IK Im Dialog - Interviewreihe rund um Kunststoff Recycling Klima- und Umweltschutz (2. Teil)

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DR. RER. NAT. CHRISTOPH GÜRTLER

Dr. Christoph Gürtler ist Head of Industry Academia Collaborations bei Covestro. Er hat Chemie an der Universität Bonn und der TU Berlin studiert, wo er 1996 promoviert wurde. Seine berufliche Laufbahn begann er 1997 beim Bayer-Konzern, zu dem Covestro damals gehörte. 2007 stieß Gürtler zur Katalyseforschung, wo er seither leitende Funktionen innehat und die er zu einem Bereich für Technologieentwicklung ausbaute.

Zudem rief Dr. Gürtler 2007 zusammen mit Professor Walter Leitner von der RWTH Aachen das CAT Catalytic Center ins Leben. Bis heute gehört er dem Leitungsteam dieser Forschungseinrichtung in Aachen an, die von der Hochschule und Covestro gemeinsam betrieben wird. Außerdem ist er Mitglied einer Reihe anderer wissenschaftlicher Gremien wie dem Beirat der Global CO2 Initiative. Er ist Autor und Mitinitiator von mehr als 140 Patenten und Patentanmeldungen, davon 48 zur CO2-Verwendung. Zudem ist Gürtler an zahlreichen Studien und Papieren der EU beteiligt, zu denen eine Untersuchung der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) zur Nutzung von Kohlendioxid zählt. 2014 wurde Gürtler mit der Otto-Bayer-Medaille der Bayer AG ausgezeichnet.

genau dort, wo wir ihn nicht brauchen können: in der Atmosphäre. Experten haben bereits Verfahren entwickelt, um der Luft das CO2 zu entziehen. Aber wir können den Kohlenstoff auch aus verschiedenen Industrieprozessen gewinnen, wo er als Abgas anfällt; beispielsweise in Ammoniak- oder Biogasanlagen. Dort entsteht CO2 bei der Fermentation. Es gibt also genügend CO2Quellen, die wir anzapfen können, um Kohlendioxid in etwas zu überführen, aus dem wir später wieder Chemieprodukte oder Kunststoffe machen können.

Welche Anteile werden die neuen Formen der Kohlenstoffgewinnung künftig haben? Eine Statistik des Nova-Instituts aus Hürth bei Köln belegt, dass bis zum Jahr 2040 oder 2050 kaum – und die Verbraucher. Das ist ein

Recycling von kohlenstoffhaltigen

noch fossile Rohstoffe nachgefragt

großer Schritt, aber er ist alternativ-

Materialien. Hier geht es um die Fra-

werden. Wir werden stattdessen

los. Wir müssen zusehen, dass wir

ge: Wie können wir den Kohlenstoff

sehr viel Kunststoffrezyklat bearbei-

bei der Produktion so wenig CO2 wie

wiederverwenden, den wir irgend-

ten. Mechanisches und chemisches

möglich in die Atmosphäre abgeben

wann in die Welt gesetzt haben? Wir

Recycling wird einen Aufschwung

und so viel Kohlenstoff aus nicht-

können ihn zum einen mechanisch

erleben und etwa einen Anteil von

fossilen Quellen verwenden wie

rezyklieren, also zerkleinern, ein-

rund 55 Prozent vom Rohstoff-

irgendwie möglich. Das gilt auch bei

schmelzen und zu neuem Material

mix ausmachen. Rund 20 Prozent

Kunststoff, der bis dato hauptsäch-

verarbeiten. Zum anderen lässt sich

unseres Kohlenstoffbedarfs werden

lich aus Erdöl hergestellt wird.

Kunststoffabfall chemisch in seine

wir aus biologischen Quellen decken.

Moleküle zerlegen, aus denen dann

Insbesondere, wenn es um chemisch

Hier kommt nun CCU ins Spiel: ein

wiederum Polymere entstehen. Das

höherwertige Anwendungen geht,

Verfahren, das Kohlendioxid als

ist oft der einzige Weg, um bestimm-

die sogenannten stärker funktiona-

Rohmaterial für die Herstellung von

tes Altmaterial recyceln zu können.

lisierten Moleküle. Darüber hinaus wird die Nutzung von CO2 steigen

Chemikalien nutzt. Damit das CO2 mit anderen Substanzen reagiert,

Zudem ist es möglich, Kohlenstoff

und vermutlich die restlichen 25 Pro-

sind chemische Katalysatoren nötig.

aus Biomasse zu gewinnen, etwa aus

zent bilden. (...)

So stellen wir etwa Vorläufer für

Pflanzen oder Lebensmittelabfällen.

Polymere wie Polyurethan-Kunststof-

Das ist nichts anderes als die Ver-

Das Interview vom 13.03.2023 in

fe auf eine nachhaltige und zugleich

wendung von Nährstoffen und CO2

voller Länge finden Sie hier:

wirtschaftliche Weise her.

zur Herstellung von chemischen Zwi-

Welche Möglichkeiten für alternativen Kohlenstoff gibt es denn?

schenprodukten auf biologischem Weg, die wir dann später zu etwas Nützlichem verarbeiten können. Die dritte Möglichkeit ist die direkte

Es gibt drei verschiedene Möglich-

Nutzung von CO2 , um unseren künf-

keiten. Zunächst die Verwendung

tigen Kohlenstoffbedarf zu decken.

von „Kohlenstoffrezyklat“, also das

Es gibt sehr viel Kohlenstoff, auch 43


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