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EUTSCHER DODOSTDIENST 60. Jahrgang / Nr. 06/2017

Nachrichtenmagazin des Bundes der Vertriebenen

60 Jahre Patenschaft – Siebenbürger feiern im Landtag Politik:

Fachtagung:

NRW-Heimatministerin kam zu Siebenbürgern

Über die Entstehung von Staaten



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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser, in der Weihnachtszeit, wenn sich der Jahreskreis dem Ende zuneigt, blickt man gern auf das Erreichte zurück. Für den Bund der Vertriebenen galt dies 2017 in erweitertem Sinne. Vor dem Hintergrund unseres Verbandsjubiläums haben wir eine Bilanz aus sechs Jahrzehnten Arbeit für Menschenrechte, Heimat und Verständigung gezogen, aktuelle Anliegen thematisiert und den Blick auf kommende Herausforderungen gerichtet. Wie so oft ergeben sich manche dieser zukünftigen Herausforderungen aus wegweisenden Dokumenten der Vergangenheit. So ist die Charta der deutschen Heimatvertriebenen von 1950 ein Fundament für unseren Einsatz für Recht und Gerechtigkeit sowie für ein freies und geeintes Europa. Der Blick auf die politische Situation unserer Zeit, in der in einigen europäischen Ländern wieder Grundwerte wie Pressefreiheit oder Unabhängigkeit der Justiz gefährdet sind, zeigt, wie wichtig gerade unsere grenzüberschreitende Arbeit nach wie vor ist. Möglicherweise treten in diesen Entwicklungen Strukturen der Vergangenheit zutage, deren Gift bis heute weiterwirkt. Unrechtsdekrete, aufgrund derer vor mehr als sieben Jahrzehnten auch Millionen Deutsche aus ihrer Heimat vertrieben, ihres Besitzes beraubt, interniert, deportiert oder gar sanktionsfrei ermordet wurden, mögen zwar heute keine Rechtswirksamkeit mehr entfalten. Doch schon ihr formales Fortbestehen und der gesetzte Rechtsschein schreiben auch das Denken fort, das mit solchem Unrecht verbunden ist. Solche Dekrete formal zu beseitigen, wäre damit nicht nur ein wichtiger Schritt zur Verständigung mit den deutschen Heimatvertriebenen. Es wäre auch ein klarer Beweis staatlicher Souveränität in bestem europäischem Sinne durch Bereinigung des eigenen Rechtssystems und somit genauso wichtig für die jeweils eigene Bevölkerung und die europäischen Nachbarn. Mit dem einstimmig beschlossenen Leitwort „Unrechtsdekrete beseitigen – Europa zusammenführen“ setzt das Präsidium des Bundes der Vertriebenen für das Jahr 2018 ein deutliches Zeichen in diese Richtung. Ihnen allen wünsche ich ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest im Kreise Ihrer Lieben sowie ein gesundes und friedliches neues Jahr. Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bernd Fabritius

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Inhalt

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„Wir sind gerne Ihre Paten und auch Partner“ Vor 60 Jahren hat das Land Nordrhein-Westfalen die Patenschaft für den Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland übernommen. Das hatte das Kabinett unter Ministerpräsident Fritz Steinhoff am 7. Januar 1957 beschlossen und der Landtag in einem Festakt am 26. Mai 1957 verkündet. Der 60. Jahrestag wurde nun mit einer Feierstunde am 10. November 2017 im Landtag in Düsseldorf begangen. Vertreter des Landes und des Verbandes bekundeten in ihren Festreden ihre gegenseitige Wertschätzung.

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Junge Menschen seit Jahrzehnten für Europa Bereits im Juni bekanntgegeben, erfolgte nun die Verleihung des Europäischen Bürgerpreises an die Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde in der Vertretung des Europäischen Parlaments in Berlin. Für den Jugendverband nahm Julia Schäffer, die stellvertretende Bundessprecherin, die Auszeichnung entgegen und sprach die Dankesrede. Der Preisverleihung wohnten neben einer starken Abordnung des Verbandes auch Repräsentanten von Staat und Kirche, unter anderem der Botschafter der Tschechischen Republik in Deutschland, Tomáš Jan Podivínský, und der Berliner Erzbischof Dr. Dieter Koch. Seite 12

Schriftsteller in Exil und innerer Emigration Bereits zum zweiten Mal fand im Osten ein internationaler Germanistenkongress zum Thema „Exilliteratur und Innere Emigration“ statt. 2014 war der Veranstaltungsort die Universität Posen, 2017 war es die Universität Lodz. Veranstalter waren die Universitäten Lodz, Posen, Königsberg, Gießen und Vechta sowie die Internationale Ernst-Wiechert-Gesellschaft (IEWG). Bei wissenschaftlichen Kongressen ist ein internationaler Standard bezüglich der Anzahl der Referenten vorgeschrieben... Seite 17

Über die Entstehung von Staaten Die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn, hat ihre zweite Tagung zum Thema „Der Erste Weltkrieg und seine Folgen für das Zusammenleben der Völker in Mittel- und Ostmitteleuropa“ in Königswinter abgehalten. Bei der international besetzten staats- und völkerrechtlichen Fachtagung, die die Kulturstiftung gemeinsam mit der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht im November 2017 abgehalten hat, stellten hochkarätige Referenten historische Daten und Fakten zur Situation in verschiedenen Ländern vor. Seite 29

Heimatverlust und Neuanfang Die Präsidentin des Frauenverbandes im BdV, Dr. Maria Werthan, leitete und moderierte die Internationale Begegnungstagung „Angekommen im Westen nach 1945“ in der „Politischen Bildungsstätte Helmstedt“. Den Teilnehmern wurde ein breitgefächertes Spektrum geboten: detaillierter Unterricht in jüngster Geschichte und Einblicke in persönliche Schicksale. Die Tagungsleiterin, unterstützt von der stellvertretenden Präsidentin des Frauenverbandes Sibylle Dreher, benannte in ihrer Einführung den Schwerpunkt des Seminars. Eine Bestandsaufnahme von Seite 41 „Erfahrungen vom Ankommen“ sei das Ziel. Titel: Aleksandra Schulze; www.polnisch-in-allen-lebenslagen.de (1)

Schaelte (2); Bauer (1); OTFW (1); Göllner (1); BdV-Archiv


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Politik

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„Wir sind gerne Ihre Paten und auch Partner“ 60 Jahre Patenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen für die Siebenbürger Vor 60 Jahren hat das Land Nordrhein-Westfalen die Patenschaft für den Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland übernommen. Das hatte das Kabinett unter Ministerpräsident Fritz Steinhoff am 7. Januar 1957 beschlossen und der Landtag in einem Festakt am 26. Mai 1957 verkündet. Der 60. Jahrestag wurde nun mit einer Feierstunde am 10. November 2017 im Landtag in Düsseldorf begangen. Vertreter des Landes und des Verbandes bekundeten in ihren Festreden ihre gegenseitige Wertschätzung. Die Patenschaft sei stets für beide Seiten gewinnbringend gewesen, habe sich zu einer Partnerschaft entwickelt und sei aktueller denn je dank des gesellschaftlichen Einsatzes und des europäischen Impetus der Siebenbürger Sachsen.

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andtagspräsident André Kuper konnte gemeinsam mit der Bundesvorsitzenden Herta Daniel und dem Verbandspräsidenten des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Bernd Fabritius, rund 300 Gäste im Plenarsaal des Landtags begrüßen, darunter Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, Klaus Kaiser, Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW, zahlreiche nordrhein-westfälische Abgeordnete, den hessischen Landtagspräsidenten Norbert Kartmann, den rumänischen Generalkonsul in Bonn, Mihai Botorog, den ungarischen Generalkonsul in Düsseldorf, Balázs S. Szegner, sowie zahlreiche Mitglieder des Bundesvorstandes der Siebenbürger Sachsen und der Landes- und Kreisgruppen aus ganz Deutschland. In seiner Festrede erinnerte Präsident André Kuper an den Beschluss der Lan-

Der nordrhein-westfälische Landtagspräsident André Kuper (l.) mit der Bundesvorsitzenden der Siebenbürger Sachsen Herta Daniel (M.) und BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius.

desregierung aus dem Jahr 1957, die Patenschaft für die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen zu übernehmen. In der Urkunde heißt es: „Mit diesem Akt bekundet das Land Nordrhein-Westfalen seine Verbundenheit mit der Volksgruppe der Siebenbürger Sachsen, deren Urheimat weite Gebiete NordrheinWestfalens sind; und seinen Willen, die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in ihren Aufgaben zu unterstützen.“ Dieser Beschluss gelte auch heute ohne Wenn und Aber, betonte der heutige Landtagspräsident.

Viel zum Gemeinwesen beigesteuert „Wir sind gerne Ihre Paten und auch Partner und wir sind dankbar, dass viele Siebenbürger Sachsen gerade auch in Nordrhein-Westfalen ihre neue Heimat gefunden haben. Sie haben dieses Land mit aufgebaut und bereichern unser

Leben mit Ihrem Engagement und Ihrer Kultur bis heute.“ Die Siebenbürger Sachsen hätten in den schweren Nachkriegsjahren zwar materiell nicht viel mitgebracht, doch sehr viel zum Gemeinwesen beigesteuert, sagte André Kuper. Sie seien mit einem reichen Schatz an Erfahrungen gekommen und wüssten, „wie ein gutes Zusammenleben verschiedener Nationen und Religionen in einem Land funktionieren kann“. In ihrem Gepäck hätten sie auch eine „Kultur der Verständigung“ und einen Gemeinschaftssinn mitgebracht, der weit über die eigene Landsmannschaft hinausgehe. Als Beispiel ihrer „unbedingten Bereitschaft, sich die neue Heimat im wahrsten Sinne des Wortes zu erarbeiten“, nannte André Kuper die Kohleaktion 1953. Viele Siebenbürger Sachsen aus Österreich seien damals dem Aufruf gefolgt, als Bergarbeiter in den Zechen des Ruhrgebiets und im Aachener Revier zu arbeiten. Die ersten Siedlungsorte der Siebenbürger Sachsen,


6 Setterich, Herten und Oberhausen, hätten die Basis für die Übernahme der Patenschaft gebildet. „Gerade in unserer vernetzten, digitalisierten und damit scheinbar grenzenlos gewordenen Welt, in einer Zeit, da sich vieles beschleunigt, brauchen wir Orientierungspunkte.“ Genau solche Orientierungspunkte biete die siebenbürgischsächsische Kultur und Tradition, die auch heute von vielen jungen Menschen gepflegt werde, sagte der CDU-Politiker. Die Siebenbürger Sachsen seien „ein hervorragendes Beispiel für gelungene Integration“ und „auch der Beweis, dass und wie es gelingen kann, in einer neuen Region, einer neuen Gesellschaft anzukommen, ohne die eigenen Wurzeln zu verlieren“. Mit unermüdlicher Leidenschaft hätten sie sich am Wiederaufbau des Landes Nordrhein-Westfalen beteiligt und mit gleicher Leidenschaft trugen sie dazu bei, „den demokratischen Gedanken von der kommunalen bis hin zur europäische Ebene fest zu verankern“. Für Landtagspräsident Kuper sind die Siebenbürger Sachsen „ein Vorbild europäischen Denkens, das wir gerade in dieser Zeit dringend brauchen“. Der Landtag Nordrhein-Westfalens sei sich „sehr bewusst, welchen Beitrag Sie für unsere Gesellschaft leisten“, betonte der Landtagspräsident. Es sei ihm eine große Freude und erfülle ihn mit Stolz, die lange Patenschaft Nordrhein-Westfalens zu feiern und damit deutlich zu machen, „wie wichtig Ihr Beitrag zu Integration, Heimat und europäischem Denken derzeit ist“.

„Heimat hat viele Facetten“ Das Grußwort seitens der Landesregierung sprach die Ministerin Ina Scharrenbach. Ministerpräsident Armin Laschet bedauerte es sehr, dass er an der Feierstunde nicht teilnehmen konnte. Als Regierungschef des bevölkerungsreichsten Bundeslandes sei er bei den Sondierungsgesprächen für eine neue Bundesregierung in Berlin unabkömmlich. Scharrenbach leitet seit einigen Monaten das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, ein Zuschnitt, der neu in Nordrhein-Westfalen ist. „Heimat hat viele Facetten“ – das wüssten jene, die ihre Heimat verlassen mussten, am besten. Heimat sei mehr als ein Ort oder eine Region und umfasse

Politik auch die Tradition, in der man aufgewachsen sei. Im Rückblick auf 60 Jahre Patenschaft für die Siebenbürger Sachsen würden gleichsam „die unsichtbaren Wurzeln“ der Heimat sichtbar, führte die Ministerin aus. Diese Wurzeln hätten die Siebenbürger Sachsen wohl in sich getragen, als ihre Vorfahren im 12. Jahrhundert in Richtung Osten zogen, „weil sie fern der – geographischen – Heimat ein besseres, ein freieres Leben suchten“. Ihre Traditionen, ihre Sprache und Gemeinschaft hätten sie jahrhundertelang in Siebenbürgen gepflegt und bewahrt. Ihre „alten Wurzeln“ müssen sie auch in sich getragen haben, als sie

Wunderschön anzusehen: die handbestickten Samthauben der siebenbürgischen Trachten, von denen viele im Landtag zu bewundern waren.

im 20. Jahrhundert nach Deutschland „zurück“ kamen. Diesbezüglich habe der siebenbürgische Historiker Dr. Harald Zimmermann in seiner Festrede 1997 beim 40. Patenschaftsjubiläum in Düsseldorf Stephan Ludwig Roth zitiert, der Deutschland „das große Mutterland“ genannt hatte. „Was für ein warmherziger, beinahe poetischer Begriff – der ganz frei ist von überzogenem Patriotismus und nationalistischer Überheblichkeit“, betonte die Ministerin. Mit dieser Haltung sei es den Siebenbürger Sachsen sehr gut gelungen, heimisch zu werden in der Bundesrepublik Deutschland. „Solidarität untereinander, Offenheit für ihre Mitmenschen und aktive Beteiligung am Gemeinwesen – das zeichnete die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen von Anfang an aus.“ Die Siebenbürger Sachsen hätten ihre Heimat im

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Herzen behalten und eine neue Heimat angenommen. Das sei eine hervorragende Bilanz nach sechzig Jahren Patenschaft. Sie schloss mit den herzlichen Worten: „Ich wünsche Ihnen, dass Sie die alten Wurzeln – Kultur und Tradition – weiterhin voller Freude pflegen und immer neue Wurzeln schlagen. So können wir unsere Heimat Nordrhein-Westfalen auch künftig gemeinsam gestalten.“

„Leib und Seele, Tatkraft und Tradition“ Bernd Fabritius, Präsident des Bundes der Vertriebenen und Präsident des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, erinnerte an die Nachkriegszeit, als Nordrhein-Westfalen innerhalb weniger Jahre über 2,6 Millionen deutsche Vertriebene aufgenommen und zum größten Aufnahmeland innerhalb Deutschlands geworden war. Diese Menschen hätten ihre gewohnten Ordnungsstrukturen aus der Heimat verloren und seien als Vertriebene in alle Winde verstreut worden. Aus dieser verzweifelten Situation heraus seien die Patenschaften entstanden. NordrheinWestfalen habe sich dieser moralischen Pflicht gestellt und sei seit nunmehr 60 Jahren Patenland aller Siebenbürger Sachsen in ganz Deutschland. „Diese Patenschaft ist eine Partnerschaft, eine Beziehung zwischen zwei Partnern, die sich gegenseitig fordern und fördern“, sagte Fabritius. Dabei gab es in den 60 Jahren ihres Bestehens immer Höhen und Täler. Um Beziehungen lebendig zu erhalten, müsste man oft neue Impulse setzen und miteinander sprechen. Deshalb rief Bernd Fabritius dem Land NRW und dessen Patenkind zu: „Kommen Sie verstärkt zusammen!“ Die Siebenbürger Sachsen würden die Kulturlandschaft Nordrhein-Westfalens bereichern, „weil sie mit Leib und Seele, mit Tatkraft und Tradition Teil ihrer neuen Heimat geworden sind“. Danach las Bernd Fabritius ein Grußwort des rumänischen Staatspräsidenten Klaus Johannis vor. Dieser würdigte „das Engagement der Landesregierung Nordrhein-Westfalen für die Konsolidierung der bilateralen Beziehungen zu Rumänien und für die Unterstützung, die die Siebenbürger Sachsen bei ihrer Integration in die deutsche Gesellschaft erfahSchaelte (2)


Politik

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ren“. Zudem dankte das Staatsoberhaupt jener Generation von Siebenbürger Sachsen, die in den schweren Nachkriegsjahren „durch gemeinsame Anstrengungen die Grundlagen für eine friedliche, demokratische Welt“ gelegt hatten. Die heutige Generation könne nun als Vermittler zwischen unseren Ländern und Gesellschaften wirken. Die Bundesvorsitzende Herta Daniel hatte die angenehme Aufgabe, den Dank der Siebenbürger Sachsen für 60 Jahre Patenschaft auszusprechen. Aufgrund der Übernahme der Patenschaft durch das Land NRW sei unserer Landsmannschaft eine besondere Aufmerksamkeit und Wertschätzung zuteil geworden. Bei der feierlichen Verkündung der Patenschaft am 26. Mai 1957 hatte der Arbeits- und Sozialminister Heinrich Hemsath namens des Landes NRW den Siebenbürger Sachsen versprochen, in allen Anliegen helfen zu wollen, „soweit es nur irgend möglich und zu vertreten ist“! 60 Jahre danach dürfen wir mit Dankbarkeit feststellen, dass die Versprechungen des Patenlandes eingehalten wurden!“, freute sich Herta Daniel. Für das Einhalten dieser Versprechungen über sechs Jahrzehnte hinweg und für die persönliche Verbundenheit gebühre dem Land NRW, insbesondere den Patenministerpräsidenten und den Patenministern unser aller Dank. Erfreulich sei auch die Tatsache, „dass die Fürsorge des Patenlandes sich auch auf unsere Landsleute in Siebenbürgen ausdehnte, was nicht selbstverständlich ist!“ In ihre Danksagung bezog Herta Daniel die Landsleute in NRW ein, die die Festveranstaltung großartig mitgestaltet hätten. Ihr Dank galt auch allen ehrenamtlichen Leistungsträgern der letzten sechs Jahrzehnte: „Ihr Ziel war, ist und bleibt, uns in das hiesige demokratische Gemeinwesen so einzubringen, dass unsere Mitbürger die Siebenbürger Sach-

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Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung in Nordrhein-Westfalen, bei ihrem Grußwort im Plenarsaal des Landtages.

sen als leistungsstarke, kulturbereichernde Bürger Deutschlands begreifen. Beispiele dafür wären Ihr kommunalpolitisches Engagement, Ihre beruflichen Erfolge und die engen Kontakte mit der hier lebenden Bevölkerung in mehreren Bereichen – oder kurz gefasst: Ihre Beheimatung hier in NRW ist gelungen!“ Die Feierstunde im Plenarsaal wurde von dem „Honterus-Chor Drabenderhöhe“ und dem „Stephan-Ludwig-RothChor Setterich“ unter der Leitung von Regine Melzer musikalisch umrahmt. Anschließend begrüßte Rainer Lehni, Stellvertretender Bundesvorsitzender und Vorsitzender der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, die zahlreichen Gäste in der Bürgerhalle des Landtags. Er und Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster waren seitens des Verbands für die Organisation der Feier verantwortlich und arbeiteten mit dem Organisationsteam des Landtags zusammen. Bestens umrahmt wurde die Feier von

INFO Das damalige Kabinett unter Ministerpräsident Fritz Steinhoff hatte am 7. Januar 1957 beschlossen, die Patenschaft über die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen zu übernehmen. Feierlich verkündet wurde dies am 26. Mai 1957 bei einem Festakt im Landtag. Die Siebenbürger Sachsen sind eine deutschsprachige Minderheit im heutigen Rumänien. Sie siedelten sich im 12. Jahrhundert im Landesteil Siebenbürgen an und sind damit die älteste noch existierende deutsche Siedlergruppe in Osteuropa.

der „Vereinigten Siebenbürger Blaskapelle Nordrhein-Westfalen“, bestehend aus Bläsern der „Blasmusikkapelle Siebenbürgen Setterich“ und des „Blasorchesters Siebenbürgen Drabenderhöhe“, dirigiert von Jörg Schmidt. Auf der Tanzfläche begeisterten die siebenbürgischsächsischen Tanzgruppen aus Herten (Leitung: Sylvia Kuhn), Köln (Leitung: Rainer Lehni) und Wuppertal (Leitung: Werner Konnerth) mit einem Querschnitt durch den deutschen Volkstanz. Gekonnt und mitreißend aufgeführt wurden drei Tänze aus Siebenbürgen, „Reklich Med“, „Neppendorfer Ländler“ und „Stolzenburger Masur“, ein Tanz aus der Jugendbewegung des 20. Jahrhunderts, „Langer Weg“, ein Tanz aus der Schweiz, „Nagelschmied“, und „Sternpolka“ aus Böhmen. Bei regen Gesprächen, einem Gläschen „Sachsenwein“ und siebenbürgischen wie rumänischen Spezialitäten, vorbereitet von NRW-Landeskulturreferentin Heike MaiLehni und ihren Helfern, ging der Abend in vorzüglicher Atmosphäre seinem Ende zu. In der Wandelhalle des nordrheinwestfälischen Landtags war bis zum 24. November eine Ausstellung über die Kohleaktion von 1953 zu sehen. Sie dokumentiert den Werdegang der Siebenbürger Sachsen aus Österreich, die nach Nordrhein-Westfalen kamen und in siebenbürgischen Siedlungen in Herten, Oberhausen und Setterich eine neue Heimat fanden. Siegbert Bruss/Markus Patzke


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Politik

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Goldene Verdienstmedaille für Emilia Müller Sudetendeutsche Landsmannschaft verlieh Staatsministerin Auszeichnung Bei einem Festakt im Historischen Reichssaal des Alten Rathauses in Regensburg verlieh die Landesgruppe Bayern der Sudetendeutschen Landsmannschaft der Bayerischen Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration Emilia Müller sozusagen als „Vergelt‘s Gott“ für die Schirmherrschaft Bayerns über die Sudetendeutsche Volksgruppe ihre höchste zu vergebende Auszeichnung, die Goldene Verdienstmedaille. Die Festrede hielt der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer. Er stellte diese sinngemäß unter das Motto „Was ist uns heilig?“. ie Regensburger Bürgermeisterin D Gertrud Maltz-Schwarzfischer wies in ihrer Begrüßung auf die Übernahme

der Patenschaft über die Sudetendeutsche Volksgruppe im November 1951 hin und nannte weitere Bezüge ihrer Stadt zu den Sudetendeutschen wie das Kunstforum Ostdeutsche Galerie oder das Sudetendeutsche Musikinstitut. Ebenso zollte sie Anerkennung für die Leistungen der Heimatvertriebenen beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft Steffen Hörtler weitete in seiner Begrüßung diese Gedanken auf den Freistaat Bayern aus, der im Jahr 1954 die Schirmherrschaft über die Sudetendeutsche Volksgruppe übernommen und die Betreuung der Heimatvertriebenen im Arbeits- und Sozialministerium angesiedelt hat. „Mit großer Herzlichkeit, innerer Überzeugung und Empathie für die Menschen, die einem anvertraut sind“ leiste Staatsministerin Emilia Müller ihre Arbeit, lobte Hörtler. Die Laudatio auf die Geehrte hielt der Sprecher der Sudetendeutschen Volks-

Beim Eintrag ins Gästebuch der Stadt Regensburg (v.l.n.r.): der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe Bernd Posselt, die Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration Emilia Müller, Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer, SL-Landesobmann Steffen Hörtler, BdV-Landesvorsitzender und Vizepräsident Christian Knauer, sitzend die tschechische Sozialministerin Michaela Marksová.

gruppe und Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft Bernd Posselt. Er zeichnete die politischen Stationen Müllers von der Wahl in das Europaparlament über die bisherigen Kabinettsposten (Umwelt-, Europa-, Wirtschaftsministerin) bis zur jetzigen Tätigkeit als Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration nach und schilderte viele gemeinsame Aktivitäten in den Bereichen (sudeten-) deutsch-tschechische Nachbarschaft und Volksgruppenrecht. Staatsministerin Müller sah diese Auszeichnung auch als Auftrag, weiterhin in diesen Themenfeldern aktiv zu bleiben und die Ziele bzw. Aufgaben der Sudetendeutschen mit zu unterstützen. Die Bezüge seines Bistums nach Tschechien und seine eigenen sudetendeutschen Wurzeln stellte Bischof Dr. Rudolf Voderholzer an den Beginn seiner Festrede. Ebenso würdigte er die Leistungen und Verdienste der Heimatvertriebenen beim Wiederaufbau und bei der Mitgestaltung des gesellschaftlichen

und kirchlichen Lebens. Mit Blick auf die aktuellen Integrationsaufgaben meinte er, dass diese „vor allem eine Herausforderung an unsere eigene kulturelle Identität“ seien. Auch der bayerische Landesvorsitzende und Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen Christian Knauer dankte Staatsministerin Müller im Namen der anderen BdV-Gruppen. „Wir sind bei Ihnen gut aufgehoben, und wir werden von manch anderem Landesverband deswegen beneidet“, merkte der BdVLandesvorsitzende an. Und er nannte einige mit Unterstützung Müllers in die Gänge gebrachte Projekte: Bau des Sudetendeutschen Museums, das Schlesische Schaufenster in Straubing, die Fixierung des Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung auch auf Bundesebene, die Besetzung der Schlüsselstelle im Staatsministerium mit Dr. Wolfgang Freytag und der Leitung des Hauses des Deutschen Ostens in München mit Prof. Dr. Andreas Otto Weber. Markus Bauer Bauer (1); OMV (1)


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Politik

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OMV: Egon Primas MdL neuer Bundesvorsitzender Helmut Sauer zum Ehrenvorsitzenden gewählt Auf der Bundesdelegiertentagung der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU (OMV) – Union der Vertriebenen und Flüchtlinge – im Berliner Konrad-AdenauerHaus am 24./25. November 2017 wurde der thüringische Landtagsabgeordnete und stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Egon Primas, mit 96,4 Prozent der Delegiertenstimmen zum neuen Bundesvorsitzenden der in der CDU/CSU organisierten Vereinigung der Vertriebenen, Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler gewählt. Primas ist auch Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen in Thüringen sowie Mitglied des BdV-Präsidiums.

