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EUTSCHER DODOSTDIENST 60. Jahrgang / Nr. 05/2017

Nachrichtenmagazin des Bundes der Vertriebenen

60 Jahre Einsatz für Menschenrechte Politik:

Politik:

Tag der Heimat 2017

Erinnerungsorte an die Reformation



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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser, hinter uns liegt eine interessante Auftaktveranstaltung zum Tag der Heimat des Bundes der Vertriebenen. Lob für unseren bereits mehr als sechs Jahrzehnte währenden Einsatz gab es von Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière MdB. Ebenso machte er deutlich, wie wichtig es ist, an der Tradition des Tages der Heimat festzuhalten – und sie gleichzeitig behutsam zu modernisieren, um auch zukünftigen Generationen die Themen Heimat, Vertreibung und grenzüberschreitende Verständigung näherbringen zu können. Auf einigen der vielen Folgeveranstaltungen unserer Gliederungen habe ich mich wieder einmal von der Vielfalt unseres gemeinsamen Engagements überzeugen können. Aufgaben und Ziele gibt es nach wie vor reichlich. So habe ich etwa die Forderung nach einem strafbewehrten internationalen Vertreibungsverbot erneuert, mit dem vielleicht zunächst Europa – auch mit Blick auf die Vorgänge auf der Krim – ein Signal an die Weltgemeinschaft senden könnte. Überdies werden wir mit der nun zu bildenden neuen Bundesregierung weiter über die Abmilderung des Altersarmutsrisikos unserer Spätaussiedler verhandeln. Gerade dieser zuletzt genannten Herausforderung müssen wir uns mit ganzem Einsatz stellen, denn wenn wir ehrlich sind, hätten wir uns mehr Vertreter aus unseren Reihen im neuen Deutschen Bundestag gewünscht. Wichtig ist jedoch, dass unser Präsidium mit Vizepräsident Stephan Mayer auch zukünftig im Parlament vertreten ist. Auch hat sich die Arbeitsgruppe Vertriebene, Aussiedler und deutsche Minderheiten der CDU/CSUBundestagsfraktion – für uns stets ein verlässlicher Partner – neu konstituiert und den Abgeordneten Eckhard Pols zum neuen Vorsitzenden gewählt. Eine wichtige Kontinuitätsgarantie hat außerdem die Bundesregierung selbst gegeben, als sie die Amtsgeschäfte des Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten auf Bitten des bisherigen Amtsinhabers Hartmut Koschyk bis zu einer Neubestellung unter einer neuen Bundesregierung an den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Günter Krings übergeben hat. Auf solche Signale gilt es aufzubauen. Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bernd Fabritius

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Inhalt

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„60 Jahre Einsatz für Menschenrechte, Heimat und Verständigung“ „60 Jahre Einsatz für Menschenrechte, Heimat und Verständigung“ lautet das diesjährige Leitwort für die Veranstaltungen zum Tag der Heimat des Bundes der Vertriebenen. Der zentrale Auftakt dazu fand am 2. September 2017 in der Urania Berlin statt. Es sprachen Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière, BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB sowie Prälat Dr. Martin Dutzmann, Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Für die musikalische Untermalung sorgten die Potsdamer Turmbläser unter Bernhard Bosecker, die Stücke des sudetendeutschen Seite 5 Komponisten Heinrich Simbriger spielten.

BdV-Vizepräsident Mayer weiter im Bundestag Stephan Mayer (CSU), Vizepräsident des BdV, gehört dem Parlament weiterhin an. Er zog für den Wahlkreis Altötting mit dem bayernweit zweitbesten Erststimmenergebnis erneut in den Deutschen Bundestag ein. Dort engagiert sich der Rechtsanwalt bereits seit 2002 maßgeblich im Bereich der Innenpolitik und war zuletzt Innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Seite 24

Erinnerungsorte der Reformation 2017 feiern Menschen weltweit das historische Ereignis der Reformation. In Deutschland stehen die geschichtlichen Entwicklungen rund um die lutherische Reformationsbewegung in Mitteldeutschland naturgemäß im Zentrum der Feierlichkeiten. Deshalb lohnt es sich umso mehr, auch an die europäische und weltweite Wirkmacht dieses historischen Phänomens und seine unterschiedlichen Ausprägungen zu erinnern. Dabei kann der Blick in einzelne multikonfessionell und multiethnisch geprägte Regionen sehr aufschlussreich sein. Seite 25

Botschafter der Verständigung

Seit 1977 wird der Kulturpreis des Landes Niedersachsen verliehen. In diesem Jahr ging die renommierte Auszeichnung an die Regisseurin Karin Kaper, den polnischen Historiker Stanislaw Slawomir Nicieja sowie an den Verein Pro Liberis Silesiae. Bei der feierlichen Übergabe am 12. August im Osnabrücker Theater am Domhof sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius als Vorsitzender der Jury, in seiner über 40-jährigen Geschichte habe sich der Kulturpreis zu einem Symbol der deutsch- polnischen Begegnung entwickelt. Seite 31

Verständigung und friedliches Miteinander in Europa Vor kurzem fand in der Domstadt Köln eine internationale Fachtagung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen unter dem Motto „Die Marienburg und der Kölner Dom – Denkmalpflege und Architekturvollendung in der Romantik“ statt. Vor allem Kunsthistoriker, Architekten, Denkmalpfleger und Restaurateure nahmen an diesem Treffen teil. Titel: Peter-Paul Weiler/BdV (1)

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Peter-Paul Weiler/BdV (2); Privat (2); Peter Pragal (1); Göllner (1)


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„60 Jahre Einsatz für Menschenrechte, Heimat und Verständigung“ Tag der Heimat 2017 mit Bundesinnenminister Thomas de Mazière „60 Jahre Einsatz für Menschenrechte, Heimat und Verständigung“ lautet das diesjährige Leitwort für die Veranstaltungen zum Tag der Heimat des Bundes der Vertriebenen. Der zentrale Auftakt dazu fand am 2. September 2017 in der Urania Berlin statt. Es sprachen Bundesinnenminister Dr.Thomas de Maizière, BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB sowie Prälat Dr. Martin Dutzmann, Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Für die musikalische Untermalung sorgten die Potsdamer Turmbläser unter Bernhard Bosecker, die Stücke des sudetendeutschen Komponisten Heinrich Simbriger spielten. rälat Dutzmann, der im 500. Jahr P der Reformation von der EKD mit dem geistlichen Wort und Gedenken

beim Tag der Heimat betraut worden war, beschrieb die Verschleppung der Israeliten nach Babylonien im sechsten Jahrhundert vor Christus. Er zeichnete deren Heimatsehnsucht und Fremdheitsgefühl nach und wies behutsam auf die historische Dimension von Vertreibungsverbrechen hin. Vor diesem Hintergrund seien Verständnis und Empathie für sämtliche Opfer von Vertreibungen und Deportation geboten. Gerade den deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen sei die Ankunft nach dem Verlust der Heimat schwergefallen, zumal das Ausmaß ihres Leides von der restlichen Bevölkerung oft nicht erkannt wurde. Für alle gleichermaßen gelte aber Gottes Heilsversprechen, das sich auch im kommenden Wochenspruch zeige: „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ (Jesaja 42, 3)

BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB begrüßt den Festredner des Tages der Heimat, den Bundesminister des Innern Dr. Thomas de Mazière MdB, an der Urania.

Dieser Trost im Glauben habe sicher mit dazu beigetragen, dass die Vertriebenen letztlich ankamen und zu wichtigen Stützen der deutschen Nachkriegsgesellschaft wurden. Ausgehend von ihren eigenen Erfahrungen könnten sie heute besonders zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen von Flucht und Vertreibung beitragen, so Prälat Dutzmann.

60. Gründungsjubiläum des Verbandes Die Ansprache des BdV-Präsidenten, Dr. Bernd Fabritius MdB, stand ganz im Zeichen des 60. Gründungsjubiläums sowie des diesjährigen Leitwortes. Fabritius ging darin auf Entwicklungen ein, die der Bund der Vertriebenen im Laufe seiner Geschichte angestoßen und umgesetzt hat. Ebenso beschrieb er fortbestehende Aufgaben und umriss zukünftige Herausforderungen. Die „Charta der deutschen Heimatvertriebe-

nen“ vom 5. August 1950, auf der die Tradition des Tages der Heimat aufbaut, sei als „entschiedene Absage an eine immer wieder zu beobachtende Spirale aus Gewalt und Rache“ zu verstehen und mit ihrer Zielrichtung zu einem der Grundsteine des heutigen Europa der freien Völker geworden. Außerdem habe sie das Augenmerk auf „die notwendigen internationalen Anstrengungen zur Verhinderung weiterer Vertreibungsverbrechen“ gelegt. Daher sollte Europa heute daran gelegen sein, „dass auch das fundamentale Menschenrecht des Schutzes vor Vertreibung und ethnischer Säuberung seinen normativ verankerten Platz in der europäischen Rechtsordnung erhält“, so Fabritius. „Wir brauchen eine Initiative, die von vornherein klarstellt, dass es uns nicht um rückwärtsgewandtes Recht geht, sondern um die Friedens- und Zukunftssicherung in Europa. Europa sollte hier Vorreiter sein und der Welt zeigen, dass wir mit Sanktionen gegen


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jeden vorgehen wollen, der sich in Zukunft ethnischer Säuberungen als Mittel der Interessenverwirklichung bedient und sich als Vertreiber betätigt“, erklärte er weiter. Ein solches Vertreibungsverbot würde dazu beitragen, den Status der deutschen Minderheiten in den ostmittelund osteuropäischen Ländern sowie der in Russland oder den anderen Nachfolgestaaten der GUS lebenden Deutschen zu sichern. Diesen Gruppen aufgrund ihres besonderen Schicksals einerseits zu helfen und andererseits die Tür nach Deutschland offenzuhalten, seien nach wie vor wichtige Anliegen des BdV.

Angemessene Willkommenskultur Im Hinblick auf die zu uns kommenden Spätaussiedler mahnte Fabritius „eine angemessene Willkommenskultur“ an und betonte, nirgendwo sei dieser Begriff „passender und notwendiger“. Dazu zählte der BdV-Präsident auch das Eingehen auf offene soziale Fragen wie die gerade in diesem Bereich große Gefahr der Altersarmut. Die in den 1990er Jahren erfolgten Rentenkürzungen hätten nur zur Befriedigung einer Neiddebatte gedient. Ohne Rücksicht auf das Generationen-Umlageprinzip seien die an die Elterngeneration auszuzahlenden Beträge gekürzt, die Beitragspflicht der Kinder jedoch uneingeschränkt beibehalten worden. „Ich nenne das eine Generationen-Ungerechtigkeit, die wir beseitigen müssen – und

Begrüßung in der Urania: (v.l.n.r.) Dr. Bernd Fabritius MdB, Innenminister Dr. Thomas de Mazière, der Direktor der Urania Dr. Ulrich Bleyer und der Bundesbeauftragte Hartmut Koschyk MdB.

daran arbeiten wir mit Nachdruck“, so Fabritius unter dem Applaus der Anwesenden. Die Anerkennungsleistung an ehemalige deutsche Zwangsarbeiter nutzte der Präsident dafür, der Bundesregierung für die Unterstützung der Anliegen des BdV und seiner Gliederungen zu danken. Nur aufgrund gemeinschaftlicher Anstrengungen in vielen Bereichen sei diese symbolische Geste möglich geworden, machte er deutlich und ermutigte die Betroffenen zur Antragstellung. Politische Unterstützung auch in der Zukunft sowie eine angemessene öffentliche Förderung würden die deutschen Heimatvertriebenen und ihre Verbände

insbesondere für ihr verständigungspolitisches Engagement und ihre Aktivitäten für den Erhalt und die Weiterentwicklung ihrer Kultur entsprechend des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes benötigen, erklärte Fabritius. Die Intensivierung der Arbeit in diesen Bereichen werde etwa eine noch engere Vernetzung mit den Organisationen der deutschen Minderheiten mit sich bringen und somit die Basis weiter verbreitern, auf der die Zusammenarbeit auf zwischenstaatlicher Ebene fuße. Zusammenfassend wies BdV-Präsident Dr. Fabritius darauf hin, dass trotz des sich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder ändernden Zeitgeistes und des Generationenwechsels der in der Vertriebenencharta niedergeschriebene Versöhnungsgedanke bis heute erhalten geblieben ist. „Wir haben Verzicht geübt – und gehen auch heute vorneweg bei den politischen Entwicklungen hin zu einem vereinten Europa der befreundeten Nachbarn“, erklärte er und rief die Anwesenden dazu auf, den darauf hinarbeitenden politischen Kräften bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 ihre Stimme zu verleihen.

Erinnerung und Heimat

Die Bayerische Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration Emilia Müller mit BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB.

Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière MdB baute seine Festrede um die facettenreichen Themen „Erinnerung“ und „Heimat“ sowie um die FraPeter-Paul Weiler/BdV (3)


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gestellungen herum auf, wie Erinnerung weitergegeben und in welcher Bedeutung die Heimat erhalten werden kann. Zu Beginn ging er dabei auf die im Berliner Deutschlandhaus entstehende Dauerausstellung der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ ein. Mit Bezug auf die langsam schwindende Erlebnisgeneration von Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg erklärte er, deren Zeitzeugenberichte in Verbindung mit einer Vielzahl geretteter Objekte könnten nachfolgenden Generationen die Erinnerungen an das Erlebte näherbringen. „An Erinnerungen erkennen wir, wer wir sind und wodurch wir uns von anderen unterscheiden“, betonte der Bundesinnenminister und dankte dem Bund der Vertriebenen ausdrücklich für dessen „langen Kampf für dieses Dokumentationszentrum“. Die zur Erinnerung gewordenen, leidvollen Erfahrungen der Vertreibung und der schwierigen Ankunft im Nachkriegsdeutschland sowie die damit oft verbundene Verdrängung als eine Art „innere Flucht“ könnten eine Ursache dafür sein, dass sich die deutschen Heimatvertriebenen durch besondere Leistung und Disziplin Akzeptanz in der Gesellschaft erwarben. „Das große westdeutsche Wirtschaftswunder, auf das unser Land so stolz war und das unserem Land auch ein Stück Identität gegeben hat – ‚Made in Germany‘ zum Beispiel –, das wäre jedenfalls ohne die leistungsbereiten, durch ihr Schicksal gestärkten Heimatvertriebenen nicht denkbar gewesen“, lobte de Maizière.

Tag der Heimat bleibt unverzichtbar Der Tag der Heimat bleibe unverzichtbar, zumal die Veranstaltungsreihe immer wieder verdeutliche, dass die verlorene Heimat auch weiterhin existiere: einerseits als „gemeinsamer Erinnerungsort“. „Sie auch als solche zu bezeichnen und an sie zu erinnern ist versöhnlich und mahnend – und damit auch für uns heute noch von Bedeutung“, so der Innenminister. Andererseits bleibe die Heimat mit ihrer Historie auch als Kulturraum erhalten, „der auch heute noch allen Deutschen wegen seiner natürlichen Schönheit, wegen seiner Künstler und Geistesgrößen, seiner historischen Zugehörigkeit und bleibenden

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Auch ausländische Besucher waren Gäste des Tages der Heimat, wie hier Suhyun Bea, Vertreter des „Committee for the Five Northern Korean Provinces“, ein südkoreanisches staatliches Komitee von Vertriebenen aus Nordkorea im Gespräch mit dem BdV-Präsidenten.

Verbundenheit zu Deutschland etwas zu sagen hat“. „Und dies ist auch spezifisch deutsch“, kommentierte de Maizière aktuelle politische Diskussionen. Für die Zukunft der Veranstaltungen zum Tag der Heimat, aber auch der Gedenkstunde am „Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung“ sei entscheidend, sie zum Teil der lebendigen Erinnerungskultur zu machen. Denn auch die Weitergabe des Erlebten – die Herausforderung an Kinder und Enkel, sich diese Vergangenheit immer wieder zu eigen zu machen und später ebenfalls weiterzugeben – bewirke eine starke Prägung der Identität, erklärte de Maizière mit einem Hinweis auf seine eigene, preußisch-hugenottische Familiengeschichte. Besondere Wertschätzung zeigte der Minister für den Aufruf des BdV zu Empathie mit heutigen Schutzbedürftigen sowie dem aktiven Engagement in diesem Bereich. Ausdrücklich dankte er den Vertriebenen und ihren Verbänden auch im Namen der Bundesregierung für das insgesamt Geleistete und bat um eine Fortsetzung der Arbeit. „Und wir werden Sie dabei weiter unterstützen – zur Anerkennung Ihres Schicksals und zur Mahnung an die künftigen Generationen, sich für Frieden und Recht einzusetzen“, so der Bundesinnenminister. Als Beispiel nannte er die schon vom BdV-Präsidenten angesprochenen Themen der Zwangsarbeiterentschädigung sowie die Rentenproblematik der Spätaussiedler.

