Maulbeerblatt 44

Page 10

Der Turm gehört uns Text und Bildbearbeitung: Johannes Großer

„Das Ding soll euer Wahrzeichen sein?! Das ist doch lediglich schlechter Geschmack, der jahrelang kein Werkzeug gesehen hat.“ – so die Worte meiner Freundin, nachdem ich sie die Müggelberge hinauf gequält hatte. Mir fiel kein gescheiter Konter ein, außer zu sagen „Für euch Ruhrpötter ist das doch schon fast Kunst!“; der Tag war quasi gegessen. Und dann kommt der Moment beim nächsten alljährlichen Spaziergang zum Turm, an dem man feststellt, dass es letzten Endes auch nichts mehr zum Schlechtmachen gibt. Stolz sein können wir nur noch auf die Erinnerungen an unseren Turm. Daran, wie man sich mit dem Papa zusammen die Aussichtsplattform erklommen hat, oben jeden Punkt Berlins versucht hat zuzuordnen, und wenn man ganz lieb war unten noch ein Eis bekommen 10

hat. Daran wie sportlich man sich vorkam, wenn man es das erste Mal mit dem Fahrrad zum Fuß des Turmes geschafft hat. Und daran, dass es mal ein Ort voller Leben und Leuchten war. Heute gibt es nichts mehr, worauf wir stolz sein können. Ganz im Gegenteil: Heute ist der Turm auf den Müggelbergen lediglich ein verfallenes Mahnmal, das uns daran erinnern soll, wie wir unsere Heimat verraten und verkauft haben. Und das jeden Tag mehr und mehr. Seen werden verkauft, Parks, Strände und Sportplätze. Da dürfen auch unsere Berge und Wälder nicht fehlen. Was einst allen gehörte, steht schließlich nur wenigen zu! Ironie, dass was den Menschen früher weggenommen wurde um zu Volkseigentum zu werden, nun dem Volk weg-


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.