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NORDMETALL-Jugendstudie

Kräftiger Hoffnungsschimmer

Die erste umfassende Jugendstudie für Schleswig-Holstein zeigt: Jugendliche ticken traditionell und sind industriefreundlich. NORDMETALL und NORDAKADEMIE präsentierten ihre Ergebnisse im Rahmen eines Festakts zum 30-jährigen Bestehen der Hoch schule auf dem Nachhaltigkeitscampus in Elmshorn.

„Wir können es uns nicht leisten, einen einzigen Jugendlichen in Schleswig-Holstein ohne berufliche Perspektive sitzen zu lassen.“ Claus Ruhe Madsen, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein (parteilos), zeichnet ein düsteres Bild vom Arbeitsmarkt in dem Küstenland. In den kommenden Jahren würden Schleswig-Holstein rund 130.000 Fachkräfte fehlen. „Die Situation ist vernichtend“, urteilt der Minister. Dabei war der Anlass seiner Rede ein durchweg positiver: Die NORDAKADEMIE hatte anlässlich ihres 30. Geburtstags zu einem Festakt auf ihren Nachhaltigkeitscampus in Elmshorn geladen. Rund 200 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Hochschulverwaltung kamen, um sich die Anfänge der wirtschaftsnahen Hochschule Anfang der 1990er-Jahre vor Augen zu führen – kurzweilig mittels Fotogalerie und diversen Podiumsgesprächen zwischen früheren und aktuellen Weggefährten.

Politisch wie medial fanden die Ergebnisse der ersten NORDMETALL-Jugendstudie großen Anklang: Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (l.) und NORDMETALL-Geschäftsführer Peter Golinski sprachen darüber, wie sich Jugendliche für die Berufswelt begeistern lassen.

Dort hingehen, wo die Jugend ist

Trotz seines gut gefüllten Terminkalenders ließ es sich Wirtschaftsminister Madsen nicht nehmen, nach seiner Festrede gemeinsam mit Peter Golinski, NORDMETALL- Geschäftsführer Bildung, Arbeitsmarkt, Fachkräfte, die zentralen Ergebnisse der ersten NORDMETALL- Jugendstudie für Schleswig-Holstein zu diskutieren. In Zusammenarbeit mit der NORDAKADEMIE hatte der Verband – selbst Mitbegründer der Hochschule – im ersten Halbjahr 2022 mehr als 1.000 Jugendliche aus den letzten beiden Jahrgängen vor dem Abitur an 16 Gymnasien, Beruflichen Schulen und Gemeinschaftsschulen zwischen Flensburg und Husum, Elmshorn und Lübeck, Pinneberg und Kiel befragt. Zusätzlich beantworteten Geschäftsführungen sowie Personal- und Ausbildungsleitungen aus insgesamt 82 Betrieben mit rund 47.000 Beschäftigten und Schwerpunkt in der Metall- und Elektroindustrie verschiedene Fragen rund um Erwartungen und Anforderungen an Arbeit und Zukunft potenzieller Nachwuchskräfte. Ein zentrales Ergebnis der Befragung: Während die jungen Leute ein eher traditionelles Werteverständnis pflegen, also Sorgfalt, Zuverlässigkeit, Disziplin und Pünktlichkeit für sehr wichtige Eigenschaften von Angestellten halten, sind für Arbeitgeber eher die Lernbereitschaft und Motivation sowie das Interesse an neuen Technologien ihrer Beschäftigten entscheidend (Grafik siehe Seite 28).

Was Jugendliche kurz vor dem Abitur von ihrem künftigen Berufsleben erwarten und was Arbeitgeber von ihren potenziellen neuen Beschäftigten fordern, hat die NORDMETALL-Jugendstudie unter mehr als 1.000 Jugendlichen sowie Geschäfts-, Personal- und Ausbildungsleitungen aus 82 Betrieben in Schleswig-Holstein im Frühjahr 2022 erfragt.

Wirtschaftsminister Madsen ist sicher: „Die Arbeitswelt von morgen kann vieles möglich machen. Dazu braucht es aber junge Menschen, die sich dafür auch interessieren.“ An die Unternehmerinnen und Unternehmer im Land appellierte er: „Geht in die Schulen, seid viel aktiver vor Ort und probiert Neues aus, um die Jugendlichen dort abzuholen, wo sie sich befinden.“ Also Gaming-Conventions statt Jobmessen. Nach wie vor gehören Praktika zu den wichtigsten Wegen der Berufsorientierung.

