration.

Standpunkte: Also ein Weiter-So mit den unübersichtlichen Förderkatalogen, die nun noch um Punkte für Geringverdiener oder Zuwanderer ergänzt werden?

Weinberg: Nein, wir überprüfen wo es Fehlsteuerungen gibt. Zum Beispiel ergibt eine Entbürokratisierung des Elterngeldes Sinn. Schlechterstellungen für diejenigen, die nicht nur Einkommen durch nichtselbstständige sondern parallel durch selbstständige Arbeit haben, müssen abgebaut werden. Die Herausforderungen der Digitalisierung nehmen wir an, wir fördern die frühzeitige Rückkehr in die Erwerbstätigkeit.

Suding: Ich glaube nicht, dass das reicht. Wir brauchen eine grundsätzliche Debatte darüber, was die Ziele der Familienpolitik sein sollen. Das Handeln der Bundesregierung braucht klare Maximen und nicht eine weitere Maßnahmeninflation. Nehmen Sie das Elterngeld Plus, das zwar in die richtige Richtung weist, aber Schwachstellen hat: Geringverdiener werden eher abgehalten, frühzeitig wieder in den Job zurückzukehren. Das hat die Bundesregierung selbst festgestellt. So werden gerade Frauen eher ferngehalten vom beruflichen Aufstieg, das ist eine echte Fehlsteuerung und nicht nur ein Bürokratieproblem.

Weinberg: Da gibt es mehrere Faktoren, die das bewirken. Grundsätzlich muss doch gel-

Katja Suding

… wuchs im niedersächsischen Vechta auf, schloss in Münster ihr Studium der Kommunikations­ und Politikwissenschaften sowie der Romanistik ab und arbeitete seit 1999 in Hamburg im Marketingbereich. 2011 und 2015 führte sie die FDP als Spitzenkandidatin in die Hamburgische Bürgerschaft, 2013 wurde sie in das FDP­ Bundespräsidium gewählt. Seit Herbst 2017 ist die zweifache Mutter Bundestagsabgeordnete, stellvertretende Vorsitzende sowie Vorsitzende des Arbeitskreises I der FDP­ Bundestagsfraktion, der neben Bildung und Forschung auch die Familienpolitik umfasst.

Fotos: Christian Augustin
34 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 35 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL

ten: Wir brauchen Anreizsysteme, die die Menschen in ihrer jeweiligen Lebenssituation ansprechen und ihr jeweiliges individuelles Familienmodell stärken. Wir wollen gemeinsam die Freiheit der Familien stärken. Suding: Das ist mir zu dünn. Die CSU stärkt mit dem Betreuungsgeld die traditionelle Mutterrolle und hält gerade Frauen mit Migrationshintergrund so von vernünftiger Integration ab. Die Bürokratie ist so gewuchert, dass man zum Ausfüllen der Elterngeld-Anträge ein Hochschulstudium braucht. Und sie ziehen sich auf die ‚Freiheit der Familie‘ zurück – da fehlt die stringente Linie. Wir brauchen zum Beispiel dringend eine Debatte, wie wir Familien ohne oder mit schwachen Deutschkenntnissen motivieren, ihre Kinder stärker an frühkindlicher Bildung teilhaben zu lassen. Elternhaus und späterer Bildungserfolg hängen immer noch viel zu sehr zusammen. Fast 200 Milliarden Euro für familienpolitische Leistungen ausgeben, trotzdem Kinderarmut beklagen und dann die Kinderzuschläge nicht einkommensgerecht zu gestalten, da stimmt was nicht.

Standpunkte: Fehlt der Großen Koalition die große Linie in der Familienpolitik?

Weinberg: Nein. Mehr finanzielle Sicherheit, mehr Zeit für die Familie und eine gute Infrastruktur bilden diese Linie. Die Entbürokratisierung des Elterngeld-Plus-Systems wird die Freiheit der Familien genauso stärken wie die Bekämpfung der Kinderarmut. Der Ausbau der Kindertagesbetreuung dient

Engagierte Debatte: Die Bundestagsabgeordneten Katja Suding und Marcus Weinberg trafen sich in der Bel Étage des Café Paris in Hamburg.

im Übrigen auch der Wirtschaft: Gerade Alleinerziehende, meist Frauen, können sich so viel besser wieder in den Arbeitsmarkt integrieren und eigenes Geld verdienen. Es wird gerne gesagt, jedes Kind soll staatliches Geld für einen neuen Ranzen am Anfang des Schuljahres bekommen. Wir sagen, es ist wichtiger, dass die Eltern den Ranzen selber bezahlen können. Es muss die erste Priorität sein, Familien in die Situation zu versetzen, dass über Erwerbstätigkeit das Familieneinkommen steigt.