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r tritt damit die Nachfolge des ehemaligen langjährigen BdV-Vizepräsidenten Helmut Sauer an, der dem OMVBundesvorstand seit 1975 ununterbrochen angehört und seit 1989 das Amt des Bundesvorsitzenden bekleidete. Dieser hatte bereits im Vorfeld angekündigt, für eine weitere Amtszeit nicht zur Verfügung zu stehen. In Anerkennung seiner Verdienste verabschiedeten die Delegierten Sauer mit stehenden Ovationen und wählten ihn mit großer Mehrheit zum Ehrenvorsitzenden der OMV. Zu stellvertretenden Bundesvorsitzenden wurden gewählt: Rüdiger Goldmann (Nordrhein-Westfalen), Christa Matschl (Bayern), Gudrun Osterburg (Hessen), Heiko Schmelzle (Niedersachsen) und erstmals Christoph Zalder (Baden-Württemberg). Schatzmeisterin bleibt Iris Ripsam, die auch BdV-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg ist. Zu Beisitzern wurden gewählt: erstmals Philipp Amthor MdB (Mecklenburg-Vorpommern), Adolf Braun (Sachsen), Ulrich Caspar MdL (Hessen), BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius (Bayern), Paul

In der CDU-Bundesvorstandssitzung am 27. November 2017 begrüßte die Parteivorsitzende, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB, Egon Primas MdL als neues beratendes Mitglied und verabschiedete Helmut Sauer nach 27-jähriger Tätigkeit würdig aus der Gremienarbeit.

Hansel (Bayern), Werner Jostmeier (Nordrhein-Westfalen), erstmals Helge Kahnert (Niedersachsen) und Fedor M. Mrozek, der BdV-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein.

Fortwährende Aktualität der Anliegen Der neue OMV-Bundesvorsitzende legte großen Wert auf die fortwährende Aktualität der von der OMV vertretenen Anliegen. So gelte es etwa, das CDUWahlversprechen einzulösen und die Rentenungerechtigkeit bei Spätaussiedlern zu beseitigen. Aber auch menschenrechtliche Themen, europa- und außenpolitische Themen wie die grenzüberschreitende Verständigung, die Vertriebenen-Kulturarbeit oder erinnerungspolitische Themen blieben zukünftig auf

dem Programm. Zudem wolle er dazu beitragen, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Organisationen und Institutionen der Vertriebenen, Spätaussiedler und der deutschen Minderheiten weiter zu stärken und die OMV als wichtige Schnittstelle zwischen den Verbänden und der Politik zu erhalten. Die Präsidentin des Bayerischen Landtages, Barbara Stamm (CSU), sprach sehr offen und eindringlich. Sie ging u.a. auf die Erfolge der Unionsparteien im Bereich der Vertriebenen- und Spätaussiedlerpolitik ein – wie die Landesgedenktage, den Bundesgedenktag oder die Zwangsarbeiterentschädigung. Außerdem thematisierte sie aber auch die aktuellen politischen Entwicklungen und attestierte großen Teilen der Gesellschaft eine tiefe Sehnsucht nach Verläss-


10 lichkeit und einem sicheren Wertefundament. Mit einem Zitat von Franz Josef Strauß erklärte sie, das Vertrauen der Menschen müsse von der Politik immer wieder neu erarbeitet werden.

Situation der deutschen Minderheiten Der zweite Veranstaltungstag war thematisch geprägt von der politischen Lage in den neuen Bundesländern sowie der Situation der deutschen Minderheiten in ihren Heimat- und Siedlungsgebieten. Zum ersten Thema hielt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSUFraktion im Deutschen Bundestag und Sprecher der CDU-Abgeordneten aus den neuen Bundesländern, Arnold Vaatz, einen leidenschaftlichen Vortrag, der in eine ebensolche Aussprache mit den Delegierten mündete. Es wurde

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deutlich, dass den Anliegen der Menschen in den neuen Bundesländern besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Zum zweiten Thema gab es drei interessante Impulsreferate, an die sich eine lebendige Diskussion anschloss: Bernard Gaida, Vorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft deutsche Minderheiten (AGDM) in der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN), ging auf die wichtige Funktion der Deutschen in Polen für den Brückenbau zwischen den Ländern ein und mahnte, Identität und Sprache der Minderheit müssten gesichert werden, um diesen Brückenbau zukunftsfest zu machen. Knut Abraham, Referatsleiter für Bilaterale Beziehungen zu den Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas sowie zu Zentralasien und zum Südkau-

kasus im Bundeskanzleramt, unterstrich, dass mit der Förderung der deutschen Volksgruppen und ihrer Anliegen große verständigungspolitische Chancen verbunden seien. Und Thomas Helm, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kasachstan, berichtete von der besonderen Lage der Deutschen in dem multiethnischen Land sowie den dortigen, wiederum ganz eigenen Herausforderungen beim Identitätserhalt. Abgerundet wurde die inhaltlich dichte Tagung mit Beschlüssen zu vielfältigen Themen – etwa zur Altersarmut bei Spätaussiedlern, zur Wiederbesetzung eines Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten nach der Regierungsneubildung, zur Durchsetzung der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen oder zur Unterstützung der europaweiten Bürgerinitiative „Schutz- und Legislativpaket für Minderheiten“. MPH

Minority-SafePack-Initiative mit neuem Meilenstein 350.000 Bürger der Europäischen Union haben unterschrieben Flensburg. (dod) „Die Kampagne für die Minority SafePack Initiative hat einen neuen Meilensteinerreicht“, verkündete FUEN-Präsident Loránt Vincze am 8. Dezember. 350.000 Bürger der Europäischen Union haben seit Beginn der Kampagne im vergangenen September die Petition der europäischen Bürgerinitiative unterschrieben. Auf Papier kamen Unterschriften von über 265.000 EU-Bürger zusammen. Auf der Website der Initiative, www.minority-safepack. eu, sind es bisher 85.000 Unterschriften. Mit der Minority-SafePack-Initiative soll die EU aufgefordert werden, den Schutz für Angehörige nationaler Minderheiten und Sprachminderheiten zu verbessern sowie die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Union zu stärken. Außerdem soll eine Reihe von Rechtsakten verabschiedet werden, um den Schutz für Angehörige nationaler und sprachlicher Minderheiten zu verbessern sowie die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Union zu stärken. Diese umfassen politische Maßnahmen in den Bereichen Regional- und Minderheitensprachen, Bildung und Kultur, Regionalpolitik, Partizipation, Gleich-

heit, audiovisuelle Mediendienste und andere mediale Inhalte sowie regionale (staatliche) Förderungen. Das Ziel der Bürgerinitiative ist, dass die Europäische Union sich in Zukunft stärker mit Minderheitenthemen befassen soll. Vor über vier Jahren haben die Mitglieder der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) eine Europäische Bürgerinitiative auf den Weg gebracht. Das Vorhaben ist die bedeu-

tendste Initiative der Minderheiten in Europa der letzten Jahrzehnte. Nach einem langen Rechtsstreit beim EUGericht in Luxemburg ist die Initiative seit April 2017 bei der Europäischen Union registriert. Bei mehr als einer Million Unterschriften ist die EU- Kommission verpflichtet, sich mit dem Thema zu befassen. Der Einfluss auf die Politik der Europäischen Union kann durch die Initiative nur gestärkt werden.

INFO Die FUEN ist der europäische Dachverband der autochthonen, nationalen Minderheiten/Volksgruppen in Europa. Die FUEN hat über 90 Mitgliedsorganisationen. Es gibt in Europa über 400 europäische Minderheiten. Jeder siebte Europäer gehört einer autochthonen Minderheit an oder spricht eine Regionaloder Minderheitensprache. Die FUEN – gegründet vor über 65 Jahren in Paris – versteht sich als Anwalt und zivilgesellschaftliche Vertreter der europäischen Minderheiten. Die FUEN vertritt die Anliegen der europäischen Minderheiten – auf regionaler, nationaler und vor allem auf europäischer Ebene. Dabei arbeitet sie mit der Europäischen Union, dem Europarat, der OSZE und den Vereinten Nationen sowie anderen Interessensvertretern der europäischen Minderheiten zusammen. Die FUEN hat Konsultativen Status bei den Vereinten Nationen und teilnehmenden Status beim Europarat. BMI (1)


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Denkmal als Weg zu gegenseitiger Empathie Ähnlicher Gedenkort in Polen wäre Ziel Zum Plan eines Denkmals zum Gedenken an die polnischen Opfer der deutschen Besatzung 1939 bis 1945 in Berlin erklärt BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius: ie deutschen Heimatvertriebenen D und Spätaussiedler begegnen dem Schicksal der polnischen Opfer des Nati-

onalsozialismus mit Empathie und gestalten bereits seit vielen Jahren eine Politik der ausgestreckten Hand in ihre Heimatgebiete. Bereits während der 2004 vom Bund der Vertriebenen durchgeführten Gedenkveranstaltung zum Warschauer Aufstand wurden Zeichen gegenseitiger Empathie und Opfergedenkens gefordert. Wenn ein eigener Gedenkort für diese Opfergruppe in Berlin den Weg zu einer wachsenden Empathie auch der polnischen Seite für zivile deutsche Opfer der Kriegs- und Nachkriegszeit bereitet und sich inhaltlich und architektonisch angemessen in das gut durchdachte Gedenkstättenkonzept des Bundes einfügt, könnte dieser zu einem weiteren Mosaikstein im großen Bild der grenzüberschreitenden Verständigung werden. Im Deutschlandhaus am Anhalter Bahnhof wird zukünftig die Dauerausstellung der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ über das Schicksal der vertriebenen Deutschen hinaus auch an das Schicksal vertriebener Polen erinnern. Schon jetzt kann in der Topographie des Terrors auch polnischer Opfer des Nationalsozialismus gedacht werden. Und das Gedenken an die deportierten und ermordeten polnischen Juden ist bereits heute ein wichtiger Teil des unweit gelegenen Holocaust-Mahnmals. Der deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung wird in Berlin am TheodorHeuss-Platz gedacht. Dort mahnt seit 60 Jahren die Ewige Flamme gegen Vertrei-

bungen und ethnische Säuberungen. Eine Ergänzung der Berliner Gedenkstättenlandschaft durch ein vergleichbares Denkmal für die polnischen Opfer der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg ist ein unterstützenswertes Anliegen.

Keine Opferkonkurrenz Ein ähnlich selbstverständlicher und sichtbar platzierter Gedenkort in Polen an die zivilen deutschen Opfer der Kriegs- und Nachkriegszeit – die Opfer ethnischer Säuberungen, von Flucht und Vertreibung oder von Lagern wie etwa

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Lamsdorf, Zgoda und Potulitz – wäre zudem ein geeigneter Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte und zur Schaffung gegenseitiger Empathie. Verhindert werden sollte die zunehmend beobachtete Instrumentalisierung solcher Gedenkorte und -einrichtungen durch einzelne Gruppen. Niemandem hilft es, wenn solche Initiativen zum Zankapfel werden, wie wir dies etwa am Beispiel der Glocke der Wilhelm Gustloff schon erlebt haben. So missbraucht, dienen sie nur zur Aufrechterhaltung von Kollektivschuldtheorien, zur Förderung von Opferkonkurrenz oder zur Beförderung innenpolitischer Ziele.

arlamentarischer Staatssekretär Dr. Günter Krings, nahm am 5. Dezember 2017 an der traditionellen Weihnachtsfeier im Grenzdurchgangslager Friedland teil, um den persönlichen Kontakt zu Spätaussiedlern und Flüchtlingen, aber auch zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu suchen. Er nutzte seinen Aufenthalt auch für einen Besuch des 2016 eröffneten Museums Friedland, das die Geschichte des seit 1945 bestehenden Grenzdurchgangslagers zeigt. In seinem Grußwort erinnerte Krings an die sehr unterschiedlichen Gruppen, die über mehr als sieben Jahrzehnte in Friedland Zuflucht gefunden haben. Für sie alle sei Friedland zum berühmten „Tor zur Freiheit“ geworden. Das christliche Weihnachtsfest mahne die weltweite Ächtung von Krieg und Vertreibung sowie den Schutz der Verfolgten und Bedrohten an. Auf dem Foto vor dem Museum Friedland: (v.l.n.r.) Oliver Fröhlich (Innenministerium Niedersachsen), Joachim Mrugalla (Bundesverwaltungsamt), Bundesbeauftragter Dr. Günter Krings, Klaus Engemann (Innenministerium Niedersachsen), Klaus Bittner (Innenministerium Niedersachsen), Dr. Sebastian Klappert (BMI).


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Junge Menschen seit Jahrzehnten für Europa Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde erhielt Europäischen Bürgerpreis Bereits im Juni bekanntgegeben, erfolgte nun die Verleihung des Europäischen Bürgerpreises an die Junge Aktion der AckermannGemeinde in der Vertretung des Europäischen Parlaments in Berlin. Für den Jugendverband nahm Julia Schäffer, die stellvertretende Bundessprecherin, die Auszeichnung entgegen und sprach die Dankesrede. Der Preisverleihung wohnten neben einer starken Abordnung des Verbandes auch Repräsentanten von Staat und Kirche, unter anderem der Botschafter der Tschechischen Republik in Deutschland, Tomáš Jan Podivínský, der Berliner Erzbischof Dr. Dieter Koch und die Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend Lisi Maier bei.

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orgeschlagen für diese Würdigung hatte die Junge Aktion der aus Hamburg stammende und nun in Tessin bei Rostock wohnende Europaabgeordnete Arne Gericke, der für die Freien Wähler im Europaparlament sitzt. Der Leiter des Informationsbüros des Europäischen Parlaments in Deutschland Frank Piplat informierte in seiner Begrüßung über den seit 2008 verliehenen Preis. Europaabgeordnete aller Mitgliedsstaaten schlagen Projekte von Einzelpersonen oder Vereinigungen vor, die ein „außergewöhnliches Engagement um ein besseres Verständnis und mehr Integration in der Europäischen Union“ zeigen, den europäischen Gedanken also besonders zum Inhalt haben und fördern. Auf nationaler Ebene werden dann Vorauswahlen getroffen und die Preisträger ermittelt. Im Jahr 2017 gab es 50 Preisträger aus den 26 Mitgliedsstaaten, vier davon aus Deutschland. Diese wurden beim Festakt gekürt: „Pulse of Europe“, ein überparteiliches unabhängiges

Die Vertreter der Jungen Aktion mit ihren Ehrengästen nach der Preisverleihung.

Forum für Europa, „Bürger Europas“, das mit innovativen, spielerischen und bürgernahen Aktionen Europa vermittelt, die am Max-Planck-Gymnasium Delmenhorst tätige Lehrerin Herta Hoffmann, die seit 2002 an ihrer Schule Aktivitäten und Europa-Projekte initiiert hat, und die Junge Aktion.

Gastfreundschaft, Toleranz und Solidarität Auch der Laudator für die Junge Aktion, Arne Gericke MdEP, verwies auf die Vorgabe der Preisverleihung, die an Initiativen gehe, „die sich für eine bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit innerhalb Europas und die praktische Anwendung der Werte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union einsetzen – insbesondere Gastfreundschaft, Toleranz und Solidarität“. Gericke erinnerte an die Johannes NepomukFigur, den Brückenheiligen und „Patron der deutsch-tschechischen Versöhnung“,

im Oberpfälzischen Schönsee mit den zwei Blickrichtungen. „Was dort in Schönsee in Stein seit 1799 steht, das habt ihr, die Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde, im wahrsten Sinn des Wortes mit Leben erfüllt“, führte der Europaabgeordnete aus. Er ging kurz auf die Gründung der Ackermann-Gemeinde im Januar 1946 in München und der Jungen Aktion vier Jahre später im Schloss Wörth bei Regensburg ein. Und Gericke fuhr fort: „Obwohl auch sie erst wenige Jahre zuvor die Vertreibung ihrer Familie aus der Heimat zu verkraften hatten, viele sicher noch selbst mit Erlebtem kämpften – trotz all dem stand schon damals ein Begriff im Zentrum ihrer Bewegung: Versöhnung. Und dieser Zauber (…) prägt die Arbeit der Jungen Aktion bis heute. Mehr noch: Sie hat keinen Deut an Bedeutung verloren. Immer neu begeistert die Junge Aktion junge Menschen für Europa, für Begegnung. Sie schaffen kreativen Raum und einen verlässlichen Rahmen, damit Jugendliche aus Deutschland, TschechiBauer (3)


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en, Österreich, der Slowakei, Ungarn und anderen mitteleuropäischen Ländern sich dort begegnen, im wahrsten Sinn des Wortes umarmen können, wo noch vor 30 Jahren ein schrecklicher, ein tödlicher Vorhang stand“. Als Basis für diese „kreative Kraft“ nannte der Laudator den christlichen Glauben, dieser mache die Junge Aktion „zu Motoren der europäischen Einigung“. Dieser Tatendrang für das „Europa der Menschen“ werde heute mehr denn je benötigt, vor allem beim Miteinander von Ost und West. „Da entstehen neue Grenzen in den Köpfen, die wir nicht zulassen dürfen. Grenzen, denen die Junge Aktion schlichtweg damit begegnet, dass sie junge Menschen zueinander bringt“, so Gericke. Und er schloss mit einer Bitte: „Nehmt diese Auszeichnung als ein Zeichen des Dankes, des ehrlichen ‚Vergelt‘s Gott!‘, an die aktuellen Mitglieder und Aktiven der Jungen Aktion. Genauso aber an die Älteren, die seit 1950 die Geschicke und Geschichte eures Verbandes gelenkt und Europa gestaltet haben. Auch vor ihrem Einsatz verneigen wir uns heute.“

Einsatz für ein Europa der Menschen Die Plakette überreichte Gericke an die stellvertretende JA-Bundessprecherin Julia Schäffer. Diese wies in ihrer Dankrede auf die seit Gründung der Jungen Aktion gültige Zielsetzung hin, sich für ein „Europa der Menschen“ einzusetzen. „Durch den internationalen Dialog sollen Grenzen und Nationalismen überwunden und Europa für junge Men-

Die an die Junge Aktion verliehene Plakette zum Europäischen Bürgerpreis 2017.

schen erfahrbar gemacht werden“, blickte Schäffer zurück und nannte einige Stationen der 67-jährigen Wegstrecke.

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Unermüdlich für Ostpreußen Gierschke-Dornburg-Preis verliehen

Übergabe der Plakette durch Arne Gericke MdEP an die stellvertretende Bundessprecherin der Jungen Aktion der AckermannGemeinde, Julia Schäffer.

„So gelang es bereits vor dem Fall des Eisernen Vorhangs, Kontakt mit jungen Menschen aus der damaligen Tschechoslowakei aufzunehmen, und nach der Wende nahm die Junge Aktion eine Vorreiterrolle im Dialog mit den östlichen Nachbarländern Deutschlands ein.“ Hier verwies sie auf die 20-jährige Erfolgsgeschichte der deutsch-tschechischen Kinderbegegnung „Plasto Fantasto“. Schäffers Dank ging besonders an Arne Gericke, aber auch an alle früheren und aktuell Aktiven der JA. Auch Schäffer betonte die Rolle des Glaubens und der Gottesdienste bei den internationalen Begegnungen, zumal dadurch neben dem politischen Aspekt oft der Dialog zwischen kirchlichen und säkularen Gruppen hinzukomme. Die Auszeichnung sei „eine noch größere Motivation für die kommenden Jahre und Projekte“. Die Junge Aktion werde – auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen – den Dialog auf Ungarn ausweiten. Ein weiterer Schwerpunkt werden die Kinderbegegnungen sein, und auch die eigenen ehrenamtlichen Mitarbeiter möchte die Junge Aktion weiter fördern. Nach dem Festakt war beim Empfang reichlich Gelegenheit zu Gesprächen und zum Gedankenaustausch. Natürlich war die Plakette an diesem Nachmittag das am meisten besichtigte Objekt. Markus Bauer

Wuppertal. (dod) Wie in jedem Jahr Anfang November, kamen auch in diesem Jahr die Mitglieder der Ostpreußischen Landesvertretung (OLV) in Wuppertal zusammen. Vereinsrechtlich ist das Treffen die Mitgliederversammlung der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) und deren oberstes Beschlussorgan, das für grundsätzliche Entscheidungen und die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes zuständig ist. Zu den angenehmsten Pflichten eines Vereinsvorsitzenden gehören Ehrungen, die der Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen Stephan Grigat in diesem Jahr gleich zweimal vornehmen konnte. Zunächst verlieh er dem Historiker Sebastian Kubon für dessen überwiegend auf Grundlage der Bestände des Historischen Staatsarchivs Königsberg, heute Teil des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz in Berlin, erstellte und als ausgezeichnet bewertete Dissertation „Die Außenpolitik des Deutschen Ordens unter Hochmeister Konrad von Jungingen (1393–1407)“ den von der Dr. Herbert und Marga Gierschke-Stiftung ausgelobten Gierschke-DornburgPreis. Diese mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung wird in der Regel alle drei Jahre verliehen „für wissenschaftliche Leistungen, die dazu beitragen, dass die gewaltigen 1000-jährigen Leistungen und Leiden der Deutschen im Osten Europas in der Geschichtswissenschaft nicht vergessen und aus dem historischen Zusammenwirken der Staaten und Völker in Osteuropa immer wieder Lehren für die Zukunft gezogen werden“. Die zweite Ehrung ging an die Lycker Kreisvertreterin Bärbel Wiesensee. Sie wurde für ihr engagiertes Wirken für Ostpreußen mit dem Silbernen Ehrenzeichen der LO ausgezeichnet. Den Weg zur Kreisgemeinschaft Lyck fand sie 2007, und nur zwei Jahre später wurde sie in den Kreisausschuss gewählt. Sie übernahm zunächst die Aufgaben der Protokollführerin, bevor ihr das Amt der Archivwartin übertragen wurde. Seit Oktober 2013 steht sie als Kreisvertreterin an der Spitze der Kreisgemeinschaft.


