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Mädchen für MINT begeistern

Was die M+E-Industrie unternimmt, um mehr junge Frauen für technische Berufe zu gewinnen.

Noch immer sind Frauen in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) unterrepräsentiert. Laut MINT-Frühjahrsreport 2023 des Instituts der deutschen Wirtschaft liegt ihr Anteil bei 16 Prozent und damit weit unter dem Wert, den die M+E-Industrie braucht, um dem Fachkräftemangel entgegenwirken zu können. Mit zahlreichen Initiativen und Aktionen steuern die Unternehmen gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden gegen. Wie cool es sein kann, eine gewerblich-technische Ausbildung beim Luft- und Raumfahrtunternehmen Airbus zu starten, davon berichten weibliche Auszubildende des Konzerns regelmäßig während ihrer Besuche in ihren früheren Schulen. „Back2School“ nennt sich dieses Format, das der Flugzeugbauer aufgelegt hat, um mehr weibliche Azubis zu gewinnen. Derzeit sind nur ein Fünftel der rund 1.000 „AIRzubis“, wie der Konzern seine Auszubildenden und Dualstudierenden nennt, an allen norddeutschen Airbus-Standorten weiblich. „Das wollen wir verändern“, sagt der Bremer Ausbildungsleiter Tim Lindemann. Ziel sei es, den Anteil junger Frauen auf mindestens ein Drittel anzuheben. Dazu hat das Unternehmen ein ganzes Bündel an Maßnahmen aufgelegt.

Schülerpraktika als Marketinginstrument

„Zu den einfachsten und zugleich erfolgreichsten Bindungselementen gehören nach wie vor unsere Praktika für Schülerinnen und Schüler“, sagt Lindemann. Etwa 250 junge Leute der Klassen 9 und 10 können pro Jahr für zwei beziehungsweise drei Wochen die verschiedenen Airbus-Standorte im Norden mit ihren vielseitigen Ausbildungsmöglichkeiten erkunden. „Dabei stellen die Mädchen fest: Ich kann das, hier bei Airbus sind super Leute und die Ausbildung macht großen Spaß“, sagt der Ausbildungsleiter. Zusätzlich stellt das Unternehmen alle Ausbildungsberufe in den sozialen Medien vor. Darüber hinaus bietet das Luft- und Raumfahrtunternehmen in jeder ersten Sommerferienwoche ein spezielles Praktikum ausschließlich für Mädchen an. „Girls make it fly“ zeigt dem weiblichen Nachwuchs, dass Luft- und Raumfahrt jede Menge Spaß bringt und beste Berufschancen bietet. Diese Praktikumsaktivitäten, so Lindemann, seien nach wie vor das beste Marketinginstrument zur Gewinnung gewerblich-technischen Nachwuchses. Unter dem Stichwort „Female Marketing“ hat der Konzern eine ganze Reihe weiterer Aktivitäten zur Ansprache von jungen Frauen zusammengefasst. So werden spezielle Workshops nur für Mädchen angeboten, Messeteams für Berufsorientierungsmessen mit weiblichen Vorbildern besetzt und „AIRzubi-Talks“ als Online-Meetings ausschließlich für Mädchen organisiert. Auf einem eigens eingerichteten Instagram-Account stellen weibliche Auszubildende ihre Berufe vor, fungieren so als „Role Models“ und sprechen gezielt Mädchen an.

Drei Teilnehmerinnen des preisgekrönten nordbord-Stärkenseminars Ende 2022 im Schülerforschungszentrum Hamburg.
Foto: nordbord

Gezielte Studienvorbereitung

Das Projekt „ProTechnicale“, das in Hamburg in Kooperation mit dem Zentrum für angewandte Luftfahrtforschung aufgelegt wird, unterstützt Airbus ebenfalls. Dabei können Oberstufenschülerinnen und Abiturientinnen ein Jahr lang gezielte Berufsorientierung und Studienvorbereitung erleben. „Unser Hamburger Standort öffnet den Teilnehmerinnen dafür gern seine Türen“, sagt Lindemann. Der Erfolg des Projekts ist messbar: 90 Prozent der bisherigen ProTechnicale-Teilnehmerinnen haben ein MINT-Studium begonnen. Für Bremen wird aktuell an einem ähnlichen Konzept gearbeitet. Auch Aktionen wie der Girls‘ Day seien nach wie vor wichtig, ist Dr. Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführer von NORDMETALL und AGV NORD, überzeugt: „Zuletzt ist der Prozentsatz derer, die sich eine IT-Ausbildung oder ein Studium in dieser Richtung vorstellen können, nach einem solchen Aktionstag von zwölf auf 21 Prozent gestiegen“, sagt er und fügt an: „Bundesweit ist knapp ein Drittel der Studierenden in MINT-Fächern weiblich, in Schleswig-Holstein sind es sogar 33,4 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern 36 Prozent. Das zeigt: Langsam, aber sicher dürfte auch der Anteil der Mitarbeiterinnen in unserer vor allem in der Produktion männerlastigen Metall- und Elektroindustrie steigen.“ Die Verbände unterstützen eine Reihe von Aktivitäten und haben auch eigene Initiativen gestartet. Zum Beispiel das Projekt „MINT4girls“. Es ermöglicht Mädchen aus den Klassen 8 und 9 über verschiedene Module, eine Projektwoche mit MINT-Angeboten und über ein MINT-Praktikum vertiefte Einblicke in die vielfältigen beruflichen Möglichkeiten im technischen Bereich. Das Projekt läuft aktuell in Bremen, Hamburg, Kiel und Lübeck und wirbt permanent bei den Mitgliedsunternehmen um die Bereitstellung von Praktikumsplätzen.