Am Ende der Ausführungen de Maizières stand ein eindringlicher Wunsch für den Tag der Heimat: „Ich würde mich darüber freuen, wenn wir weit über Vertriebenenthemen hinaus darüber diskutieren, was Heimat heute ausmacht.“ Auch in diesem Jahr waren viele Gäste aus ganz Deutschland nach Berlin gekommen. Darüber hinaus konnten Vertreter aus Bundes- und Landespolitik sowie aus dem Diplomatischen Corps begrüßt werden. So waren etwa die Bayerische Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, Emilia Müller MdL, der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, der Beauftragte der Bundesregierung für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Roland Jahn, sowie die Botschafter Ägyptens, Armeniens und der Tschechischen Republik zur Veranstaltung gekommen. Beim würdigen Totengedenken am Mahnmal der deutschen Heimatvertriebenen, der „Ewigen Flamme“ auf dem Berliner Theodor-Heuss-Platz, sprachen in diesem Jahr der Berliner Innensenator Andreas Geisel MdA, der Berliner Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Staatssekretär a.D. Rüdiger Jakesch, sowie BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius. Die höchsten Staatsämter, die Bundesländer, die Landsmannschaften und viele weitere gesellschaftliche Gruppen ließen zu Ehren der Toten Kränze niederlegen. Marc-P. Halatsch


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Grußbotschaft von Papst Franziskus An die Teilnehmer des Tages der Heimat 2017 Mit Freude hat Papst Franziskus davon Kenntnis erhalten, dass sich die Mitglieder des Bundes der Vertriebenen in Berlin zum Tag der Heimat unter dem Motto „60 Jahre Einsatz für Menschenrechte, Heimat und Verständigung“ versammeln. Der Heilige Vater sendet allen Teilnehmern zu diesem Anlass herzliche Grüße. Je globaler die Welt, desto wichtiger wird die Heimat, desto wichtiger wird das Gefüge von gewachsenen menschlichen Beziehungen, die nicht professionell bedingt und nicht funktional sind. Personale Beziehungen sind der Nährboden für gemeinsame Überzeugungen und Werte. „Die Unachtsamkeit in dem Bemühen, eine angemessene Beziehung zu meinem Nächsten zu pflegen und zu erhalten, für den ich sorgen und den ich behüten muss, zerstört meine innere Beziehung zu mir selbst, zu den anderen, zu Gott und zur Erde“ (Enz. Laudato si‘ 70). Der Sehnsucht der Menschen nach Heimat, nach Geborgenheit und Überschaubarkeit Raum zu geben, ist eine Grundaufgabe jeder Politik. Mit dem Gebetswunsch, dass darauf aufbauend Christus uns den Blick für die ewige Heimat öffne, erbittet Papst Franziskus allen Teilnehmern der Tagung von Herzen Gottes reichen Segen. Prälat Paolo Borgia Assessor des Staatssekretariats

dpa(1); Peter-Paul Weiler/BdV (1)


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Geistliches Wort Prälat Dr. Martin Dutzmann, Bevollmächtigter des Rates der EKD erzweifelt waren die Israeliten, die V im 6. Jahrhundert vor Christi Geburt ins ferne Babylonien verschleppt

worden waren. Fremd waren ihnen die Menschen, unter denen sie leben mussten. Fremd auch deren Kultur und Religion. Und wenn sie an ihre Heimat dachten, an Jerusalem und seinen Tempel, kamen ihnen die Tränen. In der Bibel ist uns ein Trauergesang aus jener Zeit erhalten, der 137. Psalm: „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten. Unsere Harfen hängten wir an die Weiden im Lande. Denn dort hießen uns singen, die uns gefangen hielten und in unserem Heulen fröhlich sein: ‚Singet uns ein Lied von Zion!‘ Wie könnten wir des Herrn Lied singen im fremden Lande? Vergesse ich dein, Jerusalem, so werde meine Rechte vergessen. Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein.“ Ein verzweifeltes Lied entwurzelter Menschen, wie es ähnlich ungezählte geflüchtete und vertriebene Menschen vor und nach ihnen sangen...

Tröstende Worte Nun ist aber ihr Trauergesang nicht das Einzige, was wir über jene Israeliten in babylonischer Gefangenschaft wissen. Wir wissen, dass ihnen tröstende Worte gesagt wurden. Eines davon steht im Buch des Propheten Jesaja: „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ (Jesaja 42, 3). Der Prophet redet von einem Knecht, den Gott seinem entwurzelten Volk senden wird. Behutsam wird er denen begegnen, die ihre Heimat verloren haben, sich schützend vor sie stellen, einen Neuanfang möglich machen… Wenn wir heute den Tag der Heimat begehen, dann gedenken wir besonders der vielen Menschen, die mit dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat in Ostpreu-

Gut gefüllt war der Saal zum Tag der Heimat 2017 in der Urania.

ßen, Pommern, Schlesien und anderen ehemals deutschen Gebieten verloren. Viele mögen sich, als sie nach schrecklichen Fluchterlebnissen endlich im Westen ankamen, ähnlich gefühlt haben wie jene Israeliten, die zweieinhalbtausend Jahre zuvor klagten: „Wie könnten wir des Herrn Lied singen im fremden Lande?“ Nicht wenige mussten erleben, dass sie nicht willkommen waren. Dass die Aufnahmegesellschaft ihnen mit Vorbehalten begegnete. Vorwurfsvolle Sätze wie diese mussten sie hören: „Wir haben doch selbst nicht genug zum Leben, und jetzt lasst zu allem Überfluss auch ihr euch noch hier nieder. Außerdem bringt ihr eine fremde Kultur mit, das macht uns Angst.“ Vor allem aber hatten viele der Neuankömmlinge das Gefühl, dass die Alteingesessenen ihr Leid nicht wirklich wahrnahmen, während sie das von Deutschen verursachte Leid vor allem der Jüdinnen und Juden zunehmend sahen. Mitunter entstand wohl der Eindruck, hier werde Unrecht gegen Unrecht und Leid gegen Leid aufgewogen und ausgespielt. Das hat bei Opfern von Flucht und Vertreibung verständlicherweise für

Bitterkeit gesorgt, und bei manchen Flüchtlingen und Vertriebenen hat das Fremdheitsgefühl lange angehalten. Die meisten, die nach 1945 an einem fremden Ort ganz neu anfangen mussten, sind jedoch angekommen. Sie verharrten nicht in der Klage „Wie könnten wir des Herrn Lied singen im fremden Lande?“, sondern für sie gewann das andere, das tröstliche Bibelwort an Kraft: „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ Und tatsächlich wurden aus vielen Menschen, die aufgrund ihrer schrecklichen Erfahrungen „geknickten Rohren“ glichen, wichtige Stützen der deutschen Nachkriegsgesellschaft und glimmende Dochte entfachten das Feuer der Begeisterung für Aufbruch und Neubeginn.

Auswirkungen bis heute Dass sich das bis zum heutigen Tag auswirkt, habe ich erlebt, als ich einige Jahre lang gemeinsam mit anderen die Lippische Landeskirche zu leiten hatte. Das frühere Fürstentum Lippe mit der


10 Residenzstadt Detmold liegt zwischen dem Teutoburger Wald und der Weser, und die Lipper sind traditionell sehr heimatverbunden. Das gilt auch für die lippischen Pfarrerinnen und Pfarrer. Einige Pfarrerinnen und Pfarrer zeichnen sich jedoch gleichzeitig durch einen bemerkenswerten Weitblick aus: Sie haben im Ausland studiert oder in ausländischen Gemeinden gearbeitet und haben den Weg nicht nur der Lippischen Landeskirche oder gar nur der eigenen Gemeinde, sondern den Weg der Weltchristenheit im Blick und sind wach für die drängenden weltpolitischen Fragen unserer Zeit. Irgendwann fiel mir auf, dass nicht wenige dieser weltoffenen Kolleginnen und Kollegen aus Flüchtlingsfamilien stammen, und ich glaube, das ist kein Zufall…

Geknickte Rohre aufrichten Meine Damen und Herren, wenn wir den Tag der Heimat im Jahr 2017 begehen, dann kommen wir nicht umhin, besonders auch jene in den Blick zu nehmen, die in den letzten Monaten ihre Heimat verloren haben und zu uns gekommen sind, weil sie Schutz vor Verfolgung, Krieg und Terror suchen. Viele von ihnen haben auf der Flucht zum Beispiel über das Mittelmeer Schreckliches erlebt – in mancher Hinsicht ähnlich dem Schicksal derjenen, die mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ihre Hei-

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Prälat Dutzmann beim Geistlichen Wort und dem Totengedenken.

mat und ihr Hab und Gut verlassen mussten und Familienangehörige verloren. Nun sind sie hier – alle entwurzelt, viele traumatisiert. Und nicht wenige – egal ob Christen oder Muslime – mögen sich fühlen wie die Israeliten, als sie in babylonischer Gefangenschaft klagten: „Wie könnten wir des Herrn Lied singen im fremden Lande?“ Ob die Integration gelingt? Ob es noch einmal – und diesmal vielleicht sogar besser – gelingen kann, geknickte Rohre aufzurichten und mit glimmenden Dochten ein Feuer zu entfachen? Vieles ist in den letzten Monaten geschehen. Der Bundestag hat erstmalig ein Integrationsgesetz verabschiedet, und viele Menschen bemühen

Die Potsdamer Turmbläser unter der Leitung von Bernhard Bosecker.

sich darum, den Geflüchteten den Weg in unsere Gesellschaft hinein zu ebnen. Ich bin davon überzeugt, dass diejenigen unter Ihnen, die selbst die Erfahrung von Flucht und Vertreibung gemacht haben oder zu deren Familiengeschichte der Verlust der Heimat gehört, hier besonders wertvolle Unterstützung leisten können.

Hoffnung auf Gott Wer könnte denn besser verstehen, was es heißt, entwurzelt zu sein, geliebte Menschen und die Heimat verloren zu haben, in seiner Sehnsucht nicht verstanden zu werden und ganz von vorne anfangen zu müssen? Solches Mitfühlen, solche Empathie ist aber das, was die Neuankömmlinge heute neben praktischer Hilfe besonders brauchen. Wer wüsste das besser als Sie? „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ Dieser Bibelvers wird als Wochenspruch viele evangelische Christen durch die morgen beginnende Woche begleiten. Die Hoffnung, die er zum Ausdruck bringt, reicht über die kommende Woche weit hinaus. Es ist die Hoffnung auf Gott, der sich allen leidenden Menschen in Liebe zuneigt und der versprochen hat, einen neuen Himmel und eine neue Erde zu schaffen und allem Leid ein Ende zu bereiten. Vor ihm gedenken wir nun aller, die ihre Heimat verloren haben, und dazu bitte ich Sie, sich zu erheben… Peter-Paul Weiler/BdV (2)


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Totengedenken Wir gedenken hier der alten Heimat, der Heimat unserer Eltern und Großeltern mit den Kirchen und Häusern, die sie gebaut, den Bäumen, die sie gepflanzt, mit den Äckern, die sie bearbeitet haben, mit den Menschen auch aus anderen Völkern, deren Lieder sie gern gesungen haben, deren Sprache ihnen vertraut war, bei deren Klang ihnen heute noch die Tränen kommen. Wir wollen sie weiter in unseren Herzen bewahren, die Erinnerung an sie pflegen und weitergeben. Wir gedenken hier der vielen Todesopfer bei Flucht und Vertreibung, bei Deportation und Zwangsarbeit. Wir gedenken der Kinder, der Frauen und Männer, die auf der Flucht mit den Trecks umkamen, auf verschneiten und verstopften Straßen, von Kälte, Entkräftung und Verzweiflung überwältigt, von Panzern überrollt, von Bomben und Granaten zerrissen, ihre Leichname blieben oft unbegraben zurück. Wir gedenken hier derer, die auf der Flucht im winterkalten Wasser des Kurischen und des Frischen Haffs und der Flüsse versanken, weil das Eis nicht mehr hielt oder unter Beschuss zerborsten war. Wir gedenken hier derer, die in unvorstellbar großer Zahl bei Schiffsuntergängen nach Torpedo- oder Fliegerangriffen in den eisigen Fluten der Ostsee ertranken. Wir gedenken hier der in den Jahren 1944-47 aus der alten Heimat verschleppten und seitdem verschollenen Frauen, Männer und Kinder, der auf den Straßen entkräftet Zusammengebrochenen, der Erschossenen und Erschlagenen, der auf den wochenlangen Bahntransporten in den Weiten Sibiriens Umgekommenen und an den Bahntrassen unbestattet Zurückgelassenen. Wir gedenken hier derer, die in den Straf-, Internierungs- und Todeslagern der Rache für die nationalsozialistischen Verbrechen hilflos ausgeliefert waren, ohne Recht und Gerichtsverfahren blieben und dort schließlich auf elendste Weise zu Tode kamen. Wir gedenken hier all derer, die als Opfer von Massakern, von willkürlichen Vergeltungs- und sogenannten Säuberungsaktionen starben und an deren Gräber sich niemand mehr erinnert. Wir gedenken hier der in den letzten Kriegstagen und in der ersten Nachkriegszeit in der alten Heimat in großer Zahl an Hunger und Epidemien ohne ärztliche Hilfe Verstorbenen und in Massengräbern hastig Verscharrten. Wir gedenken hier der verwaisten und vermissten Kinder, deren Spur sich in den Kriegswirren und Heimen verloren hat. Wir erinnern uns hier an das grausame Schicksal derer, die auch noch Jahre nach Kriegsende willkürlich und zu Unrecht, oft unter grausamen und entwürdigenden Umständen, aus ihrer seit Jahrhunderten angestammten Heimat vertrieben und abtransportiert wurden. Wir erinnern uns in Dankbarkeit an die Männer, Frauen und Kinder anderer Völker, die aus Menschlichkeit und Nächstenliebe ungeachtet eigener Gefährdung und oft selbst große Not leidend den deutschen Deportierten, Vertriebenen und Flüchtlingen Hilfe geleistet und das karge Brot mit ihnen geteilt haben. Im Gedenken an unsere Toten der „vorigen Zeiten“, in der Erinnerung an die Grausamkeit von Flucht und Vertreibung nehmen wir mitfühlend Anteil am Schicksal der Menschen unserer Tage, die vor Krieg, Not und Religionshass auf der Flucht sind oder aus ihrer angestammten Heimat im Zuge ethnischer, politischer oder religiöser sogenannter Säuberungen vertrieben werden. Die Erinnerung mahnt uns, zu unseren Zeiten für Wahrheit und Versöhnung einzutreten, damit dem Bösen zu rechter Zeit gewehrt werde, Recht und Gerechtigkeit gewahrt werden und Frieden das Zusammenleben der Völker bestimme. Wir vertrauen darauf, dass Gott, der Gerechte und Barmherzige seiner Menschenkinder gedenkt, dass sie mit ihrem Namen und Schicksal in seinem Gedächtnis bewahrt bleiben und dass dies auch für unsere verschollenen und an unbekannten Orten ruhenden Toten gilt. So vertrauen wir sie aufs Neue ihm an. Mögen sie in Frieden ruhen und das Licht des neuen Lebens in der anderen Welt schauen. Amen!

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Verbot von Vertreibungen gefordert BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB ur diesjährigen Auftaktveranstaltung Z zum Tag der Heimat 2017 des Bundes der Vertriebenen heiße ich Sie ganz herzlich willkommen. Ich bin sehr dankbar, dass Sie, Herr Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière, heute die Festrede halten werden und möchte Sie ganz herzlich in unseren Reihen begrüßen. Wir sind gespannt auf Ihre Rede und versprechen uns erneut ein Bekenntnis der Bundesregierung zu den Anliegen der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler – so wie wir das aus der Vergangenheit von Vertretern unserer Regierung kennen und wertschätzen. Mit Herrn Prälat Dr. Martin Dutzmann hat, dem Reformationsjahr 2017 angemessen, einer der Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland das geistliche Wort zum heutigen Tag gesprochen. Prälat Dr. Dutzmann ist Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union. Ich danke Ihnen, sehr geehrter Prälat Dr. Dutzmann, für Ihr geistliches Wort und Ihre Botschaft für unseren Tag der Heimat. Ich begrüße ganz herzlich für die Fraktionen im Bundestag stellvertretend meinen Kollegen, Hartmut Koschyk, den Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, ganz herzlich willkommen stellvertretend für die Länder und Landtage die bayerische Staatsministerin Emilia Müller und den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU im Abgeordnetenhaus von Berlin, Danny Freymark, ich begrüße Ihre Exzellenzen, die Botschafter von Ägypten, Armenien und der Tschechischen Republik sowie das ganze anwesende diplomatische Corps. Ich begrüße ganz herzlich den Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen, Herrn Roland Jahn. Ich freue mich

BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius spricht zu den deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern.

selbstverständlich, dass erneut die Potsdamer Turmbläser unter der Leitung von Bernhard Bosecker unsere Veranstaltung musikalisch umrahmen werden. Vielen Dank letztlich Ihnen, meine Damen und Herren, liebe Gäste, dass Sie heute hier sind. Der Tag der Heimat, der auf die Kundgebung vor dem Stuttgarter Schloss am 6. August 1950 zurückgeht, bei der die Charta der deutschen Heimatvertriebenen verkündet wurde, genießt in unseren Reihen unverändert hohes Ansehen, weil er uns Gelegenheit bietet, auf unser kollektives Schicksal als Teil der deutschen Volksbiografie und gleichzeitig auf unser tägliches Wirken hinzuweisen und in Politik und Gesellschaft gesehen und gehört zu werden. Meine Damen und Herren, seit nunmehr 60 Jahren gibt es den Bund der Vertriebenen. Seit 60 Jahren gibt er den deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern Gewicht und Stimme, er steht wie ein Leuchtturm an stürmischer Küste – und sendet Lichtsignale aus.

Unser diesjähriges Leitwort zum Tag der Heimat, „60 Jahre Einsatz für Menschenrechte, Heimat und Verständigung“, umreißt nur in allgemeinen Oberbegriffen die zahlreichen Initiativen, die wir angestoßen und die politischen und gesellschaftlichen Diskurse, die wir angeregt und geführt haben. Es steht für die vielen Menschen in den Landsmannschaften und unseren Gliederungen, die sich unserer Charta verpflichtet fühlen und denen Heimat etwas bedeutet.