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Politische Bildung stärken und sichtbarer machen Jahrestagung der Transferstelle politische Bildung Essen. (dod) „Gemeinsam stärker!? Kooperationen zwischen außerschulischer politischer Bildung und Schule“ – unter diesem Titel diskutierten am 20. und 21. November 2017 Wissenschaftler, Praktiker und weitere Multiplikatoren der politischen Bildung bei der Jahrestagung der Transferstelle politische Bildung in Bochum. In Vorträgen, einer Podiumsdiskussion, 15 Transferdialogen und sechs Thementischen wurde das Thema aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven und vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Praxis aus Schule und außerschulischer politischer Bildung diskutiert und Zukunftsvisionen entwickelt. Im Eröffnungsvortrag sprach Prof. Dr. Ivo Züchner von der Philipps-Universität Marburg und Mitglied im Expert_innenrat der Transferstelle politische Bildung zunächst darüber, wie sich die Zusammenarbeit von Schule und außerschulischen Trägern der Jugendarbeit und Jugendbildung entwickelt hat. Durch sein Mitwirken sowohl am 15. Kinderund Jugendbericht als auch an der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) konnte er eine Doppelperspektive auf das Thema einnehmen. Mit Blick auf den 15. Kinder- und Jugendbericht wies er darauf hin, dass politische Bildung wieder auf der Agenda stehe. Auf politischer Ebene gebe es inzwischen einen Konsens darüber, dass außerschulische Jugendbildung und Schule miteinander kooperieren sollten und ebenso bezüglich der Anerkennung von non-formaler Bildung. Er machte aber auch deutlich, dass das Feld der politischen Bildung sich weiterentwickeln und in anderen Bereichen der Jugendarbeit populärer gemacht werden müsse. Als zentrale Problemlinien der Zusammenarbeit stellte er die Unterschiedlichkeit der Partner hinsichtlich Ressourcen, Größe und Werten und dem damit

zusammenhängenden unterschiedlichen Stellenwert von Kooperation heraus. Als Herausforderungen für die Zukunft hob er die Frage nach einer systematischen Herangehensweise an Kooperation hervor, die sehr begrenzte Einbindung außerschulischer Partner in Schulstrukturen und die vielen parallelen Herausforderungen, vor der jede einzelne Schule steht.

Gelingensbedingungen und Perspektiven Im Anschluss an weitere empirische Befunde identifizierte er abschließend Gelingensbedingungen und zeigte Perspektiven auf. Auf institutioneller Ebene spiele die Schulleitung eine zentrale Rolle. Zudem fördere das Interesse an einer schulischen Profilbildung die Offenheit und Kooperationsbereitschaft gegenüber außerschulischen Partnern deutlich. Auch die Einbindung von Schülern in die Ganztagsgestaltung habe nachweislich eine positive Wirkung auf die Entstehung von Kooperationen. Mit Blick auf die Zukunft warf er die Frage auf, wie die außerschulische politische Bildung verbandsübergreifend regionale Anlaufstellen für Schulen schaffen könne, damit Kooperationen nicht nur über persönliche Bekanntschaften entstehen. Dr. Helle Becker, Leiterin der Transferstelle politische Bildung, ging, anknüpfend an den Vortrag von Prof. Dr. Ivo Züchner, spezifischer auf das Feld der politischen Bildung ein. Sie machte deutlich, dass es im Unterschied zu anderen Bereichen der Jugendarbeit und Jugendbildung in der politischen Bildung bisher an einem breiten Fachdiskurs zu Kooperationen zwischen außerschulischer politischer Bildung und Schule fehle. Sie machte aber auch deutlich, dass aufgrund der letzten politischen Entwick-

lungen politische Bildung mehr Aufmerksamkeit erhalte. Dies spiegele sich beispielsweise im 15. Kinder und Jugendbericht oder in Förderprogrammen wie „Demokratie leben“ wider. „Wir brauchen mehr und eine bessere politische Bildung“, forderte Dr. Helle Becker und zeigte auf, dass es aktuell gute Voraussetzungen gibt für die Zusammenarbeit von schulischen und außerschulischen Partnern.

Das Feld der politischen Bildung ist vielfältig Diese Diversität des Feldes in Kombination mit fehlenden Austauschplattformen könne ein Grund für das Fehlen eines breiten Fachdiskurses zum Thema Kooperationen zwischen schulischen und außerschulischen Partnern sein, so Dr. Helle Becker. So gäbe es beispielsweise sehr unterschiedliche Verständnisse darüber, was genau unter politischer Bildung zu verstehen sei. Auch würden Begrifflichkeiten wie „Demokratiepädagogik“ oder „Demokratieerziehung“ sehr verschieden genutzt, hier würden in der Praxis verschiedenen Konzepte nebeneinander existierten. Ebenso sieht sie Bedarf an einem Austausch über fachliche Fragen oder Unterschiede zwischen schulischer und außerschulischer politischer Bildung, wie die Frage nach Parteilichkeit oder das Hinterfragen von Macht- und Herrschaftsstrukturen. Abschließend präsentierte Dr. Helle Becker die Ergebnisse der Recherche der Transferstelle politische Bildung bezüglich empirischer Forschungsarbeiten zum Tagungsthema und wies auf die großen Leerstellen und Forschungslücken hin. Sie ergänzte in Anknüpfung an den Vortrag von Prof. Dr. Ivo Züchner Chancen und Schwierigkeiten für Kooperationen, die sich aus den Arbeiten ableiten lassen. HdH BW Katharina P. Müller (1)


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Donauschwäbische Kultur für alle Deutschen wichtig Festakt zur Verleihung der 38. Donauschwäbischen Kulturpreise 2017 Am Nachmittag des 29. November versammelte sich geistliche, politische und administrative Prominenz des Landes Baden-Württemberg zu einem Festakt im Haus der Donauschwaben in Sindelfingen. Gekommen waren der ehemalige Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof emeritus Dr. Robert Zollitsch, geboren in Filipowa in der Batschka, Baden-Württembergs stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl, Ministerialdirigent Herbert Hellstern aus dem Innenministerium, die Leitende Ministerialrätin Dr. Christiane Meis, die Direktorin des Hauses der Heimat, Stuttgart, Frau Dr. Christine Absmeier, der Erste Bürgermeister von Sindelfingen Christian Gangl, Landtagsabgeordnete aus Stuttgart und andere prominente Persönlichkeiten, darunter die Generalkonsuln von Serbien, Kroatien und Ungarn. as Haus der Heimat D Baden-Württemberg hatte zu einer Kul-

turpreisverleihung des Landes eingeladen, der Saal war voll besetzt, der Pianist Daniel Weiß und Dr. Catherine Yvonne Szoncso, Violine, leiteten mit dem Ungarischen Tanz Nr. 5 von Johannes Brahms den feierlichen Nachmittag ein. In seiner Begrüßungsansprache wies der Jury-Vorsitzende Hans Vastag darauf hin, dass Donauschwaben wie Annemarie Ackermann, Joschka Fischer und Volker Kauder nicht nur in der Politik Deutschlands aktiv waren und sind, sondern Glanzleistungen auch in Wissenschaft und Kultur erbracht haben, wie die Nobelträger Herta Müller und Stefan

Nach der Preisverleihung (v.l.n.r.).: Innenminister Thomas Strobl, Helmut Erwert, HerbertWerner Mühlroth, Ilse Hehn, Hans Vastag.

Hell beweisen. Umgerechnet auf die Stärke der Bevölkerungsgruppe sei das einsame Weltspitze mit einem Nobelpreisträger auf 150.000 Banater Schwaben. Vastag nannte weitere herausragende Persönlichkeiten der Donauschwaben aus anderen Bereichen und bedankte sich schließlich bei der Landesregierung für die großzügige Unterstützung mit Patenschaften und Institutionen.

Kulturelle Eigenständigkei der Donauschwaben Der stellvertretende Ministerpräsident von Baden-Württemberg Thomas Strobl hielt danach eine straffe, klarsichtige Festansprache, in der er die unverzichtbare kulturelle Eigenständigkeit der Donauschwaben innerhalb der gesamtdeutschen Szenerie betonte. Ein Musikstück von Oskar Rieding leitete über zu den Laudatoren für die drei Preisträger – allesamt donauschwäbischer Herkunft.

Rainer Goldhahn hielt die Laudatio auf die Trägerin des Hauptpreises Ilse Hehn. Sie kommt aus dem rumänischen Banat, absolvierte die Hochschule für Bildende Kunst in Temeswar und arbeitete danach als Gymnasiallehrerin für Kunst und Kunstgeschichte in Mediasch/Siebenbürgen. 1993 übersiedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland, ist Lyrikerin und Bildende Künstlerin, kombiniert ihre Gedichte gerne mit eigenen Gemälden, Grafiken, Collagen und Fotografien, erreicht dabei eine Spannweite von ihrer Vergangenheit in Rumänien bis in die bundesdeutsche und europaweite Gegenwart. Ihre neue Heimat Ulm, wo sie als Kunstpädagogin und Dozentin für Malerei tätig ist, empfiehlt sie anschaulich und kurzweilig in Bildern und Porträts der Größen dieser Stadt in Politik, Literatur und Wissenschaft. Auf Reisen sammelte die genaue Beobachterin Eindrücke in Lappland und Schottland, auf der Insel Samos, in Rom und der Bretagne, die sie zu eindringlichen, nahezu


16 impressionistisch hingetupften Gedichten verarbeitet. Hehn war oder ist Mitglied des P.E.N., des „Rumänischen Schriftstellerverbandes“, der europäischen Autorenvereinigung „Die Kogge“, der „Esslinger Künstlergilde“ und der „Ulmer Autoren ’81“. Sie wurde in Rumänien und Deutschland ausgezeichnet, u. a. 1988 mit dem Bukarester Kinderbuchpreis, von der Künstlergilde Esslingen 2003 für ihre Lyrik, 2004 für ihre Prosa.

Förderpreis an Herbert-Werner Mühlenroth Der Förderpreis ging an Herbert-Werner Mühlroth, der sich als freiberuflicher Autor, Publizist und Dolmetscher besonders in Kultur vermittelnder Tätigkeit engagiert. Hans Vastag hielt die Laudatio auf den befreundeten Schriftsteller und Bildhauer, der mütterlicherseits mit dem Hatzfelder Dichter Peter Jung verwandt ist und sich für die Verbreitung und Vermittlung des deutschen, donauschwäbischen und rumänischen Kulturgutes einsetzt. Mühlroth studierte Germanistik, Romanistik und Philosophie in Heidelberg und Berlin und machte 1990 seinen Abschluss als Magister Artium. Zu seinen bisher veröffentlichten Büchern gehören drei Gedichtbände, Erzählungen, Essays, Kriminalgeschichten, ein Roman mit dem Titel „Narr in Trance“, Werbetexte, Übersetzungen aus dem Rumänischen ins Deutsche und umgekehrt sowie ein Buch über die Erlebnisse bei seiner Flucht über die grüne Grenze aus Rumänien in den Westen. Nachdem er bereits 1996 das Rumänisch-Aromunische Wörterbuch des aromunischen Linguisten und Übersetzers Apostol N. Caciuperi herausgegeben hatte, edierte er 2011 in fünf Bänden dessen Werke. Mühlroths letzte Publikation trägt den Titel „Über einige meiner Autoren“ und versammelt aus 35 Jahren Kultur vermittelnder Tätigkeit exemplarische Lebensbilder, von denen nur Reiner Kunze, Mircea Eliade und Nikolaus Berwanger genannt seien. Der Gymnasiallehrer Helmut Erwert wurde mit der „Ehrengabe“ des Kulturpreises ausgezeichnet, da er nach den Worten des Innenministers „zu den engagiertesten donauschwäbischen Persönlichkeiten aus dem ehemaligen Jugoslawien“ gehört. Erwert hat sich in unzähligen Abhandlungen, Referaten

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INFO

Besondere Leseempfehlung des DOD Ilse Hehn: „In zehn Minuten reisen wir ab …“ Prosa und Lyrik sowie 46 Seiten Malerei, Collagen und Graphiken von Ilse Hehn. Cosmopolitan Art Verlag. Temeswar 2006. 200 Seiten. 25,99 Euro. Herbert-Werner Mühlroth: Der Mond tanzt Tango. Gedichte. Edition Bärenklau (Rote Reihe Lyrik, Band 3). Oberkrämer 2015. 205 Seiten. 10,- Euro. Auch als eBook erhältlich. Helmut Erwert: Elli oder Die versprengte Zeit. Roman. Patrimonium-Verlag. Heimbach/Eifel 2017. 324 Seiten. 14,80 Euro.

und in Büchern für seine Altheimat wie auch für seine Neuheimat engagiert, Letzteres, um sich in Bayern neu zu verwurzeln. Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse stellte er seinen eben erschienenen Banat-Roman vor und gab dem Filmemacher Thomas Dapper ein Interview dazu, das auf YouTube ins Internet gelangt ist. Auf den Inhalt des Romans hätten exakt die Worte des Festredners Strobl gepasst, der gesagt hatte: „Die donauschwäbische Kultur ist auch für alle Deutschen wichtig: Sie macht Erfahrungen zugänglich, die ansonsten verborgen bleiben – etwa die von Flucht und Vertreibung, Zusammenpferchung in Internierungslagern unter unmenschlichen Bedingungen, Entbehrungen oder den mühevollen Aufbau eines neuen Lebens fern der vertrauten Heimat.“

Zukunftsträchtiger Brückenschlag Nicht die isolierte Rückschau, sondern der zukunftsträchtige Brückenschlag in verschiedene Richtungen sei Erwert wichtig, betonte Dr. Ingomar Senz, Historiker aus Deggendorf und Erwerts Laudator. Dies zeige sich erneut in seinem druckfrischen 324-seitigen Roman „Elli oder Die versprengte Zeit“, der beispielhaft auf beachtlichem literarischem Niveau die Genese von ethnischen Konflikten in der südosteuropäischen Provinz Banat erzähle. Erwert scheue sich nicht, heiße Eisen anzufassen, sei aber immer bemüht, der Wahrheit zu dienen. Die Gestaltung des Romantextes sei eine Aufgabe gewesen, so Senz wörtlich, „die den Allrounder Erwert als Meister des Wortes reizte, und es entstand der

Roman, der liebevoll die bunte Welt von Alt-Weißkirchen/Bela Crkva schildert, aber auch deutlich werden lässt, dass jede Art von Ideologie auf einem Auge blind macht und somit zum ärgsten Feind von Friede und Ordnung wird“.

Gratulation durch den Stellv. Ministerpräsidenten Thomas Strobl gratulierte jedem der Preisträger, verlas die von Ministerpräsident Winfried Kretschmann unterschriebenen Urkunden und überreichte sie den geehrten Persönlichkeiten. Der zweite Satz aus Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ (Winter) bildete die Überleitung zum anschließenden Stehempfang im großen Festsaal des Hauses der Donauschwaben, wo die Gäste der Feierstunde in zwanglosen Gesprächen ihre Ideen mit der anwesenden politischen und geistlichen Prominenz austauschen konnten, eine Gelegenheit, die sich im Alltag eher selten bietet. Stefan P. Teppert

Jahrbuch Weichsel-Warthe 2018 erschienen Das 64. Jahrbuch der Landsmannschaft Weichsel-Warthe ist erschienen. Das Schwerpunkthema des diesjährigen Jahrbuchs ist die Erinnerung an das Ende des Ersten Weltkriegs vor einhundert Jahren und den damit verbundenden Konsequenzen für die Deutschen in den drei Teilungsgebieten Bestellungen sind ab sofort möglich an Bundesverband e.V., 65185, Wiesbaden, Friedrichstr.35 III., Tel. 0611/379787. Der Bezugspreis beträgt für das Einzelexemplar 10,50 €. Privat (1)


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Schriftsteller in Exil und innerer Emigration Internationaler Germanistenkongress an der Universität Lodz Bereits zum zweiten Mal fand im Osten ein internationaler Germanistenkongress zum Thema „Exilliteratur und Innere Emigration“ statt. 2014 war der Veranstaltungsort die Universität Posen, 2017 war es die Universität Lodz. Veranstalter waren die Universitäten Lodz, Posen, Königsberg, Gießen und Vechta sowie die Internationale Ernst-Wiechert-Gesellschaft (IEWG).

steller (Romane: „Die Schlafwandler“ (Trilogie), „Der Tod des Vergil“) erlebte er in seiner Laufbahn einen Publikationsbruch, seine geistige Heimat verlor er durch den Wertezerfall einer bürgerlichen Gesellschaft.

ei wissenschaftlichen Kongressen ist B ein internationaler Standard bezüglich der Anzahl der Referenten vorge-

schrieben. In Lodz wurden 23 Vorträge zum Thema „Schriftsteller in Exil und Innerer Emigration. Literarische Widerstandspotentiale und Wirkungschancen ihrer Werke“ gehalten, und es war erfreulich zu erleben, dass eine große Anzahl junger Gelehrter sich mit dieser Materie beschäftigten. Für den folgenden Bericht musste jedoch eine Auswahl getroffen werden. Der erste Referent Paul Michael Lützeler aus St. Louis ging auf die Begriffe „Exil“, „Emigration“ und „Innere Emigration“ ein, die noch immer nicht endgültig definiert sind. Das Exil erfolgt durch Fremdbestimmung, es ist eine Verbannung. Der Emigrant verlässt sein Land ohne die Absicht einer Rückkehr, auf die der Verbannte noch hofft. Eine solche Unterscheidung wäre auch bei den Begriffen „Innere Emigration“ und „Inneres Exil“ erforderlich. Lützeler stellte in seinem Vortrag „Inneres Exil: Hermann Brochs Völkerbund-Resolution von 1937 im Kontext“ einen Schriftsteller vor, der in einem „doppelten Exil“ lebte. Hermann Broch (1886-1951) wurde 1938 bei der Besetzung Österreichs inhaftiert, mit Hilfe ausländischer Freunde freigelassen und emigrierte 1938 in die USA. Als Schrift-

Hermann Broch.

Der Referent legte ausführlich dar, dass Broch in der Resolution zum Völkerbund Begriffe wie „Menschenwürde“ und „Menschenrechte“ gebrauchte und definierte, die erst zehn Jahre später durch die Vereinten Nationen deklariert wurden. Den Tatbestand der „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ machte er deutlich, der erst später beim Internationalen Gerichtshof festgelegt wurde. Hermann Broch ist ein „Opfer des Exils“, wie u.a. auch Thomas und Heinrich Mann oder Stefan Zweig. „Das Vaterland des echten Schriftstellers ist seine Sprache. Ihm allein ist die Gnade zuteil geworden, seine Heimat mit sich zu führen.“ Unter dieses Zitat stellte Marcin Golaszewski von der Universität Lodz, der Organisator des Kongresses, seinen Vortrag „Die Heimat, das Eigene und das Fremde in den Feuilletons von Joseph Roth“. Aber den ver-

trauten Sprachraum verlassen zu müssen, war für die Exilautoren ein existenzieller Verlust. In dem Vortrag von Andreas Solbach aus Mainz: „Thomas Mann in den politischen Auseinandersetzungen im Exil und in der Nachkriegszeit“ wurde deutlich, dass Thomas Mann sich als „Repräsentant der Literatur“ sah, erst recht nach der Verleihung des Nobelpreises 1929. Das Jahr 1933 habe ihn in seine größte Lebens- und Schaffenskrise gestürzt. Sein Statement: „Wo ich bin, ist die deutsche Kultur“, müsse nicht als Anmaßung verstanden werden, sondern als „Schlachtruf“, für ein „gutes Deutschland“ zu kämpfen. Stefan Zweig, geb. 1881 in Wien, wurde vorgestellt von Anna Wilk aus Lodz und erschien dabei als Pazifist und Europäer. Seine Bücher wurden 1933 verbrannt, obwohl er nie etwas gegen Deutschland geschrieben hatte. Aber er war Jude, emigrierte 1938 nach England, von dort 1941 nach Brasilien, wo er sich 1942 das Leben nahm. Die Referentin charakterisierte einen Kosmopoliten, der Europa als seine Heimat empfand in einer Zeit, als der Kontinent noch nationalistisch eingeteilt war. Sein Werk von Weltrang zeigt in den großen Biographien („Maria Stuart“, „Erasmus von Rotterdam“) Gestalten, die sich in ihrer moralischen Haltung behaupten. In der Meistererzählung „Schachnovelle“ schildert er konkret die ausgeklügelten Foltermethoden der Gestapo. Stefan Zweig zerbrach, als seine „geistige Heimat Europa“ der Barbarei verfiel. Michail Bulgakow (1891-1940) wurde ein Opfer Stalins. Sein Roman „Der Meister und Margarita“ und seine phantastischen Erzählungen gehören zur Weltliteratur, und 2001 erschienen seine Tagebücher, die 1936 beschlagnahmt worden waren, seinerzeit ein schweres Trauma für Bulgakow. Stalin schützte ihn einerseits, zerstörte aber andererseits seine Karriere, ein zynisches Spiel, an


18 dem der Dichter schließlich zerbrach. Jochen Klepper (1903-1942) wurde ein Opfer des Rassenwahns, weil er mit einer jüdischen Frau verheiratet war, mit der er 1942 Selbstmord beging. Nach dem Krieg kritisierte man ihn hart, weil sein Roman „Der Vater“ Wehrmachtslektüre war und er selbst Dienst bei der Wehrmacht tat. Besonders aus der Schweiz sollen böse Worte gekommen sein, so die Referentin Anna Szyndler aus Tschenstochau, die bei beiden Autoren die Tagebücher in den Mittelpunkt stellte. Klepper war vielleicht in zweifacher Hinsicht ein Opfer, einmal ein Opfer des Rassenwahns und später wiederum, als man ihm den Opferstatus absprechen wollte.

Ein „Stolperstein“ zum Gedenken an Jochen Klepper in der Teutonenstraße 23, in Berlin-Nikolassee.

Auch die Überlebenden, die „sich zu arrangieren versuchten“, wurden letztlich Opfer dieses totalitären Systems. Josef Weinheber (1892-1945), den Jörg Thunecke aus Nottingham vorstellte, bezahlte auch mit seinem Leben. Der begabte Lyriker feierte den Anschluss Österreichs 1938 mit dem Gedicht „Hymnus auf die Heimkehr“, arbeitete an der österreichischen Kulturzeitung „Der Turm“ mit und könne, so der Referent, durchaus als „linientreu“ zum NSRegime gelten. Andererseits wurde ihm aufgrund kritischer Äußerungen mehrmals mit der Einweisung nach Dachau gedroht. Sein trauriges Ende macht ihn zum Opfer einer Ideologie. Der Referent sprach von „Reue“, die vielleicht auch eine Innere Emigration darstelle. Die Nachgeborenen sollten mit einer Verurteilung zurückhaltend sein. Weinheber erhielt von den Nationalsozialisten zahlreiche Ehrungen, ein Beispiel für eine

Kultur Verführung, der andere widerstanden haben. Leo Weismantel (1888-1964), heute nur noch regional bekannt, wurde von den Machthabern ähnlich umworben wie Ernst Wiechert, aus dessen Werken man „Blut und Boden“-Thematik herauslesen wollte. Weismantel hing einer romantischen Idee vom Deutschen Reich des Mittelalters an, die an Novalis erinnert. Beide zogen sich den Unmut der Machthaber zu, wurden inhaftiert, Weismantel allerdings nur wenige Tage, und können der „Inneren Emigration“ zugerechnet werden. Dafür bietet auch der Schriftsteller Friedrich Reck-Malleczewens (18841945) ein Beispiel, dessen „literarischen Kampf gegen das NS-Regime“ Joachim Kuropka aus Vechta vorstellte. Dieser Autor wandte die „Verschleierungstaktik“ an, indem er historische Stoffe wählte, so in seinem Roman „Bockelson“, der die Wiedertäufer in Münster behandelt, oder in dem Drama „Charlotte Corday“ über die Mörderin von Jean Paul Marat. Das Regime habe das nicht gemerkt, Freunde warnten ihn jedoch vor der Denunziation, was aus seinen Tagebüchern hervorgeht, die er vergraben hat und die 1947 posthum herausgegeben wurden. Die Warnungen waren berechtigt, 1944 wurde der Mediziner und Offizier verhaftet und starb im Februar 1945 in Dachau.