Suding: Also da wünsche ich mir, dass die große Koalition mutiger wird: Eine Diskussion über das liberale Bürgergeld, mit dem Transferleistungen transparent zusammengefasst werden, die wäre zum Beispiel sinnvoll. Stattdessen streitet die GroKo über ein solidarisches Grundeinkommen, das für eine kleine Gruppe von Langzeitarbeitslosen steuerfinanzierte Jobs auf einem künstlichen Arbeitsmarkt schaffen würde. Das funktioniert nicht.

Standpunkte: Sind die Unterschiede zwischen den erreichten Einigungen am Ende der Jamaika-Sondierungen und dem, was jetzt im Koalitionsvertrag steht, eigentlich so groß?

Suding: Wir waren dabei, deutlich mehr Geld für die Priorität Qualität in Kitas durchzusetzen, auch beim Personal. Jetzt geht es vor allem um Beitragsfreiheit.

Weinberg: Für die SPD war ein Prioritätsthema, dass Bildung von Anfang an kosten-

frei sein muss. Ich hätte mir das anders gewünscht, ich stehe für einen Qualitätsausbau.

Standpunkte: Lassen Sie uns mal zum Thema Rückkehrrecht in Vollzeit kommen. Was die Große Koalition hier den Unternehmen zumuten will, ist letztlich doch ein Eingriff in die Personalhoheit, der nur mit Teilzeitkräften ausgeglichen werden kann, die aber auch nicht gewollt sind, oder?

Suding: Das ist ein Widerspruch, auf den wir während der Jamaika-Gespräche mehrfach hingewiesen haben, ohne eine Antwort zu erhalten.

Weinberg: Die Ressource für die Familien der Zukunft ist Zeit und Zeitmanagement. Da wollen wir mehr Flexibilität ermöglichen und dennoch auch den Anforderungen der Wirtschaft entsprechen. Das ist auch ein Zielkonflikt. Die Union hat gegenüber der SPD durchgesetzt, dass kleinere Unternehmen vom Rückkehrrecht nicht betroffen sind. Das ist ein Kompromiss, wie er in der Politik oft nötig ist.

Suding: Aber das hat den Pferdefuß, dass weitere befristete Stellen geschaffen werden, was Gewerkschaften und SPD ja eigentlich nicht wollen. Das ist keine konsequente Politik.

Weinberg: Das Thema Zeitmanagement wird sowohl für Arbeitgeber wie auch für Arbeitnehmer mit Familie in Zukunft immer mehr zum Schwerpunkt werden. Homeoffice, Lebens- und Jahresarbeitszeitkonten, Flexibilisierung für Produktionsprozesse, aber eben auch Flexibilisierung der Lebensprozesse für Familien – all das wird sich nur mit neuen Ideen regeln lassen, an deren Ende Kompromisse stehen müssen.

Suding: Die Digitalisierung bietet hier eine Menge neue Chancen. Aber dafür müsste die Große Koalition endlich den Netzausbau erfolgreicher vorantreiben. Und wir müssen unsere Arbeitszeitregeln modernisieren: Die FDP setzt sich für eine wöchentliche Höchstarbeitszeit ein, damit hier mehr Flexibilität möglich wird.

Weinberg: Das unterstütze ich, wir werden das in der Koalition diskutieren. Aber als Familienpolitiker sage ich auch: Es muss auch feste Ruhezeiten geben, zum Beispiel den Sonntag als klassischen Familientag. Ansonsten

können auch Flexibilisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt zur Überforderung werden.

Standpunkte: Was kann Familienpolitik tun, gerade Mädchen und Frauen mehr für Technikberufe zu interessieren, wie es NORDMETALL seit Jahren mit vielen Projekten versucht?