nordbord, der Club für Schülerinnen und Schüler mit Spaß an Naturwissenschaften und Technik, ist ein weiteres Beispiel, wie NORDMETALL den Nachwuchs an MINT heranführt. Im Club können sich Kinder und Jugendliche Wissen aneignen, forschen, tüfteln und sich untereinander oder mit Expertinnen und Experten austauschen. Bei Unternehmenstagen bietet nordbord den Jugendlichen die Möglichkeit, Einblicke in Unternehmen zu bekommen. Die wiederum kommen mit Jugendlichen in Kontakt. Eines der Events, das in diesem Rahmen stattgefunden hat, war ein Stärkenseminar für Mädchen ab der siebten Klasse. Es wurde von nordbord gemeinsam mit dem Hamburger Intralogistikunternehmen Still organisiert. Zudem engagierten sich die Unternehmen Hanseatic Power Solutions sowie Bosch Sicherheitssysteme. Die Veranstaltungen fanden im vergangenen Jahr im von NORDMETALL mitfinanzierten Schülerforschungszentrum Hamburg statt und folgten stets einem ähnlichen Aufbau. Die Mädchen mussten zunächst eine Gemeinschaftsaufgabe lösen, darauf folgte eine technisch-praktische Aufgabe in Kleingruppen und am Ende wurde in Zweierteams eine elektronische Schaltung gebaut oder ein Logistikrätsel gelöst. Jan Wehlen, Ausbildungsleiter bei Still, erläutert: „Alle Mädchen haben eine positive Rückmeldung von einer Fachjury erhalten. Sie betonte bewusst die guten Ansätze und Erfolge, anstatt wie sonst oft üblich, auf mögliche Fehler hinzuweisen.“ Ermutigt und gestärkt gingen die Mädchen aus dem Seminar hervor und haben mit Spaß an der Sache MINT erkundet. Für diese Konzeption und das gelungene Seminar gab es vom Netzwerk „SchuleWirtschaft“, einer von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und dem Institut der deutschen Wirtschaft getragenen Initiative, den Preis „MINT für Mädchen und junge Frauen“.

Ganz bei der Sache: In der Airbus-Ausbildungswerkstatt in Bremen probieren sich Mädchen in MINT-Berufen aus.
Foto: Hergen Deuter/Bockfilm

Klischeefreie Berufsorientierung

„Still legt grundsätzlich viel Wert auf die Förderung von Mädchen und jungen Frauen im Rahmen der Aus- und Weiterbildungsangebote“, sagt Wehlen. Schon allein, weil Frauen in gewerblich-technischen Berufsbildern nach Wehlens Aussage noch viel zu unterrepräsentiert seien. „Deshalb engagieren wir uns in vielfältiger Weise. Wir sind regelmäßig bei nordbord-Veranstaltungen dabei, gehen in Schulen und informieren über unsere Ausbildungsberufe, und wir nehmen an Aktionen teil, die bewusst klischeefreie Berufsorientierung zulassen“, sagt er. So war Still unlängst bei der Berufe-Rallye „Mädchenwirtschaft“ dabei, einer Veranstaltung der Agentur für Arbeit, des Mädchenprojekts „Dolle Deerns e. V.“ und des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt. „An unserem Stand konnten die Mädchen ein Still-Logo selbst ausfeilen und virtuell schweißen“, berichtet Wehlen. Auf die Frage, was die Gesellschaft leisten muss, um mehr Mädchen für MINT zu begeistern, gibt Imke Kuhlmann, Referentin Nachwuchssicherung bei NORDMETALL, eine vielschichtige Antwort: „Ganz wichtig ist es, früh anzufangen und nicht zu stigmatisieren, am besten schon in der Kita, aber auch im Elternhaus und in der Schule. Zudem brauchen wir eine klischeefreie Berufsorientierung und überaus wichtig sind viele Role Models. Aber auch praktische Erfahrungen und das Hineinschnuppern in die Berufe sind essenziell.“

Lothar Steckel

Ausgezeichnetes Kooperationsprojekt: Das Stärkenseminar für Mädchen von nordbord ist in der Umsetzung durch die Firma Still von der Initiative „SchuleWirtschaft“ prämiert worden.
Foto: Still

NORDMETALL und NORDMETALL-Stiftung engagieren sich seit vielen Jahren dafür, Mädchen für MINT zu begeistern. Einige Projekte und Initiativen finden Sie im Internet unter: www.nordmetall-stiftung.de

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