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Ernst Wiechert (1887-1950) begab sich nach seinem eigenen Zeugnis in die „Innere Emigration“. Nach seinem Protest gegen die Einweisung von Pastor Martin Niemöller ins Konzentrationslager wurde er am 6. Mai 1938 verhaftet und von Anfang Juli bis Ende August 1938 im KZ Buchenwald gefangen gehalten. Bis 1945 stand er unter Gestapo-Aufsicht, hatte zwar kein Schreibverbot, erfuhr aber Beschränkungen. Seine KZ-Erfahrungen schildert er in dem Bericht „Der Totenwald“, der 1945 erschien, und er verarbeitete sie literarisch. Leonore Krenzlin aus Berlin referierte über „Arrangement und Wider-

Dr. Leonore Krenzlin.

stand? Zum literarischen Umgang mit der KZ-Erfahrung bei Ernst Wiechert“. Sie brachte beeindruckend heraus, dass Wiechert die verstörende Begegnung mit dem „Unmenschen“ dichterisch umwandeln konnte. So schuf er in dem Roman „Das einfache Leben“ eine „Gegenwelt“ zur Diktatur, zur Herrschaft von Unrecht und Gewalt. Der Roman wurde zum Bestseller, denn die Leser fanden sich in der Sinnkrise des Protagonisten Orla wieder. Dann wurde ihnen der Roman eine „Trostschrift“ während des Krieges, und sie dankten es dem Dichter. Wladimir Gilmanov aus Königsberg stellte den Bericht „Der Totenwald“ in den Mittelpunkt. Er suchte gerade in dem Dokumentartext nach einem „erlösenden Wort“, das in dem „Totenwald der bestialischen Entmenschlichung“ Hoffnung erwecken kann. Gilmanov sprach von einem „geheimnisvollen Etwas“, das in einer „dämonischen Namensverwirrung“ „den Buchenwald zu dem Totenwald“ verwandelt. Es ist, vereinfacht ausgedrückt, die Fähigkeit in OTFW (1); Edition-nordost (1); Stahl (1); Privat (1)


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19 AUSSCHREIBUNG

Kardinal-Bertram-Stipendium Die Kardinal-Bertram-Stiftung fördert in Verbindung mit dem Institut für Kirchen- und Kulturgeschichte der Deutschen in Ostmittel- und Südosteuropa e.V. die Erforschung der schlesischen Kirchengeschichte. Das Institut gewährt jährlich zwei Kardinal-Bertram-Stipendien in Höhe von je 2.000,- €, um Forschungsreisen in Archive innerhalb und außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen. Ausgeschrieben werden zur Bearbeitung 2018 folgende Themen:

Ricarda Huch.

jedem Menschen, zum „Brudermörder“ zu werden, wenn er dem Wahn des Übermenschen, des „Menschengottes“ verfällt. Wiecherts „Anruf aus dem Totenwald des Daseins“, so der Titel des Vortrages, wäre demnach der Aufruf zur Selbsterkenntnis, zum Mut, in die eigenen Seelenabgründe zu schauen. Opfer verlangte das Dritte Reich auch nach seinem Untergang. Ricarda Huch (1864-1947) setzte sich nach Kriegsende für die Würdigung der Widerstandskämpfer, besonders der Geschwister Scholl ein. Gabriella Jelitto-Piechulik aus Lodz schilderte den harten Kampf dieser bedeutenden Literatin und Historikerin. Trotz des Vorwurfs der „Landesverräterin“ stand sie zu ihrer Pflicht den Hingerichteten gegenüber, die aus Liebe zu ihrem Vaterland gehandelt hatten. Andrea Rudolf aus Oppeln stellte die Autorin Ilse Langner vor, deren Drama „Angst“ sich mit Schuldfragen nach dem Krieg auseinandersetzt, und Sigurd P. Scheichl aus Innsbruck legte den Teilnehmern das Gedicht „Nachruf“ von Guenther Anders vom Oktober 1945 vor, das die ganze Unfassbarkeit der Mordmaschinerie aufzeigt. Das Orchester in Auschwitz, das „aus den Toten von übermorgen“ besteht, aus „den Verzweifelten und auf Aufschub Lebenden“, soll Musik bei Hinrichtungen machen... Die Ergebnisse der Tagung werden in einem entsprechenden Band zugänglich sein, die Früchte für Wissenschaft und Forschung waren zufriedenstellend. Aber wichtiger ist wohl doch die Hoffnung, derartige Veranstaltungen mögen dazu beitragen, dass, so Gilmanov, „der Mensch die dämonischen Schattenwege des Totenwaldes verlassen wird“. Bärbel Beutner

1. Zwischen Kattowitz und Friedrichshafen. Karl Heda, ein sozial engagierter Seelsorger im kirchlichen und gesellschaftlichen Einsatz Karl Heda war ein sozial engagierter Vertriebenenseelsorger im Bistum Rottenburg-Stuttgart. Gebürtig aus dem Kreis Kattowitz versuchte er nach der Veertreibung die oberschlesischen Katholiken, v.a. die aus dem Bistum Kattowitz zu sammeln und zu betreuen. In seinem neuen Wirkungsbereich setzte er sich für die Arbeitnehmer ebenso ein wie für den Ausbau von Schulen und die Betreuung von Senioren. Dieses breite Verständnis von Seelsorge und das öffentliche Wirken des Geistlichen sollten im Vordergrund der Untersuchung stehen. Beratung: Prof. Dr. Rainer Bendel, Mail: bendel.rainer@t-online.de 2. Johanniter- und Malteserkommenden in Schlesien zwischen Reformation und Säkularisation Zur Geschichte des christlichen Lebens im Bistum Breslau gehört auch die Tätigkeit der Ritterorden, u.a. der Johanniter. Der Ordensauftrag der ursprünglichen Hospitalgemeinschaft beinhaltete über Jahrhunderte caritativ-seelsorgerische Aufgaben. Intensiv unterstützte man den Kirchenbau. Das Ordensleben der Johanniter/Malteser wurde durch das innerkirchliche und sozial-politische Wirken der Reformation beeinflusst. Hier sind einige Forschungsfragen noch unbeantwortet. Beratung: Prof. Dr. Gabriela Wąs, Mail: gabriela.was@uwr.edu.pl Darüberhinaus sind Bewerbungen mit eigenen einschlägigen Themen erwünscht. Um ein Kardinal-Bertram-Stipendium können sich Studierende und Absolventen von Hochschulen, insbesondere Theologen und Historiker, bewerben. Bevorzugt werden jüngere katholische Antragsteller. Bewerbungen mit genauer Angabe der Personalien und des Studienganges sind bis spätestens 10. Februar 2018 zu richten an das Institut für Kirchen- und Kulturgeschichte der Deutschen, n Ostmittel- und Südosteuropa e.V., Sekretariat: Seelhausgasse 11a, 72070 Tübingen, Mail: ikkdos@web.de. Die Entscheidung über die Zuerkennung trifft das Kuratorium des KardinalBertram-Stipendiums in einer Sitzung Ende Februar 2018. Es wählt für jeden Stipendiaten einen Tutor aus. Die Bearbeitung beginnt im Jahr 2018, zunächst mit der Durchsicht der in Bibliotheken vorhandenen Quellen und Literatur, dann durch Reisen in auswärtige Archive. Das Manuskript ist bis zum 15. Oktober 2020 dem Institut für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. in zweifacher Ausfertigung einzureichen. Sein Umfang soll in der Regel 150 Schreibmaschinenseiten nicht überschreiten. Druckreife Manuskripte sind zur evtl. Veröffentlichung in den „Arbeiten zur schlesischen Kirchengeschichte“, im „Archiv für schlesische Kirchengeschichte“ oder in der Reihe „Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands“ vorgesehen. Die Stipendiatsarbeit kann auch nach ihrem Abschluss Grundlage einer theologischen bzw. philosophischen Dissertation bilden.


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500 Jahre Reinheitsgebot – Bier in Ostpreußen Ausstellung des Kulturzentrum Ostpreußen aus Ellingen in Allenstein In den Räumen der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit im Haus Kopernikus hat das Kulturzentrum Ostpreußen aus Ellingen die Ausstellung „500 Jahre Reinheitsgebot – Bier und Brauereien in Ostpreußen damals und heute“ eröffnet. Die zahlreichen Gäste konnten bei der Vernissage regionale Bierspezialitäten verkosten. azu begrüßte die Vorsitzende der D Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit Krystyna Płocharska den

Direktor des Kulturzentrums Ellingen, Wolfgang Freyberg, der für die zweisprachige Ausstellung verantwortlich zeichnet. Sie freue sich, dass die Wanderausstellung erstmals in Polen – in Allenstein – gezeigt werde. Anwesend war außerdem Domherr André Schmeier, der römisch-katholische Seelsorger der deutschen Volksgruppe in der Archidiözese Ermland, für die deutsch-polnische Übersetzung sorgte Deutschlehrer Dawid Kazański. Wolfgang Freyberg ging in seiner Einführung auf die Schwierigkeiten ein, Belege zu finden, mit denen sich ein Alltagsphänomen wie „Bier“ historisch darstellen lasse. Allerdings sei es erstaunlich, welche Gegenstände gesammelt werden und mit welcher Freude die Sammler dann ein derartiges Unternehmen unterstützen würden. So konnte zu den teilweise bis zu 100 Jahre alten Fotodokumenten aus Archivbeständen des Kulturzentrums eine große Anzahl von Bierdeckeln, Brauereiaktien, Flaschenverschlüsse und Werbung für Bier aller Art in die Schautafeln eingearbeitet werden. Vor allem bei Flaschenetiketten aus der Zeit vor 1945 handelt es sich um hochwertige grafische Werke, die sich bis in die Gegenwart weiterentwickelt hätten, so Wolfgang Freyberg. In Ostpreußen hat das Braugewerbe eine lange Traditi-

Wolfgang Freyberg (r.) erläutert den „Ortelsburger Doppelbock“, links Domherr André Schmeier.

on. Seit dem Mittelalter stand das Bierbrauen im Preußenland in hoher Blüte, welches sich mit der Entstehung der Städte entwickelte. Auf den 32 mehrfarbig gestalteten Tafeln mit Beschriftung in deutscher und polnischer Sprache ist die Geschichte der wichtigsten Braustätten sowie die Entwicklung der früheren Hausbrauereien mit den am Grundstück verankerten Braurechten mit zahlreichen historischen Fotos und Ansichtskarten beschrieben. Gerade in Königsberg musste man ein entsprechendes Grundstück besitzen, um Bier herstellen zu können. Um 1750 gab es dort 253 derartige Grundstücke, 1781 existierten 224 Brauhäuser, die bis 1855 auf 30 zusammenschmolzen. Beschrieben sind die Brauereien Ponarth, Schönbusch und Ostmark, ferner Wickbold und Hufen. Aber nicht nur auf die Hauptstadt Ostpreußens konzentrierte sich das Brauwesen: Kinderhof in Gerdauen, Bürgerliches Brauhaus in Insterburg, Vereinigte Brauereien Gumbinnen,

Memeler und Tilsiter Actien-Brauerei sowie weitere Betriebe in Heiligenbeil, Labiau, Fischhausen, Palmnicken, Eydtkuhnen, Frauenburg, Heilsberg und Osterode hatten zumindest einen Bierhersteller. Viele dieser Braustätten sind in den Kriegswirren verschwunden, einige von ihnen existieren noch in den alten Mauern. Švyturys-Utenos alus ist die ehemalige Memeler Aktien-Brauerei. Sie ist die größte Brauerei Litauens und hat mit „Memelbräu“ ein Traditionsbier im Angebot. Die ehemalige Ostmark-Brauerei in Königsberg, die der HeinekenGruppe aus den Niederlanden gehört, braut Bier mit dem Namen „Königsberg“. Die zu dieser Ausstellung erschienenen Begleitbroschüre kann beim Kulturzentrum Ostpreußen, Schloßstr. 9, 91792 Ellingen, Tel. 09141-86440 oder info@ kulturzentrum-ostpreussen.de. für 8,Euro erworben werden. M. Fritsche Fritsche (1); Göllner (1)


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Regionale Identitätssuche im Haus Schlesien Eröffnet: Sonderausstellung „Typisch schlesisch!?“ mit polnischen Partnern Das Team des Dokumentations- und Informationszentrums für schlesische Landeskunde im Haus Schlesien erarbeitet regelmäßig gemeinsame Angebote mit Vertretern polnischer Partnerinstitutionen. Auch bei der Erstellung der neuen zweisprachigen Präsentation „Typisch schlesisch!? Regionalbewusstsein und schlesische Identitäten“ regte die Ausstellungskuratorin Silke Findeisen die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern aus Polen an. n dem durch das Land NordrheinA Westfalen finanziell geförderten Projekt beteiligten sich das Muzeum Karko-

noskie (Riesengebirgsmuseum) in Hirschberg, das Muzeum Ziemi Lubuskiej (Museum des Lebuser Landes) in Grünberg, das Muzeum Powiatowe (Kreismuseum) in Neisse, das Muzeum Ziemi Prudnickiej (Museum des Neustädter Landes) in Neustadt und das Muzeum Powstań Śląskich (Museum der schlesischen Aufstände) in Schwientochlowitz. So konnte eine umfangreiche und facettenreiche Schau geschaffen werden, die aus unterschiedlichen Perspektiven viele Antworten auf die Frage „Was ist typisch schlesisch?“ eingefangen hat.

Mitdenken und Mitsingen bei der Vernissage Bei der Ausstellungseröffnung betonte Prof. Dr. Michael Pietsch, Präsident des Vereins Haus Schlesien, dass die Frage nach der eigenen Identität jeden von uns, über das ganze Leben hinweg, verfolgt. Auf der Suche nach identitätsstiftenden Aspekten für die Schlesier von früher und heute stelle sich heraus – so Prof. Pietsch – dass zwar die globale Welt häufig das Typische verwische,

Rübezahl, Berggeist des Riesengebirges: Typisch schlesisch!?

aber dennoch die statische Landschaft erhalten bleibe. Wie Nicola Remig, die Leiterin des Dokumentations- und Informationszentrums, verriet, setzt sich die neue Sonderausstellung mit politischen und kulturellen Identitäten auseinander und zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen „alten“ und „neuen“ Schlesiern auf. Dabei wird unter anderem auch auf Klischees, Meinungen und Vorurteile eingegangen. Von Dr. Helmut Herles, Chefredakteur a.D. des Bonner General-Anzeigers, erhielten die Vernissageteilnehmer interessante Einblicke in seine wechselvolle Vergangenheit. Im Vortrag Vortrag „Wer bin ich – Anmerkungen zu meiner böhmisch-deutsch-europäischen Identität“ sprach der Referent auch über seine facettenreichen Erfahrungen mit zahlreichen schlesischen Kollegen und Freunden. Dass eine Ausstellungseröffnung im Eichendorff-Saal musikalisch umrahmt wird, ist im Haus Schlesien selbstver-

ständlich. Doch diesmal wurden die Besucher zum Mitsingen animiert und machten mit Freude mit. Der Musiker Hubert Vendel aus Köln bot am GerhartHauptmann-Flügel des Hauses Improvisationen zu bekannten Liedern aus Schlesien, darunter Titel wie „Und in dem Schneegebirge“ aus der Glatzer Region und „Glückauf, Glückauf, der Steiger kommt“ aus Oberschlesien.

Von der Vereinsfahne bis zur Schneekoppe Bei einem Rundgang durch die Ausstellung wird dem Besucher schnell bewusst, dass es die eine „Schlesische Identität“ nicht gibt, wohl aber eine Identifikation mit dem regionalen Umfeld. Die informativen Bild- und Texttafeln sowie die ergänzenden Exponate aus den Sammlungen des Hauses geben Aufschluss über identitätsstiftende Aspekte und über verschiedene Sichtweisen. Die Präsentation ist in mehrere


22 thematische Bereiche gegliedert, darunter Landschaft und Landeskunde, Kirche und Glaube, Mythos und Geschichte, Sprache und Literatur, Brauchtum und kulturelle Vielfalt. Zu den herausragenden Exponaten gehören eine schlesische Vereinsfahne aus dem Jahr 1925 und ein Wimpel vom Schlesier-Verein Milwaukee aus 1965, eine Skulptur der Heiligen Hedwig als Schutzpatronin Schlesiens

Museumsleiterin Nicola Remig.

sowie mehrere Bilder und Publikationen mit markanten Elementen der Naturlandschaft. Erwähnung finden unter anderem der Berg Zobten, die Oder und das Riesengebirge mit dem Schneekoppe-Gipfel.

„Klischee-Pyramide“ In der Ausstellung ist auch eine sogenannte „Klischee-Pyramide“ aufgebaut, die bekannte Wahrzeichen für Schlesien enthält: Rübezahl und Bunzlauer Keramik, Schlesische Tracht und BergmannsUniform sowie nicht zuletzt eine Flasche Stonsdorfer. Eine Hörstation und ein Mitmach-Tisch geben den Besuchern die Möglichkeit, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Empfehlenswert ist auch die Lektüre der reich illustrierten deutsch-polnischen Begleitbroschüre, die im Haus Schlesien zum Preis von 5 Euro zu erwerben ist. Die Sonderausstellung „Typisch schlesisch!?“ ist im Haus Schlesien bis Ende Februar 2018 zu besichtigen. Dieter Göllner

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Gemäldeschau zum Jubiläum Das Siebenbürgische Museum wird 50 Jahre Die Vorsitzende des Gundelsheimer Museumsvereins, Dr. Irmgard Sedler, zeichnete bei der Vernissage der Ausstellung „50 Jahre & 50 Gemälde. Glanzlichter der Gemäldesammlung“ die Geschichte und Entwicklung des Hauses nach. Dr. Sedler erinnerte daran, dass sich aus den ersten ehrenamtlichen Anfängen zum Aufbau einer volkskundlich ausgerichteten Sammlung in den frühen 1960er Jahren ab 1968 das Siebenbürgische Museum auf Schloss Horneck entwickelt hat. Im Jahr 1991 erfolgte die Institutionalisierung der Einrichtung als zentrales Landesmuseum für Siebenbürgen in der Bundesrepublik Deutschland. ugleich startete damals auch der Z planmäßige wissenschaftliche Aufbau einer Kunstsammlung, die inzwi-

schen über 19.000 Objekte, darunter zahlreiche Gemälde, enthält. Arbeiten von Künstlerinnen und Künstler aus Siebenbürgen bzw. die in Siebenbürgen wirkten, bilden den Kern der Sammlung. Dr. Sedler bot neben einem Rückblick in die Geschichte auch einen Ausblick in die Zukunft. Sie verriet Details zu Plänen, laut denen das Museum im Zuge des Umbaus von Schloss Horneck durch eine Gemäldegalerie erweitert werden soll. Die Kunstsammlung soll dann dauerhaft präsentiert werden.

Geburtstagsgeschenk für das Museum Der Fördervereinsvorsitzende Dr. Bernhard Lasotta MdL lobte die gelungene Präsentation und freute sich über die hohe Qualität der ausgestellten Werke. Als „Geburtstagsgeschenk“ für das Museum konnte der Fördervereinsvor-

sitzende den Ankauf eines Stilllebens von Grete Csaki-Copony bekanntgeben, der kurz vor Ausstellungeröffnung besiegelt wurde. Der Kurator der neuen Sonderausstellung, Dr. Markus Lörz, betonte in seiner Ansprache, dass man sich bewusst für eine Gemäldeschau zum Jubiläum entschieden habe, da mit diesem Sammlungsbereich die siebenbürgische Museumsgeschichte begonnen habe.

Brukenthalmuseum in Hermannstadt Ein beachtenswerter Meilenstein fand vor 200 Jahren in Hermannstadt/Sibiu statt, als das Brukenthalmuseum als erstes Museum in ganz Südosteuropa eröffnet wurde. Mit der Stiftung seiner bedeutenden in Wien zusammengetragenen Kunstsammlung gab Baron Samuel von Brukenthal (1721-1803) nach einer langen Zeit künstlerischer Stagnation den Impuls für ein Wiederaufblühen der lokalen Malerei in seiner Heimat. Die ersten Künstler waren eingewanderte Maler wie etwa der Wiener Theodor Sockl oder der Mecklenburger Carl Dörschlag. In der Ausstellung werden auch Vertreter der nächsten Generation gewürdigt – darunter Arthur Coulin und Friedrich Miess – , die als Wegbereiter der modernen siebenbürgischen Malerei gelten. Erwähnung finden ferner der Expressionist Hans Eder, die MalerkoloINFO Siebenbürgisches Museum Schlossstr. 28 74831 Gundelsheim a. N. Telefon: 06269 - 42230 www.siebenbuergisches-museum.de Göllner (1); Siebenbürgisches Museum (1)


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nie von Nagybánya/Baia Mare sowie Hans Mattis-Teutsch, Hermann Konnerth, Ernestine Konnerth-Kroner und Henri Nouveau. Viele der nach dem Zweiten Weltkrieg aktiven jungen Künstler wie Helmut von Arz oder Friedrich von Bömches verließen das Land und arbeiteten fortan in Deutschland. Wie schon die Generation zuvor entwickelten sie sich zu wichtigen Vermittlerpersönlichkeiten zwischen der Kulturregion Siebenbürgen und den Kunstzentren Deutschlands, Frankreichs und Italiens. Auch wenn aus Platzgründen in der Jubiläumsschau nur knapp 20 Prozent der gesamten Gemäldesammlung des Siebenbürgischen Museums gezeigt werden können, lassen sich anhand der Stilvielfalt die grenzüberschreitenden Verbindungen der Künstlerszene nachvollziehen. Die stilistische Spannweite reicht vom akademischen Naturalismus bis zur gegenstandslosen Abstraktion. Die durch die Beauftragte der Bundesre-

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Dr. Irmgard Sedler, Vorsitzende des Museums, bei der Ausstellungseröffnung.

gierung für Kultur und Medien geförderte Ausstellung ist in Gundelsheim bis Ende April 2018 zu besichtigen. Neben

öffentlichen Führungen im Begleitprogramm werden auf Anfrage auch Gruppenführungen angeboten. D.G.