Suding: Ich glaube, das Problem fängt in Kita und Grundschule an: Wir brauchen mehr Männer als Erzieher und Grundschullehrer, um festgefahrene Rollenbilder aufzubrechen. Ich war ja auf einer katholischen Mädchenschule, ich habe diese Rollenbilder nicht gelernt, deshalb gab es bei uns auch mehr Mädchen, die Physik und Mathe mochten …

Weinberg: Da sind wir gesamtgesellschaftlich noch nicht erfolgreich genug, das stimmt. Deshalb müssen wir dranbleiben am Aufbrechen klassischer Rollenmodelle und Berufsbilder. Die Politik muss da noch intensiver mit Verbänden wie NORDMETALL in guten Initiativen zusammenarbeiten.

Standpunkte: In der europäischen Politik wird diskutiert, ob man familienpolitische Leistungen gegenüber Zuwanderern kürzt oder mindestens an den Nachweis der Teilnahme bei Integrationsmaßnahmen knüpft. Was halten Sie davon?

Weinberg: Wir brauchen mehr Anreize, damit gerade Familien mit Migrationshintergrund Angebote zur frühkindlichen Bildung oder für Sprachförderung annehmen. Das braucht mehr Verbindlichkeiten als bisher, wobei man sehr genau überlegen muss, ob und welche Restriktionen wirklich realistisch durchsetzbar sind.

Suding: Familienpolitik als Sanktionspolitik wird nicht funktionieren. Aber mehr Anreize schaffen, damit Integration gelingt und das auch mit Leistungen zu verbinden, das können schon Elemente einer modernen Einwanderungspolitik sein. Und die brauchen wir dringend.

Standpunkte: Wir danken Ihnen für das Gespräch. Luc

„Wir brauchen mehr Männer als Erzieher und Grundschullehrer, um festgefahrene Rollenbilder aufzubrechen.“
Foto: Christian Augustin 36 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 37 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL

Nachwuchs für den fliegenden Wal

Der Erstflug im September 1994 war eine kleine Sensation, zu der etliche Flugzeug-Fans aus ganz Europa nach Hamburg reisten. Sie wollten mit eigenen Augen den neuen Transporter sehen, den Airbus für die Verschickung von Flugzeugteilen gebaut hatte. Und weil die Maschine auf Basis des Airbus A300 an einen dicken Wal erinnerte, wurde der fliegende Riese auf den Namen „Beluga“ getauft. Jetzt bekommt der fliegende Wal Nachwuchs. Die „Beluga XL“ ist mit ihren 63 Metern noch mal sechs Meter länger als das alte Modell und einen Meter breiter. Daher hat sie ausreichend Platz für zwei große A350-Tragflächen; ihre Vorgängerin schaffte nur eine. Auch die Nutzlast wurde erhöht. Früher lag sie bei 47 Tonnen, nun sind es 53 Tonnen. Das maximale Startgewicht der Maschine liegt bei 227 Tonnen. Um diese Last zu stemmen, ist das auf Basis eines Airbus A330-200 entwickelte Flugzeug mit zwei mächtigen Triebwerken von Rolls-Royce ausgestattet. Sie bringen die Maschine auf eine Reisegeschwindigkeit von 850 Stundenkilometern. CvF

Foto: Airbus
39 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL

NORDAKADEMIE­Triumvirat: Prof. Dr. Georg Plate (Mitte), bis zu diesem Frühjahr 25 Jahre Spitzenrepräsentant der Hochschule, jetzt der NORDAKADEMIE­Stiftung. Christoph Fülscher (l.), Vizekanzler, Leiter IT und neues Vorstandsmitglied. Jörg Meier (r.), Kanzler und Sprecher des Vorstands.

Prof. Dr. Georg Plate Christoph

Fülscher

Johann Wolfgang von Goethe schrieb einmal: „Innerhalb einer Epoche gibt es keinen Standpunkt, eine Epoche zu betrachten.“ In der Tat macht es sich besser, auf eine Epoche zurückzublicken – oder vorauszuschauen. Und Rück- oder Ausblick sollten sich auf einen Zeitraum beziehen, der den Begriff verdient. Keine Selbstverständlichkeit in einem hektischen Zeitalter, das schon ein paar Semester oder eine politische Wahlperiode gern zur Epoche verklärt.