Nach der Schule steht das Studium an einer Hochschule bei 48 Prozent der befragten Jugendlichen an erster Stelle. 17 Prozent bevorzugen ein duales Studium, zwölf Prozent eine duale Berufsausbildung. Mit 53 Prozent ist die Gruppe der Unentschlossenen am größten, wenn es um das duale Studium geht.

Was nach der Schule kommen soll, ist aber längst nicht allen Jugendlichen klar. Am größten ist laut Jugendstudie die Gruppe der Unentschlossenen, wenn es um das duale Studium geht – ein Grund, warum die NORDAKADEMIE ihr Schulmarketing verstärken wird. Immerhin würden 85 Prozent der Absolventinnen und Absolventen aus Elmshorn von ihren Betrieben übernommen. Die Abbruchquote während des dualen Studiums liege an der NORDAKADEMIE bei gerade einmal rund zehn Prozent. NORDMETALL-Geschäftsführer Peter Golinski hob während des Festakts noch einmal hervor, dass die duale Berufsausbildung, gerade aber auch ein duales Studium, wie es die NORDAKADEMIE bietet, mit einer hervorragend austarierten Mischung aus theoretischen und fachpraktischen Inhalten punktet. Hinzukomme, dass die Absolventinnen und Absolventen der Hochschule der Wirtschaft eine gehörige Portion Sozialkompetenz ins Berufsleben mitbrächten. Ein Mindset, das dem gebürtigen Dänen Madsen spürbar lag.

Die M+E-Industrie bietet ein attraktives Arbeitsumfeld mit guten Verdienstmöglichkeiten, einer hohen Arbeitsplatzsicherheit und langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten. Das erkennen auch junge Menschen. MINT-Fans und an der M+E-Industrie interessierte Jugendliche blicken im Branchenvergleich besonders zuversichtlich in die Zukunft.

Peter Golinski machte im Gespräch mit dem Wirtschaftsminister auch deutlich, wie wichtig die Bildungspolitik eines Landes als Grundlage für eine gute Wirtschaftspolitik sei. Hier starte der Verband gerade, unterstützt vom Kultusministerium in Schleswig-Holstein, ein Pilotprojekt, um Schulen und Unternehmen als Ganzes besser zusammenzubringen. Überrascht hat die Macher der Jugendstudie, wie stark die befragten Jugendlichen den Einstiegsverdienst in der M+E-Industrie unterschätzen NORDMETALL wird seine Anstrengungen verstärken, um die guten Verdienstmöglichkeiten in der Industrie deutlicher zu machen. Derzeit liegen sie zwischen mehr als 12.000 Euro pro Jahr für Azubis und durchschnittlich mehr als 60.000 Euro für Langzeitbeschäftigte. Was sich langfristig positiv auf die Kaufkraft in Schleswig-Holstein auswirken könnte, hätte auch Vorteile für die Stimmung in dem Bundesland: MINT-Fans und an der M+E-Industrie interessierte Jugendliche blicken der NORDMETALL-Jugendstudie zufolge besonders zuversichtlich in die Zukunft. Ein Hoffnungsschimmer für Wirtschaftsminister Madsen angesicht der angespannten Fachkräftesituation in dem Küstenland.

Birte Bühnen

Raum Die befragten Jugendlichen wollen künftig vor allem heimatnah (59 Prozent), in Norddeutschland (57 Prozent) oder in einer nahen Großstadt (52 Prozent) arbeiten. Sie bevorzugen das europäische Ausland (49 Prozent) vor einem Arbeitsort in Süddeutschland (16 Prozent) oder dem ländlichen Raum (16 Prozent).

79 Prozent der Jugendlichen sind dabei, wenn sie gebraucht werden: 20 Prozent antworten auf die Frage, ob sie bezahlte Überstunden machen würden, mit „immer gern“, 38 Prozent bei arbeitsreichen Projekten und 21 Prozent bei kurzfristigen Störungen.

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