Vergeblicher Einsatz für Tiere und Pflanzen Zum 95. Geburtstag des Pommern Horst Stern Dass der Tierschriftsteller Horst Stern, geboren 1922 in Hinterpommern, noch unter den Lebenden weilt, hätte man im Jahr 2017 nicht für möglich gehalten. Denn es war recht still um ihn geworden, nachdem er sich 1984, enttäuscht von der Wirkungslosigkeit seines journalistischen Arbeitens, auf die Insel Irland zurückgezogen hatte, um Romane und Novellen zu schreiben. Sein letztes Buch, ein Gedichtband, erschien 1994. ber sein Privatleben vor 1945 gibt Ü es kaum Informationen. Er wuchs bei seiner Mutter, der Tochter eines

Schmiedes, in Gollnow/Kreis Naugard auf, seinen Vater kannte er nicht. In Gollnow besuchte er das humanistische

Gymnasium, dann heiratete seine Mutter, die geschieden war, noch einmal und zog mit Mann und Sohn nach Berlin. Dort bekam Horst Stern wegen „sehr guter Leistungen in der Schule“ ein Stipendium. Mit der Mittleren Reife wurde er 1938, was er später bedauerte, von der Schule genommen und begann auf Anraten seines Stiefvaters eine Banklehre. Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausgebrochen war, wurde er zum „Reichsarbeitsdienst“ eingezogen und später zu den Fallschirmjägern. Eingesetzt in Nordafrika, geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde in die Vereinigten Staaten gebracht. Entlassen 1948, arbeitete er zunächst als Dolmetscher beim amerikanischen Militärgericht in Ludwigsburg bei Stuttgart und schrieb später Gerichtsreportagen für die

„Stuttgarter Nachrichten“. In der Redaktion dieser Zeitung begegnete Horst Stern um 1950 Wolfgang Bechtle, der über Tiere schrieb und sich ein Gehege mit einheimischen Tieren eingerichtet hatte. So wurde er, nachdem er 1955 aus der Redaktion ausgeschieden war, zum Journalisten, der über Tiere schrieb, allerdings geschah das auf Umwegen. Zunächst betreute er mehrere Zeitschriften und schrieb nach 1960 mehr als 50 Schulfunksendungen über Tiere für den „Süddeutschen Rundfunk“ in Stuttgart. Der Einstieg ins Fernsehen dauerte länger, seine ARD-Erfolgsserie „Sterns Stunde“ (über 20 Episoden), mit der er sich Feinde bei Jägern und Förstern machte, lief zwischen 1971 und 1979 und verschaffte ihm hohe Einschaltquoten. Als er ausgerechnet am Heiligen Abend 1971 in einer Sendung über den Rot-


24 hirsch dazu aufrief, diese Tiere wegen der von ihnen verursachten Waldschäden verstärkt abzuschießen, wurde im Jahr darauf, nach heftigen Diskussionen im Bayerischen Landtag und im Bundestag, das Jagdgesetz geändert, und er wurde mit der Ehrendoktorwürde der Universität Hohenheim ausgezeichnet. Zum Jahresende 1978 wurde dann der Zweiteiler „Tiere in der Pharmaforschung“ gesendet, was ihm Schmähbriefe von Zuschauern einbrachte. Nach Ausstrahlung seiner letzten TV-Sendung „Bemerkungen über Gemsen“ wurde die Serie eingestellt. Horst Stern soll sich „enttäuscht von der mangelnden Wirkung meiner Berichterstattung“ gezeigt haben. Erst 1997 hat er sich noch einmal für SPIEGEL-TV bereit erklärt, über den vom Borkenkäfer befallenen Bayerischen Wald zu sprechen. Da aber lebte er schon über ein Jahrzehnt in Irland, von wo er im Jahr 2000, nunmehr als Rentner von 78 Jahren, nach Passau übersiedelte. Im Jahr 2001 befand ein Gremium von Dokumentarfilmern, dass Horst Stern in seiner 40-jährigen Karriere „niemals ein justiziabler Fehler unterlaufen“

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anprangern: Er wurde beklatscht, belächelt und dann vergessen! Als er 1972 für sieben Jahre für den Landkreis Lindau am Bodensee zum Naturschutzbeauftragten gewählt wurde, sagte er in seiner Antrittsrede: „Wenn Sie einen Naturschutzbeauftragten suchen, wie Sie ihn haben, dann lassen Sie die Finger von mir. Mit mir kriegen Sie nichts als Ärger. Ich werde die Dinge beim Namen nennen.“ Mitten im Amt gründete er 1975 mit anderen Mitstreitern den „Bund für Umwelt und Naturschutz“ mit heute 585.000 Mitgliedern.

Horst Stern im Jahr 1997.

wäre, und zog als Fazit seines Journalistenlebens, „dass der Mensch sich offensichtlich als Krone der Schöpfung begreift und alle anderen Lebewesen seinen Nützlichkeitserwägungen unterordnet.“ An seinem 95. Geburtstag am 24. Oktober erlitt Horst Stern das Schicksal aller Kritiker, die die Ausrottung von Tieren und Pflanzen durch den Menschen

Diese Initiative wird immer mit seinem Namen verbunden bleiben, auch wenn alle Warnungen, die er in Büchern und Filmen ausgestreut hat, nicht beherzigt wurden. Die Felder und Wälder um uns, früher ein Hort der Erholung, sind vergiftet und von Schädlingen befallen, die Massentierhaltung von Schweinen und Hühnern schreitet munter voran, die Insekten sind zu drei Vierteln vernichtet und mit ihnen die Vögel. Insofern ist Horst Stern mit dem, was er wollte, schrecklich gescheitert! Jörg Bernhard Bilke

Musikwissenschaftler aus Liegnitz in Schlesien Zum Tode Hubert Unverrichts am 14. August m 14. August 2017 verstarb im A Caritas-Altenzentrum Maria Königin in Mainz-Drais der aus Schlesien

stammende Musikwissenschaftler Prof. Dr. Hubert Johannes Unverricht im Alter von 90 Jahren. Geboren am 4. Juli 1927 in Liegnitz/Niederschlesien, besuchte er von 1938 an das Johanneum in Liegnitz, die staatliche Oberschule für Jungen, die Einberufung zur „Wehrmacht“ und der Einsatz als Flakhelfer blieben ihm erspart. Nach der am 23. Juli 1946 erfolgten Vertreibung besuchte er die Oberprima des Werner-von-SiemensGymnasiums in der sächsischen Kreisstadt Großenhain, wo er im Juli 1947 das Abitur ablegte. Anschließend studierte er bis 1951 an der Humboldt-Universität in Ostberlin Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie, wechselte aber 1952 an die 1948 gegründete Freie Universität in Westberlin, wo er 10.

Dezember 1953 promoviert wurde. Nach beruflichen Zwischenstationen in Westberlin, wo er am 26. Mai 1955 seine Mitarbeiterin Renate Richter, geboren 1928 in Grünberg/Schlesien, heiratete, arbeitete er von 1956 bis 1962 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am 1955 gegründeten „Haydn-Institut“ in Köln, wo die kritische Gesamtausgabe der Werke des österreichischen Komponisten Joseph Haydn (1732-1809) erarbeitet wurde, und wechselte zum Wintersemester 1962/63 als wissenschaftlicher Assistent an das Musikwissenschaftliche Institut der Universität Mainz. Dort habilitierte er sich 1967 mit einer Arbeit zur „Geschichte des Streichtrios“ (1969) und wurde Privatdozent für Musikwissenschaft und Musikgeschichte. Von 1980 bis 1990 übernahm er als Professor den Lehrstuhl für Musikwissenschaft an der Katholischen Universität Eich-

stätt. Seine Hauptforschungsgebiete waren die Musikgeschichte seit 1600, besonders die Klassik und die Frühromantik, die Geschichte der Kammermusik und die regionalen Musikgeschichten des Rheinlands, Bayerns und Schlesiens. Seit 2004 war er Ehrenvorsitzender der „Historischen Kommission für Schlesien,“, Ehrenmitglied der Freunde und Förderer der „Stiftung Kulturwerk Schlesien“ in Würzburg und der „Historischen Gesellschaft Liegnitz“. Von 1995 bis 2001 war er auch Vizepräsident und Präsident des „Heimatwerks Schlesischer Katholiken“. Zum 65. Geburtstag 1992 erschien eine Festschrift (Tutzing 1992), 2008 erhielt er den „Kulturpreis Schlesiens“ des Landes Niedersachsen in Hannover. Das Verzeichnis seiner Schriften umfasst über 800 Titel. JBB Markus Beck (1); Göllner (1)


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Über die Entstehung von Staaten Fachtagung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen Die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn, hat mit renommierten Referenten ihre zweite Tagung zum Thema „Der Erste Weltkrieg und seine Folgen für das Zusammenleben der Völker in Mittel- und Ostmitteleuropa“ in Königswinter abgehalten ei der jüngsten internationalen B staats- und völkerrechtlichen Fachtagung, die die Kulturstiftung der deut-

schen Vertriebenen, Bonn, gemeinsam mit der Studiengruppe Politik und Völkerrecht, Marburg, im November 2017 zum Thema „Der Erste Weltkrieg und seine Folgen für das Zusammenleben der Völker in Mittel- und Ostmitteleuropa“ abgehalten hat, stellten hochkarätige Referenten historische Daten und Fakten zur Situation in verschiedenen Ländern vor. Der Start der auf insgesamt drei Jahre ausgelegten Tagungstrilogie fand im Herbst 2016 statt. Damals gingen die Wissenschaftler und Volkskundler auf die Gründe und Ursachen sowie auf den Verlauf des Ersten Weltkriegs an seinen unterschiedlichen Fronten ein. Geschildert wurde die Sachlage aus Gebieten wie Nord-Schleswig, Elsass-Lothringen, Memelland und aus der Stadt Danzig. Die nunmehr zweite Tagung stellte die Folgen der Kriegsereignisse und die sich anschließenden Friedensverträge in verschiedenen europäischen Ländern in den Mittelpunkt der Diskussionsrunden. Die Referenten aus Deutschland und aus anderen europäischen Ländern wie Italien, Polen, Rumänien, Slowenien und Litauen richteten den Schwerpunkt ihrer Vorträge u.a. auch auf Völker und Volksgruppen, die nach dem Ende des Ersten Weltkriegs aus ihren Siedlungsgebieten vertrieben wurden. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Gilbert Gornig von der Philipps-Universität Marburg

Gut besucht war auch diese völkerrechtliche Fachtagung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen.

übernahm die wissenschaftliche Leitung und Moderation der zweitägigen staatsund völkerrechtlichen Veranstaltung in Königswinter. In einem seiner Vorträge setzte sich Prof. Gornig – den übrigens der Vorstandsvorsitzende der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Reinfried Vogler, als Mentor und Hauptplaner der Veranstaltung vorstellte – mit dem Thema „Die Tschechoslowakei, Österreich und das Schicksal des Sudetenlandes bis heute“ auseinander. Prof. Gornig berücksichtigte in seinem Beitrag die Entstehung von Staaten als historischen Vorgang, als Produkt der Entscheidung von betroffenen Staatsteilen und Staaten sowie als Produkt dritter Staaten. Zu den Referats-Schwerpunkten gehörte der am 10. September 1919 unterzeichnete Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye mit Österreich, der die größtenteils bereits erfolgte Auflösung der österreichischen Reichshälfte zur Folge hatte. Auch durch den Vertrag von Trianon 1920 mit Ungarn wurden

weitere Gebietsabtretungen und Grenzen der Nachfolgestaaten der Doppelmonarchie festgelegt.

Ostkantone, Südtirol und Polen In seinem Vortrag „Die Angliederung von Eupen-Malmedy an Belgien: Heimkehr ins Vaterland oder bloße Annexion?“ sprach der ehemalige Geschichtslehrer Jean-Marie Godard aus Jurbise/ Belgien über das wechselhafte Schicksal der Menschen aus den Ostkantonen Eupen, Malmedy und St. Vith. Der Doktorand Andreas Raffeiner aus Bolzano/Bozen/Italien (Südtirol) stellte sich als Europäer und italienischer Staatsbürger, Angehöriger einer österreichischen Minderheit und Angehöriger der deutschen Sprachgruppe vor. Er präsentierte historische Eckpunkte aus der Entwicklung von Europa vor 1914 sowie Aspekte der Bündnispolitik. Auch der Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg


26 und Auswirkungen der Teilung Tirols wurden thematisiert. Um Vorbilder und Beweggründe für die Verabschiedung des Habsburgergesetzes ging es im Referat von Dr. Michael Kadgien aus Essen. Das Gesetz vom 3. April 1919 betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen standen im Vordergrund. Dargelegt wurden die Rechte der Familie HabsburgLothringen und deren Zweiglinien in Österreich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Auflösung Österreich-Ungarns. Dr. Adrianna Michel aus Pyritz/Polen, die in Marburg in Völkerrecht, Staatsrecht und Verwaltungsrecht habilitiert, referierte über „Die Folgen des Ersten Weltkriegs für Polen“. Sie befasste sich mit dem Thema der Wiederherstellung des polnischen Staates, wobei Aspekte des Königsreichs Polen und der zweiten polnischen Republik von 1918 erörtert wurden.

Prof. Dr. Zeno Karl Pinter.

Ungarn, Rumänien, Bulgarien sowie Slowenien und Litauen Am zweiten Veranstaltungstag bot Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gilbert Gornig den Vortrag „Das Schicksal Ungarns nach dem Ersten Weltkrieg“. Am Beispiel Ungarns erklärte der Referent die Definition der Drei-Elemente-Lehre, nach der laut Völkerrecht ein Staat seine Existenz beendet, wenn er eines seiner Staatlichkeitsmerkmale endgültig verliert. Prof. Gornig resümierte: „Nach der Niederlage 1918 wurde Ungarn als

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Prof. Dr. Gilbert Gornig.

unabhängiger Staat neu konstituiert. Im Jahre 1919 wurde unter der Führung von Béla Kun eine Räterepublik installiert, die aber nach der Niederlage im Krieg gegen Rumänien unterging. Der Vertrag von Trianon bestätigte im Jahre 1920 die bereits 1918/19 erfolgten Sezessionen vom Königreich Ungarn.“ Über „Rumänien und Bulgarien und der Erste Weltkrieg“ sprach Prof. Dr. Zeno Karl Pinter von der Universität Sibiu (Hermannstadt)/Rumänien. Er beschrieb den Balkan als „kochenden Kessel“, der das Hauptproblem jener Zeit darstellte. Prof. Pinter schilderte die unterschiedliche Beteiligung Rumäniens und Bulgariens an den zwei Balkankriegen sowie an den Ereignissen des Ersten Weltkrieges. Anhand von historischen Fakten und persönlichen Erfahrungen berichtete Prof. Dr. Borut Holcman von der Universität Maribor (Marburg)/Slowenien über „Den weiten Weg zur Entstehung Jugoslawiens“. Dr. Jurgita Baur aus Bad Vilbel und Zarasai/Litauen widmete ihren Vortrag dem Thema „Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf die baltischen Staaten“. Von Dr. Holger Kremser, GeorgAugust-Universität, Göttingen erfuhren die Teilnehmer wie „Vertreibung und Bevölkerungsaustausch nach dem Ersten Weltkrieg“ abliefen. Reinfried Vogler, Vorstandsvorsitzender der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, betonte, dass das rege Interesse der Tagungsteilnehmer an den Referaten und die zahlreichen Wortmeldungen

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einmal mehr zeigten, wie wichtig die Ausrichtung solcher staats- und völkerrechtlichen Tagungen ist. „Wir haben viel mitgenommen, wir haben viele Lücken gefüllt, wir haben Vieles aufgefrischt und wenn es dazu beiträgt, das wir das, was wir heute erfahren haben und was hier erarbeitet worden ist, dann auch wirklich nach draußen weitergegeben wird, dann ist das Ziel dieser Veranstaltungs-Reihe schon erreicht“, so Vogler. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Gilbert Gornig wiederum hob in seinem Fazit die Kunst, einen Friedensvertrag zu schließen, hervor: „Wenn man den im Krieg Besiegten erniedrigt, wie in den Friedensverträgen nach dem Ersten Weltkrieg, legt man die Saat aus für den nächsten Konflikt. Ohne die Friedensverträge nach dem Ersten Weltkrieg wären ein Hitler und damit ein Zweiter Weltkrieg, der auch die Folgen des Versailler Diktats beseitigen

Dr. Adrianna Michel.

wollte, nicht möglich gewesen. Ein positives Beispiel ist der Wiener Kongress 1815, bei dem das besiegte Frankreich gleichberechtigt mit am Tisch saß und ein fast hundertjähriger Frieden mit der Errichtung einer Pentarchie die Folge war.“ Dr. Ernst Gierlich, Geschäftsführer der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, blickte in die Zukunft: „Vor dem Hintergrund, dass es noch viele Aspekte zu besprechen und zu klären gibt, die mit dem Ersten Weltkrieg und seinen Folgen zu tun haben, wird die dritte Fachtagung im Jahr 2018 weiteren kompetenten Referenten die Möglichkeit einer Präsentation geben. Wir erwarten auch dazu großes Interesse des Fachpublikums.“ Dieter Göllner Göllner (3)


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Ernst Wiechert auf der Schwäbischen Alb Neue Bleibe für den Nachlass von Ernst Wiechert Seit ihrer Gründung 1989 hatte die Internationale Ernst-WiechertGesellschaft (IEWG) ein Domizil im „Museum Königsberg“ in Duisburg. Als das Museum 2015 in das Ostpreußische Landesmuseum nach Lüneburg zog, musste für das Wiechert-Archiv ein neuer Standort gesucht werden. Bücher, Akten, Nachlässe, Dokumente benötigtenik eine feste Bleibe. wischen Ulm und Sigmaringen liegt Z der malerische Erholungsort Zwiefalten. Dort gibt es einen traditionsrei-

chen und kulturell sehr aktiven Geschichtsverein, der von einem Mitglied der IEWG geleitet wird. Mitglied sowohl des Geschichtsvereins wie auch der IEWG war die 2014 verstorbene Hedwig Butz, die dem Geschichtsverein ihr geräumiges und gepflegtes Haus vermacht hat, das zu ihren Lebzeiten ein kultureller Treffpunkt des Ortes Zwiefalten war. Die IEWG nutzt in Zusammenarbeit mit dem Geschichtsverein das Haus mit. Ernst Wiechert verbrachte fünfzehn Jahre seines Lebens im süddeutschen Raum, zog 1933 von Berlin nach Ambach am Starnberger See, baute in Wolfratshausen bei München den Hof Gagert, in dem er bis 1948 wohnte, und verbrachte die beiden letzten Lebensjahre in Uerikon bei Zürich. In Stäfa liegt sein Grab. Seine geistigen Erben beziehen also einen Standort in seiner Nähe, voller Dankbarkeit gegenüber der Hausbesitzerin Hedwig Butz. So fand zu ihrem 100. Geburtstag am 23. Oktober 2017 „ein Wochenende mit Literatur, Musik und Kultur“ statt, eine Veranstaltung der IEWG in Zusammenarbeit mit dem Geschichtsverein Zwiefalten e.V. „Wir öffnen den Schrank von Wiecherts Literatur-Archiv!“, lautete das „Motto“ über dem differenzierten

Programm. Mit interessierten Vertretern der lokalen Presse traf man sich am 21. Oktober im „Butz-Haus“ und besichtigte die kultivierten Räume, den reichen Bücherbestand und die wertvollen Kunstsammlungen. Hedwig Butz geb. Metzler, Romanistin und Literatin, hat hier eine Atmosphäre geschaffen, die dem neuen Bewohner verwandt ist. Hier hätte Ernst Wiechert leben und dichten können wie im „Rütihof“, seinem „letzten Haus“ bei Zürich. Sein vollständiges Werk in Einzelausgaben und in zwei Gesamtausgaben lädt zum Lesen ein. Feuerfeste Stahlschränke enthalten unersetzliche Dokumente und

– die IEWG ist international – einen Nachlass aus Frankreich. Als sich die Wiechert-Freunde am 100. Geburtstag von Hedwig Butz an ihrem Grab versammelten, dankte man einer bemerkenswerten Frau, aber auch einer glücklichen Fügung. Zwiefalten liegt in einer Kultur- und Literaturlandschaft, die viele Verbindungen von Ernst Wiechert zu seinen Dichterkollegen anbietet. Eduard Mörike und Johann Peter Hebel, Ernst Jünger und Hermann Hesse „warten“ darauf, Schiller und Hölderlin auch, und ein Ausflug zum nahen Bodensee führt zum Grab von Anette von Droste-Hülshoff. Bärbel Beutner

Zeitzeugen gesucht Die Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen sucht deutsche zivile Opfer ehemaliger sowjetischer, polnischer, tschechischer und jugoslawischer Zwangs- und Arbeitslager, die bereit sind, über ihre traumatischen Erlebnisse im Lager ab 1941 bzw. 1945 zu berichten. Ihre Erinnerungen sollen Teil einer Wanderausstellung über Deutsche in Zwangsarbeitslagern werden. Wir würden Sie dazu gern an Ihrem jetzigen Heimatort besuchen. Wir suchen Interview-Partner beiderlei Geschlechts aus allen ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten: Aus den ehemaligen Ostprovinzen des Deutschen Reiches, aus Russland (Russlanddeutsche, die vor allem nach Sibirien und Kasachstan verschleppt wurden), aus dem Sudetenland, aus Ungarn, Rumänien und Ex-Jugoslawien. Bitte wenden Sie sich an den Kurator unserer Ausstellungen: Wilfried Rogasch, Pariser Str. 45, 10719 Berlin, Tel: 030 622 5859, Mobil: 0160 72 52484


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Wie Heinrich und Thomas Mann Tschechen wurden Die mutige Tat des Kommunalpolitikers Rudolf Fleischmann Aus der Exilforschung ist seit Jahrzehnten bekannt, dass die beiden deutschen Schriftsteller Heinrich und Thomas Mann, denen nach 1933 durch die Nationalsozialisten die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen worden war, 1936 Bürger der 1918 gegründeten Tschechoslowakischen Republik wurden, obwohl sie nie dort gelebt haben. Wie das alles damals zustande kam, ist jetzt näher erforscht worden. So gibt es in der ostböhmischen Kleinstadt Prosetsch (heute 5000 Einwohner), gelegen auf der böhmischmährischen Höhe bei Pardubitz, nicht nur eine „Straße der Brüder Mann“, sondern auch einen historischen Arbeitskreis, der die politischen Hintergründe der Einbürgerung erforscht hat und sie zurzeit in einer Ausstellung des Heimatmuseums sichtbar macht. einrich Mann (1871-1950), VerfasH ser des vielgelesenen Romans „Der Untertan“ (1918), der noch 1931 zum

Vorsitzenden der „Sektion Dichtkunst“ der „Preußischen Akademie der Künste“ gewählt worden war, emigrierte 1933 in die französische Hafenstadt Nizza und von dort 1940 in die Vereinigten Staaten. Vom nationalsozialistischen Deutschland wurden ihm daraufhin die Mitgliedschaft in der Akademie und die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Sein jüngerer Bruder Thomas Mann (1875-1955), der 1933 von einer Vortragsreise ins Ausland nicht nach Deutschland zurückgekehrt war und sich in Küssnacht am Zürichsee niedergelassen hatte, wurde erst im Dezember 1936 ausgebürgert und verlor zugleich die ihm 1919 verliehene Ehrendoktorwürde der Universität Bonn. Heinrich Mann in Nizza, dessen Antrag auf Verleihung der französischen

Staatsbürgerschaft abgelehnt worden war, erhielt im Oktober 1934 aus der Staatskanzlei des Präsidenten Tomas Masaryk (1850-1937) die Mitteilung, dass er Bürger der Tschechoslowakischen Republik werden könnte, falls eine Gemeinde sich bereit erklärte, dem staatenlosen Schriftsteller das Heimatrecht zuzuerkennen. Davon hörte der Kommunalpolitiker Rudolf Fleischmann in Prosetsch, der im Hauptberuf Buchhalter in einer Textilfabrik war, aber auch im örtlichen Stadtrat saß. Ihm gelang es in langen Gesprächen und zähen Diskussionen, seine Parteifreunde, die beiden anderen Fraktionen, Sozialdemokraten und Katholiken, und schließlich den Bürgermeister davon zu überzeugen, Heinrich Mann das Heimatrecht einzuräumen. Am 21. August 1935 sprach der Stadtrat von Prosetsch Heinrich Mann mehrheitlich das Heimatrecht zu. Acht Monate später fuhr der Schriftsteller zum Konsulat der Tschechoslowakei in Marseille, um den Eid auf die Verfassung seines neuen Heimatlandes zu leisten. In seiner Autobiografie „Ein Zeitalter wird besichtigt“ (1946) schrieb er darüber: „Wer war ich, dass diese Nation den Mann, verstoßen aus der seinen, ehrenvoll aufnahm?“ Im Frühjahr 1936 schrieb Rudolf Fleischmann auf Wunsch des Präsidenten in Prag auch an Thomas Mann, um ihm die Staatsbürgerschaft anzutragen. Der deutsche Schriftsteller lud ihn umgehend in die Schweiz ein und bezahlte ihm den Flug. Am 6. August stand der Prager Abgesandte aufgeregt vor Thomas Manns Haus in Küssnacht und wagte kaum zu klingeln. Diese Begegnung schilderte Thomas Mann in seinen Tagebüchern so: „Zum Essen Herr Fleischmann… Rührender Mann, der mit heiligem Eifer meine und der Meinen Einbürgerung betreibt. Angeregte Unterhaltungen.“ Nach dem Essen schrieb Rudolf Fleischmann den Einbürgerungsantrag