60 Jahre Bund der Vertriebenen Der BdV ist ein Fixpunkt im Gemeinwesen der Bundesrepublik Deutschland, der fest verankert steht und doch – vielleicht gerade deshalb – mit der Zeit und mit den historisch-politischen Entwicklungen Schritt gehalten hat. Unser Verband ist heute modern, gegenwartsbezogen und zukunftsorienPeter-Paul Weiler/BdV (2)


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tiert. Wir kennen die Vergangenheit, und wir hatten oft Grund zu Wut und Unverständnis. Aber wir haben uns nie verweigert! Uns ging es immer um unsere Heimat: Um Deutschland und um unsere östlichen Nachbarländer! Schon bei seiner Gründung konnte der Bund der Vertriebenen auf die Arbeit der Vorgänger-Organisationen, der Landsmannschaften und Landesverbände aufbauen, die mit der 1950 verabschiedeten Charta der deutschen Heimatvertriebenen ein Bekenntnis zur Versöhnung und zu Europa abgegeben hatten. Die Charta steht bis heute für eine entschiedene Absage an eine immer wieder zu beobachtende Spirale aus Gewalt und Rache. Sie steht für ein zusammenwachsendes Europa der freien Völker, das Recht auf die Heimat sowie die notwendigen internationalen Anstrengungen zur Verhinderung weiterer Vertreibungsverbrechen. In seiner langen Geschichte hat der BdV auch Zeiten und Situationen erlebt, die seine Mitglieder nicht verstanden haben. Viele Jahre lang hörten sie auch Signale aus den vordersten Reihen der Politik, dass die Möglichkeit der Rückkehr in die Heimat auch für die Politik oberste Priorität genieße. Sogar Papst Pius XII. formulierte damals im Vatikan den Wunsch, dass – ich zitiere – „den Verbannten und Flüchtlingen die Rückkehr“ gestattet werde. Wie groß war die Enttäuschung und wie tief die Wunde, als die Vertriebenen sich dann mit einer neuen Ostpolitik konfrontiert sahen, die ihren Fokus zunehmend auf die sich zementierenden Fronten zwischen Ost und West richtete, jedoch hierbei immer weniger die berechtigten Anliegen der Heimatvertriebenen im Blick hatte. Heute wissen wir: Es waren damals eher Wünsche. Es waren Versprechen, die nicht gehalten werden konnten. Trotzdem haben diese unseren Landsleuten und Schicksalsgenossen in den – für alle! – schweren Nachkriegsjahren den Funken Hoffnung gegeben, den wir brauchten, um zu überleben, um Schritt für Schritt in die neue Heimat hineinzuwachsen und sie mitzubauen. Bereits im Dezember 1948 hatte die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet. Darin heißt es wörtlich: „Jeder Mensch hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines

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Knapp 1000 Besucher verfolgten die Veranstaltung zum Tag der Heimat in Berlin.

eigenen, zu verlassen sowie in sein Land zurückzukehren.“ Flucht, Vertreibung, Rückkehr – Menschenrechte: Wie sehr haben diese Begriffe unsere Landsleute, aber auch die Politik der Nachkriegszeit geprägt. Heute, meine Damen und Herren, kehren viele Vertriebene in einem freien Europa von sich aus zurück. Die allermeisten natürlich nicht für immer! Aber viele immer öfters! Viele Partnerschaften zwischen Heimatkreisen hier und den Menschen in den Gemeinden dort werden mit tätigem Leben erfüllt. Es hat sich vieles geändert im Laufe der letzten 60, 70 Jahre.

Aus der Geschichte lernen: Vertreibungsverbot Wir Vertriebene und Spätaussiedler stehen seit Jahrzehnten für ein vereintes Europa, wir haben gegen politische Widerstände auf zwischenstaatlicher Ebene einer europäischen Integration, also der Vertiefung und Erweiterung der EU, Vorschub geleistet. Dieses vereinte Europa hat sich, gewollt oder ungewollt, im Guten revanchiert: Wir dürfen heute in unsere Heimatgebiete reisen, wir dürfen vielerorts Grund und Boden besitzen, wir können uns dort wirtschaftlich betätigen. Wir dürfen dort wieder Heimat finden, wenn wir das nur wollen. Aber müssen wir nicht – gerade zur Vermeidung solchen Unrechts in der

Vergangenheit – noch mehr verlangen als nur das? Müssen wir nicht verlangen, dass Europa klare Aussagen zur Ahndung ethnischer Säuberungen, zum Verbot völkerrechtswidriger Vertreibungen ganzer Dorf- und Stadtbevölkerungen, ganzer Völker oder Volksgruppen aus ihrer jahrhundertealten Heimat trifft? Sollten wir nicht verlangen, dass Europa den Sachverhalt der Vertreibung für die Zukunft sanktionsfähig normiert? Es ist höchste Zeit, dass auch das fundamentale Menschenrecht des Schutzes vor Vertreibungen und ethnischer Säuberungen seinen normativ verankerten Platz in der europäischen Rechtsordnung erhält. Denn die bereits zitierte UN-Menschenrechtscharta von 1948 ist hier zu schwach. Dem Verbrechen millionenfachen Vertreiben aus Schlesien, Pommern, Danzig, Ostpreußen, Westpreußen, Ostbrandenburg, dem Sudetenland, dem Donauraum usw. werden Formulierungen über Verlassen und Rückkehr in eine Heimat nicht gerecht. Meine Damen und Herren, es fehlt sowohl das Verbot als auch eine zumindest moralische Sanktion derartigen Unrechts, und bleibt deshalb wirkungslos. Was ist mit den ethnischen Säuberungen am Ende des 20. Jahrhunderts, hier bei uns, mitten in Europa? Was mit dem ungelösten Zypernkonflikt? Wir in Europa müssen in der Lage sein, derartige Unrechtsausprägungen zu verhindern. Der Bundestag hat mit deutlicher Mehr-


14 heit den Völkermord an den Armeniern als Völkermord bezeichnet. Wünschenswert wäre, wenn auch bei den Tätern dieses Völkermordes in der Gegenwart bessere Erkenntnis wachsen und sie diese Unrechtstatbestände als solche anerkennen und bedauern würden. Meine Damen und Herren, Bernd Posselt, der Sprecher der Sudetendeutschen, hat völlig recht, wenn er, so wie dieses Jahr wieder auf dem Sudetendeutschen Tag in Augsburg, ein sanktioniertes und kodifiziertes Vertreibungsverbot auf Ebene der Vereinten Nationen fordert. Niemand dreht Geschichte zurück – aber es ist unsere Pflicht und der Menschlichkeit geschuldet, aus den Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit zu lernen. Es war ebenfalls ein Sudetendeutscher Tag, vor 40 Jahren in Stuttgart, als Oberbürgermeister Dr. Rommel, der die 220.000 Teilnehmer namens der Stadt Stuttgart Grüße ausrichtete und den Philosophen Hegel zitierte, der gesagt hatte, man könne aus der Geschichte nur lernen, dass man nichts gelernt habe. Das wollen wir nicht! Meine Damen und Herren, wir alle, die Welt, sollte inzwischen gelernt haben, dass Vertreibungen eine der fundamentalsten Unrechtshandlungen an Individuen, an Volksgruppen und Kulturen darstellt, die nur noch vom Völkermord übertroffen wird! Wir brauchen eine Initiative, die von vornherein klarstellt, dass es uns nicht um rückwärtsgewandtes Recht geht, sondern um die Friedens- und Zukunftssicherung in Europa. Europa sollte hier Vorreiter sein und der Welt zeigen, dass wir mit Sanktionen gegen jeden vorgehen wollen, der sich in Zukunft ethnischer Säuberungen als Mittel der Interessensverwirklichung bedient und sich als Vertreiber betätigt! Wenn ich von einem Vertreibungsverbot spreche und ein solches fordere, habe ich im Hinterkopf sehr wohl auch das Schicksal und die Anliegen unserer Spätaussiedler sowie der deutschen Minderheiten in den ost- und mitteleuropäischen Ländern, genauso jene in Russland und den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Es ist nur folgerichtig, dass in Deutschland bis heute die Tür für diese Menschen, die ihre Heimat verlassen wollen, um im Kreise ihrer Familienangehörigen hier bei uns zu leben, offen steht. Der

Tag der Heimat

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Bundesinnenminister Thomas de Mazière begrüßt den ehemaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, der seit seiner Zeit als Regierender Bürgermeister (1984-1989 und 1991-2001) zu den regelmäßigen Besuchern des Tags der Heimat gehört.

BdV hat dazu eine eindeutige Position: Wir unterstützen auf der einen Seite den Bleibewillen der Menschen und drängen auf Hilfen für die deutschen Minderheiten – und auf der anderen Seite bestehen wir darauf, dass deutsche Spätaussiedler bei uns, in Deutschland, eine angemessene Willkommenskultur vorfinden. Ja, meine Damen und Herren, ich denke an keiner Stelle ist das Wort „Willkommenskultur“ passender und notwendiger als in der Spätaussiedlerpolitik! Lieber Hartmut Koschyk, als Beauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten der Bundesregierung weist du zu Recht immer wieder darauf hin, dass Deutschland eine historischmoralische Verpflichtung für diese Menschen hat. Viele der Spätaussiedler sind Nachfahren jener Russlanddeutschen, die etwa nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion unter Stalin unschuldig verfolgt und deportiert wurden, nur weil sie Deutsche waren. Das dürften wir alle in Deutschland nicht vergessen. Es wird auch in der nächsten Legislaturperiode darauf ankommen, dass die Bundesregierung einen starken Aussiedlerbeauftragten einsetzt, so wie es in vergangenen Wahlperioden der Fall war! Hartmut Koschyk hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig das Amt ist, wenn man es mit Empathie und Weitblick, aus ganzem Herzen und mit unerschöpflicher Energie ausfüllt. Lieber Hartmut, an dieser Stelle sage ich dir namens aller

Heimatvertriebenen und Spätaussiedler ein ganz herzliches „Danke schön!“ Der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung hat die Möglichkeit, meine Damen und Herren, als Bindeglied, als Scharnier zwischen der politischen Legislative, der Exekutive und den Vertriebenen- und Spätaussiedlerverbänden zu wirken. Zusätzlich nimmt er die Aufgabe wahr, die deutschen Minderheiten in den östlichen Nachbarländern auf der politischen Agenda zu halten – nicht nur in Deutschland, sondern in diesen Ländern selbst! Kraft seines Amtes kann er Entwicklungen anmahnen, Fehlentwicklungen anprangern oder schlicht Danke sagen, wenn etwas gut umgesetzt wurde. Arbeit für den oder die kommende Beauftragte wird es zur Genüge geben.

Generationen-Ungerechtigkeit im Rentenrecht Denken wir nur – bei allen Erfolgen, die es in der jüngsten Vergangenheit zu verzeichnen gab – an die aktuell dringliche Thematik der personenkreisspezifischen Altersarmut bei Spätaussiedlern. Wir dürfen und können nicht wegschauen, wenn Menschen aus unseren Reihen nach einem schweren und von biografischen Brüchen gekennzeichneten Leben ihren Lebensabend am Rande der Armut fristen müssen. Ursächlich für Peter-Paul Weiler/BdV (2)


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diese besorgniserregende Entwicklung sind die Änderungen des Fremdrentengesetzes in den späten 90er Jahren. Die damaligen zur Befriedung einer Neiddebatte eingeführten Kürzungen im Rentensystem schlossen die Leistungen an unsere Elterngeneration weitgehend aus, behielten aber die Beitragspflicht von uns Jüngeren uneingeschränkt bei. Das war ein einseitiger Bruch des Generationenumlageprinzips und klar ungerecht, es benachteiligt unsere Landsleute bis heute! Ich nenne das eine Generationen-Ungerechtigkeit, die wir beseitigen müssen – und daran arbeiten wir mit Nachdruck! Ich danke der bayerischen Staatsregierung an dieser Stelle erneut dafür, dass sie eine Bundesratsinitiative zur Beseitigung dieser Ungerechtigkeit gestartet hat und bitte Sie, sehr geehrte Frau Staatsministerin Müller, diesen Dank an die bayerische Staatsregierung mitzunehmen. Wir wissen, wer an unserer Seite steht, wir wissen auch, wer uns mit Gegenwind bedenkt.

Zwangsarbeiterentschädigung Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister de Maizière, Sie werden gleich zu uns sprechen. Wenn wir eines wissen, dann dass Sie persönlich, genau wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, immer an der Seite der deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedler gestanden haben und heute stehen. Ihr Ministerium verantwortet etwa die sehr erfolgreich verlaufende Entschädigung ziviler deutscher Zwangsarbeiter. Diese Entschädigung verdanken wir in hohem Maße Ihnen ganz persönlich, sehr geehrter Herr Minister! Ihrem Haus und dem BVA gebühren Dank und Anerkennung für das in diesem Bereich Geleistete. Seit August 2015 sind über 25.000 Anträge beim Bundesverwaltungsamt eingegangen. Anträge können auch weiterhin noch bis Ende 2017 gestellt werden. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, bitte weisen Sie in Ihrem Umfeld darauf hin und ermuntern Sie diejenigen, die die Mühen der Antragstellung bisher scheuen, den Antrag doch zu stellen. Ich weiß aus zahlreichen Gesprächen, dass es vielen Betroffenen weniger um diese 2.500 Euro geht, als vielmehr

Tag der Heimat darum, dass ihr Schicksal offiziell gewürdigt wird. Unsere Forderung nach dieser Anerkennung war absolut richtig und – die Anzahl der Anträge beweisen es – absolut nicht vergebens. Und deutlich sage ich auch, dass die ursprünglich bewilligten 50 Mio. Euro entsprechend aufgestockt werden müssen, weil wir niemanden um diese Anerkennung bringen dürfen, nur weil am Ende etwas Geld hinter dem Komma fehlt.

Grenzüberschreitende Verständigungsarbeit Beim Jahresempfang des BdV am 28. März dieses Jahres habe ich die Gelegenheit genutzt, der Bundeskanzlerin im Namen unseres Verbandes den Dank persönlich auszusprechen, der ihr gebührt. Über ihre gesamte Kanzlerschaft hinweg hat sie unsere Anliegen gehört und ernst genommen. Ich erinnere mich an ihre Ansprache vor zehn Jahren im Kronprinzenpalais, zum 50. Geburtstag unseres Verbandes. Sie sagte: „Der leidvollen Schicksale der Vertriebenen und Flüchtlinge zu gedenken, das ist ganz ohne Zweifel Teil unserer deutschen Identität und Teil unserer Erinnerungskultur. Wir verwechseln nicht Ursache und Wirkung, wenn wir der Vertreibung gedenken und daran erinnern, dass es die Vertriebenen in den Folgen des Nationalsozialismus besonders hart traf.“

15 Im Hinblick auf das kulturbewahrende und verständigungspolitische Engagement des BdV, seiner Landsmannschaften und seiner Landesverbände fordere ich alle politischen Kräfte nachdrücklich auf, die fortwährend aktuellen Aufgabenfelder der Vertriebenen verstärkt zu fördern und weiterhin zu unterstützen. „Wir brauchen keinen Wettstreit darüber, wer mehr gelitten hat und wem mehr geholfen wurde. Flüchtlinge – wie Opfer überhaupt – müssen sich nicht gegenseitig verdrängen im Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit, sie können ihre Schicksale vielmehr miteinander verknüpfen.“ – Diese Worte stammen von Bundespräsident Joachim Gauck, er sagte sie vor genau einem Jahr hier an diesem Rednerpult. Wie recht er hat! Wir Vertriebene und Spätaussiedler fordern nicht mehr, als unseren angemessenen Platz in der Geschichte, der Gegenwart und der Zukunft Deutschlands. In der Geschichte, weil wir Deutschland mit aufgebaut und ihm eine reiche Kultur aus dem Osten in die Gegenwart herübergerettet haben. Im Hier und Jetzt, weil wir integraler Bestandteil der Zivilgesellschaft sind und ein Recht darauf haben, dass unsere Erinnerungskultur für uns selbst und für ganz Deutschland Unterstützung erfährt! Mein Appell richtet sich auch an unsere Verbände und Mitglieder: Wir müssen unsere ehrenamtliche Arbeit zum Erhalt und zur Pflege unserer Kultur sowohl in

Die Besucher des Tages der Heimat hatten Gelegenheit, sich am Stand des BdV und des Zentrum gegen Vertreibungen mit Informationsmaterial zu versorgen.


16 Deutschland als auch im Zusammenspiel mit den Kulturträgern vor Ort, etwa in Polen, Tschechien, Rumänien, der Slowakei, Ungarn, in Serbien oder der Ukraine besser als bisher vernetzen und auch neue Wege gehen, wenn diese Erfolg versprechen.

BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB.