Die NORDAKADEMIE darf in diesen Wochen mit Fug und Recht behaupten, dass eine Epoche zu Ende gegangen ist und eine neue beginnt: Prof. Dr. Georg Plate wechselte nach 25 Jahren an der Spitze der norddeutschen Wirtschaftshochschule Nummer eins in die Führung der neugegründeten NORDAKADEMIE-Stiftung. Christoph Fülscher, Vizekanzler

und Leiter IT der Hochschule der Wirtschaft, ist neues Vorstandsmitglied geworden – ein Epochenwechsel nach einem Vierteljahrhundert Erfolgsgeschichte.

Glückwünsche vom Ministerpräsidenten

Die Akademie beging diesen historischen Einschnitt am Stammsitz Elmshorn vor ein paar Wochen mit einem großen Festakt. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther ließ es sich nicht nehmen, seine persönlichen Glückwünsche zu überbringen. Neuvorstand Fülscher, den wir wenige Tage danach auf dem gepflegten Hochschul-Campus treffen, ist sich sicher: „Die Hochschule der Wirtschaft hat sich im Norden einen erstklassigen Namen erarbeitet und sie wird das in Zukunft

BEI DEN CHEFS
TERMIN
Foto: Christian Augustin
41 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL
Jörg Meier NORDAKADEMIE

noch weit über die Grenzen Hamburgs und Schleswig-Holsteins hinaus tun.“

Der 49-jährige Wirtschaftsingenieur weiß genauestens, wovon er spricht: 1993 startete er sein Studium in der NORDAKADEMIE-Zenturie W93b. Damals war die Zukunft der Hochschule von der Wirtschaft für die Wirtschaft, die unter Federführung von NORDMETALL am Standort Pinneberg mit knapp 200 Studierenden startete, noch keineswegs sicher: „Die Demonstration 1995 vor dem Bildungsministerium in Kiel, bei der wir mit der damaligen Ministerpräsidentin Heide Simonis persönlich sprechen konnten, war eines meiner prägendsten Erlebnisse dieser Zeit“, erinnert sich Fülscher.

Die Pleite der kurzlebigen Nordischen Universität in Flensburg und Neumünster aus dem Jahre 1989 steckte den Wissenschafts-Ministerialen jener Jahre noch in den Knochen. Die Vorliebe für eine duale akademische Ausbildung mit unternehmerischem Einfluss war unter den damals an der Förde regierenden So-

zialdemokraten überschaubar. Nach einem gut dreimonatigen Verfahren war die Anerkennung dennoch geschafft:

„Ein schweres Stück Arbeit“, weiß Plate.

„Das Land stellte sehr hohe Anforderungen an die Verzahnung von Theorie und Praxis. Aber unsere intensive Konzeptarbeit, die Unterstützung von NORDMETALL und die unserer vielen Unternehmen waren am Ende erfolgreich“, sagt der heute 68-Jährige. Und verweist auf den wichtigen Beitrag im Hintergrund, den schon damals NORDAKADEMIE-Kanzler Jörg Meier leistete: „Ohne seine Beharrlichkeit wären wir nicht so weit gekommen.“ Der gelassene Meier, mittlerweile 61, übernimmt die Rolle des Vorstandssprechers und bildet nun mit dem NORDAKADEMIE-Präsidenten Prof. Dr. habil. Stefan Behringer und mit Christoph Fülscher die neue Spitze der Hochschule.

Ein Vierteljahrhundert Erfolgsgeschichte

Aller Anfang war schwer: Die Idee zum dualen Studium zwischen Unternehmen und Hochschulen stieß in den 70er-Jahren noch auf viel Skepsis. Erst als das „Stuttgarter Modell“, getragen unter anderem von Daimler-Benz und Robert Bosch, in den 80er-Jahren als Erfolg verbucht wurde, waren duale Studiengänge in der deutschen Bildungslandschaft angekommen. Dr. Georg Plate rief 1981 an der schleswig-holsteinischen Berufsakademie den dualen Studiengang Wirtschaftsingenieur ins Leben – Vorläufer der Hochschule von der Wirtschaft für die Wirtschaft NORDAKADEMIE, die 1993 startete.