Heinrich und Thomas Mann.

in tschechischer Sprache und ließ Thomas Mann unterzeichnen. Da die reichsdeutschen Behörden höchst schon verärgert auf die Einbürgerung Heinrich Manns reagiert hatten, musste Rudolf Fleischmann höchste Überzeugungskraft im Stadtrat aufbringen, da die Angst vor dem imperialistischen „Dritten Reich“ im Ausland stark gewachsen ist. Am 18. August wurde der Antrag positiv entschieden: für Thomas und Katia Mann und die minderjährigen Kinder Elisabeth und Michael. Im Januar 1937, während einer Vortragsreise nach Prag, fuhr Thomas Mann für einen Tag nach Prosetsch, wo er als Ehrengast zu einer Sitzung des Stadtrats eingeladen wurde. Im Jahr darauf, am 29. September 1938, flogen Thomas Mann und Familie mit den neuen Pässen ins amerikanische Exil. Auch Rudolf Fleischmann war inzwischen nach England emigriert, wo er im April 1949 Thomas Mann noch einmal begegnete. Er starb 1966 in Preston bei London, nach dem Zerfall des Kommunismus wurde seine Urne nach Prosetsch überführt und dort beigesetzt. JBB

Buddenbrock-Haus Lübeck (1); Grzegorz Kumorowicz (1)


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Reformatorische Freiheit – in Brandenburg und Preußen Deutsch-pol. Ausstellung zeigt Teile der Silberbibliothek Herzog Albrechts Die Ausstellungen, die während des zurückliegenden Jahres aus Anlass des Reformationsjubiläums gezeigt wurden, sind kaum zu überblicken. Ihre Vielfalt ist Ausdruck des Facettenreichtums dessen, was gemeinhin als „die Reformationsgeschichte“ bezeichnet wird. Dies gilt vor allem für die unterschiedlichen regionalen Ausprägungen, die die reformatorischen Kirchenwesen im Prozess ihrer Entstehung entwickelten. ie Ausstellung „Reformation und D Freiheit. Luther und die Folgen für Preußen und Brandenburg“, die noch

bis zum 21. Januar im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (Potsdam) zu sehen ist, stellt exemplarisch die Reformation in zwei historischen Kulturlandschaften gegenüber, die späterhin unter der gemeinsamen Krone der Hohenzollern standen – und heute in der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen liegen: dem Kurfürstentum Brandenburg und dem Herzogtum Preußen. Im Zentrum steht dabei eine der bedeutendsten Schriften der Reformation Wittenberger Prägung: „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, mit der Martin Luther 1520 auf die Bannandrohungsbulle „Exsurge Domine“ von Papst Leo X. geantwortet hatte. Diese 30 Glaubensthesen wurden im 16. Jahrhundert die Schrift mit der höchsten Druckauflage. Die Potsdamer Ausstellung zeichnet anhand des Kurfürstentums Brandenburg und des Herzogtums Preußen nach, wie Luthers Freiheitsverständnis – das zunächst einmal ein religiöses war, jedoch auch politisch interpretiert wurde – konkret historische Folgen zeitigte. In ihrer Breitenwirkung wurde die Reformation kulturprägend – nicht nur mittels Luthers Bibelübersetzung für die deutsche Sprache. Vielmehr würdigt die

Bucheinband aus der Silberbibliothek Herzog Albrechts von Preußen mit dem Wappen des Herzogs, Silber teilvergoldet, 1556.

Ausstellung auch ihre herausragende Bedeutung für weitere ostmitteleuropäische Schriftsprachen – sowohl das Litauische und Prußische als auch das Sorbische. Darüber hinaus geraten geschichtliche Ereignisse in den Blick, denen in der allgemeinen Reformationsgeschichtsschreibung, wenn überhaupt, dann randständige Bedeutung zukommt: Dies gilt etwa im Falle Preußens für den Aufstand samländischer Bauern gegen den regionalen Adel im Jahre 1525, dem eine politische Auslegung des lutherischen Freiheitsbegriffs zugrunde lag. Die nationale und kulturelle Grenzen überwindende Wirkung der lutherischen Reformation spiegelt sich auch in einer Reihe der präsentierten Leihgaben, die nicht nur aus Schottland oder – wie eine lateinische Erstausgabe der Freiheitsschrift mit handschriftlichen Anmerkungen aus der Feder des Reformators – aus Elsass-Lothringen, sondern vor allem auch aus der Republik Polen stammen. Dies gilt vor allem für Teile der Silberbib-

liothek Herzog Albrechts von Preußen – einst 20 mit silbernen Einbänden versehene Bände mit zentralen reformatorischen Werken –, die Dank einer deutschpolnischen Kooperation erstmals im Bundesgebiet gezeigt werden können. „Wichtige Teile der reformationszeitlichen Schriften aus der Königsberger Bibliothek gelangten nach dem Zweiten Weltkrieg nach Thorn in die Bibliothek der Nikolaus-Kopernikus-Universität, die dort gegründet wurde, darunter auch 12 der 15 überlieferten Bände aus der Silberbibliothek Herzog Albrechts von Preußen“, berichtet die Kuratorin der Ausstellung, Dr. Ruth Slenczka: „Die Universitätsbibliothek gehört daher zu unseren wichtigsten polnischen Leihgebern. Ein Besuch der Bibliothek stand daher im Dezember 2015 auf dem Reiseplan unserer ersten Polenreise. Es entwickelte sich ein lebhafter Austausch, der über einen umfangreichen Leihvertrag hinaus Früchte trug: Im Dezember 2016 veranstalteten wir zusammen mit der Universität Thorn ein wissenschaftliches Kolloquium zu Silberbibliothek, aus dem ein Bestandskatalog der überlieferten Bände hervorging. Zudem drehte der rbb im Frühjahr 2017 mit uns in der Thorner Bibliothek für eine Dokumentation zum Reformationsjubiläum.“ Der Kooperation zwischen dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte und der Universitätsbibliothek Thorn kommt mithin eine exemplarische Bedeutung für die grenzübergreifende Erforschung und Bewahrung des gemeinsamen Kulturerbes zu. So erklärt Dr. Slenczka: „Über die Kooperation konnte hier Wissen ausgetauscht und das Bewusstsein für die Deutsche und Polen verbindende Kultur gestärkt werden. Die Potsdamer Ausstellung sowie die rbb-Dokumentation tragen dazu bei, Wissen über das gemeinsame Kulturerbe auch über den verhältnismäßig kleinen Kreis der Wissenschaftler hinaus zu verbreiten.“ Dabei ist bereits


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im Gegenstand des gemeinsamen Forschungsprojektes eine Überwindung nationaler Denkmuster implizit angelegt. „Die Reformationszeit“, erläutert Dr. Slenczka, „ist als vornationales Zeitalter besonders geeignet, um die Deutsche und Polen verbindende Geschichte als europäischgemeinsame Geschichte zu entdecken, zu erforschen und ins Bewusstsein zu bringen. Die Silberbibliothek ist z. B. Teil der Europa verbindenden Hofkunst der Renaissance. Mit nationalgeschichtlich verengten Narrativen kann man ihr nicht gerecht werden.“ Und so braucht es nicht zu verwundern, dass die Kooperationspartner bereits über weiterführende grenzübergreifende Arbeiten über die Silberbibliothek nachdenken. „Mit den Thorner Kollegen zusammen haben wir die Vision einer gemeinsamen Ausstellung zur Silberbibliothek entwickelt, deren Restaurierung in den nächsten Jahren geplant ist“, verrät Dr. Slenczka: „Eine solche Ausstellung könnte sowohl in Polen als auch in Deutschland gezeigt werden. Der deutsche Bestandskatalog macht den Silberschatz zudem auch für die deutsche Forschung zugänglich.“ Umso bedauerlicher ist es, dass wieder einmal die politischen den kulturellen Akteuren hinterherzuhinken scheinen. Dr. Slenczka hält die Zusammenarbeit auf kultureller Ebene für erfolgreicher als auf politischer: „Angestrebt war eine deutschpolnische Schirmherrschaft der beiden Außenminister über die polnische Ausstellung, mit der die kulturelle Verbundenheit beider Länder zeichenhaft sichtbar werden sollte. Der polnische Außenminister hat die Übernahme der Schirmherrschaft jedoch abgelehnt. Auch der polnische Botschafter nahm in seinem Vortrag innerhalb der die Ausstellung begleitenden Vortragsreihe die Chance einer Besinnung auf die deutsch-polnische Gemeinsamkeit des reformatorischen Erbes nicht wahr.“ Tilman Asmus Fischer INFO Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt 9, 14467 Potsdam Di bis Do 10-17 Uhr, Fr bis So und an Feiertagen 10-18 Uhr; Heiligabend geschlossen, Silvester 10-16 Uhr

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Eine Schlesierin in Potsdam Helga Schütz zum 80. Geburtstag Die DDR-Schriftstellerin Helga Schütz, die am 2. Oktober 2017 in Potsdam ihren 80. Geburtstag feiern konnte, stammt aus Falkenhain im Bober-Katzbach-Gebirge. Das Dorf liegt im Landkreis Goldberg, der wiederum zwischen den Städten Hirschberg und Liegnitz zu finden ist. Dass die Autorin geborene Schlesierin ist, obwohl sie seit 1944 bei ihren Großeltern in Dresden aufwuchs, kann man beim Lesen fast aller ihrer Erzählungen und Romane bemerken.

Helga Schütz hat in den Jahren 1971 bis 2017 elf Romane und Erzählungen veröffentlicht, in denen Schlesien immer wieder erwähnt wird, wenn auch nur andeutungsweise, zum Beispiel in den Prosatexten „Das Erdbeben bei Sangerhausen“ (1972) und „Festbeleuchtung“ (1974). In ihrer letzten Erzählung „Die Kirschendiebin“ (2017) schildert sie eine Liebe zwischen altgewordenen Leuten, die vor einem halben Jahrhundert einmal ein Paar waren und die Mela und Thomas heißen. Als Jugendliche waren sie ineinander verliebt, dann ging Mela, noch vor dem Mauerbau 1961, in den Westen, die Briefe, die sie an Thomas chon in ihrer ersten Erzählung „Vor- schrieb, wurden von der „Staatssichergeschichten oder schöne Gegend heit“ abgefangen. Irgendwann nach dem Probstein“ (1971) schneidet sie das The- Mauerfall trafen sie sich zufällig in Rom, ma „Schlesien“ an. Am beide fast 80 Jahre alt. Tholeicht ironischen Titel, der mas trägt den Nachnamen dem Leser Distanz vermit„Falkenhain“, so heißt telt, erkennt man, dass sie auch der schlesische dort, wo sie lebte, nur so Geburtsort der Autorin. über Schlesien schreiben Helga Schütz ist aber konnte. Bezeichnend ist, auch Verfasserin von 27 was die Distanz zu SchlesiDrehbüchern für DEFAen noch augenfälliger Spielfilme und TV-Produktimacht, dass sie nach einer onen wie „Lots Weib“ Schlesien-Reise ein „Polni(1965) und „Ursula“ Helga Schütz. sches Tagebuch“ (1972) (1978), der verboten wurveröffentlichte, während de. Regisseur der Spielfilme die Aufzeichnungen ihrer in Meersburg/ war fast immer ihr Lebensgefährte Egon Bodensee lebenden Landsmännin Moni- Günther (1927-2017) aus Schneeberg ka Taubitz, 1937 in Breslau geboren, im Erzgebirge, der in den Jahren den Titel „Schlesien. Tagebuch einer Rei- 1956/57, in der kurzen „Tauwetter“se“ (1973) tragen. Periode, zwei, von der Partei heftig kritiHelga Schütz‘ erste Erzählung spielt in sierte Erzählungen „Dem Erdboden ihrer verlorenen Heimat, im Dorf Spitz- gleich“ (1957) und „Der kretische bergen, das im Bober-Katzbach-Gebirge Krieg“ (1957) veröffentlichte, worin er liegt, dessen Einwohner wie fast alle seine Kriegserlebnisse verarbeitete. Schlesier 1945/46 vertrieben wurden. Leider ist das Werk der stillen SchlesieNun wohnen die einstigen Spitzberge- rin Helga Schütz von der westdeutschen ner im Harz, aber auf verschiedenen Sei- Literaturkritik bisher kaum wahrgenomten der innerdeutschen Grenze, sie ste- men worden. Ein Artikel zum 80. hen miteinander in Verbindung, tau- Geburtstag erschien nur in der „Frankschen sich brieflich aus und besuchen furter Rundschau“. einander, wenn es erlaubt ist. Jörg Bernhard Bilke

S

Universitätsbibliothek Torun/Thorn (1); Kurt Tucholsky-Literaturmuseum (1); BdV-Archiv (1)


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Heimatverlust und Neuanfang Internationale Begegnungstagung des Frauenverbandes im BdV Die Präsidentin des Frauenverbandes im BdV, Dr. Maria Werthan, leitete und moderierte die Internationale Begegnungstagung „Angekommen im Westen nach 1945“ in der „Politischen Bildungsstätte Helmstedt“. Den Teilnehmern wurde ein breitgefächertes Spektrum geboten: detaillierter Unterricht in jüngster Geschichte und Einblicke in persönliche Schicksale. ie Tagungsleiterin, unterstützt von D der stellvertretenden Präsidentin des Frauenverbandes Sybille Dreher,

benannte in ihrer Einführung den Schwerpunkt des Seminars. Eine Bestandsaufnahme von „Erfahrungen vom Ankommen“ sei das Ziel. Die Vertreibungen seit 1945 – unterteilt in „wilde“ und „geregelte“ Vertreibungen – wurden für die Opfer zu einem traumatischen Schicksal, ob es sich nun um „Flüchtlinge“, „Aussiedler“ oder „Spätaussiedler“ handelte. Der Mensch werde aus seiner Umwelt herausgerissen „wie eine Blume aus dem Biotop“, so Werthan. Er muss anderswo neue Wurzeln schlagen. Diesen Erfahrungen sollte die Tagung Raum geben, damit sie sich in das „kollektive Gedächtnis“ eingraben.

Frauen- und Kinderseelen Bei der Aufarbeitung des Kriegs- und Vertreibungstraumas hat der Frauenverband bisher entscheidend mitgewirkt. Seit dem Jahr 2000 fanden 25 Tagungen zu diesem Thema statt, und allein der Tagungsband 2016 enthält unter dem Titel „Krieg kerbt Frauen- und Kinderseelen“ zehn Beiträge über Gewalterfahrungen und psychische Verletzungen. Nun ging es um die Ankunft der Vertriebenen in einer neuen Umgebung,

Frauen und Kinder auf der Flucht aus Lübchen in Schlesien.

und bei den einzelnen Referaten wurde deutlich, wie unterschiedlich die Bedingungen und Belastungen waren, mit denen die „Flüchtlinge“ oder „Umsiedler“ oder „Neubürger“ konfrontiert wurden. „Neubürger“ waren sie nämlich bis 1950 in der SBZ und DDR, in der sie sich nicht als „Heimatvertriebene“ bezeichnen durften. Der Journalist Gerald Christopeit erläuterte in seinem Referat „Die 4 Millionen Vertriebenen in der SBZ/DDR – Besonderheiten in ihrer Ankunft und Aufnahme im Vergleich zu den Westzonen“ eine Politik, die das Vertreibungsschicksal umbenannte und umdeutete und die Erinnerung an den deutschen Osten auslöschen wollte. Das ging so weit, dass der Gebrauch der deutschen Orts- und Provinznamen zum Straftatbestand wurde. Jedwede landsmannschaftliche Identitätssuche oder gar Organisation war von vornherein verboten. Andererseits, so der Referent, bot die klassenlose Gesellschaft in der DDR den Vertriebenen aus unteren Schichten Aufstiegsmöglichkeiten, die sie in ihrem Herkunftsland vielleicht nicht gehabt hätten. Wilhelmine Schnichels, Anglistin und Historikerin, schilderte „Das Schicksal

der Frauen und Kinder in den Zeiten des Krieges und in der Nachkriegszeit“, so der Titel ihres Referates. Detailliert legte sie dar, dass Deutschland nach der Kapitulation 1945 kein Staatswesen mehr war und dass die Siegermächte alle als Rächer in Erscheinung getreten seien. Es wurde geplündert, demontiert und vergewaltigt. Stalin habe eine Destabilisierung des Westens angestrebt in der Hoffnung, dadurch die Menschen für den Kommunismus zu gewinnen, so die Referentin. Der Marshall-Plan 1947 habe den Interessen der USA gedient, um sich Absatzmärkte zu schaffen, und der „Mythos des Retters“ sei somit hinfällig.

Keine gesetzliche Hilfe Die Frauen waren die besonders Leidtragenden. Zu den schlechten Aufnahmebedingungen und unzumutbaren Wohnverhältnissen, insbesondere für die Vertriebenen, kam hinzu, dass die Frauen keine gesetzliche Hilfe fanden. Der § 218 blieb bestehen, auch für die Vergewaltigungsopfer, die oft nur im Selbstmord einen Ausweg sahen. Mit dem Schicksal


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besonders der farbigen Besatzungskinder waren die Frauen alleingelassen und ausgegrenzt. Die Referentin ereiferte sich und fand bei ihrer japanischen Kollegin Dr. Mariko Fuchs ein fast gleiches Thema vor: „Das Schicksal der in die Mandschurei eingewanderten Japanerinnen – Kriegszeit, Nachkriegszeit und Gegenwart“. Von 1936 bis 1945 wurde die Einwanderung in die Mandschurei von Seiten Japans forciert, nach 1946 erfolgte eine Rückkehr nach Japan, wo die seinerzeit „Ausgewanderten“ nicht mehr willkommen waren. In China waren japanische Kinder zurückgelassen worden, Mütter und Schwangere sahen nur noch im Selbstmord eine Lösung. Der Historiker und Germanist Dr. Peter Wassertheurer stellte „Die Heimatvertriebenen in Österreich 1944/45“ vor und bot einen erschütternden Einblick in deren Schicksal. 1945 war Österreich so wie Deutschland zerbombt und in vier Besatzungszonen eingeteilt. NS-Zwangsarbeiter aus mehreren Nationen verstärkten die Probleme, und dann kamen Deutsche aus dem Sudetenland, aus dem Südmährischen Raum und Karpatendeutsche und Südtiroler. Sie alle waren in Österreich staatenlos bis 1954. Durch Mittel aus dem Marshall-Plan gab INFO Der Frauenverband im BdV stellt den organisatorischen Zusammenhalt aller Frauen in Deutschland dar, die Mitglieder in Landsmannschaften und im BdV sind. Sie veranstalten in regelmäßigen Abständen Zusammenkünfte, in denen sie kulturelle, politische, historische, gesellige und gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen und darüber informieren. Das besondere Interesse gilt der Verwirklichung der allgemeinen Menschenrechte und der Völkerverständigung, Eingliederung der Vertriebenen und Spätaussiedler, Verarbeitung ihres besonderen Schicksals, grenzüberschreitenden Kontaktpflege zu den Menschen in Ost-, Mittel- und Südosteuropa, Bewahrung und Dokumentation des heimatlichen Kulturgutes aus den verschiedenen Vertreibungsgebieten.

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Deportation von Deutschen aus Russland.

es für die Volksdeutschen erst 1954 eine rechtliche Gleichstellung. Opfer des Krieges waren auch die Deutschen aus Russland, und gerade sie mussten lange um die Anerkennung als Kriegsopfer kämpfen. Das erfuhren die Tagungsteilnehmer aus dem Vortrag des Historikers Dr. Viktor Krieger: „Ein weiter Weg: Vom russischen Kolonisten zum Bundesbürger“. Die bestens in Russland integrierten Deutschen wurden von den Bolschewiken bereits 1917 in Bedrängnis gebracht, bis dann die Verfolgung durch Stalin 1941 im Verlust der Bürgerrechte und in Enteignungen und Deportationen gipfelte. Erst mit der Perestroika wurden diese Menschen als politische Opfer anerkannt. Der Referent ging besonders auf die Hindernisse ein, die bei der Übersiedlung in die BRD aufgerichtet wurden. Deutschkenntnisse wurden verlangt, es gab ein Wohnortszuweisungsgesetz und eine Einreisebeschränkung von 6000 Personen pro Jahr. Diese Erfahrungen bewirken bei den vorbildlich integrierten Deutschen aus Russland heute Unmut angesichts der aufgenommenen Flüchtlinge aus dem Orient und aus Nordafrika. Die Katastrophen und Umwälzungen des 20. Jahrhunderts prägen bis heute Lebensläufe und Biographien. Irgendwo neu anfangen zu müssen, sich in eine neue Umgebung einfinden zu müssen – vor diese Aufgabe sahen sich Erwachsene und Kinder immer wieder gestellt. Der Schriftsteller Franz Heinz schilderte seinen Weg aus dem Banat und aus Siebenbürgen in die Bundesrepublik und seinen Besuch in der Kindheitswelt nach Jahrzehnten. Der Filmregisseur Michael Majerski stellte seine polnisch-deutsche Biographie vor und fasste seine Identität

und sein künstlerisches Schaffen zusammen unter der Definition: „Ich bin Schlesier!“ Die Schriftstellerin Jenny Schon las aus ihrer letzten Veröffentlichung „Halbstark“, in der sie die Ankunft eines kleinen Mädchens, das mit der Mutter aus Trautenau vertrieben wurde, im Rheinland schildert. Willkommen waren die „Pimmocken“ nicht, schon gar nicht in der schwierigen Nachkriegszeit, und so wurden Kindheit und Jugend eine Zeit der Entbehrungen und des Kampfes. Fast ein halbes Jahrhundert später reist ein achtjähriges Mädchen mit der Familie „aus Polen“ in die Bundesrepublik. „Aussiedler“ sind es, die „im Westen“ ihr Glück suchen. Das kleine Mädchen erwartet die „neue Welt“ mit Spannung und erlebt die Übersiedlung als großes Abenteuer. „Sitzen vier Polen im Auto“, so der Titel des Buches von Alexandra Tober, Jahrgang 1981. Die Autorin, Soziologin und Kunsthistorikerin, ist längst in der neuen Heimat fest verwurzelt und stellte ihre Biographie vor. Die Germanistin Dr. Bärbel Beutner ist dagegen eine „Altvertriebene“, obwohl sie bei der Flucht aus Ostpreußen 1945 ein Baby war. Die verlorene Heimat blieb eine unveränderbare Hypothek für die Familie, die in Nordrhein-Westfalen landete. „Wir sind nicht von hier!“ Mit diesem Satz wuchs die Referentin auf, und so lautete der Titel ihres Vortrages. Sie löste das „Heimatproblem“, indem sie die „alte Heimat“ in ihr Leben „hineinholte“. Seit der Öffnung des nördlichen Ostpreußens, der Kaliningrader Oblast 1991 fährt sie ständig dorthin und ist im Dorf ihrer Eltern und Großeltern ebenso zuhause wie in der „neuen Heimat“ im Westen. BB Privat (1); Göllner (1)


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Neues Jahr – neue Programme

Veranstaltungshinweise aus den Museen und Einrichtungen Museen, Institutionen und Organisationen, die den West-Ost-Dialog vorantreiben und unterstützen, setzen auch im Jahr 2018 weiterhin auf Traditionspflege und informative Ausstellungen, auf attraktive Kultur-Veranstaltungen sowie auf aufschlussreiche Fachtagungen.