Unsere Landsmannschaften haben seit Jahrzehnten allerbeste Kontakte zu den deutschen Minderheiten, die in diesen Ländern verblieben sind. Unsere grenzüberschreitende Arbeit, zu Recht immer wieder als Brückenbau bezeichnet, kann sich wirklich sehen lassen. Wir setzen die Akzente, wir reichen die Hand, wir drängen auf Bewahrung der zurückgelassenen Kulturschätze! Meine Damen und Herren, Sie alle, die sich in diesem Bereich engagieren, haben mehr als einmal erlebt, wie Kontakte auf der Ebene von Mensch zu Mensch in kurzer Zeit zu Verständnis und Freundschaft führen. Das, genau das brauchen wir auch auf zwischenstaatlicher Ebene! Damit der Aufbruch in den Beziehungen, der in den letzten Jahren stärker ist als jemals zuvor, nicht wieder in Stagnation umschlägt oder sich rückwärts entwickelt. Beim Thema Kultur möchte ich das kulturpolitische Großprojekt in diesem Bereich nicht unerwähnt lassen, nämlich die Erinnerungs- und Dokumentationsstätte der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ im Berliner

Tag der Heimat Deutschlandhaus. Deren baldige Fertigstellung und Eröffnung ist für die gesamte Gesellschaft, aber besonders für die noch lebenden Betroffenen von immenser Bedeutung. Die neu gestalteten Räume sind bald fertig. Wir konnten sie bereits besichtigen. Der Stiftungsrat hat das Konzept für die Dauerausstellung erst kürzlich verabschiedet. Es ist eine detaillierte Ausarbeitung der 2012 beschlossenen Leitlinien und bietet angemessene Spielräume zur tatsächlichen Ausgestaltung der Ausstellung. Es wird in erheblichem Maße darauf ankommen, dass diese Spielräume so genutzt werden, dass wir Vertriebene und unsere Nachfahren uns historisch wahrhaftig in der Dauerausstellung wiederfinden. Es wird darauf zu achten sein, dass Angemessenheit, Ausgeglichenheit und Wahrhaftigkeit der konkreten Ausstellungskonzeption dafür sorgen, dass die Geschichte so abgebildet wird, wie sie tatsächlich gewesen ist. Der Zeitgeist heute ist nicht mehr jener von 1946, aber auch nicht mehr jener von 1970 oder von 90 – wir Vertriebene haben mittlerweile die zweite und dritte Generation der Nachfahren erreicht. Wir erfahren an unseren Kindern und Kindeskindern, wie sich von Generation zu Generation Selbstverständnis und Einstellungen verändern. Ich habe mir zu Beginn meiner Rede erlaubt, einige der politischen Versprechen anzuführen, denen wir Vertriebene lange Zeit geglaubt haben. Ich habe sie auch deswegen angeführt, um uns allen

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deutlich zu machen, wie groß unsere Versöhnungsbereitschaft war und bis heute ist. Wir haben Verzicht geübt – und gehen auch heute vorneweg bei den politischen Entwicklungen hin zu einem vereinten Europa der befreundeten Nachbarn.

Dank 2017 ist ein Jubiläumsjahr, in dem wir zurückblicken auf 60 Jahre Bund der Vertriebenen. Es ist allerdings auch ein Jahr, in dem Zukunftsentscheidungen anstehen. m September wählen wir einen neuen Bundestag. Ich appelliere an Sie alle: Machen Sie von Ihrem demokratischen Wahlrecht Gebrauch! Millionen Menschen weltweit hätten ein solches Recht gerne – und haben es nicht. Wir haben es! Lassen Sie nicht zu, dass extreme und populistische Positionen von links oder von rechts im politischen Diskurs die Oberhand gewinnen! Denn mit Abschottung, Nationalismus und anti-europäischen Tendenzen werden all unsere Erfolge und Errungenschaften, die uns Wohlstand und ein Leben in Frieden und Freiheit bescheren, ins genaue Gegenteil verkehrt. Ihnen allen danke ich für die Kraft und die Energie, die Sie in Ihrer Arbeit für unsere gemeinsamen Anliegen aufwenden. In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihr Kommen und wünsche Ihnen persönlich alles Gute für die Zukunft! Danke.

BdV-Präsident Bernd Fabritius verabschiedet Bundesinnenminister de Mazière. Peter-Paul Weiler/BdV (3)


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„Heimat und Erinnern halten lange Zeiträume aus“ Bundesinnenminister Dr.Thomas de Mazière enige Autominuten von hier, in W einem Depot in Berlin-Kreuzberg, liegen eingelagert mehrere Tausend

Gegenstände, die von Flucht, Vertreibung, von Lebenswegen, von Schicksalen erzählen: Unter diesen Gegenständen befindet sich ein alter schwerer Kutscher-Mantel aus Masuren. Er ist aus braunem Wildleder, gefüttert mit einem Webpelz – abgetragen und nach Jahren des Gebrauchs als Erinnerungsstück aufgehoben. Nach Ende des Krieges 1945 wurde in diesen Mantel ein Säugling eingewickelt, der so die Flucht aus dem Osten überlebte. Neben Koffern, Schlitten, alten Bibeln, Briefen und unzähligen Fotos befindet sich unter den Gegenständen auch ein alter Handwagen. Der Handwagen gehörte einer DonauSchwäbin, die im Oktober 1944 ihr Heimatdorf im heutigen Serbien verlassen musste – zusammen mit ihren drei Töchtern und drei Enkelkindern. Fast tausend Kilometer legte die Familie zurück – zu Fuß wohlgemerkt. Die Großmutter wurde über große Teile der Reise im Handwagen gezogen. Die Familie hob den Wagen als Erinnerung an die Familiengeschichte auf – eine Urenkelin hat ihn aufbewahrt. Diese und andere Gegenstände werden – so ist es geplant – in einigen Jahren im neuen Dokumentationszentrum der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ ausgestellt, das gerade in der Nähe des Potsdamer Platzes gebaut wird. Lange hat der BdV dafür gekämpft. Ein bisschen Verzögerung hat es gegeben. Aber jetzt gibt es großes Einvernehmen. Und deswegen sage ich nochmal: Herzlichen Dank für dieses Dokumentationszentrum. Der Journalist Peter Carstens hat für die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Blick in das Depot geworfen. Er schrieb von diesen Gegenständen und

Bundesinnenminister Dr. Thomas de Mazière bei seiner Ansprache.

ihren Geschichten – für seinen Beitrag wählte er die Überschrift: „Erinnerung spricht aus Objekten.“ Und es stimmt: Gegenstände halten Erinnerungen wach. Und an Erinnerungen erkennen wir, wer wir sind und wodurch wir uns von anderen unterscheiden. Das gilt für den Einzelnen: Ich habe zum Beispiel ein Stück der Berliner Mauer zu Hause, das ich selbst abgeschlagen habe. Das gilt aber erst Recht für Gruppen und ihre gemeinsamen Erinnerungen: für Familien, für Gemeinden, für Völker und Nationen.

Heimatvertriebene teilen gemeinsame Erinnerung Auch die Heimatvertriebenen teilen gemeinsame Erinnerungen: Die Erfahrung der verloren gegangenen Heimat, die Erlebnisse im neuen Umfeld – und in der Nachkriegszeit sicher auch oft das Nicht-Erinnern-Wollen an das, was war – das Verdrängen, den Wunsch nach

Vergessen von traumatischen Erfahrungen und der Sehnsucht an die frühere Heimat. Viele Heimatvertriebene setzten damals ihren Fokus auf Leistung, Fleiß, Disziplin und Arbeit – bestimmt auch um in der neuen Umgebung akzeptiert und anerkannt zu werden. Manche setzten auf Verdrängung. Für Manche mag diese Konzentration Teil einer zweiten, inneren Flucht vor den Erinnerungen und Gedanken an die zerstörte und zurückgelassene Heimat gewesen sein. Andere konnten nicht vergessen, nicht neu anfangen und fanden kein neues zu Hause. Das große westdeutsche Wirtschaftswunder, auf das unser Land so stolz war und das unserem Land auch ein Stück Identität gegeben hat („Made in Germany“) – das wäre jedenfalls ohne die leistungsbereiten, durch ihr Schicksal gestärkten Heimatvertriebenen nicht denkbar gewesen. Der aus Pommern stammende Christian Graf von Krockow sah die Heimatver-


18 triebenen gar als Vorhut für die deutsche Gesamtbevölkerung und die Entwicklungen, die später im ganzen Land folgen sollten: „In einem weiteren und tieferen Sinne waren alle Deutschen Entwurzelte, auf der Flucht vor dem, was gestern noch galt. […] Sie waren die Deklassierten, die moralisch Geächteten der Siegermächte und der Völker ringsum. Die Konzentration auf Arbeit und Leistung, die Umwendung vom Vergangenen zur Zukunft, brachte damit nicht nur den Aufstieg zum Wohlstand, sondern auch – und vielleicht wichtiger noch – die Entlastung von drängenden Fragen und die Möglichkeit, sich ein neues Selbstwertgefühl zu schaffen.“ Die Rückwendung zu den oft verdrängten politischen-moralischen Fragen der NS-Zeit war ähnlich wie der Blick auf die Zerstörung alter Lebensverhältnisse in den Dörfern und Städten der Heimatvertrieben eine Aufgabe, die unser Land erst mit Verzögerung angegangen ist – im Nachhinein kann man sagen: Vielleicht auch angehen konnte. Die Vertriebenenverbände jedenfalls bekannten sich – wie alle hier wissen – sehr früh zu unserer ganzen deutsche Geschichte. Die Geschichte der Heimatvertriebenen zu verstehen, bedeutet deutsche Geschichte insgesamt zu verstehen.

Gemeinsames Gedenken nachholen Am Tag der Heimat gedenken wir dieser ganzen Geschichte. Wir holen Gedenken auch weiter nach. Und wir holen zurück, nämlich die Erinnerung an Heimat und an das, was damals war.

Gespannte Zuhörer.

Tag der Heimat

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Zahlreiche Gespräche konnten am Randes des Tages der Heimat geführt werden, hier der Innenminister im Gespräch mit dem Bundesbeauftragten Hartmut Koschyk und BdV-Vizepräsident Reinfried Vogler.

Und wir schauen in die Zukunft. Denn wir haben gelernt, dass Heimat auch Mut zur Zukunft bedeutet. Das machen wir heute – in einem großen Saal mit vielen hundert Menschen. Und das betone ich nicht ohne Grund. Denn das Gedenken an die verlorene Heimat – das war lange Zeit nicht gemeinsam, sondern individuell oder nur in Familien. Wer nicht schwieg, weil er seine Erfahrungen nicht verdrängen und nur so verarbeiten konnte, der schrieb. Das Gedächtnis an Flucht und Vertreibung war so lange nur ein schriftliches Gedächtnis – in Essays, in Autobiographien, in der Literatur oder der Wissenschaft. Das Erinnern glich damit buchstäblich der Suche nach Worten für die am Ende dann doch meist unsagbaren Erlebnisse. Und viele waren mit dieser Suche allein. Die Kirche war oft der erste Ort, der Vertrautheit und neue Heimat bot – zunächst in religiöser Hinsicht. Neben den seelsorgerlichen Tröstungen galt das Bemühen der Kirche auch der Linderung der materiellen Not: Sie sorgte für Nahrung, Obdach und Kleidung. Im Kirchlichen Suchdienst halfen sie mit den Heimatsortkarteien bei der Suche nach vertriebenen und vermissten Deutschen. Bis heute ist der Dienst der beiden Kirchen in der Spätaussiedlerseelsorge unverzichtbar für die religiöse Heimat

der Spätaussiedler in unserem Land. Und ich glaube, er wird es auch noch längere Zeit sein. Und auch dafür sage ich heute einmal Danke! Und trotz allem, was passiert ist, fragen heute manche nach dem Sinn eines Tages der Heimat. Und die Frage muss man sich gefallen lassen. Die Reihen derer, die Flucht und Vertreibung erlebt und sich an ihre verlorene Heimat erinnern wollen, lichten sich. Und jedes Jahr werden es weniger. Hinzu kommt, dass sich die Vergangenheit nicht rückgängig machen lässt: Die verlorene Heimat ist und bleibt in einer bestimmten rechtlichen und politischen Weise verloren. Welche Bedeutung werden wir künftig dem Gedenken an ebendiese alte Heimat beimessen? Nostalgie? Oder ich frage mal anders: Wenn Sie einen jungen Menschen auf der Straße Berlins fragen, was ihm der „Tag der Heimat“ sagt – welche Antwort werden Sie zu hören bekommen? Wahrscheinlich wenig über das Schicksal der Vertriebenen.

Kulturelle Dimension der Heimat Meine Antwort darauf ist eindeutig und klar: Die verlorene Heimat in den ehemaligen Ostgebieten ist ein gemeinsamer Erinnerungsort. Sie auch als solche zu bezeichnen und an sie zu erinPeter-Paul Weiler/BdV (3)


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nern ist versöhnlich und mahnend – und damit für uns auch heute noch von Bedeutung. Heimat geht über den verloren gegangenen geographischen Raum des eigenen Herkommens weit hinaus. Heimat ist nicht nur der Ort, in dem wir als Menschen hineingeboren werden. Heimat bedeutet stets auch Zugehörigkeit zu einer spezifischen Landschaft, zu einem spezifischen Kulturraum – und damit zu einem reichen kulturellen, auch religiösen Erbe. Heimat hat immer auch eine kulturelle, religiöse und soziale Bedeutung. Der ehemalige sogenannte deutsche Osten war ein Kultur- und Landschaftsraum, der auch heute noch allen Deutschen wegen seiner natürlichen Schönheit, wegen seiner Künstler und Geistesgrößen, seiner historischen Zugehörigkeit und bleibenden Verbundenheit zu Deutschland etwas zu sagen hat. Geistesgrößen wie Eichendorff oder Kant sind in Orten geboren worden, die heute längst nicht mehr zu Deutschland gehören und die dennoch unsere deutsche Kultur prägen. Auch die verlorene Heimat blieb und bleibt damit als Kulturraum erhalten. Meine Damen und Herren, in jeder neuen Generation verändert sich der Blick auf die Vergangenheit, indem sie von jeder neuen Generation von neuem begriffen und verstanden wird. Das bedeutet aber nicht, dass damit zwangsläufig Identität und Geschichte verloren geht. Für eine identitätsstiftende Wirkung von Vergangenheit braucht es kein eigenes Erleben:

Tag der Heimat derfinden, wenn diese nicht mehr leben. In dieser Legislaturperiode haben wir den von vielen Heimatvertriebenen seit langem geforderten Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung endlich eingerichtet. Darüber freue ich mich sehr. Wir feiern ihn nun jedes Jahr am 20. Juni. Ein solcher Gedenktag allein bietet aber nur den äußeren Rahmen für ein gemeinsames Erinnern. Und genau darin besteht die Herausforderung – auch für einen Tag der Heimat. Unsere bisherigen Veranstaltungen fand ich sehr gut und sehr würdevoll. Allerdings müssen wir dann noch mehr daran arbeiten, dass sie noch bekannter werden. Wir müssen diesen Gedenktag wie den Tag der Heimat aber auch immer wieder aufs Neue mit Leben füllen. Und darin sehe ich eine der wichtigsten Aufgaben, die auf uns alle zukommen – vorneweg auf die hier versammelten Heimat- und Vertriebenenverbände. Aber natürlich mit Unterstützung aus der Politik. Am diesjährigen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung bin ich am Vormittag der Gedenkstunde mit Schülern aus Brandenburg und Polen zusammengekommen.

19 Wir haben mit Zeitzeugen gesprochen, die deutsche und polnischen Schülern ihre Erlebnisse von Flucht und Vertreibung geschildert, aber auch von ihrer Heimat erzählt haben. Im Vorfeld hatten sich die Schüler mit den Kulturräumen des deutschen Ostens beschäftigt: Sie haben von den erwähnten deutschen Geistesgrößen erfahren, aber auch von der Schönheit Masurens oder Pommerns gelesen und erzählt bekommen. Mich hat bei dieser Begegnung bewegt, von wie viel Versöhnungswillen die Zeitzeugen trotz all der furchtbaren Erlebnisse getragen waren – vor allem aber, wie ihre Empathie und ihr Verständnis Resonanz bei den Jugendlichen gefunden hat. Man kann fragen, wie verantwortlich es gegenüber zukünftigen Generationen ist, so menschenverachtende Geschehnisse wie Krieg, Verbrechen, Flucht und Vertreibung im kollektiven Gedächtnis verankern zu wollen.

Um Empathie für Schutzsuchende geworben In der Begegnung der Zeitzeugen mit den Jugendlichen wurde darauf die –

Heimat und Erinnern über Zeiträume Ich selbst entstamme einer preußischhugenottischen Familie, die im 17. Jahrhundert vor der großen Verfolgung aus Frankreich geflohen und in Brandenburg aufgenommen worden ist – all das ist nicht Teil meiner Lebenserinnerung aber dennoch irgendwie Teil meiner Geschichte. Ich kenne und bewahre diese Geschichte als Teil meiner Identität und der meiner Familie. Heimat und Erinnern halten lange Zeiträume aus – sogar das eigene Leben. In diesem Verständnis werden sich die Menschen in unserem Land und auch die Nachkommen der Zeitzeugen wie-

Gruppenbild mit dem Bundesinnenminister (v.l.n.r.): BdV-Vizepräsident Christian Knauer, Steffen Hörtler (stellvertretender Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft), BdV-Vizepräsident Reinfried Vogler, Emilia Müller MdL (Bayerische Staatsministerin für Arbeit, Soziales, Familie und Integration), BdV-Präsidialmitglied Waldemar Eisenbraun, Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière MdB, BdV-Vizepräsident Stephan Grigat, BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB, BdV-Präsidialmitglied Siegbert Ortmann, Hartmut Koschyk MdB (Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten) und Hagen Novotny (BdV-Landesvorstandsmitglied in Hessen).


20 wie ich finde – zutreffende Antwort gegeben: Es ist eine Frage der richtigen Sinndeutung. Zeitzeugen erzählen vom Erlebten, deuten das Erlebte auf ihre Weise und beantworteten die Fragen der Jugendlichen – da gab es keine erstarrte GedenkRitualisierung und keine Reduzierung auf eine bloße Opferidentität. Bei dieser Begegnung ist deutlich geworden, wie unverzichtbar der persönliche Austausch der jungen Generation mit den noch lebenden Zeitzeugen ist – und dass wir das tun müssen, solange wir noch Menschen haben, die davon aus erster Hand erzählen können. Das Interesse einer Erinnerungsgemeinschaft speist sich immer auch aus der Gegenwart. Wie aktuell das ist, um was es den Heimatvertriebenenverbänden und – seit jetzt 60 Jahren – dem BdV geht, sehen wir in den letzten Jahren. Es waren hier auch und vor allem die Heimatvertriebenen, die aus ihrer eigenen persönlichen Erfahrung um Empathie und Menschlichkeit für die Schutzsuchenden warben.