Die zählt heute in fünf dualen Bachelorund 10 berufsbegleitenden Masterstudiengängen 2.200 Studierende, davon 700 auch am eleganten Elb-Standort des Hamburger Dockland. Über 800 Kooperationsbetriebe haben im letzten Vierteljahrhundert gut 5.000 Alumni aus der Hochschule übernommen – „eine bundesweite Spitzenleistung“, freut sich der zielstrebige Fülscher. Er startete seine berufliche Karriere 1999 als IT-Abteilungsleiter bei der Otto-Group-Tochter Hermes-Logistik, wirkte dann in vielfältigen Führungspositionen bei der Hörgeräte-Kette Amplifon, der Schuhhandelskette Ludwig Görtz und der Unternehmensberatung Solvie, bevor ihn die NORDAKADEMIE 2016 an Bord holte.

„Digitale Geschäftsmodelle bestimmen in Zukunft mehr und mehr die Arbeit in unseren Unternehmen, das soll in die Lehrinhalte verstärkt einfließen“, kündigt Fülscher an. Health Care und technische Informatikbereiche kann er sich als neue Potenzialbereiche vorstellen, Forschungsprojekte, die die „hervorragende Qualität“ der Hochschularbeit in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit deutlicher dokumentieren, will er verstärkt anstoßen. „E-Learning wird in der Lehre eine größere Rolle spielen müssen, passend zu den digitalen Herausforderungen, denen sich gerade die kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland zunehmend erfolgreich stellen“, skizziert er die Zukunft. Unterstützung wird er dabei vom „Akademie-Gründervater“ Plate auch künftig erhalten: „Die neu ins Leben gerufene NORDAKADEMIE-Stiftung startet mit dem Ziel, durch Projekte in den Bereichen

Nachhaltigkeit, Compliance und Kultur der Hochschularbeit noch mehr Strahlkraft zu verleihen.“ Vier Forschungsanträge sind schon genehmigt, prominente Partner auf Unternehmensseite, an der Ludwig-Maximilians-Universität München oder mit Prof. Dr. Thomas Straubhaar an der Universität Hamburg sind gewonnen. Und auch erstklassiger Kulturgenuss ist garantiert: Starklarinettistin Sabine Meyer wird im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals Anfang Juli auf dem NORDAKADEMIE-Campus Elmshorn einen Workshop für junge Musiker durchführen.

Ob Christoph Fülscher bei dem dichtgedrängten Programm in den nächsten Monaten seinem Lieblingshobby, dem Bergwandern in den Hochalpen, nachgehen kann, weiß er noch nicht. Aber wie schrieb schon Goethe: „Der Charakter ruht auf der Persönlichkeit, nicht auf den Talenten.“ Luc

…“

E-Learning wird in der Lehre eine größere Rolle spielen müssen

„Digitale Geschäftsmodelle bestimmen in Zukunft mehr und mehr die Arbeit in unseren Unternehmen, das soll in die Lehrinhalte verstärkt einfließen.
42 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 43 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL
Foto: Christian Augustin

MEIN STANDPUNKT

Debattenkultur

Die Analysen gehen auseinander: Die einen sagen, dass die Debattenkultur in Deutschland bunter und intensiver geworden sei, seit immer mehr Zuwanderer aus fernen Ländern ihre Traditionen und Alltagsrituale zu uns gebracht haben, seit in Länderparlamenten und Bundestag neben linken nun auch explizit rechte Positionen vertreten werden. Andere dagegen beklagen eine Verrohung der Diskussionen, sogar eine Zunahme verbaler Gewalt im öffentlichen Raum, und sehen die Ursache auch im Auseinanderdriften der Gesellschaft in selbstbezügliche Gruppen, die vielfach nur noch innerhalb ihrer eigenen Facebook-Blase kommunizieren.

