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Termin beim Chef: Jean-Louis Jarraud von Mecalac Baumaschinen

„Deutsche und Franzosen sind schon sehr unterschiedlich“, sagt Jean-Louis Jarraud und lächelt fast ein bisschen spitzbübisch über seine Begründung: „Als ich vor 26 Jahren zum ersten Mal Chef in Deutschland wurde, fiel mir sofort auf: Hier werden Ansagen ziemlich unkommentiert akzeptiert, in Frankreich muss erst mal alles diskutiert werden.“ Mittlerweile habe sich das zwar etwas angeglichen. Gleichwohl sei es aber nicht nur die recht unterschiedliche Sprache, die beide Völker unterscheide, es sei auch ein Stück weit die Mentalität – jenseits des Rheins neige man eher zur Revolution als zum Untertanentum.

Mécanique du Lac: Mecalac

Der zupackende Monsieur Jarraud mit dem eleganten französischen Singsang im fehlerfreien Deutsch muss es wissen: Mecalac Baumaschinen in Rendsburg-Büdelsdorf führt der 63-Jährige seit gut sieben Jahren. Kurz vor der Jahrtausendwende kam er erstmals in leitender Funktion nach Deutschland – ein Lebensweg, der dem bei Limoges in Zentralfrankreich aufgewachsenen Ingenieur nicht vorgezeichnet war. An der angesehenen Ecole Nationale Supérieure des Art et Métiers studierte er in den frühen Achtzigerjahren in Bordeaux und Paris, stieg dann mit dem Diplom in der Tasche bei Télémécanique Electrique in Angoulême nahe Limoges ein. 1989 warb ihn der traditionsreiche Baumaschinenhersteller „Mécanique du Lac“ – kurz: Mecalac – aus Annecy am gleichnamigen See ab, Jarraud wurde Manager für die Baggerproduktion.

Ein Autobahnpendler

„Volvo Compact Equipment holte mich dann 1997 nach Konz bei Trier, um in einem neuen Projekt Mobilbagger zu entwickeln. Das hat geklappt, heute sind die damit Weltmarktführer“, berichtet Jarraud nicht ohne Stolz. Das Leben zwischen Deutschland und Frankreich ist seitdem sein Schicksal, mit manchen Aufs und Abs: „In Trier waren meine Frau und die beiden Kinder damals dabei, schließlich gab es dort wegen der französischen Garnison auch noch eine französische Schule.“ Als die Soldaten gingen, schloss jedoch auch das Lycée und Jarrauds Familie zog ins lothringische Manom, unweit von Metz. Dorthin pendelt der Maschinen-Manager bis heute, erst während seiner 13 Jahre als Direktor des oldenburgischen Druckmaschinenherstellers Haferkamp, von 2016 bis heute als Mecalac-Geschäftsführer – 20 Jahre allwöchentlich auf der Autobahn. „Mecalac-Konzerngründer Henri Marchetta hat mich zurückgeholt, um den Standort Büdelsdorf zu reorganisieren, was gelungen ist“, sagt Jarraud mit gutem Grund: Die vormalige Ahlmann Baumaschinen Fabrik, in der schon 1953 die ersten Schwenklader produziert wurden, war 2002 von der Rendsburger Industriellenfamilie Ahlmann an Mecalac verkauft worden. Der neue Franzose an der Spitze führte die holsteinische Fabrik zu ungeahnter Produktivität.

Wir sind mit kompakten Maschinen in Europa ziemlich weit vorn.

Weit vorn in Europa

Heute fertigen die fast 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 22 unterschiedliche Modelle in der Fabrik am Ufer des Audorfer Sees, einem Seitenarm des Nord-Ostsee-Kanals. Noch immer ist der Schwenklader, der das Arbeiten in beengten Gassen oder Tälern möglich macht, der Kassenschlager des Unternehmens. Aber längst bietet Mecalac auch besonders wendige Knicklader, Teleskoplader und Hoflader. Vom weltweit gut 160 Milliarden Euro schweren Baumaschinenmarkt sichert sich die Mecalac-Gruppe mit diesen und weiteren Produkten aus Annecy, dem britischen Coventry oder dem türkischen Izmir rund 370 Millionen Umsatz. „Wir sind nicht so groß wie Volvo, Caterpillar oder Komatsu, aber in unserem Terrain der kompakten und wendigen Maschinen sind wir vor allem in Europa ziemlich weit vorn“, schätzt der französische Manager sein Unternehmen ein.

Foto: Kirsten Haarmann

Fachkräftemangel hemmt Expansion

Jarraud sieht Innovation als „Kern-DNA“ der Mecalac-Gruppe, deren operatives Geschäft heute vom Sohn des Firmengründers Alexandre Marchetta geleitet wird. Gleistaugliche Zweiwegebagger oder wendige Dumper mit Frontkipp-, Schwenkkipp- oder Hochkipp-Ausführung sind die neuesten Angebote des Konzerns. „Vor Corona produzierten wir in Büdelsdorf knapp 700 Maschinen im Jahr, dann ist das etwas zurückgegangen, weil wir wie alle mit Lieferengpässen und Kaufzurückhaltung zu kämpfen hatten“, erinnert sich Jarraud. Produktions-Stilllegungen habe man aber immer vermeiden können und im letzten Jahr sei schon die 1.000er-Marke in der Auslieferung geknackt worden. „Jetzt planen wir für kommendes Jahr sogar mit 2.500 Maschinen, ich lasse dazu gerade eine vierte Produktionsstraße in unsere Hallen einbauen“, beschreibt der Manager seine jüngste Herausforderung. Das größte Problem bei der Ausweitung sei allerdings der Fachkräftemangel: „Wir haben derzeit über 20 Stellen ausgeschrieben und konnten auch nur fünf Azubis für Mecalac gewinnen“, sagt Jarraud mit Bedauern.

Ich lasse gerade eine vierte Produktionsstrasse installieren.

Das „Savoir-vivre“ fehlt

Falls Jean-Louis Jarraud nicht gerade in seinem Werk beschäftigt ist oder nach Lothringen pendelt, liest er ein gutes Buch oder geht auf eine Bergwanderung – wenn nicht gleich in den Alpen zwischen Annecy und Genf, dann wenigstens in den lothringischen Hügeln. An Schleswig-Holstein schätzt der französische Manager die Strände, nicht so sehr allerdings die Küche: „In Frankreich kann ich internationale Kunden praktisch in jedes nächste Bistro zum Essen einladen, hier muss ich schon sehr genau schauen, wo wir hingehen“, sagt er mit einem gewissen Bedauern. Savoir-vivre in Büdelsdorf, da ist vielleicht noch etwas Luft nach oben, oder „air vers le haut “.

Alexander Luckow

Hier geht es zum Youtube-Video.

Die Rendsburger Fabrikantenfamilie Ahlmann führte im vergangenen Jahrhundert nicht nur die bekannte Eisengießerei Carlshütte zum Erfolg, sondern gründete nach dem Zweiten Weltkrieg auch Ahlmann-Baumaschinen. Die kleinen, wendigen Lader aus Büdelsdorf verkauften sich sehr gut, 2002 stieg die französische Industriellenfamilie Marchetta aus Annecy nahe Genf ein und integrierte die Fabrik 2012 in die Mecalac-Gruppe, die heute weltweit an fünf Standorten mit 1.100 Mitarbeitern produziert.
Foto: Kirsten Haarmann

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