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Jahrestagung der NEUEN GRUPPE

Jahrestagung der NEUEN GRUPPE 2019

Münster 14. bis 16. November 2019

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BERICHT VON DR. LUTZ HÄUSSERMANN UND DR. MIRKO POMERENKE

ROTE ÄSTHETIK HEUTE 1. TAG DES KONGRESSES Die Jahrestagung 2019 der NEUEN GRUPPE widmet sich dieses Jahr der roten Ästhetik sowohl am natürlichen Zahn als auch bei Implantaten. Zu diesem Zweck ist es der NEUEN GRUPPE wieder einmal gelungen hochkarätige Referenten aus ganz Europa einzuladen.

Der erste Tag des Kongresses ist der roten Ästhetik am natürlichen Zahn gewidmet.

Ein systematisch und mit viel Evidenz untermauertes Behandlungskonzept stellt Prof. Dr. Maurizio Tonetti im ersten Vortrag des Kongresses vor. Der sowohl in Genua als auch in Hong Kong praktizierende, weltweit anerkannte Experte, zeigt uns die Evolution hinsichtlich der Herangehensweise an die Rezessionsdeckung. Eine umfangreiche Diagnostik geht der Behandlung voraus. Er teilt die Rezessionen nichtmehr nach der Miller-Klassifikation, sondern nach der Cairo-Klassifikation ein, erfasst nicht kariöse Zahnahlsdefekte und zeigt, dass nicht nur ein Schleimhaut-Phänotyp im Mund vorherrscht. Die Art des Eingriffes ist letztendlich von der Dicke der keratinisierten Gingiva und dem Vorhandensein der Schmelz-Zement Grenze abhängig. Ist die Schmelz-Zement-Grenze durch nicht kariöse Zahnhalsdefekte zerstört wird sie vor dem chirurgischen Eingriff mittels Composite nachempfunden, nicht aber der oft weiter nach zervikal reichende Defekt komplett aufgefüllt. Daraufhin folgt die Rezessionsdeckung mittels Bindegewebstransplantat, das in mehreren vorgestellten Studien gegenüber Ersatzmaterialien die besten Ergebnisse zeigt.

Die praktische Umsetzung des von Prof. Dr. Maurizio Tonetti vorgestellten Konzepts demonstriert Dr. Pierpaolo Cortellini im folgenden Vortrag anschaulich. Er verdeutlicht durch viele Bilder und Operationsvideos die Deckung von einzelnen und mehrfachen Rezessionen und beschreibt die verschiedenen Verfahren zur Entnahme des Bindegewebstransplantates. Zusätzlich zeigt er uns noch die Weichgewebsaugementation

des Kieferkamms mittels Bindegewebstransplantat. Seine teilweise über 10 Jahre dokumentierten Langzeitergebnisse zeigen beeindruckende Resultate und veranschaulichen die von Prof. Dr. Maurizio Tonetti beschriebene Literatur.

Im folgenden Vortrag zeigt Prof. Dr. Henrik Dommisch (Berlin) die Integration der plastischen Parodontalchirurgie in sein Gesamtbehandlungskonzept. Anhand von vier Fallpräsentationen stellt er dar wie und wann das Bindegewebstransplantat in einer synoptischen Herangehensweise sinnvoll ist.

Prof. Dr. Michael Christgau verlässt die Weichgewebsaugementation und bespricht subtraktive Maßnahmen zur Verbesserung der roten Ästhetik. Er geht dabei auf die entwicklungsbedingten Erruptionsstörungen und deren Behandlung mittels Gingivektomie und Kronenverlängerungen ein. Um ein vorhersehbares Ergebnis zu erreichen verwendet er ein Mock-up. Er verwedendet dieses Mock-up nicht nur um dem/der Patientin ein mögliches Ergebnis zu veran-

schaulichen, sondern auch als Orientierung beim chirurgischen Eingriff. Er untermalt seine Ausführungen mit einer ausführlichen Fotodokumentation, die sich über einen großen Zeitraum erstreckt.