Tag der Heimat Wir sollten weitermachen bei der Vermittlung der Ursachen, Abläufe und Folgen des Geschehens vor 70 Jahren. Und wir sollten die jungen Menschen mit den noch lebenden Zeitzeugen ins Gespräch bringen – so, dass die nächsten Generationen die Erinnerung mit eigener Sinngebung fortführen können.

Gespräch über Heimat gestern und heute Dafür haben Sie alle sich in den vergangenen Jahrzehnten eingesetzt. Für diesen Einsatz will ich Ihnen gerne auch im Namen der Bundesregierung danken. Ich bitte Sie, das auch weiterhin zu tun. Und wir werden Sie dabei weiter unterstützen – zur Anerkennung Ihres Schicksals und zur Mahnung an die künftigen Generationen, sich für Frieden und Recht einzusetzen. Dazu gehören Anliegen, wie die Entscheidung zur Anerkennung des Schicksals einer besonderen Gruppe der Zwangsarbeiter. Und dazu wird auch das Rententhema gehören. Der heutige Tag ist für Erinnerungen da.

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Mein Wunsch für den Tag der Heimat ist, dass wir einander davon erzählen, was früher Heimat war und was für uns heute Heimat ist. Wie groß und beschwerlich der Sprung von der ersten in die zweite Heimat sein kann. Wie wir die zweite Heimat lieben können, ohne die erste zu vergessen. Was wir aus diesen Erfahrungen für die Fragen von Heute und Morgen mitnehmen können. Und wie schön das Erleben von Heimatgefühlen – vielleicht sogar „fern der Heimat“ sein kann. Ich würde mich darüber freuen, wenn wir weit über Vertriebenenthemen hinaus darüber diskutieren, was Heimat heute ausmacht. Wenn wir den Tag so begehen, dann bin ich sicher, dass immer mehr Menschen den Tag der Heimat nicht nur als einen Tag der Heimatvertriebenen schätzen werden. Und dass alle, die ihre erste, ihre zweite und manchmal vielleicht sogar ihre dritte Heimat lieben, sich am heutigen Tag diesem Gefühl immer neu vergewissern. Vielen Dank.

Kranzniederlegung am Theodor-Heuss-Platz in Berlin nach der Veranstaltung in der Urania. Peter-Paul Weiler/BdV (3)


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„Seiner Toten zu gedenken, ist Pflicht eines jeden Volkes“ BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius bei der Kranzniederlegung Sehr geehrter Herr Landesvorsitzender Jakesch, sehr geehrter Herr Innensenator Geisel, liebe Landsleute, liebe Gäste, die Kranzniederlegung am Zentralen Mahnmal der deutschen Heimatvertriebenen im Anschluss an die Auftaktveranstaltung zum Tag der Heimat ist zu einer Selbstverständlichkeit, zu Tradition gewachsen. Dieses Mahnmal erinnert seit 1955 an die schmerzlichen Verluste aus unseren Reihen. Sehr geehrter Herr Innensenator, lieber Herr Jakesch, ich danke dem Senat und dem BdV-Landesverband Berlin für die konstante Präsenz über viele Jahre hinweg bei dieser stillen, andächtigen Gedenkstunde. Auch in diesem 60. Jahr seit der Gründung des Bundes der Vertriebenen zollen wir Trauer und Andenken den Millionen Zivilpersonen aus allen deutsch besiedelten Regionen in Ost-, Mittel- und Südosteuropa, die von Flucht und Vertreibung, Deportation und Zwangsarbeit betroffen waren. 15 Mio. Deutsche waren gegen Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Flucht oder wurden vertrieben, über 2 Mio. sind gestorben. Sie sind Opfer einer verrohten, abgestumpften Zeit, in welcher ihnen das Deutschsein in der eigenen Heimat zum Verhängnis wurde.

Der Kranz des Bundes der Vertriebenen.

BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB bei seiner Ansprache am Mahnmal der Vertriebenen, im Hintergrund links der Vorsitzende des Berliner Landesverbandes der Vertriebenen, Rüdiger Jakesch, rechts BdV-Vizepräsident Christian Knauer und die Bayerische Staatsministerin Emilia Müller.

Opfer in einer Zeit, die von Rachegelüsten der Sieger, undifferenzierter Gewalt und dem Dogma der Kollektivschuld geprägt war. Dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der die Suche nach gefallenen Wehrmachtssoldaten zunehmend auch auf die Klärung von zivilen Flüchtlingsschicksalen ausweitet, sind allein im heutigen Polen rund 500 Orte bekannt, die noch untersucht werden müssen, weil dort zivile Opfer vermutet werden. Frauen und Kinder – Vertreibungsopfer, die im Kontext von Flucht und Vertreibung ihr Leben verloren. Bis heute gibt es in Europa keine klar normierte Festlegung zur Ahndung ethnischer Säuberungen, zum Verbot völkerrechtswidriger Vertreibungen ganzer Dorf- und Stadtbevölkerungen, ganzer Völker oder Volksgruppen aus ihrer jahrhundertealten Heimat. Es ist an der Zeit, dass Europa den Sachverhalt der Vertreibung für die Zukunft sanktionsfähig nor-

miert! Auch heute noch werden zu viele Menschen Opfer von gewaltsamen Vertreibungen.

Einzelschicksale hervorheben Sehr geehrte Damen und Herren, jeder dieser Kränze, auf die wir heute blicken, steht für Hunderttausende von Toten. Jeder Kranz symbolisiert Millionen von Einzelschicksalen, die von Generation zu Generation mehr und mehr in der Anonymität der Masse der Opfer aufgehen werden. Wir wollen uns dagegenstemmen und in stillem, jedoch öffentlichem Gedenken uns bekannte Einzelschicksale im Geist hervorheben. Seiner Toten zu gedenken, ist Pflicht eines jeden Volkes. Ich danke im Namen des BdV für die niedergelegten Kränze. Behalten wir unsere Toten in guter Erinnerung. Herzlichen Dank für Ihre Teilnahme an der Kranzniederlegung.


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„Auf unsere eigene Geschichte schauen“

Senator für Inneres und Sport des Landes Berlin Andreas Geisel MdA Sehr geehrter Herr Präsident Dr. Fabritius, sehr geehrter Herr Jakesch, meinen Damen und Herren, Herzlich willkommen in Berlin, am Zentralen Mahnmal der deutschen Heimatvertriebenen. Ich freue mich sehr, heute als Vertreter des Berliner Senats zu Ihnen sprechen zu dürfen. Es ist gelebte Tradition am „Tag der Heimat“, an diesem Ort zusammenzukommen, um der Opfer von Flucht und Vertreibung zu gedenken. Dieses Gedenken ist gerade in dieser Zeit wichtiger denn je: Denn Flucht und Vertreibung sind von bedrückender Aktualität, wo man auch hinsieht. Aufgrund der zahlreichen Krisen weltweit ist leider davon auszugehen, dass die Zahl der geflüchteten Menschen auch in Zukunft kontinuierlich weiter steigen wird. Nach jüngsten Angaben der Vereinten Nationen waren im Jahr 2016 weltweit über 65 Millionen Menschen auf der Flucht vor Not und Krieg. Das ist erneut die höchste Zahl, die jemals vom UN-Flüchtlingshilfswerk verzeichnet wurde. Somit sind heute so viele Menschen auf der Flucht, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die Mehrheit der geflüchteten Menschen (55%) kommt aktuell aus Syrien, Afghanistan und dem Südsudan. 17% der weltweiten Flüchtlinge suchen Zuflucht in Europa. Somit ist Europa in besonderer, aber auch in schrecklicher Weise, von den Flüchtlingsströmen betroffen. So kamen im Jahr 2016 180.000 Menschen mit Booten über das Mittelmeer von Afrika nach Italien, wobei über 5.000 Menschen ihr Leben verloren. Die aktuellen Bilder dieses Sommers vom Mittelmeer lassen erahnen, dass diese furchtbaren Todeszahlen weiter steigen werden. Ganz zu schweigen von den vielen Unbekannten, die ihr Leben auf dem Weg durch die Sahara lassen oder denen, die unter menschenunwür-

Der Senator für Inneres und Sport des Landes Berlin, Andreas Geisel MdA, fand eindringliche Worte während der Kranzniederlegung um Theodor-Heuss-Platz.

digen Bedingungen in den MaghrebStaaten ausgebeutet werden oder dort unter erbärmlichen Bedingungen in Haft sitzen. Der Verlust ihrer Heimat bestimmt nach wie vor den Alltag vieler Millionen Menschen auf der Welt. Es sind weiterhin zumeist bewaffnete Konflikte, die den Menschen ihr Zuhause rauben. Wir Deutsche dürfen uns nicht an die immer neuen Schreckensmeldungen gewöhnen und sind gut beraten, auf unsere eigene Geschichte zu schauen. Mit dem Ende des Krieges im Mai 1945 begann die Vertreibung von rund 15 Millionen Deutschen, die großes Leid erfahren und ihre Heimat verlassen mussten. Sie hatten die Folgen einer verbrecherischen Politik zu tragen, die von NaziDeutschland ausgegangen war. Viele von ihnen wurden in Lager gesperrt, mussten Zwangsarbeit leisten; rund zwei Millionen Menschen kamen dabei ums Leben. An dieser Stelle sage ich als Vertreter des Berliner Senates ganz deutlich: Die deutschen Heimatvertriebenen

haben großes Leid und großes Unrecht erfahren. Das darf nicht beschönigt oder vergessen werden. Es gelang den Vertriebenen trotz aller Schwierigkeiten, Anfeindungen und Ausgrenzungen in den damals neuen Grenzen Deutschlands heimisch zu werden.Die Vertriebenen haben maßgeblich beim Aufbau nach dem Krieg mitgewirkt und es ist auch ihrem Fleiß zu verdanken, dass Deutschland zu einer Erfolgsgeschichte wurde. Dieser Blick in die Geschichte ist für mich eine wichtige Lehre für die Gegenwart. Wir dürfen nicht ohnmächtig zuschauen, wie sich vor unserer Haustür im italienischen und spanischen Mittelmeer humanitäre Tragödien abspielen. Die europäische Staatengemeinschaft steht in der Verantwortung, durch eine gemeinsame europäische Friedens- und Menschenrechtspolitik die Opfer von Flucht und Vertreibung besser zu schützen. Politik und Zivilgesellschaft müssen sich trotz der aktuellen Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus und gegen Vorverurteilungen noch mehr Peter-Paul Weiler/BdV (2); Marc-P. Halatsch/BdV (1)


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dafür engagieren, geflüchteten Menschen in unserer Stadt mit einer gelebten Willkommenskultur zu begegnen. Das gilt ganz besonders für Berlin, eine Stadt die nach Kriegsende und in den schweren Jahren der Teilung viel Solidarität und Unterstützung aus aller Welt erfahren hat. Daraus erwächst eine besondere Verantwortung für die Gegenwart. Aus unserer deutschen Vertreibungsgeschichte zu lernen, bedeutet, sich weltweit für Menschenrechte und Verständigung einzusetzen. So ist auch die diesjährige Losung „60 Jahre Einsatz für Menschenrechte, Heimat und Verständigung“ zum „Tag der Heimat“ zu verstehen. Zum 60-jährigen Jubiläum des BdV gratuliere ich Ihnen an dieser Stelle sehr herzlich und danke Ihnen für die engagierte Wahrnehmung der Interessen der Heimatvertriebenen, die kontroversen Debatten und die wichtigen Initiativen zur Aussöhnung mit unseren Nachbarn in Mittel- und Osteuropa. Vielen Dank!

Politik

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Das Mahnmal mit der Ewigen Flamme wurde 1955 von den „Landsmannschaften der deutschen Heimatvertriebenen“ auf dem damaligen Reichskanzlerplatz (seit 1963 TheodorHeuss-Platz) aufgestellt und von Theodor Heuss durch das Entzünden der Flamme eingeweiht. Es handelt sich um einen Kunststeinquader mit einer eisernen Opferschale, in der eine ewige Flamme brennt. Alljährlich werden hier zum Tag der Heimat von den Spitzen des Staates und den Landsmannschaften Kränze niedergelegt.

Präsidium im Gespräch mit Hartmut Koschyk Dr. Günter Krings wird Interimsnachfolger des Aussiedlerbeauftragten Berlin. (dod) Bereits Anfang September hatte sich das Präsidium des Bundes der Vertriebenen zu einem Arbeitsgespräch mit dem Bundesbeauftragten

Hartmut Koschyk in Berlin getroffen. Im offenen Austausch wurde vieles besprochen, was in gemeinsamer Anstrengung während der letzten Legislaturperiode

Nach dem Gespräch des BdV-Präsidiums mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk (von links): Klaus Schuck, Christian Knauer, Gisela Schewell, Siegbert Ortmann, Stephan Grigat, Waldemar Eisenbraun, Hartmut Koschyk MdB, Milan Horáček, Dr. Bernd Fabritius MdB, Reinfried Vogler, Dr. Maria Werthan und Dr. Jörg Bentmann.

hatte erreicht werden können, wie etwa die Anerkennungsleistung an ehemalige deutsche Zwangsarbeiter, der nationale Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung oder die neugestaltete Förderkonzeption der Bundesregierung nach § 96 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes. Ebenso wurde erörtert, in welchen Bereichen weiterhin besonderer Einsatz notwendig ist. BdV-Präsident Dr. Fabritius dankte Koschyk bereits in diesem Rahmen für die langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit und bat ihn, die gemeinsamen Anliegen auch nach seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag zu unterstützen. Auch Koschyk sprach von einer konstruktiven Zusammenarbeit und würdigte das Engagement des BdV und seiner Gliederungen, gerade im verständigungspolitischen Bereich. Das Bundeskabinett hat Dr. Günter Krings MdB (CDU) mit Wirkung zum 1. November 2017 zum neuen Beauftragten berufen. Günter Krings wird das Amt bis zur Bestellung eines neuen Beauftragten durch die nächste Bundesregierung übernehmen. M.-P. Halatsch


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Politik

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BdV-Vizepräsident Mayer weiter im Bundestag BdV-Präsident Fabritius gelingt Einzug über CSU-Liste nicht tephan Mayer (CSU), Vizepräsident S des Bundes der Vertriebenen, ist mit dem bayernweit zweitbesten Erststim-

menergebnis erneut in den Deutschen Bundestag eingezogen. Dort engagiert sich der Rechtsanwalt bereits seit 2002 maßgeblich im Bereich der Innenpolitik und war zuletzt Innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Dies ist eines der für den BdV relevanten Ergebnisse der Bundestagswahl am 24. September 2017. Ein anderes ist, dass BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius der Wiedereinzug aufgrund des Zweitstimmenergebnisses der CSU nicht glückte. Fabritius ist für die CSU der vierte mögliche Nachrücker in der nun beginnenden Legislaturperiode. Die Wiederwahl Mayers sei umso wichtiger, erläuterte der BdV-Präsident, da das Präsidium damit auch zukünftig im Deutschen Bundestag vertreten sei. Es sei zu begrüßen, dass sich die Arbeitsgruppe Vertriebene, Aussiedler und deutsche Minderheiten der CDU/CSUBundestagsfraktion bereits kurz nach der

BdV-Vizepräsident Stephan Mayer MdB.

Wahl konstituiert und als neuen Vorsitzenden den erfahrenen Bundestagsabgeordneten Eckhard Pols gewählt habe. Die Gruppe sei in der Vergangenheit „stets ein verlässlicher Partner“ gewesen, so Fabritius. Außerdem könne die Übergangs-Beauftragung des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Günter Krings (CDU) mit den Amtsgeschäften des Bundesbeauftragten in der Nachfolge von Hartmut Koschyk als „Kontinuitätsgarantie“ verstanden werden.

Dennoch zeigte Fabritius auch sein Bedauern darüber, die Anliegen der deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedler sowie der deutschen Minderheiten im Ausland nicht mehr im Bundestag vertreten zu können. Er sicherte aber zu, gemeinsam mit dem BdV-Präsidium auch weiterhin dafür Sorge tragen zu wollen, den zukünftigen Regierungsparteien die Anliegen zu Gehör zu bringen und für deren Umsetzung einzutreten. BdV-Vizepräsident Mayer freute sich über den Wiedereinzug, gab aber gleichzeitig zu bedenken: „Mit Hartmut Koschyk, der nicht mehr angetreten ist, Bernd Fabritius oder Klaus Brähmig fehlen dem neuen Deutschen Bundestag einige der wichtigsten Anwälte einer auf die Zukunft ausgerichteten Vertriebenenpolitik.“ Er selbst werde dieses Politikfeld auch weiterhin in seine Arbeit mit einbeziehen, erklärte Mayer und bezeichnete die vom BdV vertretenen Themen als „Herzensanliegen“ Themen als „Herzensanliegen“.

