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Termin beim Chef: Lars Brzoska von Jungheinrich

Lars Brzoska

JUNGHEINRICH

„Wir denken langfristig, sehr langfristig, und deshalb leisten wir auch echte Pionierarbeit“, sagt Lars Brzoska und lächelt. Anderen Vorstandsvorsitzenden würde nicht jeder Zuhörer solch selbstbewusste Sätze abnehmen. Dem Ostwestfalen, der seit drei Jahren an der Spitze der Hamburger Jungheinrich AG steht, glaubt man das Postulat. Vor allem, weil er es belegen kann: „Jungheinrich hat 2011 – da war ich noch gar nicht im Unternehmen – als weltweit erster Hersteller ein Flurförderzeug mit Lithium-Ionen-Batterien auf den Markt gebracht. Bis heute sind wir in diesem Segment unangefochten Innovationsführer“, berichtet Brzoska nicht ohne Stolz. Wir sitzen in der hanseatisch-schlicht in Weiß und Grau gehaltenen Firmenzentrale des Konzerns in Hamburg-Wandsbek, Vorstandsetage, 5. Stock. Die Idee hinter Jungheinrichs Erfolg ist bestechend, weiß der Chef zu erzählen: Lithium-Ionen-Batterien sind kleiner als herkömmliche mit Blei-Säure-Technologie. Auch lassen sie sich modular im Stapler verteilen. Vollkommen neue Fahrzeugkonzepte sind auf diese Weise möglich. Hinzu kommt: mit Lithium-Eisenphosphat als Zellchemie enthalten sie keine kritischen Rohstoffe, liefern im Vergleich zur alten Technik eine zwei- bis dreifache Lebensdauer und jederzeit 100 Prozent Leistung, Nachhaltigkeit pur also – „deshalb heißen die Fahrzeuge bei uns Powerline“, sagt Brzoska. Mit den Jungheinrich-Produkten und -Services sowie einem krisenfesten Geschäftsmodell hat der 50-jährige Diplom-Kaufmann den weltweit mit fast 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern operierenden Intralogistiker erfolgreich durch die vergangenen Krisenjahre geführt. „Wir waren schon vor Ausbruch der Pandemie mit einer vorsichtigen Prognose ins Jahr 2020 gegangen. Das hat manche überrascht, sich schon wenige Monate später aber ausgezahlt“, erinnert sich der CEO. Die Krise habe sich für Jungheinrich dann als nicht so hart erwiesen wie zunächst befürchtet, auch weil Flurförderzeuge im Logistikbereich auch während der Shutdowns für die Lieferung jedweder Alltagsgüter unentbehrlich waren. Der Jungheinrich-Aktienkurs erholte sich nach anfänglichem Einbruch wieder.

Wir denken langfristig, sehr langfristig.

Sehr schnell jegliche Exporte nach Russland gestoppt

„Nach dem schrecklichen Überfall Russlands auf die Ukraine haben wir im März dieses Jahres erneut eine Ad-hoc-Meldung herausgegeben“, erklärt Brzoska. „Wir haben sehr schnell jegliche Exporte nach Russland gestoppt“, sagt der Vorstandsvorsitzende und betont dabei trotzdem seine Verantwortung auch für die russischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens. Diese langfristig angelegte Strategie der Um- und Vorsicht prägt die Grundhaltung des Familienunternehmens Jungheinrich: Die Nachkommen des Unternehmensstammvaters Friedrich Jungheinrich, der die Gabelstaplerfabrik 1953 in Hamburg gründete, stehen bis heute hinter dem Weltkonzern. Dessen Aufstieg begann spätestens 1954 mit den neuen elektrobetriebenen Hubwagen und Schleppern der Marke Ameise. Auslandsvertretungen werden bis in die 1960er-Jahre fast überall in Europa gegründet, wo der Intralogistiker bis heute mehr als 80 Prozent seines Umsatzes macht. 1966 wird der Grundstein für das Werk in Norderstedt gelegt. Nach dem Tod des Firmengründers 1968 führen die Gesellschafterfamilien Lange und Wolf die Auslandsexpansion weiter und setzen zusätzlich auf die Produktion von Regalsystemen. Das Neu-, Miet- und Gebrauchtgerätegeschäft wächst bis zum Börsengang 1990 kontinuierlich. In den Nullerjahren nimmt der Konzern auch das Südamerika- und Asiengeschäft verstärkt in den Blick. 2014 kommt der gebürtige Herforder Lars Brzoska als Vertriebsvorstand zu Jungheinrich, nach erfolgreichem Studium der Betriebswirtschaftslehre sowie einer Promotion in Münster und ersten Geschäftsführerstationen in Bielefeld und Düsseldorf. „Wir haben anders als andere schon 2020 nach der Verschlechterung der Rahmenbedingungen im chinesischen Markt die Grundentscheidung getroffen, China nicht als Hauptziel unserer Geschäftsentwicklung ins Auge zu fassen“, sagt Brzoska heute nicht ohne Erleichterung. Um die 100 Millionen Euro bringe dort zuletzt das Konzerngeschäft, von gut 3,9 Milliarden insgesamt. Insgesamt sei Asien ein wichtiger Markt, vor allem auch was die Supply Chain angehe. „Wenn es dort in der Region einen weiteren geopolitischen Konflikt mit kriegerischen Ausmaßen geben sollte, dann hätte das noch ganz andere Auswirkungen als der Ukraine-Krieg“, warnt Brzoska, und sein sonst allgegenwärtiges vorsichtiges Lächeln verschwindet.

Familienmensch im Familienkonzern

Entspannter schaut der Jungheinrich-CEO auf die aktuelle Entwicklung der Vorproduktpreise, die noch vor wenigen Monaten Schlimmes verhieß: „Ohne Stahl keine Flurförderzeuge und die Prognosen prophezeiten im Frühjahr eine Vervierfachung der Einkaufspreise gegenüber denen des Jahres 2020 auf über 2.000 Euro die Tonne. Real ist der Stahlpreisindex jetzt bei ungefähr 1.000 Euro angekommen, das ist hart genug, aber verkraftbar“, sagt Brzoska. Dem Unternehmen sei es gelungen, einen Teil der Preissteigerungen am Markt weiterzugeben, was „nicht zuletzt auch an den jahrelangen, teilweise jahrzehntelangen guten Beziehungen zu unseren Kunden liegt“. Das Beständig-Beharrliche des Familienkonzerns, es liegt auch dem Vorstandsvorsitzenden Lars Brzoska im Blut: „Ich bin ein Familienmensch, meine Freizeit gehört vor allem meiner Frau und meinen beiden Kindern“, sagt er und das Lächeln ist zurück.

Alexander Luckow

Foto: Christian Augustin

Jungheinrich AG

Der Intralogistiker hat sich vom Verkaufsschlager „Ameise“ 1953 bis heute in die Top Drei der weltweiten Anbieter von Flurförderlogistik und Lagertechnik hochgearbeitet. Die 2016 von 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neubezogene Firmenzentrale ist erweitert worden und bietet heute mehr als 1.000 Jungheinrich-Angestellten in Hamburg Platz. Weltweit arbeiten fast 20.000 Menschen für den Konzern. Fotos: Volker Strey | Jungheinrich

Ludwig Erhard (Anhänger, 1. Reihe links), Vater des deutschen Wirtschaftswunders, lässt sich Anfang der 1960er-Jahre von einer „Ameise“ ziehen, einem Elektro-Fahrersitzschlepper von Jungheinrich.

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