Der Erhalt und die Vermehrung des ortsständigen Knochens wird von Dr. Gernot Mörig aus Düsseldorf besprochen. Der Titel seines Vortrages ‘Knochen schaffen ohne Waffen“ ist hier Programm. Er rät vom vorschnellen Griff zur Zange ab und zeigt uns, dass mittels forcierter Extrusion viele Zähne langfristig erhalten oder zumindest dem Erhalt des krestalen Knochen und der Vorbeugung von Kieferkammresorptionen dienen können. So können aufwändige Hartgewebsaugmentationen zum Ausgleich des Volumenverlusts des Kieferkamms post extractionem im Rahmen einer späteren Implantation vermieden werden. Ist eine Extraktion dennoch unumgänglich, so geschieht dies minimalinvasiv mittels Bennex-Extraktor. Die Deckung der Alveole zur Stabilisation des Blutkoagels erfolgt jedoch durch eine Zahnscheibe, die dem extrahierten Zahn entnommen wird und im Sinne einer Kammprophylaxe analog zur Socket-Shield Technik in die Alveole eingelegt wird. Durch den Erhalt der krestalen Fasern kann so ein so auf biologischem Wege das Einfallen des Knochens verhindert werden.

Zum Abschluss des Tages stellt sich Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger von der UniversitätsKlinik Freiburg der Frage wie man Misserfolge in der Parodontalchirurgie verhindert oder damit umgeht. Dabei arbeitet sie heraus, dass eine möglichst kurze Eingriffsdauer entscheidend zum Erfolg der Behandlung beiträgt. Ist eine Behandlung fehlgeschlagen gilt es, dennoch Ruhe zu bewahren, den/die Patient/in häufig einzubestellen und die Situation offen zu besprechen, da juristische Maßnahmen meist nicht aufgrund des Misserfolgs an sich eingeleitet werden, sondern viel mehr aufgrund einer unempathischen Handhabung desselben, durch die der/ die Patient/in sich nicht ernst genommen oder im Stich gelassen fühlen.

2. TAG DES KONGRESSES

Der 2. Kongresstag stand unter dem interessanten Titel der roten Ästhetik in der Implantologie. Mit Dr. Inaki Gamborena aus San Sebastian, Spanien und Dr. Ueli Grunder aus Zollikon, Schweiz konnten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen auf hochkarätige Referenten und wahre Meister ihres Faches freuen. Dementsprechend gut besucht zeigte sich der Kongresssaal des Hotels, obwohl sich das münsteraner Wetter nicht von seiner besten Seite präsentierte.

Dr. Inaki Gamborena Den Anfang an diesem aufregenden Kongresstag in Münster machte Dr. Inaki Gamborena. Der Weichgewebsexperte aus San Sebastian gilt als internationaler Experte für komplexe ästhetische Rehabilitationen im Frontzahnbereich. Mit Hilfe von spannenden Patient en fallen aus seiner täglichen Praxis demonstrierte Dr. Gamborena eindrucksvoll, dass für ihn Weichgewebe, und nicht Knochen, der Schlüssel zum Erfolg ist, um langfristig stabile ästhetische Ergebnisse zu erzielen. Besonders beeindruckend sind hierbei seine exzellenten Fotos und das stets sehr minimalinvasive Vorgehen. Genau hier bestehe aber auch die größte Herausforderung in seiner täglichen Arbeit. Denn chirurgische Eingriffe und das Verhalten des Weichgewebes seien weitaus unberechenbarer als zum Beispiel die Wurzelkanalbehandlung eines oberen Molaren. Somit bergen sie natürlich auch das größte Risiko eines Misserfolges. Tatsächlich geht mit der Implantatinsertion, insbesondere seinem Steckenpferd der Sofortimplantation im Frontzahnbereich, immer auch eine Bindegewebstransplantation einher. Denn besonders dieser Schritt sei für den späteren ästhetischen Erfolg unerlässlich. Hierfür entnimmt er das Gewebe am liebsten im Bereich des ersten Molaren, schneidet es ein und legt es wie eine Hose zirkulär um das Implantat. Diesem Schritt geht jedoch stets eine dreidimensionale Röntgendiagnostik hervor, um das Knochenangebot zu beurteilen und auf Basis dessen eine Schablone zur geführten Implantation herzustellen. Dies gibt ihm die Möglichkeit nach atraumatischer longitudinaler Extraktion flapless und damit unter größtmöglicher Schonung des Gewebes zu arbeiten. Hierfür wird die Alveole nach der Extraktion lediglich mit xenogenem Knochenersatzmaterial aufgefüllt und verdichtet. Anschließend wird das Implantat geführt an der zuvor exakt geplanten Position inseriert. Den Abschluss der Operation bildet das hosenformige Bindegewebstrans-