Eine Minderheit – viele Geschichten“ Nachdem am 7. Januar 2018 im DZM Ulm die Ausstellung „Flucht vor der Reformation – Täufer, Schwenckfelder

und Pietisten zwischen dem deutschen Südwesten und dem östlichen Europa“ geschlossen wird, bereitet das Museumsteam eine neue Sonderschau vor. Die Präsentation „Deutsche in Rumänien. Eine Minderheit – viele Geschichten“ wird am 19. Februar mit einer musikalisch umrahmten Vernissage eröffnet. In Anlehnung an eine Aussage des Barockdichters Martin Opitz, dass er auf seiner Flucht vor dem Dreißigjährigen Krieg in Rumänien „ganz echte Deutsche“ traf, zeigt die Ausstellung Aspekte aus dem Leben der Siebenbürger Sachsen, der Banater und Sathmarer Schwaben, der Landler, der Zipser, der

Buchenland-, der Berglandund Dobrudschadeutschen. Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien und die deutsche Botschaft in Bukarest haben die umfassende Sonderschau erstellt. Bildreich und informativ umspannt sie einen Zeitraum vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Die lebensweltliche Vielfalt, das Gemeinwesen und das reiche Kulturerbe der Minderheit sind dabei ebenso Thema wie ihre Rolle als Vermittler in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Erstmals werden auch einige ausgewählte Objekte zur

deutsch-rumänischen Geschichte gezeigt, die aus den Beständen des DZM stammen. Es geht um eine facettenreiche Sammlung, die Mitgenommenes und Zurückgelassenes, als Erinnerung Aufbewahrtes und zum Abschied Geschenktes enthält. Zu den Begleitveranstaltungen gehört das Familienprogramm „Das Märzchen bringt den Frühling nach Ulm“ am 18. Februar von 14 bis 17 Uhr.

Urzelnlaufen: Gelebte Tradition im Winter Seit 1965 betreibt die Urzelnzunft Sachsenheim die Erhal-

So sehen sie aus, die Urzeln vor dem sogenannten Urzellauf.

tung, Pflege und Fortentwicklung des aus dem siebenbürgischen Agnetheln stammenden Narrenbrauchs des Urzelnlaufens. Die Zunft Sachsenheim hat die Tradition inzwischen der neuen Heimat angepasst und führt sie mit d e n bekannten Figuren, Paraden und Vorführungen beim Bürgermeister und Stadtpfarrer fort. Auch in Großschenk im siebenbürgischen Harbachtal/ Rumänien bemühen sich Landsleute mit Unterstützung der rumänischen Bevölkerung, die Tradition des Fastnachtsund Faschingsbrauches wieder zu beleben. Der 10. Februar 2018 ist ein Termin, an dem die Urzeln auch in Großschenk traditionsgemäß laufen werden.

Wintergeschichten, Kurische Nehrung und Lettland Kulturelle Veranstaltungen und Sonderausstellungen des Ostpreußischen Landesmuseums Lüneburg finden trotz Modernisierungsarbeiten und geschlossener Dauerausstellung statt. Am 24. Januar 2018, 18.30 Uhr, wird eine Dia-Reportage unter dem Motto „Danzig, Marienburg, Thorn – eine Reise durch Westpreußen“ gezeigt. Magdalena Oxfort, die im polnischen Stettin/Szczecin geborene Kulturreferentin am Westpreußischen Landesmuseum in Warendorf, führt in das Programm ein. Am 31. Januar 2018, 18.30 Uhr, liest Herbert Tennigkeit „Wintergeschichten aus Ostpreußen“. Insbesondere an den langen Winterabenden saßen früher die Ostpreußen zusammen und erzählten Märchen und Sagen. Das


34 Ostpreußische Landesmuseum möchte diese besondere Atmosphäre wieder in Erinnerung bringen und hat mit der Einladung des Schauspielers und Synchronsprechers Herbert Tennigkeit eine gute Wahl getroffen. Der 1937 im kleinen Dorf Gröspelken bei Tilsit geborene Tennigkeit gehört zu den wenigen Menschen, die sich ihre ostpreußische Mundart bis heute bewahrt haben. Am 8. Februar wird in Lüneburg die Ausstellung des Lettischen Nationalmuseums mit dem Titel „Der Baltische Weg zur Freiheit“ mit einem Vo r t r a g von Detlef Henning, NordostInstitut (IKGN), eröffnet. Die Präsentation ist dem 25. Jahrestag der Aktion „Baltischer Weg“ gewidmet und gilt als Vorbereitung auf eine künftige Deutschbaltische Abteilung des Ostpreußischen Landesmuseums. Die deutsche Fassung entstand in Kooperation mit der Bundesstiftung Aufarbeitung, dem Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V. und der Deutschen Gesellschaft e.V. Noch bis Anfang April ist in Lüneburg die Sonderausstellung „Licht über Sand und Haff. Carl Knauf – Maler in Nidden“ zu besichtigen.

Esskultur und große Bahnschau Besucher des Oberschlesischen Landesmuseums können in Ratingen-Hösel neben der Dauerausstellung bis zum 18. Februar die „kulinarische“ Präsentation des Hauses des Deutschen Ostens in München „Kann Spuren von Heimat enthalten“ und bis Mai die große Sonderausstellung des Hauses „Schlesische

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Bahnwelten. 175 Jahre Modernität und Mobilität“ besichtigen. Die nächsten öffentlichen Sonntagsführungen durch die thematische Ausstellung

„Bahnwelten“ finden am 14. Januar und am 18. Februar statt. Nachdem es in der Vorweihnachtszeit in Ratingen für Kinder und Jugendliche mehrere gut besuchte MitmachProgramme gab – darunter ein stimmungsvoller Adventsnachmittag mit Bastelworkshop sowie der Aktionsnachmittag „Weihnachten auf dem Teller“ – ist für den 27. Januar von 14.30 Uhr bis 16.30 Uhr ein weiteres Angebot anberaumt. In der Reihe „Samstags im Museum“ können sich Kinder von 5 bis 10 Jahren am Programm „Alles in Butter?“ beteiligen.

Schlesische Dreiviertelstunde und Krippenschau Noch bis zum 28. Februar bleibt im Haus Schlesien von Königswinter-Heisterbacherrott die Sonderaus-stellung „Typisch schlesisch!?“ geöffnet. Die Ausstellungskuratorin Silke Findeisen bietet den Besuchern die Möglichkeit, ihre eigenen Gedanken und Anregungen zum Thema

„typisch schlesisch“ in Stichworten zu formulieren. Das Begleitprogramm umfasst öffentliche Führungen im

Krippe im Haus Schlesien.

Rahmen der Reihe „Schlesische Dreiviertelstunde“. Am 18. Januar um 14.30 Uhr findet das Programm „Lokalpatriotismus versus regionale Identität“ statt. Am 15. Februar wiederum steht das Thema „[E]in sonderbar schönes, sinnliches und begreifliches Ganzes“ (Goethe) im Mittelpunkt der Führung. Es geht um Schlesier und ihre Heimatverbundenheit in der Literatur. Am 2. Februar 2018 um 15 Uhr steht in der Veranstaltungsreihe „KaffeePLUS“ der Schwerpunkt „Wer bin ich?“ im Fokus einer Diskussionsrunde. Traditionsgemäß lädt das Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott seine Besucher in der Zeit um den Jahreswechsel ein, nicht nur die Ausstellungen zu besichtigen, sondern auch Wissenswertes über frühere Winterbräuche zu erfahren. In Anlehnung an die aktuelle Sonderschau werden Traditionen und Weihnachtsdekorationen aus Schlesien jenen aus dem Rheinland und aus anderen Regionen gegenübergestellt. So wie etwa kulinarische Spezialitäten ihre regionale Prägung haben und von Landstrich zu Landstrich variieren, ist auch die Kunsthandwerkertradition sehr facettenreich. Anhand einer Sonderschau werden bis Februar 2018 Besonder-

heiten verschiedener Krippen aufgezeigt, die u.a. im Riesengebirge, in der Grafschaft Glatz und im Grulicher Ländchen gefertigt wurden.

„Achtung Zug!“ für jedes Alter Das Museumsteam vom SMG lädt Besucher ein, am Neujahrstag (1. Januar 2018) einen Rundgang durch die Ausstellung „Achtung Zug!“ mit Wolf-Dieter Fiedler zu unternehmen. Am 10. Januar, 15 Uhr, wird in der Veranstaltungsreihe

„Kaffee & Kultur – natürlich schlesisch“ der Vortrag „Wie vor über 100 Jahren Bahnstrecken gebaut wurden“ angeboten. Michalina Cieslicki stellt historische Fotoaufnahmen vom Bau der Bobertalbahn zwischen Hirschberg und Löwenberg in den Jahren 1904-1909 vor. Am 11. Januar, 15 Uhr, ist eine „Museumstour der Volkshochschule Görlitz“ anberaumt. Kurator Dr. Martin Kügler erläutert bei seiner Führung durch die Sonderausstellung „Achtung Zug!“ Schwerpunkte der Eisenbahngeschichte in Göllner (2)


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Schlesien. Im Rahmen der Internationalen MessiaenTage in Görlitz und Zgorzelec finden am 13. Januar, 11 Uhr und 12 Uhr, zwei Kurzführungen in der Dauerausstellung des Schlesischen Museums statt. Die Rundgänge „Schlesien im Nationalsozialismus“ richten sich an ein deutsches und polnisches Publikum. Das Veranstaltungsprogramm sieht u.a. auch Stadtführungen zum Thema „Nationalsozialismus und Zwangsarbeit in Görlitz“ vor. Wie jedes Jahr findet der „Großeltern-Enkel-Tag in den Görlitzer Museen“ statt. Am 21. Januar von 10 Uhr bis 16 Uhr gibt es die Möglichkeit zu einem gemeinsamen kostenlosen Museumsbesuch – etwa mit Besichtigung der Ausstellung „Achtung Zug!“ im Schlesischen Museum. Am 27. Januar ist eine Tagesfahrt unter dem Motto „Weihnachtskrippen und Pfefferkuchen in Schlesien“ geplant. Die Reise führt ins Kloster Heinrichau/Henryków sowie nach Nimptsch/ Niemcza und Münsterberg/ Ziȩbice, um historische Krippen und neu aufgelebte Pfefferkuchentraditionen zu entdecken. Das Programm ist ein Angebot der Kulturreferentin in Kooperation mit dem Krippenverein Schirgiswalde e.V. und Görlitz-Tourist. Tipp: Das SMG meldet verkürzte Öffnungszeiten vom 2. Januar bis zum 25. März 2018: Dienstag bis Sonntag von 10 Uhr bis 16 Uhr. Am 1.

Januar 2018 ist das Museum von 13 bis 16 Uhr geöffnet.

Historische Vorträge und Karikatur-Schau Vom 22. Dezember 2017 bis zum 1. Januar 2018 bleibt das Düsseldorfer GHH geschlossen. Ab dem 2. Januar 2018 ist die Stiftung wieder ab 10 Uhr geöffnet. Bis zum 15. Januar können im GHH die Ausstellungen „Bohuslav Fuchs – Architekt der Avantgarde“ und „Paarweise – Collagen von Gabriele Kerkhoff und Sigurd Storch-Cicogna“ besichtigt werden. Vom 10. Januar bis zum 21. Februar werden Briefmarken der Französischen Besatzungszone 1945/46 bis 1949 im Rahmen des dritten Teils der Ausstellung „Große Mächte in kleinen Formaten“ gezeigt. Am 16. Januar, 19 Uhr bis 21 Uhr, wird im GHH in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e. V. der Vortrag „Gemeinsam, geteilt oder getrennt? 
 Die Deutschen und die Polen erinnern sich“ angeboten. Der Referent, Prof. Dr. Robert Traba, ist Historiker und Direktor des Zentrums für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Seit den 1980er-Jahren befasst er sich mit Kulturge-

schichte, Public History und deutsch-polnischer Beziehungsgeschichte. Am 18. Januar (von 19 Uhr bis 21 Uhr) hält Prof. Dr. Winfrid Halder im Haus der Universität, Schadowplatz 14, Düsseldorf, einen Vortrag zum 140. Geburtstag von Alfred Döblin (1878-1957) unter dem Titel „Alfred Döblin und die ‚Bonner Republik‘“. Am 22. Januar wird im GHH die Wanderausstellung „Politische Karikaturen von Josef Čapek 1933-1938“ eröffnet. Den Einführungsvortrag hält der Initiator der Präsentation, Dr. Ulrich Grochtmann (Hagen), Vorsitzender der „Čapek-Gesellschaft für Völkerverständigung“. Zu sehen ist eine Auswahl von politischen Karikaturen des tschechischen Malers und Schriftstellers aus den späten 1930er-Jahren. Der gebürtige Böhmer vermittelte in seinen Arbeiten auf eine ironische und gesellschaftskritische Weise, seine Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus, des Krieges und der Not. Für sein Engagement für den Frieden und gegen den Nationalsozialismus wurde

35 Čapek 1939 im Zuchthaus Pankrác/Prag inhaftiert. Nach einem langen Leidensweg starb er 1945 in BergenBelsen. Čapeks Karikaturen bleiben als Warnung vor Krieg und Terror aktuell.

Karten-Vorverkauf für Konzert Der Karten-Vorverkauf für ein hochkarätiges Konzert, welches das Haus des Deutschen Ostens zusammen mit seinen Partnern, dem Ungarischen Generalkonsulat und dem Münchner Künstlerhaus im Rahmen des Faust-Festival 2018 veranstaltet, läuft bereits. Der ungarische Starpianist und Lisztkenner János Balász spielt Werke von Franz Liszt und László Dubrovay. Der Musikwissenschaftler Dr. Kilian Sprau führt in den Abend ein. Das Konzert findet am 6. März 2018 um 19.30 Uhr im Festsaal des Münchner Künstlerhauses statt. Dieter Göllner

Eine Waldenburger Krippe im Haus Schlesien.

Leitwort 2018: Unrechtsdekrete beseitigen – Europa zusammenführen


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Runder Tisch Jugend beim BdV tagt in München Vernetzung der landsmannschaftlichen Jugendarbeit vorantreiben München. (dod) „Eine gute Möglichkeit, uns mit anderen Jugendverbänden aus dem Bereich der Vertriebenen und Spätaussiedler zu vernetzen und auszutauschen“, brachte Andreas Roth, Bundesjugendleiter der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland, den Charakter des zweiten Runden Tisches Jugend beim Bund der Vertriebenen auf den Punkt. Mit diesem Ziel waren erneut zahlreiche Vertreter aus den Bundesvorständen der Jugendverbände zu

großen Gesprächsbedarf über Inhalte und Möglichkeiten der Zusammenarbeit und unterstützte den Wunsch, diese Form der Begegnung anlassbezogen auszuweiten. Schließlich sei dies eine gute Gelegenheit für die Jugend, sich gegenseitig Kultur und Geschichte ihrer jeweiligen Heimat- und Herkunftsregionen nahezubringen. Die Stimmen der Teilnehmer zur Veranstaltung waren durchweg positiv. Harald Schlapansky, Bundesjugendleiter der Deutschen Banater

Gruppenbild mit drei Damen beim „Runden Tisch“.

der vom zuständigen Referatsleiter Roland Zillmann organisierten und geleiteten Veranstaltung gekommen, die am 18. November 2017 in der Geschäftsstelle des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in München stattfand. Als Gastgeber in doppelter Hinsicht konnte BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius begrüßt werden, der den Runden Tisch Jugend in seinem Redebeitrag ebenfalls als „ausgezeichnete Vernetzungsplattform für unsere Jugendverbände“ einordnete. Fabritius freute sich über den

Jugend- und Trachtengruppen, etwa erklärte: „Dieser Austausch ist sehr wichtig für unsere Verbände um Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zu entdecken, sie zu analysieren und eventuelle Synergien zu finden.“ Die Kulturbotschafterin der Jugend der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Helena Kolb, betonte: „Wir freuen uns darauf, mit der Jugend der anderen Landsmannschaften bundesweit und länderübergreifend zusammenzuarbeiten! Unser Motto dabei: Wir statt ich.“ Andreas Roth lobte, dass

Ein motivierter Runder Tisch der Jugend beim BdV sammelte Ideen und erarbeitete mit BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius Vorschläge für die Jugendarbeit.

„neben vielen Gemeinsamkeiten und ähnlichen Herausforderungen“ auch verbandsspezifische Eigenheiten, „wie z. B. Organisationsstruktur, Anzahl und Altersstruktur der Mitglieder, Aktivitäten und nicht zuletzt der Zeitpunkt der Einwanderung nach Deutschland“ deutlich wurden. Und Peter Paul Polierer beschrieb die Sudetendeutschen Jugend – Jugend für Mitteleuropa, deren Bundesvorsitzender er

ist, als Verband, der mit Blick auf die Geschichte ohnehin versuche, „über die originäre sudetendeutsche Volksgruppe hinauszuwachsen“ und auch aus diesem Grund die Abstimmung mit den anderen Organisationen suche. Einhellig war man sich einig darin, dass Treffen dieser Art der beste Weg seien, eine gute und intensive Zusammenarbeit zwischen den Jugendverbänden abzustimmen und zu gestalten.

Privat (2); MRK (1)


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Luthers Protestantismus in Ostpreußen 11. Kommunalpolitischer Kongress der LO in Allenstein Allenstein. (dod) Am 21. und 22. Oktober führte die Landsmannschaft Ostpreußen (LO) in Allenstein ihren 11. Deutsch-Polnischen Kommunalpolitischen Kongress durch, an dem zirka 60 Funktionsträger der LO sowie polnische Landräte und Vertreter der Deutschen Minderheit teilnahmen. Die positive Resonanz zeugt von großem Interesse an der Veranstaltung. Das Motto des diesjährigen Kongresses lautete „Deutsche und Polen im Kräftefeld von Staat und Religion“. Wer nun glaubt, das Thema Religion habe wenig mit Politik zu tun, der irrt, denn, wie die Referenten mit ihren Vorträgen verdeutlicht haben, spielte gerade in Ostpreußen die Religion eine wichtige Rolle. Ein Novum war, dass der ehemalige Schulleiter Dieter Chilla die

Ostpreußen eine große Rolle gespielt, und Religion wirkte sich auch auf den Staat aus. LO-Sprecher Stephan Grigat durfte als Ehrengäste Bernard Gaida, den Vorsitzenden des Verbands der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, Heinrich Hoch, den Vorsitzenden der Verbandes der Deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren, sowie Wiktor Leyk, den Beauftragten für Minderheiten der Woiwodschaft Ermland und Masuren begrüßen. Vom Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Danzig nahm Guiseppe Lo Coco an der Veranstaltung teil. Grigat blickte auf die lange und gefestigte Tradition der Kommunalpolitischen Kongresse zurück, die seit Oktober 2000 (Frankfurt/ Oder) in regelmäßigen Abständen stattfinden. Auf Frankfurt folgten Elbing 2001, Köln 2003, Allenstein 2004, Dresden 2005, 2008 wieder Allenstein und Frankfurt 2009. 2011, 2013, 2015

„Stillstand ist Rückstand, Rückstand kann sich Europa nicht leisten.Deshalb ist dieser Kongress ein Mosaikstein in der Architektur Europas.“ Stephan Grigat

Konferenz leitete, der als Mitglied des Bundesvorstands der LO zuständig ist für die Belange des südlichen Ostpreußens und die Betreuung der deutschen Vereine. Chilla hat das Thema mit Bedacht gewählt: In diesem Jahr feiern wir den 500. Jahrestag der Reformation. Diese hat in

und der aktuelle Kongress wurden in Allenstein durchgeführt. Ihr Ziel ist es, die Kenntnisse über Ostpreußen zu vertiefen, Gemeinsamkeiten zwischen Deutschen und polnischen Ostpreußen zu stärken, um ein gegenseitiges Verständnis zu erlangen. Es geht auch darum, an kulturel-

Voll besetzt war das Auditorium beim 11. Kommunalpolitischen Kongress.

len Werten festzuhalten und geschlossene Verträge einzuhalten. Ständiges Bemühen um das Erreichte sei notwendig, so Grigat, denn „Stillstand ist Rückstand, Rückstand kann sich Europa nicht leisten.“ Insofern sei der Kongress „ein Mosaikstein in der Architektur Europas“. Wie aus den Grußworten hervorging, besteht daran auch von polnischer Seite kein Zweifel. Der Vize-Woiwode von Ermland und Masuren, Slawomir Sadowski, lobte in seiner Grußbotschaft die Partnerschaft zwischen Deutschen und Polen nicht nur im Alltag, sondern auch in der Wissenschaft sowie den guten Willen, bei unterschiedlichen Sichtweisen sensibel aufeinander zuzugehen. Das Grußwort verlas die Repräsentantin der LO in Allenstein, Edyta Gładkowska. Wiktor Leyk dankte der LO im Namen des Marschalls der Woiwodschaft Ermland und Masuren für ihre Beharrlich-

keit, da die Idee der Kongresse zunächst nicht nur auf Gegenliebe gestoßen war. Jaroslaw Sloma, stellvertretender Stadtpräsident Allensteins, betonte die wichtige Rolle Deutschlands für Polens Weg in die EU. Fundamentale Bedeutung für ganz Europa gestand er Immanuel Kant und Nicolaus Copernicus zu, die aus Ostpreußen stammen beziehungsweise dort lebten. Der Schlesier Bernard Gaida erzählte, dass er sein Bekenntnis zum Deutschtum dem ostpreußischen Schriftsteller Ernst Wiechert verdanke. Die Lektüre des Romans „Jerominkinder“ habe ihm für sein eigenes Verständnis als Angehöriger der Deutschen Minderheit geholfen. In seinem Vortrag „Vom Ordensland zum Herzogtum Preußen als erstes protestantisches Fürstentum“ schilderte Udo Arnold einleuchtend die Geschehnisse um die Einführung des evangelischen Glaubens in Preußen, die nicht ohne Kriege und politische


38 Intrigen vonstatten ging. Domherr André Schmeier berichtete in seinem Referat, dass ihn etwas mit Luther verbinde: Er stamme aus Einbeck, und Martin Luther bekam zu seiner Hochzeit zwei Fässer Einbecker Bier geschenkt. Schmeier, der zur Zeit des politischen Umbruchs nach Ostpreußen kam, beschäftigt sich als Seelsorger intensiv mit den Beziehungen zwischen Deutschen und Polen. Das Bistum Ermland stand immer im Spannungsfeld von Staat und Kirche. In seinem Vortrag berichtete Schmeier davon, welche Zäsur der Zweite Weltkrieg für die Kirche als tragendes Element bedeutete. Bedroht von den Nationalsozialisten folgte die Behinderung der Diözese durch den Russeneinmarsch und später durch den Kommunismus. Geistliche wurden kriminalisiert, die deutsche Identität der Menschen unterdrückt, Deutsche nur noch als „Autochthone“ bezeichnet. Man ging davon aus, dass sie

I

Nachrichten eigentlich Polen seien, es nur nicht mehr wüssten. Seit 1993 sei das Verhältnis von Kirche und Staat in Polen zwar geregelt, allerdings sei es auch heute noch möglich, dass beide in Spannung zueinander geraten. Bischof Rudolf Bazanowski hielt einen zutiefst religiös geprägten Vortrag, in dem es um Liebe und Versöhnung, Verantwortung und Frieden ging. Er endete mit dem Appell, gegenseitige Verletzungen und Wunden zu überwinden. Chilla beendete den ersten Tag des Kongresses mit einem Referat über „Masurische Herzensfrömmigkeit – ein ostpreußischer Exportschlager für das Ruhrgebiet“ Er sprach aus eigener Erfahrung. Zwar wurde er nicht mehr in Ostpreußen geboren, seine Vorfahren stammen aber aus Ortelsburg und Neidenburg. Chilla schilderte, wie sich die vertriebenen Masuren im Ruhrgebiet niederließen und sich dort in Gebetsvereinen organisierten, in denen sie ihr

m Rahmen ihres vielfältigen Jahresprogrammes fuhren Mitglieder des BdV-Kreisverbandes Oder-Spree mit Unterstützung durch den Heimatkreisverein Arnswalde am 28. Oktober 2017 in die Woiwodschaft Westpommern. Begegnung und Gespräche mit Polen sowie mit Mitgliedern des Vereins der Deutschen in der Neumark standen auf dem Programm. Anschließend wurde an Gedenksteinen in mehreren Orten – z.B. Arnswalde, Neuwedell und Plagow – gemeinsam der Kriegsopfer gedacht. Zur weiteren Vertiefung der grenzüberschreitenden Beziehungen des BdV-Kreisverbandes wurden die polnischen Gesprächspartner herzlich zu nächster Gelegenheit in die Geschäfts- und Begegnungsstelle in Fürstenwalde eingeladen.