Polnische Reparationsforderungen entbehren rechtlicher und moralischer Legitimität Berlin. (dod) Zu den öffentlichen Debatten über Reparationsforderungen der polnischen Regierung an Deutschland erklärt BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB: Die derzeit ins Gespräch gebrachten Reparationsforderungen der polnischen PiS-Regierung an Deutschland entbehren jeder rechtlichen und moralischen Legitimität. Unsere jüngere gemeinsame Geschichte umfasst mehr als den von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieg und den Holocaust, worunter auch Polen zu leiden hatte. Sie umfasst auch den Ersten Weltkrieg und seine Folgen. Sie umfasst das Unrecht von

Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Und sie umfasst völkerrechtlich bindende Verträge seit der Nachkriegszeit bis hin zum deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag, zum deutsch-polnischen Grenzvertrag und zum EU-Beitritt Polens. Gemeinsam haben beide Länder seit dem Fall des Eisernen Vorhanges ein gutes und stabiles Verhältnis aufgebaut. Gerade deshalb sind kluge und besonnene Reaktionen geboten, wie unsere Bundesregierung sie mit der nüchternen Ablehnung derartiger Reparationsforderungen jetzt gezeigt hat. Dafür sind wir dankbar.

Statt innen- und außenpolitisch zu provozieren bleibt die PiS-Regierung aufgefordert, die Verpflichtungen zur Förderung der dort lebenden deutschen Minderheit zu erfüllen, die sich etwa aus der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ergeben. Der BdV wird weiterhin daran arbeiten, die guten nachbarschaftlichen Beziehungen auf zivilgesellschaftlicher Ebene mit Nachdruck fortzusetzen und weiter zu verbessern – etwa durch Kooperationen und Partnerschaften im kommunalen und regionalen Bereich oder die Zusammenarbeit zur Pflege unserer gemeinsamen Kultur. Henning Schacht (1); Privat (1)


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Politik

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Erinnerungsorte der Reformation Auch im Osten hat die Reformation ihre Spuren hinterlassen 2017 feiern Menschen weltweit das historische Ereignis der Reformation. In Deutschland stehen die geschichtlichen Entwicklungen rund um die lutherische Reformationsbewegung in Mitteldeutschland naturgemäß im Zentrum der Feierlichkeiten. Deshalb lohnt es sich umso mehr, auch an die europäische und weltweite Wirkmacht dieses historischen Phänomens und seine unterschiedlichen Ausprägungen zu erinnern. Dabei kann der Blick in einzelne multikonfessionell und multiethnisch geprägte Regionen sehr aufschlussreich sein. In diesem Sinne sollen hier die historischen deutschen Ost- und Siedlungsgebiete zwischen Ostsee, Adria und Schwarzem Meer beleuchtet werden. von Flucht und Vertreibung Iheutenfolge fehlen in diesen Kulturlandschaften die Träger des historisch gewach-

senen protestantischen Erbes – kirchlicher Traditionen und Frömmigkeitskulturen – oder sie befinden sich, wo sie es nicht schon zuvor taten, in der Lage einer kleinen Minderheit. Dennoch erinnern zwischen Riga, Odessa und der Gottscheer Sprachinsel immer noch viele Orte und Kulturdenkmäler an die Reformationsgeschichte und die Vielfalt protestantischen Lebens im Osten Europas. 14 solcher Erinnerungsorte sollen hier exemplarisch betrachtet werden. Während die Gebiete in Mittelost- und Nordosteuropa weiten Teils traditionell evangelisch-lutherisch geprägt waren, ja, das Luthertum oft auch als die ‚deutsche‘ Religion erlebt wurde, war die vorherrschende christliche Religion im europäischen Südosten der römische Katholizismus. Diesen Raum dominierte bis zur Entstehung junger Staaten am Ende des Ersten Weltkriegs zwei Mächte, die

Universität und Dom von Königsberg.

wenig Sympathien für den Protestantismus hegten und daher kaum bereit waren, ihn in ihren Ländern zu pflegen, geschweige denn, besondere Erinnerungsorte zu bewahren. Südosteuropa bietet daher weniger ausgewiesene Erinnerungsorte der Reformation. Doch der genaue Blick lohnt sich: Gerade aus Diaspora und Bedrückung heraus entstanden bemerkenswerte Varianten des Protestantismus.

Königsberg – Hauptstadt des ersten protestantischen Staates Nur acht Jahre nach dem Wittenberger Thesenanschlag wurde mit der Säkularisierung eines Teils des ehemaligen Deutschordensstaates der erste protestantische Staat gegründet: Das Herzogtum Preußen mit seiner Hauptstadt Königsberg. Begleitet hatte die schon zuvor eingeführte Reformation Martin Luther persönlich, der als Ratgeber des neuen Herzogs Albrecht fungierte. Rasch wurde Königsberg zu einem wichtigen reformatorischen Zentrum im Ostsee-

raum, wozu vor allem auch die Gründung der Albertus-Universität im Jahre 1544 beitrug. 400 Jahre später – im August 1944 – zerstörten britische Bomber die Universität sowie die einstige evangelische Hauptkirche, den Dom, zusammen mit weiten Teilen der Innenstadt. Der Dom konnte nach Ende der kommunistischen Gewaltherrschaft – vor allem durch finanzielle Förderung aus Deutschland – wiederhergestellt werden. Die heutige lutherische Diaspora im Königsberger Gebiet besteht vor allem aus Russlanddeutschen, die sich hier in den letzten Jahrzehnten niederließen.

Baltikum: Petrikirche, Riga – Reformation und Bürgertum Die Territorien des Deutschen Ordens nördlich Preußens sollten auch über das Jahr 1525 hinaus noch unter Herrschaft des katholischen Ordens bleiben. Hier waren es vor allem die deutschen Bürger in den Städten, die sich um die Durchsetzung der Reformation verdient mach-


26 ten. Riga etwa hatte sich bereits 1522 der Reformation angeschlossen. Wahrzeichen dieser bürgerlichen Reformation ist die Rigaer Petrikirche, der älteste Kirchbau des Baltikums. Hier befinden sich Grablegen unterschiedlicher Patrizierfamilien. Die Petrikirche liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dom, wo bis in die 1530er Jahre hinein noch der Rigaer Erzbischof residierte, bevor auch seine Kirche den Lutheranern zugeschlagen wurde. Ausdruck fand der kulturelle Reichtum des baltischen Protestantismus auch in Form der 1734 in der Petrikirche von Gottfried Kloosen errichteten Barockorgel. Seit einigen Jahren setzt sich eine deutsch-estnische Stiftung für ihre Rekonstruktion ein (www. peters-church-organ-riga.com).

Danzig – Nebeneinander von Altgläubigen und Protestanten Zu den Orten, deren historische Bedeutung an das Phänomen Reformation erinnert, gehören auch exklusiv katholische Erinnerungsorte – wie die Königliche Kapelle in Danzig. Sie liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu St. Marien, der wohl bedeutendsten (bis 1945 evangelischen) Backsteinkirche des Ostseeraumes. Ihre Existenz verdankt die Kapelle – was auf den ersten Blick womöglich paradox klingen mag – der Reformation im Hanseraum: Nachdem allmählich alle Kirchen, einschließlich St. Marien, evangelisch geworden waren, fehlte den verbliebenen Danziger Katholiken ein Gotteshaus. Finanziert durch ihren Stifter, den polnischen König Johann III. Sobieski, wurde daraufhin die „Kaplica Królewska“ als neue katholische Kirche errichtet und 1681 fertiggestellt. Damit steht sie sowohl für den Bedeutungsverlust der katholischen Kirche in protestantisch gewordenen Städten – als andererseits auch für die Fähigkeit zur neuen Selbstverortung unter veränderten Umständen sowie zum Nebeneinander von altem und neuen Glauben.

Russland: Kolonie Molotschna – Mennoniten an der Wolga In Danzig und seinem Umland fanden während des 16. Jahrhunderts im Westen Europas – gerade auch von ihren

Politik

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St. Petrikirche – die dominante und die höchste Spitze der Stadt – ist eines der ältesten und wertvollsten Gebäude der mittelalterlichen Monumentalarchitektur im Baltikum.

protestantischen Glaubensgeschwistern – verfolgte Täufer Zuflucht, zeitweise auch einer ihrer Namensgeber Menno Simons. Im 18. und 19. Jahrhundert folgten viele dieser Mennoniten der Einladung der russischen Regenten, sich im Zarenreich anzusiedeln. Im Zuge der von ihnen vorangetriebenen Binnenkolonisation entstand u. a. 1804 die Kolonie Molotschna in der heutigen Ukraine. In dieser späterhin mit 57 Dörfern größten Kolonie in Russland wurde die mennonitische Alltags- und Frömmigkeitskultur gepflegt und gelebt. Hierzu gehörte auch die Mundart der westpreußischen Mennoniten, Plautdietsch, in welcher der Name der Kolonie „Molosch“ lautet. Diese Tradition fand mit dem Zweiten Weltkrieg ein Ende: 1943 erfolgte die Umsiedlung in den Warthegau, von wo aus die Russlandmennoniten nach der sowjetischen Besetzung nach Kasachstan und Sibirien deportiert wurden.

Treptow – der Landtag und die Einführung der Reformation Treptow an der Rega ist für die Einführung der Reformation im damaligen Herzogtum Pommern von doppelter Bedeutung: Zum einen im Hinblick auf die Beschlussfassung über die Annahme des neuen Bekenntnisses, zum anderen auf die Durchsetzung der hiermit verbundenen Kirchenreformen. In erster Hinsicht kommt Treptow in den Blick, da hier 1534 der eigens hierzu einberufene

Landtag tagte, der die – bereits in vielen Kirchen vermittelte – lutherische Lehre annahm. Der zweite Aspekt verbindet sich mit der Marienkirche, an der ab 1509 der spätere Reformator Johannes Bugenhagen wirkte. Nachdem es ihn selbst längst ins Herz der Reformationsbewegung – an die Universität Wittenberg – verschlagen hatte, war er es, der im Anschluss an den Landtag die Ausgestaltung der neuen Pommerschen Kirchenordnung übernahm, was er auch für viele andere reformatorische Herrschaften tat. Dass der Pommer Bugenhagen zeitweise auch an der Universität von Kopenhagen lehrte, verdeutlicht zusätzlich, dass seine historische Bedeutung erkennbar über Deutschland hinausgeht.

Fraustadt – Valerius Herberger und das „Kripplein Christi“ Bereits vor dem Anschluss an das evangelische Preußen war der protestantische Glaube in das traditionell römischkatholische Polen gelangt. Eine Hochburg der dortigen Evangelischen war Fraustadt im Lebuser Land. Mit dem Ort verbindet sich nicht nur der Name des dort geborenen Schriftstellers Christian Gryphius, sondern auch der des Theologen Valerius Herberger. Von ihm stammt das Kirchenlied „Valet will ich dir geben“, das sich noch heute im Evangelischen Gesangbuch findet (EG 523). Als 1604 die lutherische Gemeinde ihre Kirche an die Katholiken abtreten musste, Wikipedia (1); Privat (1)


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ließ er zwei nebeneinander liegende Wohnhäuser zu einem Bethaus umbauen: Es entstand die neue lutherische Kirche mit dem sprechenden Namen „Kripplein Christi“. Nach einem Brand 1647 wiederhergestellt, ist sie bis heute erhalten geblieben.

Węgrów – Zentrum des Protestantismus im Herzen Polens Dass der Protestantismus in das nahe der Oder gelegene Fraustadt gelangte, mag nicht verwundern. Jedoch reichte die Ausbreitung des evangelischen Glaubens bis in das später zu Russisch-Polen gehörende Masowien. Hier bildete die Kleinstadt (heute ca. 13.000 Einwohner) Węgrów ein Zentrum protestantischen Lebens. Zu verdanken hat der Ort seine evangelische Prägung der verhältnismäßig toleranten polnisch-litauischen Religionspolitik. So genehmigte etwa Magnat Bogusław Radziwiłł 1651, eine evangelische Kirche zu bauen. Zeitweise verfügten die hier wirkende evangelische Splittergruppe der Antitrinitarier sogar über eine eigene Schule und Druckerei. Von hier wurde auch Warschau seelsorgerlich betreut, bevor es den dortigen Protestanten 1777 gestattet wurde, eine eigene Kirche zu errichten. Bis heute gibt es in Węgrów eine lutherische Diasporagemeinde. Sie ist – mit etwa zehn Gottesdienstbesuchern an Sonntagen – zwar klein, besitzt aus ihrer Geschichte heraus jedoch eine Reihe von Liegenschaften.

Politik übung der evangelischen Religion möglich wurden, galt Asch, dessen Rechte im Westfälischen Frieden bestätigt worden waren, zeitweise als einziger Ort freier öffentlicher Religionsausübung für Protestanten in den habsburgischen Erblanden. Die herausragende Rolle behielt Asch lange bei: In Böhmen, Mähren und dem österreichischen Schlesien blieb der Protestantismus bis heute in der Diaspora.

Schlesien: Friedenskirchen und Gnadenkirchen Der Protestantismus in Schlesien wurde zwei Mal mit herausragenden Kirchbauprivilegien ausgestattet. 1648 garantierte der Westfälsche Friede den Bau der „Friedenskirchen“ in Glogau, Jauer und Schweidnitz. Dem Friedensschluss verdanken sie ihren Namen. Die Genehmigung der Bauten war mit Einschränkungen verbunden: Sie waren außerhalb der Städte, ohne Turm und Glocken zu errichten, auch durfte kein dauerhafter Stein verwendet werden. Ihre markante, daraus resultierende Fachwerkarchitektur hebt sie jedoch als beeindruckende Kirchbauten hervor. Ein halbes Jahrhundert später kam es dann zu einer Erneuerung des Friedens: Im Zuge des nordischen Krieges lagen die Schweden in Schlesien. Sie rangen 1707 dem geschwächten Kaiser die Konvention von Altranstädt und den Bau von sechs Gnadenkirchen ab. Fünf in Niederschle-

27 sien, eine im oberschlesischen Teschen. Der Teschener Kirche kam so besondere Bedeutung zu. 2015 verlieh die Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa Teschen den Ehrentitel „Reformationsstadt Europas“.

Die Artikularkirche Käsmark – ein Zugeständnis Im ungarischen Teil der Doppelmonarchie, zu dem auch die Slowakei zu zählen ist, existierte der Protestantismus, auch dank der Tolerierung durch die Osmanen, unter günstigeren Bedingungen. Eine ambivalente Rolle spielte Leopold I., der erst den Protestanten Ungarns 888 Kirchen nahm, dann aber durch die Türkenbedrohung beim Landtag von Ödenburg 1681 Zugeständnisse machte: 50 Kirchen wurden zurückgegeben oder Bauplätze für neue Kirchen zugeteilt. Vorbild dieser sogenannten Artikularkirchen waren die schlesischen Friedenskirchen. Auch in diesem Fall musste auf festes Baumaterial und einen steinernen Sockel verzichtet, zudem außerhalb von Ortschaften, ohne direkten Straßenzugang, Turm und Glocke gebaut werden. Fünf Artikularkirchen sind noch erhalten, dreien wurde der UNESCO-Weltkulturerbestatus verliehen. Die bekannteste steht in Käsmark. 1890 wurde sie außen verputzt, sodass die Holzkirche als solche nicht mehr zu erkennen ist. Ihr Inneres beeindruckt mit reicher volkstümlicher Ausstattung.

Asch – Ursprung des Protestantismus in Böhmen Ganz im Westen Tschechiens steht das einzige Lutherdenkmal des Landes: In Asch zeugt es davon, dass die Stadt Zentrum des gleichnamigen Ascher Zipfels war. Anders als im übrigen Altösterreich setzte sich hier unter den Lehnsherren von Zedtwitz über Jahrhunderte die Gegenreformation nicht durch, sodass der Protestantismus sogar volkskirchlichen Charakter erlangte. 1960 fiel die evangelische Kirche in Asch einem Brand zum Opfer. An sie erinnert heute ein Denkmal, unweit des Lutherdenkmals. Beide sind letzter Hinweis auf den alten Protestantismus. Bevor durch Toleranz- und Protestantenpatent die Aus-

Die Friedenskirche in Jauer mit dem nachträglich angebautem Glockenturm.


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Politik

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Galizien: Der Bielitzer Zion in Bielitz-Biala Am geographischen Rand Galiziens liegt Bielitz-Biala. Durch die Doppelstadt fließt die Bialka, die alte Grenze von Österreichisch-Schlesien mit Bielitz und Galizien mit Biala. Die für den Protestantismus bedeutsameren Orte liegen in Bielitz und streng genommen nicht in Galizien. 1610 verfügte die evangelische Gemeinde in Bielitz über acht Kirchen, aber infolge der Gegenreformation sollte den Protestanten ab 1660 für 100 Jahre lediglich ihr Friedhof bleiben. Doch sie blieben evangelisch, ohne Pfarrer und ohne Kirche. Im polnischen Biala genossen sie größere Rechte, wenngleich es auch hier keine Kirche gab. 1781 erhielt das nunmehr galizische Biala die Erlaubnis zum Bau eines evangelischen Bethauses. Auch in Bielitz begann bald darauf der Bau einer Kirche. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte bildete sich das wohl bekannteste Kirchbauensemble des östlichen Habsburgerreichs: Der Bielitzer Zion. Rund um die Kirche entstanden Pfarrhäuser, Schulen, eine Bibliothek, eine Druckerei, ein Waisen-, ein Diakonissenhaus, und: das heute einzige Luther-Denkmal in Polen.