Mir scheint, dass an beidem etwas dran ist. Wir erleben seit der Flüchtlingswelle des Jahres 2015, seit dem Einzug Donald Trumps ins Weiße Haus und dem Brexit-Votum der Briten eine tiefe Verunsicherung der europäischen und deutschen Öffentlichkeit. Jahrzehntelange Gewissheiten der Politik wie das Anwachsen der Europäischen Union oder die deutsch-amerikanische Freundschaft stehen infrage. Hergebrachte Selbstverständlichkeiten im heimischen Alltag werden durch fremdländische Umgangsformen herausgefordert, manchmal sogar hinweggefegt. Die Globalisierung hält nicht nur per Computer Einzug bis in die letzte Ecke des Landes, sondern auch durch den Zuzug neuer Mitbürger aus fernen Weltgegenden.

Das kann beides sein, angenehm und bereichernd, oder auch anstrengend und bitter. Am Ende aber ist eines alternativlos: Die Auseinandersetzung mit diesem Prozess. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther hat das jüngst an einem Beispiel sehr treffend analysiert: Nicht die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre, sei relevant, sondern die Antwort auf die Herausforderung des alltäglichen Zusammenlebens mit mittlerweile vier Millionen Muslimen in Deutschland. Diese Maxime finde ich treffend: Wir müssen die Diskussionen um Globalisierung, Digitalisierung und Zuwanderung führen, mal liberalere und mal restriktivere Antworten finden, wenn es um die Gestaltung der Zukunft geht. Dabei kann die Debatte vielleicht auch mal schärfer werden. Aber verweigert werden darf sie nicht.

KONTAKT ZU NORDMETALL

Ihr 24­Stunden­Verbandsservice: www.nordmetall.de

Hier finden Sie aktuelle Nachrichten Ihres Arbeitgeberverbandes und viele Informationen und Unterlagen für Ihre tägliche Arbeit.

PERSONENREGISTER

Helle Barner Jespersen S. 21 f., Schiffsbauerin

Raimund Becker S. 15 f., Bundesagentur für Arbeit

Prof. Dr. Stefan Behringer S. 42, NORDAKADEMIE

Magnus Bisgaard S. 4, 23, Takel­Experte

Dr. Christina Boll S. 16 HWWI

Julian Bonato S. 14, MHG Heiztechnik GmbH

Olini Dam S. 23, Takel­Expertin

Natallia Dean S. 26, Pella Sietas Werft

John Demand S. 46, Airbus

Dr. Andreas Dikow S. 15 f., 16, Webasto Thermo & Comfort SE

Carla Enchelmeier S. 4, 23, Takel­Expertin, Gerhard Erb S. 17, Jastram GmbH

Holger Ernst S. 19, Jungheinrich AG

Dr. Nico Fickinger S. 12, 14, 17, 26, NORD ­

METALL

Johannes Fronius S. 30, nordbildung

Christoph Fülscher S. 5, 17, 40 ff., NORDAKADEMIE

Dr. Sandra Garbade S. 19, Hamburger Institut für Berufliche Bildung

Dr. Franziska Giffey S. 34, Bundesministe­

rin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, MdB, SPD

Jochen Gnass S. 23, Takel­Experte

Peter Golinski, S. 19, 30, NORDMETALL

Gisela Graichen, S. 46, ZDF

Daniel Günther S. 41, 44, Ministerpräsident SH, MdL, CDU

Roland Habeck , S. 15, HAWART Landtechnik GmbH

Christian Heinen S. 14 f., Nordex SE

Marion Hengelhaupt S. 18, Stadtteilschule Stübenhofer Weg HH

Matthias Herpe S. 18 f., Stadtteilschule Stübenhofer Weg HH

Detlev Heubel S. 23, Steuerberater

Prof. Dr. Christian Hirte S. 3, Ostbeauftragter Bundestag, MdB, CDU

Thorsten Hofmann S. 27, STILL GmbH

Susanne Holtemeier S. 46, Airbus

Matthias Iken S. 16 f., Hamburger Abendblatt

Carsten Jordan S. 22, Hafenmuseum Hamburg

IMPRESSUM

Sie erreichen mich unter: luckow@nordmetall.de www.facebook.com/Nordmetall-News zu Politik und Wirtschaft www.facebook.com/NORDMETALL

Jean-Claude Juncker S. 11, EU­Kommissionspräsident

Das Magazin von NORDMETALL e.V., dem M+E­Arbeitgeberverband für Bremen, Hamburg, Mecklenburg­Vorpommern, das nordwestliche Niedersachsen und Schleswig­ Holstein.