plantat. Doch auch der provisorischen Versorgung des frisch gesetzten Implantates geht eine gut durchdachte Planung und Vorarbeit voraus. Hierfür präpariert Dr. Gamborena den zu extrahierenden Zahn präoperativ und setzt den Praparationsrand an die für ihn ideale Position. Diese Informationen der horizontalen Ausdehnung der Alveole und des idealen Praparationsrandes werden mittels Abdruck und späterem Scan übertragen und zur Herstellung eines individuellen Abutments herangezogen. Somit gelingt es ihm nicht nur den strukturellen Erhalt der Alveole in horizontaler Dimension zu unterstützen, sondern ebenfalls ein ideales Emergenzprofil zu schaffen. Generell lautet sein Credo so wenig aggressiv wie möglich vorzugehen, konsequent ohne vertikale Inzisionen im Frontzahnbereich zu operieren und dem Gewebe ausreichend Zeit zum Heilen zu geben.

Dr. Ueli Grunder Den zweiten Vortrag an diesem Samstag Nachmittag bestritt mit Dr. Ueli Grunder einer der führenden Experten für Implantationen und Knochenaugmentationen im ästhetischen Bereich. Im Gegensatz zu seinem Vorredner an diesem Tag kon zentrierte sich der Vortrag von Dr. Grunder auf die Augmentation des ortstandigen Knoch ens mittels Guided Bone Regeneration (GBR) vor oder im Zuge der Implantatinsertion. Der schweizer Fachzahnarzt für rekonstruktive Zahnmedizin beschreibt seine über viele Jahre immer weiter perfektionierte Technik hierbei mit 4 prägnanten Grundprinzipien: „protected blood clot“, „space maintaining“, „stabilization“, „time“.

Diese Grundprinzipien beschreibt und untermauert er im weiteren Verlauf seines Vortrages eindrucksvoll mit zahlreichen Patientenfallen.

Dem operativen Eingriff zum Knochenaufbau geht hierbei, falls nötig, stets eine operative Weichgewebskorrektur voraus. Insbesondere bei stark vernarbtem Gewebe oder Gewebeverlust durch missglückte Fremdeingriffe diverser Vorbehandler. Nach Ausheilung und Harmonisierung des Weichgewebes erfolgt die eigentliche GBR- Operation. Hierbei richtet sich Dr. Grunder nach einigen Richtlinien. Beim Lappendesign wird eine Entlastungsinzision im ästhetischen Bereich stets vermieden. Um dies zu erreichen wird der Lappen bis weit nach distal extendiert. Teilweise bis in den Molarenbereich hinein. Dadurch kann eine vertikale Entlastung fast immer vermieden werden. Ist diese trotzdem einmal unumgänglich, so wird sie stets in die Region distal des Eckzahnes gelegt um eine spätere ästhetische Kompromittierung durch mögliche Narben bildung zu vermeiden. Um den Lappen später absolut spannungsfrei adaptieren zu können, führt er eine tiefe vertikale Mobilisation mit anschließender Periostschlitzung des Lappens unter Vermeidung des Belassens von Muskelzügen durch. Bei der anschließend verwendeten Membran zur GBR sei es wichtig, dass diese eine ausreichende Standzeit und Formbarkeit aufweist, um sich an die individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Operationsgebietes anpassen zu lassen. Besonders gerne benutzt er hierfür eine titanverstarkte PTFE Membran. Diese wird zunächst zugeschnitten und apikal fixiert. Anschließend wird das xenogene Knochenersatzmaterial eingebracht und die Membran krestal durch eine palatinal befestigte Haltenaht fixiert. Wichtig hierbei sei, dass diese Membran die angrenzenden Zähne nicht berührt. Zum weiteren Schutz wird zusätzlich eine native Kollagenmembran eingebracht und der Lappen anschließend spannungsfrei vernäht. Entscheidend für den Erfolg seiner Methode ist die ausreichende Liegezeit der Membran, um den Umbau des Blutkoagels in Knochen zu gewährleisten. Hierbei empfiehlt er ein Minimum von 6 Monaten. Zudem sei für eine langfristig gute Ästhetik die Unterstützung der Papille durch Augmentation des interdentalen Knochenbereichs unerlässlich.

Im zweiten Teil des Nachmittags zeigt Dr. Grunder eindrucksvoll, welche Behandlungsansatze bei Misserfolgen möglich sind. Hierbei bindet er die Kongressteilnehmer aktiv in den Vortrag ein und erarbeitet gemeinsam verschiedenste Behandlungsstrategien und Losungsansatze für die eigene Praxis.

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