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Interessante Vorträge, aufmerksame Zuhörer: Prof. Dr. Udo Arnold referiert über das protestantische Herzogtum Preußen, über dass er als Historker des Deutschen Ordens wissenschaftlich gearbeitet hat.

Brauchtum weiterführten. Frömmigkeit, gepaart mit einer guten Portion Aberglauben, überdauerte so die Zeiten. Die Reaktion der Zuhörer zeigte, dass die Existenz masurischer Gebetsvereine im Ruhrgebiet vielen neu war.

„Der Glaube meiner Großmutter“ Am nächsten Tag ging das Programm mit einer literarischen Lesung des Schriftstellers Herbert Somplatzki weiter. In „Der Glaube meiner Großmutter“ schildert er in bewegenden Szenen Kindheitserinnerungen an die eigene Flucht aus Ostpreußen. Es war die Stunde der Frauen, die, selbst großen Strapazen ausgesetzt, für die Kinder da waren, sie beschützten, trösteten und Zuversicht gaben. Um alles Furchtbare zu überstehen, halfen ihnen ein unerschütterlicher Glaube, aber auch Aberglaube. Leyk sprach über den „Einfluss der Reformation auf das Leben der Masuren und auf die Region“. Er spannte einen historischen Bogen von der Reformation bis zur heutigen Situation evangelischer Kirchengemeinden. Nicht ohne Seitenhieb auf die polnische Regierungspartei PiS pranger-

te Leyk autoritäre Machtregime an. Zbigniew Kudrzycki von der Kopernikus-Universität Thorn beschäftigte sich mit den „Beziehungen zwischen den evangelischen Bewohnern Masurens und den katholischen Bewohnern in Kurpien bis ins 19. Jahrhundert“. Es handelt sich um ein Grenzgebiet zwischen der Johannisburger und der Kurpier Heide. Am Beispiel der Gemeinde Friedrichshofen zeigte Kudrzycki auf, wie sich feindlich gegenüberstehende Katholiken und Protestanten durch Migration vermischten, es durch äußerliche politische Einflüsse zu einem Wechsel der Mehrheitsverhältnisse kam.

Gelebte Verständigung Die Diskussionsbeiträge zeugen davon, wie intensiv sich die Teinehmer mit der Thematik beschäftigt haben. Am Ende des Tages konnte Chilla auf eine erfolgreiche Veranstaltung zurückblicken, die gezeigt hat, dass die Auseinandersetzung zwischen Konfessionen zu politischen Veränderungen geführt haben und der Protestantismus neben dem Katholizismus sehr starken Einfluss auf die Politik der Region hatte. MRK

MRK (1); Privat (1); OMV (1); BdV-Archiv (1); Nesterenko (1)


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PERSONALIEN Paul Derabin folgt in Niedersachsen auf Helmut Sauer Auf der Landestagung der Ostund Mitteldeutschen Vereinigung (OMV) – Union der Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler – der CDU in Niedersachsen am 11. November 2017 wurde der 29-jährige Spätaussiedler Paul Derabin, Ratsherr der Stadt Laatzen, zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Dabei erhielt er bis auf eine Enthaltung sämtliche Delegiertenstimmen. Nach 38-jähriger Amtszeit hatte der bisherige Vorsitzende, der ehemalige langjährige Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Salzgitter-Wolfenbüttel Helmut Sauer (Salzgitter), diesen Generationswechsel gewünscht. Einstimmig wählten die Delegierten Sauer zum Ehrenvorsitzenden der Landesvereinigung. Sachlich fundiert und gleichzeitig mit einem sehr persönlichen Blick auf die Lebensleistung Helmut Sauers gestaltete der ehemalige niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann MdL (CDU) seine Ansprache. Dabei umriss er auch die Forderungen aus dem Bereich der Vertriebenen und Aussiedler an die zukünftige Landesregierung, insbesondere im Bereich des grenzüberschreitenden Austausches, der Vertriebenen-Kulturarbeit sowie der Erinnerungspolitik. Die Patenschaft Niedersachsens über Schlesien und die Schlesier sowie der Schlesische Kulturpreis würden hierfür ein gutes Fundament bieten. Kunsthistorikerin Dr. Heinke Fabritius übernimmt Kulturreferat in Gundelsheim Professionelle Qualifikation und biografischer Hintergrund prädestinieren Dr. Heinke Fabritius für ihre neue Tätigkeit: Die 49-jährige Kunsthistorikerin ist in Siebenbürgen aufgewachsen, eine überzeugte Europäerin und seit dem 1. November Kulturreferentin für die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien am Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim am Neckar. Ihre Aufgabe ist die breitenwirksame Vermittlung der Kultur und Geschichte Siebenbürgens und der Siebenbürger Sachsen im Kontext ihres multiethnischen und multireligiösen Umfeldes sowie historischer, volks- und landeskundlicher Informationen an die Öffentlichkeit im Inund Ausland. Zu den Zielregionen des Kulturreferats gehören neben Siebenbürgen auch die historischen Landschaften Maramuresch, Bukowina, Moldau, Bessarabien, Dobrudscha und Walachei. Die mit eigenem Förderetat ausgestattete Stelle ist beim Trägerverein Sie-

benbürgisches Museum e.V. in Gundelsheim am Neckar angesiedelt. Am 1. November hat Heinke Fabritius (evangelisch, verheiratet, zwei erwachsene Kinder) ihre Tätigkeit in Gundelsheim offiziell aufgenommen. Die 1968 in Deesch/Dej (Kreis Klausenburg) geborene Tochter des Künstlerehepaares Eva und Gert Fabritius (Siebenbürgisch-Sächsischer Kulturpreisträger 2012), ist weder verwandt noch verschwägert mit dem Verbandspräsidenten Dr. Bernd Fabritius. Dass sie dreisprachig aufgewachsen ist (Deutsch, Ungarisch, Rumänisch), zudem mehrere Fremdsprachen spricht (Französisch, Englisch, Italienisch und etwas Tschechisch) kommt ihr bei der grenzüberschreitenden Kulturarbeit sehr zupass. 1977 nach Deutschland ausgesiedelt, studierte Heinke Fabritius in Erlangen und Berlin Kunstgeschichte und Philosophie. 2006 promovierte sie im Fach Kunstgeschichte an der Technischen Universität Berlin. Es folgten Lehr- und Forschungstätigkeiten in Leipzig und Berlin mit dem Schwerpunkt Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas. Zuletzt arbeitete sie als wissenschaftliche Referentin für Kultur der Guardini Stiftung e.V., Berlin. Rafał Bartek, Vorsitzender der Deutschen im Oppelner Schlesien, wurde 40 Jahre alt „Mit seinem großartigen Einsatz als Geschäftsführer des Hauses für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit in Gleiwitz, als Ko-Vorsitzender der Gemeinsamen Kommission der polnischen Regierung und der nationalen Minderheiten in Polen und seit 2015 als Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien hat sich Rafał Bartek große Verdienste um unsere deutschen Landsleute in Polen erworben, was größten Dank und höchste Anerkennung verdient. Mit viel Herzblut tritt Rafał Bartek seit Jahren für die deutsch-polnische Aussöhnung ein und hat dabei stets die Anliegen unserer deutschen Landsleute in Polen fest im Blick behalten. Als Anwalt unserer deutschen Landsleute in Polen und zugleich als „Brückenbauer“ zwischen Deutschland und Polen hat Rafał Bartek sich sowohl bei der polnischen Bevölkerung, als auch bei unseren deutschen Landsleuten in Polen größtes Ansehen erworben.“ Mit diesen Worten gratulierte der damalige Bundesbeauftragte Hartmut Koschyk dem Vorsitzenden der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien Rafał Bartek zum 40. Geburtstag. Persönlich habe er Bartek für eine stets vertrauensvolle und menschlich angenehme Zusammenarbeit zu danken. Als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten würdigte er Rafał Bartek ganz besonders für seinen großartigen Einsatz für die deutsche Minderheit in Polen. Rafał Bartek habe entscheidenden Anteil daran, dass die Kreis- und Gemeindeverbände als Seele des SKGD im Oppelner Land mit Leben erfüllt seien.


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Tagungen des BdV in Nordrhein-Westfalen Die evangelische Kirche als Ort sozialen, kulturellen und religiösen Lebens Düsseldorf. (dod) Zwei erfolgreiche Tagungen hat der BdV-Landesverband Nordrhein-Westfalen durchgeführt, obwohl es jedes Mal organisatorische Hindernisse gab. Die Landesversammlung im Frühjahr musste zweimal verschoben werden, weil es Raumprobleme gab, bis sie endlich am 1. Juli im Eichendorff-Saal des GHH stattfinden konnte. Für die Kulturtagung wurde rechtzeitig ein Raum festgelegt, der sich dann als zu klein erwies. Doch das russische Sprichwort: „In jedem Unglück steckt etwas Gutes!“ bewahrheitete sich in beiden Fällen. Die Landesversammlung sollte eigentlich vor den Landtagswahlen stattfinden, aber durch die „Verspätung“ konnte der Landesvorsitzende Rudi Pawelka den zahlreichen Delegierten nun mitteilen, dass Rüdiger Scholz, Kandidat für die CDU im Wahlkreis Leverkusen, in den Landtag eingezogen ist und dort nun als Vertriebenenbeauftragter der Fraktion tätig sei. Das Jahr 2017 hat den Vertriebenen in NRW somit doch einen guten Erfolg gebracht. Unterstützung sei auch von der neu ernannten Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung, Ina Scharrenbach, zu erwarten, so der Landesvorsitzende. Zu Ina Scharrenbach haben die Vertriebenen seit Jahren einen ebenso

guten Kontakt, wie zu Ministerpräsident Armin Laschet. Inzwischen haben sich auch schon positive Auswirkungen gezeigt. (Siehe S. 5) Die Errichtung einer Erinnerungsstätte in Unna-Massen wird ebenso im Koalitionsvertrag erwähnt wie zehn von zwölf Punkten, die die OMV in die Beratungen der Vorbereitungskreise für die Koalitionsvereinbarung eingebracht hat. Außerdem werden das GHH in Düsseldorf, das Oberschle-sische Landesmuseum in Ratingen und die Martin-Opitz-Bibliothek (MOB) in Herne weiterhin vom Land NRW gefördert. Zu Recht konnte der Landesvorsitzende diese Meldungen mit Zufriedenheit den Delegierten weitergeben. Mit einem großen Blumenstrauß und mit bewegenden Worten wurde die langjährige Sachbearbeterin Marina Saleev verabschiedet. Geschäftsführer Markus Patzke dankte ihr für den langjährigen Einsatz. Ihre Nachfolgerin ist Heike Mai-Lehni, die die besten Voraussetzungen für die Arbeitsstelle mitbringt. Sie ist Geschäftsführerin der Landesgruppe der Siebenbürger Sachsen, kennt die Arbeit des BdV und das Gerhart-Hauptmann-Haus. Ein neuer Schatzmeister musste gewählt werden, denn der bisherige Schatzmeister, der dieses Amt am 9. April 2016 übernommen hatte, legte es nach wenigen Wochen aus persönlichen Gründen nieder. Zur Freude der Delegierten konnte Rai-

Gut besucht war die Landeskulturtagung des BdV NRW im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus.

ner Lehni für das Amt des Schatzmeisters gewonnen werden und wurde einstimmig gewählt. Ein neuer Beisitzer für Rainer Hippauf, der aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war, konnte bisher noch nicht gefunden werden. Dass bei der Kulturtagung am 28. Oktober die Plätze nicht reichten und dass Stühle geholt werden mussten, kann doch nur positiv gewertet werden. Es beweist, dass die Kulturtagungen auf Interesse stoßen. Die diesjährige Kulturtagung griff noch einmal die Reformation in Preußen auf, und zwar die Folgen der Reformation. „Glaubensflüchtlinge in Preußen“ hieß das Referat von Bärbel Beutner. Das Herzogtum Preußen als erster protestantischer Staat wurde gleich nach seiner Gründung zum Zufluchtsort evangelischer Flüchtlinge. Evangelische Polen und Litauer kamen, so dass schon 1527 in Königsberg eine polnische Gemeinde gegründet wurde. Die erste „Massen“Einwanderungswelle erfolgte

1685, als der „Große Kurfürst“ Friedrich Wilhelm von Brandenburg das „Edikt von Potsdam“ erließ, das den verfolgten französischen Hugenotten Aufnahme und Rechte in Preußen zusicherte. Sein Enkel König Friedrich Wilhelm I., der „Soldatenkönig“, verkündete 1732 das „Preußische Einladungspatent“, das den verfolgten Salzburger Protestanten Zuflucht und eine neue Existenz gewährte. So wurde das von der Pest entvölkerte Land „peupliert“ und besiedelt, und durch eine kluge Politik wurden treue Staatsdiener und Bürger gewonnen. Jörn Precul, ein Vertreter der mittleren Generation und ein ausgewiesener Kenner des Königsberger Gebietes, zeigte in einem eindrucksvollen Lichtbildervortrag Zeugen preußischer, deutscher Geschichte im heutigen Kaliningrad. Die Dankesworte der Teilnehmer an die Veranstalter bekräftigten die wichtige Bedeutung von Kulturtagungen. Bärbel Beutner Privat (1)


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Termine der Mitgliedsverbände Alle dem Bundesverband gemeldeten Termine für die kommenden Monate Februar 03.02. LV Hamburg Neujahrsempfang Hamburg 09.-11.02. LM Weichsel-Warthe 21. Geschichtsseminar des Deutschen Geschichtsvereins (DGV) des Posener Landes e.V. Bad Bevensen

März 02.-04.03. Frauenverband im BdV Frühjahrstagung Bad Kissingen 06.-07.03. LM Schlesien Mitgliederversammlung Königswinter 10.03. LV Baden-Württemberg 11. Ostdeutscher Ostermarkt Stuttgart 16.-18.03. LM Ostpreußen Arbeitstagung der Kreisvertreter Helmstedt 24.03. LV Hamburg Ostermarkt Hamburg 24.03. LV Nordrhein-Westfalen Landesversammlung Düsseldorf

April 07.-08.04. LM Ostpreußen Arbeitstagung Deutsche Vereine Sensburg 07.-10.04. Pommersche LM Jahrestagung des Pommerschen Kreis- und Städtetages Misdroy 14.04. LM der Dt. aus Ungarn Bundesschwabenball Gerlingen 14.04. LM der Donauschwaben 70 Jahre Auflösung der Lager Sindelfingen 16.-18.04. LM Ostpreußen Arbeitstagung der Frauenvorsitzenden Helmstedt 17.04. BdV-Bundesverband Jahresempfang Berlin 17.-18.04. BdV-Bundesverband Bundesausschusssitzung Berlin 20.-22.04. LM Ostpreußen Kulturseminar Helmstedt 21.04. LV Baden-Württemberg 66. Landesverbandstag Stuttgart

Mai Im Mai Frauenverband im BdV Begegnungstagung Mähren 09.05. LV Hamburg Tag der offenen Tür Hamburg 18.-20.05. Sudetendeutsche LM Sudetendeutscher Tag Augsburg 24.-27.05. LM Weichsel-Warthe Kulturtagung des Hilfskomitees der Galiziendeutschen Lambrecht

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Staatsministerin im Schlesischen Museum Görlitz. (dod) Dr. EvaMaria Stange, Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst im Freistaat Sachsen, besuchte am 8. Dezember 2017 das Schlesische Museum zu Görlitz. Museumsdirektor Dr. Markus Bauer führte sie durch die Dauerausstellung und erläuterte die Konzeption der Darstellung schlesischer Geschichte. Außerdem erhielt die Staatsministerin einen Eindruck von der aktuellen Sonderausstellung über 175 Jahre Eisenbahn in Schlesien. Bei einem anschließenden Gespräch standen Pläne für die Entwicklung des Museums in den nächsten Jahren im Mittelpunkt. Die Museumspädagogin Sylvia Wackernagel und die Kulturreferentin Dr. Annemarie Franke stellten ihre Projekte vor und berichteten über deutsch-polnische Kontakte.

CSU bleibt politischer Partner der Aussiedler München. (dod) „Die CSUFraktion war, ist und wird auch künftig der verlässliche politische Ansprechpartner der Vertriebenen und Aussiedler sein“, das erklärte Thomas Kreuzer, Vorsitzender der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, beim Parlamentarischen Abend für die bayerische Landesgruppe der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. am 28. November. Neben dem Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft Waldemar Eisenbraun und dem bayerischen Landesvorsitzenden Ewald Oster folgten weitere zahlreiche Vertreter des Landesverbandes der Einladung ins Maximiliane-

Nachrichten um. Die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag fühlt sich den Anliegen der in Bayern lebenden Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler traditionell besonders verpflichtet. Im Rahmen eines gemeinsamen Austausches diskutierten Vertreter der Landsmannschaft mit dem Fraktionsvorstand über die künftigen Herausforderungen und die aktuellen Anliegen der Landsmannschaft an die Landespolitik. Josef Zellmeier, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Vertriebene, Aussiedler, Partnerschafts-beziehungen der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, machte deutlich, dass die CSU-Fraktion auch in Zukunft fest an der Seite der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. steht: „Die Aufnahme von Aussiedlern und Spätaussiedlern in Bayern ist eine Erfolgsgeschichte. Sie haben unsere Gesellschaft bereichert und gehören mittlerweile zu Bayern einfach dazu. Wir werden Ihre Anliegen auch zukünftig nach Kräften unterstützen!“ Bayern sehe sich als Kulturstaat dazu verpflichtet, die Kultur, Traditionen und Erinnerungen der Aussiedler und Spätaussiedler zu schützen und zu bewahren.

Posselt (SL) zum Tag der Menschenrechte München. (dod) Als weitgehend minderheitenblind hat der Europapolitiker Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, die EU kritisiert. Die Angehörigen von traditionell ansässigen Volksgruppen und Minderheiten seien zusammengezählt fast 60 Millionen EUBürger, sie wären also nach Deutschland und vor Frankreich der zweitgrößte Mitgliedstaat. Derzeit zeige das

Beispiel Katalonien, dass solche Sprachminderheiten entweder der Kitt oder Sprengstoff an den Fundamenten Europas seien. Deshalb sei ein gemeinsames europäisches Volksgruppen- und Minderheitenrecht, wie es die Sudetendeutsche Landsmannschaft seit Jahrzehnten fordere, ein entscheidender Baustein für den europäischen Kampf gegen Zentralismus auf der einen und separatistischen Nationalismus auf der anderen Seite. Dies sei die Botschaft, so Posselt, für den diesjährigen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember. Deshalb habe sich die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL) gemeinsam mit den anderen Landsmannschaften und der PaneuropaUnion als der ältesten europäischen Einigungsbewegung entschlossen, „Minority SafePack“, ein Bürgerbegehren gemäß EU-Vertrag, zu unterstützen, das von allen wesentlichen Minderheitenvertretungen in Europa, angeführt von der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV, englisch FUEN), auf den Weg gebracht worden sei. Gelinge es, bis 3. April 2018 eine Million Unterschriften (72.000 davon aus Deutschland) in sieben Mitgliedstaaten zu sammeln, zwinge dies die EU-Organe, sich endlich um diese durch die zentralistischen Nationalstaaten bislang verdrängte Problematik zu kümmern. Die Sudetendeutschen als vertriebene Volksgruppe, die jahrhundertelang friedlich mit anderen Völkern in einem multinationalen Staat gelebt und dann Opfer des Nationalismus auf allen Seiten geworden sei, fühle sich berufen, für ein buntes Europa der Völker und Volksgruppen, Staaten und Regionen einzutreten, in dem auch die kleineren Nationalitäten volle Menschen- und Minderheitenrechte genießen.

IMPRESSUM Herausgeber und Verlag: Bund der Vertriebenen – Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände e.V.

Anschrift: Godesberger Allee 72–74 53175 Bonn Telefon: (0228) 810 07-26/28 Telefax: (0228) 810 07-50/52 E-Mail: markus.patzke@bdvbund.de Internet: www.Bund-derVertriebenen.de

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Erscheinungsweise: zweimonatlich

Bezugspreis im Jahresabonnement: 48, – Euro für BdV-Mitglieder 36, – Euro Abdruck nach Vereinbarung. Die mit Namen oder Chiffre gezeichneten Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.


AUSSTELLUNG: „DIE GERUFENEN“ Deutsches Leben in Mittelund Osteuropa

MUSEUM

MUSEUM

FÜRSTENWALDE

HOFMÜHLE

21. März - 27. Juni 2018

19. Sept - 12. Nov 2018

Domplatz 7 | 15517 Fürstenwalde

An der Aach 14 | 87509 Immenstadt

HAUS DER GESCHICHTE DINKELSBÜHL 30. Juni - 16. Sept 2018 Altrathausplatz 14 | 91550 Dinkelsbühl

AUSSTELLUNG: „ERZWUNGENE WEGE“ Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts Zu allen Ausstellungen sind auch Kataloge erhältlich.

AUSSTELLUNG:

VOLKSHOCHSCHULE KASSEL HERMANN-SCHAFFT-HAUS

RATHAUS BAUNATAL

11. Feb - 23. März 2018

28. Okt – 29. Nov 2018

„ANGEKOMMEN“

Kellereistr. 23 | 74722 Buchen

Marktplatz 14 | 34225 Baunatal

Die Integration der Vertriebenen in Deutschland

STADTBIBLIOTHEK IM SALZSTADEL 30. April - 1. Juni 2018 Rentamtsberg 1 | 94315 Straubing

FICHTELGEBIRGSHALLE WUNSIEDEL

KULTURZENTRUM OSTPREUSSEN

AUSSTELLUNG:

4. Mai - 17. Juni 2018

8. Sep - 25. Nov 2018

„VERSCHWUNDEN“

Jean-Paul-Straße 5 | 95632 Wunsiedel

Schlossstraße 9 | 91792 Ellingen

Orte, die es nicht mehr gibt

NEUES RATHAUS

WEIDEN 27. Juli - 5. Sep 2018 Dr.-Pfleger-Straße 15 | 92637 Weiden

Alle Ausstellungen können unter der Rufnummer 030/585844351 gebucht werden.


AUSSTELLUNG: „DIE GERUFENEN“ Deutsches Leben in Mittel- und Osteuropa AUSSTELLUNG: „ERZWUNGENE WEGE“ Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts AUSSTELLUNG: „“ANGEKOMMEN“ Die Integration der Vertriebenen in Deutschland AUSSTELLUNG: „VERSCHWUNDEN“ Orte, die es nicht mehr gibt

ZgV - Zentrum gegen Vertreibungen

Organisationsbüro: Godesberger Allee 72-74 | 53175 Bonn | Telefon: 0228 - 81007-0 | E-Mail: info@z-g-v.de Besuchen Sie uns auch auf unserer Homepage: www.z-g-v.de


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