Siebenbürgen: Die Schwarze Kirche in Kronstadt Auch in Kronstadt erwartet den Besucher ein Ensemble aus Denkmal und Kirche: Vor der Stadtkirche steht die Statue von Johannes Honterus. Seine Rechte deutet auf das Honterus-Gymnasium, in seiner Linken hält er sein Reformationsbüchlein und die Schulordnung. Honterus war Stadtrat von Kronstadt und Gründer besagten Gymnasiums. Vor allem aber wird er heute als Reformator Siebenbürgens verehrt. Seine Zeitgenossen schätzten ihn als Schriftsteller und Humanisten. Seine Grablege fand er in der Marien-, der späteren Schwarzen Kirche, wo nach Einführung der Reformation der erste evangelische Gottesdient abgehalten worden war. Die Kirche erhielt ihren Namen durch einen Stadtbrand am 21. April 1689. Damals brannte die ganze Innenstadt. Der Name, den der Volksmund der Kirche wegen ihrer geschwärzten Mauern gab, erinnerte an die Katastrophe. Ihre Bedeu-

Die Schwarze Kirche in Kronstadt ist der bedeutendste gotische Kirchenbau Siebenbürgens und Südosteuropas.

tung ist jedoch weit größer. Sie ist der größte Sakralbau Rumäniens und die größte Hallenkirche östlich von Wien, die mit Orgel, Glocke, orientalischen Teppichen und weiteren Kunstschätzen lockt.

gewidmet ist, die zu dieser Zeit in Tübingen studierten.

Schloss Auersperg – Reformation unter dem Schutz des Adels

Ganz andere Wege wurden in den vergleichsweise jungen Gemeinden Bessarabiens beschritten: Es waren Pietisten und Erweckte, die dem Aufruf Zar Alexander I. zur Besiedelung gefolgt waren. Die Gründer der Kolonie Teplitz z.B. reisten zusammen mit anderen Aussiedlern mit dem Zielort Kaukasus, da man dort den Aufnahmeort der auserwählten Gemeinde in der Endzeit erwartete. Zar Alexander galt dieser chiliastisch geprägten Gruppe als Retter des Christentums. Anfangs gab es gut zwei Dutzend Kolonien. Einzig die Kolonisten in Sarata brachten ihren eigenen Geistlichen, den römisch-katholischen Priester Ignaz Lindl mit. Lindl gestaltete das kirchliche Leben bewusst überkonfessionell. 1823 verließ er Sarata, 1824 trat er der Evangelischen Kirche bei. Lindls Bußpredigten erfreuten sich weit über Sarata heraus großer Beliebtheit, Pilgerfahrten nach Sarata wurden durchgeführt, Konventikel in den einzelnen Kolonien gebildet. Die Kirche in Sarata ist heute noch erhalten. Sie wurde aufwändig restauriert und 1995 wieder eingeweiht. Johannes Nett Tilman A. Fischer

Der Protestantismus verbreitete sich in Slowenien früh unter dem Schutz des lokalen Adels. Einzelne Familien taten sich besonders hervor, auch das Haus Auersperg. Aus Rašica, einem kleinen Dorf unterhalb des Schlosses Auersperg, stammt der Reformator Sloweniens, Primož Trubar. Tubar gilt als Zentralgestalt der slowenischen Geschichte, vor allem als Begründer der slowenischen Schriftsprache. Er war zunächst Pfarrer in der Unterkrain, wirkte in Ljubljana, aber auch in Triest, Kempten und dann als Exulant in Derendingen bei Tübingen, wo er 1586 starb. Trubar stand mit mehreren Mitgliedern der Familie Auersperg in freundschaftlichem Verhältnis. Sie waren Förderer des Protestantismus. Auch die Schlosskapelle der Burg Auersperg wurde früh für evangelische Gottesdienste freigegeben. Die Verbundenheit mit dem Haus Auersperg verdeutlicht Trubars Widmung des letzten Bandes seiner Übersetzung des Neuen Testaments, die u. a. zwei Auerspergern

Bessarabien: Überkonfessionelles Christentum

Wikipedia (1); Göllner (1)


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Politik

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„Bewahre deine Kultur und deine Kultur bewahrt dich“ Die Breslauerin Renata Zajączkowska arbeitet für die Verständigung „Immer wenn ich über Heimat und Identität etwas sagen soll, mache ich mir Gedanken darüber, was genau ich eigentlich unter diesen Begriffen verstehe. Es ist so, dass es für uns alle am schwierigsten ist, das zu definieren, was wir in der Tiefe des Herzens fühlen. Mit dem Begriff Heimat verbinde ich die Worte des Pfarrers Andree Schmeier, der sagt: Bewahre deine Kultur und deine Kultur bewahrt dich, denk an deine Wurzeln, lebe deinen Glauben und dein Glaube wird dich zum Leben führen.“ as sagte Renata Zajączkowska aus D Breslau im Namen des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesell-

schaften in Polen und gleichzeitig als Vertreterin der deutschen Volksgruppe in Polen beim diesjährigen Heimattag auf Schloss Burg bei Solingen. Die am 5. August 1932 in Gleiwitz/ Oberschlesien geborene Renata Zajączkowska hat in jüngster Zeit für ihr unermüdliches Engagement in der Sache der deutschen Volksgruppe in Polen einige Auszeichnungen und Anerkennungen erhalten. Als im Jahr 1989 die Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft (DSKG) Breslau ins Leben gerufen wurde, wählte man das Gründungsmitglied Zajączkowska in die Sozialkommission, die älteren und weniger wohlhabenden Menschen hilft. Seit 1990 ist Zajączkowska als Vorstandsmitglied und seit 2008 als Vorsitzende der DSKG Breslau aktiv tätig. Ebenfalls seit dem Jahr 2008 ist Renata Zajączkowska Vorstandsmitglied des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (Dachorganisation, die polnische Deutsche aus verschiedenen Regionen des Landes vereinigt, mit Sitz in Oppeln) und seit 2009 übt sie die Funktion der Vizevorsitzen-

den aus. Außerdem engagiert sich Zajączkowska auch in der Edith-SteinGesellschaft, der sie seit zehn Jahren angehört. Seit sechs Jahren ist sie hier als Vorsitzende in der Revisionskommission tätig. „Ich habe die Ehre, all die zu vertreten, die besonders treu der Heimat waren und sind, nämlich die deutschen Schlesier, Ostpreußen und Pommeraner, die nach dem Krieg zugleich, das Glück als auch Leid hatten, in der Heimat zu bleiben. Die Nachkriegsjahre waren für die gebliebenen Deutschen hart gewesen. Doch trotz der Verfälschung unserer Geschichte sind viele im demokratischen Polen mutig gegenüber sich und der Gesellschaft aufgestanden und haben klar und offen ihre deutsche und regionale Zugehörigkeit manifestiert“ – erklärte Renata Zajączkowska in ihrem Vortrag beim diesjährigen Treffen der Ostpreußen, Schlesier und Pommern auf Schloss Burg a.d. Wupper.

Geschichte verstehen und in die Zukunft blicken Zajączkowska Weiß: „Obwohl die Geschichte wichtig ist und wir sehr viel getan haben und weiterhin tun, um sie kennen, verstehen und pflegen zu lernen, ist die deutsche Volksgruppe in Polen auf die Zukunft angewiesen. Die Heimat lebt in dem Kulturerbe, auf dem man weiter baut.“ Sie zitiert Wilhelm von Humboldt, wenn sie sagt „Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache.“ Zajączkowska teilt übrigens die Ansicht, dass die Entfernung vom Heimischen durch die Sprache am schnellsten geht: „Das wussten auch die kommunistischen Verwalter, als sie das deutsche Schulwesen eingestellt und den Unterricht der deutschen Sprache in Oberschlesien und Ostpreußen zwei Generationen lang verboten haben.“ Renata Zajączkowska hat in ihrem Buch „Ver-

Renata Zajączkowska spricht im Namen all jener, die in der alten Heimat verblieben sind.

gangenheit, die man nicht vergessen kann“ – erschienen in Breslau 2015 – der Öffentlichkeit Einblicke in ihre persönliche Erlebniswelt gewährt. In dem autobiografischen Werk heißt es unter anderem: „Meine Kindheit war zu Ende, als ich vierzehn Jahre alt war und der Krieg nach Gleiwitz kam. Dort spürten wir den Krieg nicht so sehr, weil wir ein sehr gut organisiertes Lebensmittelkartensystem hatten. Wir mussten keinen Hunger leiden, alles funktionierte normal.“ Wie präsent und lebendig die Erinnerungen an die Ereignisse aus der Kriegs- und Nachkriegszeit für die Autorin auch heute noch sind, wird bei der Lektüre ihres Buches deutlich. Zajączkowska blickt jedoch auch optimistisch in die Gegenwart und vor allem in die Zukunft wenn sie sagt: „Um Zukunft zu haben, brauchen wir Bildung und Medien, moderne Kultur neben der Tradition, mit Sprache muss das wiederbelebt werden, was verloren gegangen ist.“ Für ihr Engagement erhielt Renata Zajączkowska unter anderem das Goldene Verdienstkreuz, das Polnische Silberne Verdienstkreuz, das Bundesverdienstkreuz am Bande sowie das Schlesierkreuz der Landsmannschaft des Ortsverbandes Uttenreuth. Dieter Göllner


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Kultur

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Grenzüberschreitendes zu 500 Jahre Reformation Wichtige Programme des Kulturreferates Schlesien und des SMG Im Gedenkjahr der Reformation hat die Evangelisch-Augsburgische Kirche Polens – im Falle Schlesiens die Diözesen Wrocław, Katowice und Cieszyń – mehrere Veranstaltungen vorbereitet, die auf das ganze Jahr verteilt die breite Öffentlichkeit für die Besonderheiten des lutherischen Glaubens und der schlesischen Kirchengeschichte interessieren wollen. Einen Beitrag dazu leistet auch das Schlesische Museum zu Görlitz (SMG) mit seiner Wanderausstellung „Kirchfahrer, Buschprediger, betende Kinder. 500 Jahre evangelisches Leben in Schlesien“. Die Präsentation wurde bereits von vielen EvangelischAugsburgischen Gemeinden ausgeliehen, um sie in der Kirche, aber ebenso an öffentlichen Orten wie Bibliotheken oder Rathäusern zu zeigen. is Jahresende wird die Ausstellung B unter anderem in Waldenburg (Wałbrzych), in der Universität War-

schau, im Riesengebirgsmuseum von Hirschberg (Muzeum Karkonowskie w Jeleniej Górze) und im Museum des Oppelner Landes (Muzeum Śląska Opolskiego) zu sehen sein. Auf dem Friedensplatz in Schweidnitz (Świdnica) wurde eine Kopie der Tafeln als Freiluftausstellung gezeigt. Im September feierten rund 500 Gläubige in der Friedenskirche zu Jauer 20 Jahre Partnerschaftsvertrag 1997 bis 2017 zwischen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und der Diözese Breslau der Evangelisch-Augsburgischen Kirche Polens. Der Bischof der Diözese Breslau, Waldemar Pytel, hatte dazu eingeladen, anschließend im Wald bei Konradswaldau (Kondratów), etwa 4 km von Goldberg (Złotoryja) entfernt, einen

Bischof Markus Dröge und Bischof Waldemar Pytel beim Verlesen des Einweihungsdokumentes an der „Taufeiche“.

Gedenkstein einzuweihen, der an die Zeit der Gegenreformation erinnert und aus Anlass des Reformationsjubiläums restauriert worden ist. Das Denkmal stammt von 1850 und würdigt den Standort einer Eiche, die im 17. Jahrhundert Treffpunkt für heimliche Gottesdienste und vor allem das Sakrament der Taufe gewesen war. Die feierliche Segnung wurde von Bischof Pytel gemeinsam mit dem Berliner Bischof Markus Dröge vorgenommen. Gemeinsam pflanzten die Geistlichen einen Eichenbaum. Umrahmt wurde die Andacht im Wald durch einen Posaunenchor aus dem Kirchenkreis Schlesische Oberlausitz und den Gesang der zahlreich versammelten Gemeindemitglieder von beiden Seiten der Neiße. Ebenfalls im September beging die Evangelisch-Augsburgische Gemeinde Lauban (Luba) gemeinsam mit ihren Partnern aus Deutschland das Reformationsjubiläum in ihrer Fililalgemeinde Reichenau (Bogatynia). Aus diesem Anlass wurde die sanierte Kapelle auf dem

evangelischen Friedhof in „Evangelische Auferstehungskirche“ umbenannt. Bogatynia gehört heute zur Wojewodschaft Niederschlesien. Die Gemeinde wurde über die Jahrzehnte durch Pfarrer der polnischen evangelisch-augsburgischen Kirche aus Bad Warmbrunn (Cieplice) betreut, bis im Jahr 2005 in Lauban eine eigene Pfarrstelle eingerichtet wurde und seitdem Reichenau kirchlich zu Lauban gehört. In den letzten Jahren gelang es der Gemeinde, ihr Gotteshaus, die ursprüngliche Friedhofskapelle, mit Hilfe verschiedener Stifter und Spender aus Deutschland zu sanieren. Zum Dank wurde eine Gedenktafel mit dem neuen Namen „Evangelische Auferstehungskirche“ angebracht und eingeweiht. Das Kulturreferat für Schlesien ist Partner des Projektes und organisierte im Anschluss an den Festakt gemeinsam mit der Gemeinde ein Seminar, bei dem die Besonderheiten der Reformation in der Oberlausitz und die Beziehungen zu Schlesien beleuchtet wurden. D.G. Göllner (1); Peter Pragal (1)


Kultur

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Botschafter der Verständigung Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen verliehen Seit 1977 wird der Kulturpreis des Landes Niedersachsen verliehen. In diesem Jahr ging die renommierte Auszeichnung an die Regisseurin Karin Kaper, den polnischen Historiker Stanislaw Slawomir Nicieja sowie an den Verein Pro Liberis Silesiae. Bei der feierlichen Übergabe am 12. August im Osnabrücker Theater am Domhof sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius als Vorsitzender der Jury, in seiner über 40-jährigen Geschichte habe sich der Kulturpreis zu einem Symbol der deutsch-polnischen Begegnung entwickelt. it ihren grenzüberschreitenden M Leistungen seien die Preisträger zu „Botschaftern für Verständigung, Versöh-

nung und Verbundenheit geworden“, betonte Pistorius. Die jährliche Preisverleihung, die abwechselnd in Schlesien und Niedersachsen stattfindet, drücke „die tiefe Verbundenheit zwischen Menschen aus Deutschland und Polen“ aus. „Das kann man gerade auch angesichts der aktuellen innenpolitischen Debatten in Polen nicht oft genug betonen.“ Pistorius warb dafür, die Idee des europäischen Zusammenhalts und die Solidarität innerhalb der europäischen Mitgliedsstaaten zu wahren und zu schützen.

Die Preisträger und Laudatoren des 41. Kulturpreises Schlesien: Tadeusz Samborski, Vizemarschall der Woiwodschaft Niederschlesien, Historiker Stanislaw Slawomir Nicieja, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, Regisseurin Karin Kaper, Margarethe Wysdak vom Verein Pro Liberis Silesiae (von rechts) im Theater am Domhof.

„Dies ist die Lehre,die uns die Erfahrungen von Deutschen und Polen eindringlich nahelegen.“ Der Vizemarschall der Woiwodschaft Niederschlesien, Tadeusz Samborski, versicherte, die heutigen Bewohner seien und blieben Hüter des kulturellen Erbes Schlesiens. Dieses sei nach dem Krieg nicht gänzlich verloren gegangen, sondern lebe im kollektiven Gedächtnis weiter. Im übrigen könne man feststellen, „dass uns eindeutig mehr verbindet als trennt.“

INFO

Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen Der Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen wird seit 1977 verliehen. In Niedersachsen hatten besonders viele deutsche Schlesierinnen und Schlesier, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen mussten, Aufnahme gefunden und wesentlich zum Wiederaufbau des Landes beigetragen. Die Niedersächsische Landesregierung hatte diesen Preis daher seinerzeit gestiftet als Zeichen der Verbundenheit des Landes Niedersachsen mit den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Schlesierinnen und Schlesiern.

Als Karin Kaper gemeinsam mit ihrem Lebens- und Schaffenspartner Dirk Szuszies im Frühjahr 2015 begann, Juden aus Breslau zu interviewen, war sie von dem Gedanken getrieben, Überlebenden von Holocaust und NS-Verfolgung eine Stimme zu verleihen. Seit der Uraufführung im Frühjahr 2016 hat der Dokumentarfilm „Wir sind Juden aus Breslau“ im In- und Ausland große Aufmerksamkeit erfahren. (Siehe Rezension in DOD 06/2016) Mit diesem Film, so bescheinigte ihr die Laudatorin Ulrike Treziak vom Berliner Museum Friedrichshain-Kreuzberg, habe Karin Kaper nicht nur ein Denkmal für die Breslauer Juden gesetzt, sondern zugleich ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Hass errichtet. In ihrer Dankesrede äußerte die Preisträgerin mit schlesischen Wurzeln die Hoffnung, dass der Film von möglichst vielen Menschen im heute polnischen Schlesien gesehen werden möge. Ferner sagte sie: „Möge das heutige Wroclaw die Erinnerung an das verloren gegangene jüdische Leben Breslaus am Leben


32 erhalten und darüber hinaus die Entwicklungen aufarbeiten, die zur Zerstörung polnischen jüdischen Lebens nach 1945 geführt haben.“ Der zweite Hauptpreis ging an den Geschichtswissenschaftler und Kunsthistoriker Professor Stanislaw Slawomir Nicieja, gebürtiger Niederschlesier und langjähriger Rektor der Universität Oppeln. Ihm sei es unter anderem zu verdanken, dass „fast 20 künstlerisch wertvolle, aus dem 19. Jahrhundert stammende, deutsche Denkmäler in Schlesien vor dem Zerfall gerettet“ werden konnten, sagte der Breslauer Museumsdirektor Maciej Lagiewski in seiner Laudatio. Mit Blick auf die früheren, von der Sowjetunion annektierten ostpolnischen Gebiete erklärte Lagiewski: „Mutige Wissenschaftler wie Slawomir Nicieja helfen uns, die komplizierte Geschichte Mitteleuropas des 20. Jahrhunderts zu verstehen. Dank dieser Geschichtslektion pflegen wir heute das Andenken an unsere alte Heimat und bringen gleichzeitig dem Werk ehemaliger Schlesier unsere Wertschätzung entgegen.“ Den Sonderpreis erhielt der Verein Pro Liberis Silesiae für dessen Verdienste um eine bilinguale und weltoffene Bildung und Erziehung. An drei oberschlesischen Standorten (Raschau, Goslawitz und Oppeln) würden auf der Grundlage der Montessori Reformpädagogik deutsche und polnische Kinder zweisprachig, gleichberechtigt und gemeinsam zu mündigen Bürgern erzogen, erläuterte Margarethe Wysdak, die als Vorstandsvorsitzende des Vereins den Preis entgegennahm. Mit der Preisverleihung solle auch ein Zeichen gesetzt werden, sagte Laudator Professor Michael Pietsch von der Universität Mainz. Ein Zeichen, „dass das Europa der Zukunft kein Europa des Nationalismus und der Abschottung sein darf.“ Und weiter: „Unser Europa ist eines der freien, selbstbewussten Bürger, eines ohne Grenzen und Schikanen, ein Europa des Friedens. Wie man das an die nächste Generation weitergeben kann, zeigt der Verein Pro Liberis Silesiae in vorbildlicher Weise.“ Musikalisch umrahmt wurde der Festakt von der Sängerin Viviane Kudo und dem Gitarristen Jo Schultz. Für die Folklore sorgte die Schlesische Trachtengruppe Osnabrück, die zwischen den Redebeiträgen traditionelleTänze darbot. Peter Pragal

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20 Jahre Museumspädagogik „Ritterschlag und Marktgeschrei“ Im Deutschordensmuseum in Bad Mergentheim stemmen engagierte Ehrenamtliche ein umfangreiches Angebot mit attraktiven, informativen und lehrreichen Programmen für Kinder und Jugendliche. Aus Anlass des 20-jährigen Bestehens des Arbeitskreises „Museumspädagogik am Deutschordensmuseum von Bad Mergentheim“ luden die ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen und die Direktorin des Hauses, Maike Trentin-Meyer, zu einem Rückblick im Rahmen eines Pressegesprächs ein.

