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„Ich möchte hierbleiben.“

Habib Rezai, Afghanistan

Mitte September 2015 starteten die beiden ihre sechswöchige Odyssee nach Deutschland. Die Fluchtroute: Mashad – Teheran – Istanbul – Athen – Deutschland. Natürlich waren Schlepper dabei im Spiel. Auf dem Transfer von Teheran durch den Irak nach Istanbul wurde Habib Rezai bei einer Pause vergessen. „Ich habe nicht mitbekommen, dass es weiterging. Der Bus fuhr ohne mich. Ich hatte höllische Angst. Es war nachts, man konnte nichts sehen. Einige Zeit später hielt ein Fahrzeug. Erst als ich die Stimme von meinem Cousin erkannte, traute ich mich aus meinem Versteck. Der Bulli war nicht wegen mir zurückgekommen. Er war in eine Schießerei mit kurdischen Peschmerga-Rebellen geraten. Um dem zu entkommen, musste der Fahrer einen anderen Weg nehmen, der wiederum an der Plantage vorbeiführte. Diese Schießerei war sozusagen mein Glück“.

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Ein Schlauchboot mit 60 Personen an Bord brachte sie aus der Türkei nach Lesbos. Hier machte er seine erste Begegnung mit einem Toten. „Dort zogen sie einen alten

Seit Januar 2016 lebt der junge Habib Rezai in Darup. Geboren wurde er in Afghanistan. Er ist Hazara und gehört somit zu einer Ethnie, die aufgrund ihrer Religion – dem schiitischen Islam – ein Ziel von Gewalt sind. Deshalb fliehen viele Hazara aus dem Land. Als er drei Jahre alt war, flüchteten seine Eltern – vor den Taliban – mit ihm und seiner Schwester nach Ghom, in den Iran. Dort lebte er 14 Jahre lang illegal, da die Familie keine offizielle Aufenthaltsgenehmigung erhielt. Somit war die Möglichkeit eine Schule zu besuchen für ihn nicht gegeben. Ergo hat er nie wirklich lesen und schreiben gelernt. Die größere Schwester durfte dort ab und zu in die Koranschule gehen. Von ihr konnte er sich einiges abgucken, sich ein bisschen das persische Lesen und Schreiben beibringen.

Ich will nicht zurück nach Afghanistan. Auch nicht in den Iran. Ich möchte hierbleiben!

Nirgendwo sonst bekomme ich so eine gute Chance, eine Ausbildung zu machen, Geld zu verdienen, mein Leben und meine Existenz – in Sicherheit – auf eine solide Basis zu stellen“, betont er. Die Tatsache, dass er im August 2018 eine Ausbildung zum Friseur angefangen hat, steigern die Chancen, dass sein Aufenthaltsstatus verlängert wird. In Darup wohnt er zusammen mit seinem Cousin Hussein. Mit ihm kam er nach Deutschland.

Zur Ausstellung gehören:

Das Buch

Sie sprechen aber gut Deutsch. Heimat/Gestern/ Heute/Hier

Von Ulla Wolanewitz

Herausgegeben vom Kreisheimatverein

Coesfeld e.V.

176 Seiten, Coesfeld 2018

ISBN- 978-3-9820094-0-7

Die App

Mit der BIPARCOURS-App den QR-Code in der Ausstellung einscannen, Frage für Frage beantworten und bis zu 2.000 Punkte in der interaktiven Schnitzeljagd gewinnen. Ein Angebot des Bildungspartners NRW.

Der Film

Vom Weggehen und Ankommen – Heimat –

Gestern_Heute_Hier

Kurzfilm von Susanna Wüstneck

Abrufbar auf YouTube

Mann aus dem Wasser. Ich war total schockiert. Habe gedacht: Wenn ich dieser Mann wäre, hätte ich die ganze Tortur schon hinter mir“. Der Transfer von Athen nach Deutschland dauerte weitere 23 Stunden. Letztendlich landeten sie in Coesfeld. Anschließend in einer „BrückenEinrichtung“ in Seppenrade. Als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – die nach internationalen Konventionen einen Anspruch auf besonderen Schutz haben – bekamen beide einen Platz im Alexianer Martinistift. Diese regionale Einrichtung von überregionaler Bedeutung mit Sitz in Nottuln-Appelhülsen führt unter anderem Jugendhilfeangebote für junge Erwachsene durch und war in diesem Fall zuständig für die beiden Afghanen, die der ethnischen Minderheit der Hazara angehören. Trotz aller heutigen Annehmlichkeiten bleibt ihm der tägliche Spagat: „Darf es mir hier so gut gehen, während meine Familie im Iran jetzt mehr denn je in schwierigen Verhältnissen lebt?“ Der Traum von einem Leben in Frieden und Freiheit wäre für ihn perfekt, wenn auch seine Familie mit ihm hier sein könnte. Derzeit hat dieser Traum jedoch wenig Aussicht auf Verwirklichung.

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