Herausgeber:

Haus der Wirtschaft

Prof. Dr. Hanno Kube S. 32, Institut für Finanz­ und Steuerrecht, Uni Heidelberg

Imke Kuhlmann S. 17, 26, NORDMETALL

Thoams Küll S. 17, 30, NORDMETALL

Thomas Lambusch S. 3, 12 f., NORDMETALL

Manfred Lehde S. 15, 17, AGV NORD

Alexander Luckow S. 44, NORDMETALL

Dalibor Markovic S. 46, Schriftsteller

Jens Matschenz S. 17, VU

Sabine Meyer S. 43, Klarinettistin

Jörg Meier S. 5,17, 40 ff., NORDAKADEMIE

Reinhard Meyer S. 47, Staatskanzlei MV

Rudolf Neumüller S. 8 f.,11, Mittelstand

4.0 ­Kompetenzzentrum Hamburg

Prof. Dr. Georg Plate S. 40 ff., NORDAKADEMIE­Stiftung

Björn Ploch S. 25, Eisengießerei Dinklage

GmbH

Uwe Polkaehn S. 12, DGB Nord

Karin Prien S. 16 f., Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur SH, CDU

Peter Sander S. 46, Airbus

Katja Schroeder S. 20 f., Bootsbauerin

Jochen Schulte S. 12, SPD, MdL, MV

Sylvia Schultz S. 30, nordbildung

Manuela Schwesig, S. 3, 12, Ministerpräsidentin MV, MdL, SPD

Heide Simonis S. 42, Ehemalige Ministerpräsidentin SH, SPD

Prof. Dr. Thomas Straubhaar S. 43, Uni Hamburg

Dr. Rolf Strittmatter S. 11, Hamburg Invest Entwicklungsgesellschaft mbH

Katja Suding S. 34 ff., FDP, MdB

Ulrich Teller S. 17, NORDMETALL

Peter Theurer S. 28, Mercedes­Benz AG

Donald Trump, S. 44, Präsident USA

Michael vom Baur S. 17, FDP, MV

Constantin vom Brock S. 22, Bootsbauer

Anna von Treuenfels-Frowein S. 17, FDP­Fraktionsvorsitzende, HH, MdHB

Kirsten Wagner S. 46, NORDMETALLStiftung

Marcus Weinberg S. 34 ff., CDU, MdB

Meinhard Weizmann S. 15, Bucerius Law School

Kapstadtring 10

22297 Hamburg

www.nordmetall.de

Verantwortlich im Sinne des Presserechts:

Dr. Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführer

Chefredakteur:

Alexander Luckow (Luc)

Tel.: 040 6378 ­ 4231

E­ Mail: luckow@nordmetall.de

Redaktion:

Daniel Jakubowski (DJ)

Tel.: 040 6378 ­ 4258

E­ Mail: jakubowski@nordmetall.de

Autoren: Birte Bühnen (BiB), Anja Fischer (AF), Clemens von Frentz (CvF), Peter Schlaffke (PS) Lothar Steckel (LS), Yvonne Weiß (YW)

Art-Direktorin:

Birthe Meyer

Tel.: 040 6378 ­ 4822

E­ Mail: meyer@nordwirtschaftsmedien.de

Produktion:

Druck:

CaHo Druckereibetriebsges. mbH

36. Jahrgang

Erscheinungsweise: zweimonatlich

Bezug: Kostenfrei für Mitgliedsunternehmen von NORDMETALL und Sonderempfänger in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Medien.

Das Magazin und alle in ihm veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen. Nachdruck und Verbreitung des Inhalts nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Chefredaktion, mit Quellenangabe und Zusendung eines Beleges an die Redaktion. Vervielfältigungen von Teilen dieses Magazins sind für den innerbetrieblichen Gebrauch der Mitgliedsunternehmen gestattet. Die mit dem Namen oder den Initialen des Verfassers gekennzeichneten Beiträge geben die Meinung des Verfassers, aber nicht unbedingt die Ansicht des Herausgebers oder der gesamten Redaktion wieder.

Titelfoto: dpa

Standpunkte
Alexander Luckow, „Standpunkte“Chefredakteur
@ 44 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL 45 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL

Ägyptisches Rätsel gelöst

Seit über 80 Jahren rätseln Archäologen über den Zweck einer seltsamen Scheibe aus Stein aus dem Grab des ägyptischen Prinzen Sabu. Nun hatte die ZDF-Filmemacherin Gisela Graichen den richtigen Ein fall: Sie fragte bei Airbus um Rat, denn die aerodynamisch geformte Scheibe könnte vielleicht zu einem Fluggerät gehört haben. Das seltsame Artefakt faszinierte Peter Sander Leiter Emerging Technologies und 3-D-Druck-Spezialist bei Airbus, sofort. Ein Nachbau aus Kunststoff flog dank guter Auftriebseigenschaften wie ein Frisbee. Allerdings war das Original zu schwer und zu zerbrechlich zum Werfen. Nun wurde es knifflig. Propeller, Turbine, Rad, alles prüfte die Gruppe aus dem Airbus-Netzwerk. Aber nichts passte richtig. Nach über drei Wochen fanden die Experten endlich die wohl wahrscheinlichste Lösung: Feuer. Sie schütteten eine brennbare Flüssigkeit in den Metallnachdruck der Scheibe und zündeten sie an. Das Ergebnis war filmreif. Die Flügel der Scheibe erzeugen Verwirbelungen, die die Flammen bis zu zwei Meter hoch tanzen lassen. Die Sabu-Scheibe dürfte also eine Schale für Feuerzeremonien gewesen sein. DJ

Lese lieber ungewöhnlich

Dalibor Marković (*1975) hat als Lyriker, Beat-Boxer und Bühnenpoet seine eigene Kunstform geschaffen. Live oder auf YouTube beeindruckt er sowohl Jugendliche als auch Literatur-Jurys. Die Gedichte und Kurzgeschichten des Buches mit CD schälen Poesie aus dem Alltag, sind oft kritisch, immer rhythmisch und wortgewaltig, aber auch humorvoll.

Große Themen wie Migration, Armut und Vorurteile stehen neben Alltagsbeobachtungen eines missglückten Dates oder der Sucht, das Handy aufladen zu müssen. Sie regen gleichermaßen zum Lächeln und Nachdenken an, wie beispielsweise der Erlkönig-Remix.

Gesprochen sind die Texte brillant, cool und mitreißend. Beim Lesen zeigt sich, wie bewusst jedes Wort, jede Trennung gesetzt wurde. Klug und unterhaltsam, sodass mir überraschenderweise das Lesen gesellschaftskritischer Lyrik richtig Spaß gemacht hat! Zu Recht ein Kandidat auf der Shortlist des Literaturpreises des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft 2017.

P.S. Nennt man die Gedichte „Songtexte“, kommt das Buch als Geschenk bei Jugendlichen gut an …

Kirsten Wagner, Geschäfts-

der NORDMETALLStiftung und Jurymitglied des Literaturpreises des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI e. V.

Ich lese „Standpunkte“, weil ...

„... die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern wirtschaftlich weiter voranbringen will. In Standpunkte erfahre ich, was die Industrie im Norden bewegt und was wir für die Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tun können.“

Reinhard Meyer, (SPD), Staatssekretär, Chef der Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern

Dalibor Marković

Und Sie schreiben auf Deutsch?

Spoken-Word-Lyrik

Buch + CD, 112 Seiten, 15,- € Voland & Quist 2016

KURZ VOR SCHLUSS
Foto:
Kirsten Haarmann, Michael Bahlo Foto: Christian Augustin Peter Sander (r.), Susanne Holtemeyer, Aerodynamik-Ingenieurin bei Airbus, und John Demand, Student und Konstrukteur der 3-D-gedruckten Sabu-Scheibe, beim Test im Windkanal in Bremen. führerin
46 2 / 2018 Standpunkte NORDMETALL
Wagner liest
Komödie von Jewgeni Schwarz Der Drache DER DRACHE 05.07. – 28.07.2018 JEDERMANN 02.08. – 11.08.2018 St. Georgen Wismar Tickets und Infos auf klassikertage-wismar.de Postvertriebsstück C 5003 Gebühr bezahlt CaHo Druckerei Rondenbarg 8 22525 Hamburg
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.