„Mergentheimer Geschichte“ werden Programme angeboten, wie „Geheimnisvolles Mergintaim. Auf den Spuren von Rittern, Aufständischen und Königstreuen“ und „Hexentrank und Zauberkraut oder: Was bietet die Engel-Apotheke?“ Für Schüler ab 14 Jahren eignen sich anspruchsvollere Programme wie etwa

ereits seit 1997 veranstaltet der B Arbeitskreis zur Dauerausstellung sowie zu den wechselnden Sonderausstellungen erlebnisorientierte Programme für Kinder und Jugendliche, die in Form von Workshops oder Projekttagen, Fragebogen und Faltblättern sowie in Erkundungstouren für Familien angeboten werden. Die Workshops sind im „Baukastensystem“ verfügbar, so dass sich einzelne Elemente für unterschiedliche Altersstufen austauschen lassen. Bei einigen Themen können neben den Workshops auch vierstündige Projekttage gebucht werden. Mit einer an Lehrkräfte, Erzieher und Eltern gerichteten Broschüre informiert das Deutschordensmuseum über einige Programm-Highlights. Der Workshop unter dem Motto „Ritterschlag und Marktgeschrei – Leben im Mittelalter“ beschäftigt sich mit den großen Themen Burg, Ritter, Rüstung, Turnier und Fest. Im Rahmen der Reihe „Schlossgeschichte(n)“ können unter anderem Angebote wie „Ritter in Mergentheim – mit modernem Wappendesign“, „Wie aus einer Burg ein Schloss wird“ oder „Über 13 Schlüssel zum Deutschen Orden. Museumsrallye mit Isidor und Rufus, den Schlossgespenstern“ ausgewählt werden. In der Reihe

Ritterwelt in Bad Mergentheim.

jenes mit dem Titel „Jüdisches Leben in Mergentheim – Eine Spurensuche“. Der Weg der jüdischen Gemeinde Mergentheims – von der ersten Erwähnung im Jahr 1298 bis hin zur Deportation im August 1942 – wird nachgezeichnet. An der Kasse ist das vom Arbeitskreis Museumspädagogik selbst konzipierte, erarbeitete und gestaltet Museums-Suchund Mitmachbuch mit dem Titel „Unterwegs im Deutschordensmuseum mit dem Löwen Zacharias“ zu erwerben. Kinder ab 8 Jahren können Zacharias, dem Löwen, dabei helfen, sich nach jahrhundertelangem Schlaf am Fuß der Berwarttreppe im heutigen Schloss zurecht zu finden und lösen mit ihm Aufgaben und Rätsel. Die Teilnehmer erleben Abenteuer und erfahren ganz nebenbei viel über die Geschichte des Deutschen Ordens. D.G. Göllner (2)


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Verständigung und friedliches Miteinander in Europa Die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen widmete eine Tagung der Marienburg Vor kurzem fand in der Domstadt Köln eine internationale Fachtagung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen unter dem Motto „Die Marienburg und der Kölner Dom – Denkmalpflege und Architekturvollendung in der Romantik“ statt. Vor allem Kunsthistoriker, Architekten, Denkmalpfleger und Restaurateure nahmen an diesem Treffen teil. Mitveranstalter war das Deutsch-Polnische Forschungsinstitut am Collegium Polonicum Slubice, gefördert wurde die Tagung durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. ie Wiederherstellung der MarienD burg an der Nogat markiert den Beginn der Denkmalpflege in Preußen

bzw. in Deutschland. Sie eröffnete den Weg für die 1842 in Angriff genommene Fertigstellung des in der westlichsten Provinz gelegenen Kölner Doms als ein Symbol staatlicher und kultureller Einheit Deutschlands. Aus Anlass des 200-jährigen Jubiläums des Restaurierungsbeginns in Marienburg und des 175-jährigen Jubiläums des Beginns des Weiterbaus des Kölner Doms wurden bei der Tagung die Wiederherstellung bzw. Vollendung dieser Gebäude im Geist der Romantik aus aktueller Forschungsperspektive vorgestellt und diskutiert. Dabei wurden sowohl der politische und geistesgeschichtliche Hintergrund als auch die konkrete Arbeitsweise der frühen Denkmalpflege beleuchtet. Die wissenschaftliche Leitung dieser internationalen kunsthistorischen Fachtagung hatte Prof. Dr. Christofer Herrmann übernommen, der an der Universität Danzig lehrt und derzeit an der TU Berlin tätig ist. Im Rahmen der Sektion „Marienburg“ referierten Prof. Dr. Udo Arnold aus Bad

Die Marienburg.

Münstereifel zum Thema „Der Deutsche Orden und der preußisch-deutsche Patriotismus im 19. Jahrhundert“ sowie Prof. Dr. Bernhart Jähnig aus Berlin über „Theodor von Schön als Initiator der Wiederherstellung der Marienburg“. Dr. Kazimierz Pospieszny aus Marienburg/ Malbork sprach über „Die Bedeutung der Bauforschung in der Restaurierung des Marienburger Hochmeisterpalastes 1817-1925“ und Justina Lijka aus Marienburg behandelte das Thema „Im Dienst der Idee. Die Ansichten des Marienburger Schlosses des Danziger Vedutenmalers Johann Carl Schultz aus der Zeit der romantischen Restaurierung“. Ebenfalls zu diesem Themenkreis hielt Izabela Brzostowska aus Thorn den Vortrag „Der Restaurierung zweiter Teil – Die Marienburg unter Konrad Steinbrecht“. Beiträge zur Sektion „Architekturvollendung und frühe Denkmalpflege im 18./19. Jahrhundert“ boten Dr. Rita Mohr de Pérez aus Berlin, mit Einblicken in „Die Restaurierung des Magdeburger Doms in der Frühzeit staatlicher Denkmalpflege“ und Ing. Arch. Petr

Chotebor aus Prag, der „Die Vollendung des Prager Doms“ näher beleuchtete. Auch der Vortrag „Die romantische Wiederherstellung der Marienburg ab 1817 – 200 Jahre Denkmalpflege in Deutschland“ von Prof. Dr. Christofer Herrmann aus Danzig/Berlin gehörte zu dieser Sektion. Der dritte Themenblock der Fachtagung war dem Schwerpunkt „Kölner Dom“ gewidmet. Prof. Dr. Stefan Samerski aus Berlin, Michael H. G. Hoffmann aus Köln sowie Elmar Scheuren aus Königswinter und Dr. Thomas Schumacher aus Köln boten interessante Referate. Ein weiteres Schwerpunktthema der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, ist „Der Erste Weltkrieg und seine Folgen für das Zusammenleben der Völker in Mittel- und Ostmitteleuropa“. In Kooperation mit der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Marburg, wird am 2. und 3. November 2017 eine thematische Tagung abgehalten. Austragungsort ist diesmal das ArbeitnehmerZentrum von Königswinter. Dieter Göllner


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Bewahrer des kulturellen Erbes Georg Dehio-Kulturpreis 2017 an Paul Philippi verliehen Im Rahmen eines Festaktes im Otto-Braun-Saal der Staatsbibliothek zu Berlin wurde am 28. September zum achten Mal der Georg Dehio-Kulturpreis des Deutschen Kulturforums östliches Europa verliehen. Den Hauptpreis nahm der siebenbürgische evangelische Theologe, Wissenschaftler und Politiker Paul Philippi aus den Händen von Maria Bering, Gruppenleiterin für Geschichte und Erinnerung bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, entgegen. Den Förderpreis erhielt der tschechische Autor, Journalist und Aktivist Jaroslav Ostrčilík. it der Auszeichnung des 93-jähriM gen Philippi würdigte die Jury sein herausragendes Engagement für die

Wahrung des wissenschaftlichen und kulturellen Erbes der Siebenbürger Sachsen und für seinen konsequenten Einsatz für die Völkerverständigung im Donau-Karpaten-Raum. Auch habe er sich als deutscher Minderheiten-Politiker im Rumänien der Nachwendezeit Verdienste erworben. Philippi, gebürtige Kronstädter, der als Professor in Heidelberg und Hermannstadt/Sibiu wirkte, habe sich nicht darauf beschränkt, das reiche siebenbürgisch-sächsische Erbe museal zu schützen und zu bewahren, sagte der Bundestagsabgeordnete und frühere Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Christoph Bergner, in seiner Laudatio. Philippi sei es vielmehr auch darum gegangen, „dieses Erbe im Sturm der Herausforderungen, die die rumänisch-deutschen Gemeinschaften seit dem Zweiten Weltkrieg zu ertragen und zu bestehen hatten, immer wieder zu einem Kraftquell werden zu lassen, der Überleben sichern hilft.“

Weiter führte Bergner aus: „Paul Philippi lenkt unseren Blick auf die Vielfalt europäischer Siedlungsgeschichte und lässt uns dort nach Ressourcen für eine gemeinschaftliche europäische Zukunft suchen. Jedenfalls standen die Siedlungsstrukturen im mittelost- und südosteuropäischen Raum früh schon in erkennbarer Spannung und im deutlichen Widerspruch zur Idee homogener Nationalstaaten, die Paul Philippi. die Entwicklung des vergangenen Jahrhunderts dominierte.“ Bergner verwies auch auf die Rolle Philipps als Kritiker der These, das Deutschtum der Rumäniendeutschen sei nur durch Übersiedlung ins westliche Deutschland zu bewahren. Sein Entschluss zur Rückkehr in seine siebenbürgische Heimat „war jedenfalls eine Entscheidung gegen den Trend.“ Der zunächst in der Bundesrepublik lebende Wissenschaftler war von 1983 bis zu seiner Emeritierung 1994 ordentlicher Professor in Hermannstadt und hat dort – wie es im Programmheft der Preisverleihung heisst – „eine ganze Generation angehender Pfarrer der Evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien geprägt.“ Ende 1989 war Philippi Mitbegründer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), dessen Vorsitz er von 1992 bis 1998 innehatte. Den Förderpreis erhielt der 1983 in Wischau geborene Jaroslav Ostrčilík für sein langjähriges Engagement in der Vermittlung jüngerer Geschichte der einst multiethnischen Stadt Brünn, insbesondere für den von ihm organisierten jährlichen Gedenkmarsch, der die Erinnerung an die Vertreibung der deutschsprachigen Brünner am 30. Mai 1945 wachhalten soll. Bei diesem „Todesmarsch“, bei

dem die verbliebenen Deutschen Richtung Pohrlitz zur österreichischen Grenze getrieben wurden, waren nach neueren Studien mehr als 5.000 Menschen umgekommen. Ostrčilík, der nach dem Ende der kommunistischen ČSSR-Herrschaft in Österreich aufwuchs und später an der Masaryk-Universität in Brünn Politikwissenschaft und Germanistik studierte, ging seit 2006 jährlich mit wenigen Mitstreitern den einstigen Leidensweg der Brünner Vertriebenen von Brünn nach Pohrlitz. Er wollte damit öffentlich auf die lange tabuisierte gewaltsame Auflösung des Zusammenlebens von Deutschen und Tschechen hinweisen. 2015 kehrte er die Marschrichtung um. Damit wollte er die deutschsprachige Bevölkerung symbolisch wieder in die Stadt holen und eine Versöhnung initiieren. Zunächst schlossen sich ihm nur wenige Dutzend Landsleute an. Inzwischen wandern Hunderte Brünner gemeinsam von Pohrlitz nach Brünn, „um damit ein Zeugnis für die Suche nach einer Zukunft jenseits der Gewalt und des Zerwürfnisses abzulegen.“ Ostrčilíks Engagement für das deutsch-tschechische Verhältnis sei beispielhaft und trage nachhaltig dazu bei, die tiefen Wunden, die die furchtbaren Irrwege des 20. Jahrhundert verursacht haben, zu heilen und die Völker Mitteleuropas miteinander zu versöhnen, sagte Harald Roth, Direktor des Deutschen Kulturforums. Dass mittlerweile auch führende Lokalpolitiker hinter der Versöhnungsaktion stehen, machte der Brünner Oberbürgermeister Petr Vokral deutlich: „Der Schatten der früheren Tragödien liegt quasi bis heute auch auf der Stadt Brünn. Es ist jedoch die Aufgabe einer modernen Stadt des 21. Jahrhunderts, über den eigenen Schatten zu springen und die Vergangenheit in ihrer Komplexität zu reflektieren, auch wenn sie tragisch und unangenehm ist.“ Peter Pragal Privat (1); Verlag Winterwork (1)


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„Der Berliner ist meist aus Posen …“ Posener Spuren im heutigen Berlin „Der Berliner ist meist aus Posen oder Breslau“ – diese Feststellung Kurt Tucholskys (1890-1935) ist auch heute noch im öffentlichen Raum Berlins sichtbar. Viele Posener haben deutliche Spuren im Stadtbild Berlins hinterlassen und nicht zu unterschätzende Beiträge zur Entwicklung dieser Stadt zur Metropole geleistet. Diesen Spuren ist Harald Schäfer, langjähriger Bildungsreferent der DJO-Deutsche Jugend in Europa/Landesverband Hessen, in seinem beachtlichen Buch „Der Berliner ist meist aus Posen …“ nachgegangen.

Standort für viele innovative Unternehmer, die den Grundstein ihres wirtschaftlichen Erfolges in Berlin legten. Arbeitskräfte wurden benötigt, die vor allem aus dem preußischen Ostprovinzen kamen. Aus dem weitgehend agrarisch geprägten Posener Land gaben viele Architekten und Städteplaner Berlin sein sich immer wieder wechselndes Gesicht: so entwarf der Architekt Adolf Sommerfeld die Waldsiedlung „Onkel Toms Hütte“, Heinrich Mendelssohn zeichnete planerisch für den Bau des Europahauses verantwortlich und August Adolf Max Spitta hatte die Bauleitung der Siegesallee. Berthold Kempinski legte als Weinhändler mit einer Gaststätte die Voraus-

ie Posener kamen nach Berlin, das D wie ein Magnet auf sie wirkte, auf der Suche nach einem besseren Leben

oder weil sie aus politischen Gründen eine Zuflucht suchten. Berlin war ein attraktiver Anziehungspunkt für kreative Persönlichkeiten geworden. Die Berliner Universität zog viele Abiturienten aus den preußischen Ostprovinzen an, insbesondere viele Posener, weil die Hauptstadt der damaligen Provinz Posen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs noch keine Universität hatte.

Posener im Stadtbild In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte die damals preußische Hauptstadt Berlin eine stürmische wirtschaftliche Entwicklung. Mit der Gründung des Deutschen Reiches erhielt Berlin die Hauptstadtfunktion. Die Einwohnerzahl wuchs in den Jahren von 1871 bis 1910 von rund 930.000 auf 3,7 Millionen Bürger. Die Geschichte der Posener spiegelt sich auch im heutigen Stadtbild wider – vielfach unbekannt und unbeachtet. Die Reichshauptstadt wurde zum idealen

setzung für die berühmte Hotel-Kette, Rudolf Mosse baute in Berlin sein Zeitungsimperium auf, Hermann Tietz seine Kaufhaus-Kette, an die der Name Hertie erinnert und Salman Schocken seinen gleichnamigen Warenhauskonzern. Große Namen und berühmte Zeugnisse aus Kunst, Geistes-, Kultur-, Gesell-

schafts- und Industriegeschichte sind mit dem „Posener Einfluss“ auf die Entwicklung Berlins und Deutschlands verknüpft. Vielen ist nicht bekannt, dass die Maler Erich Buchholz, Walter Leistikow und Lesser Ury, die berühmten Schauspieler O. E. Hasse und Lilli Palmer sowie der Komponist Xaver Scharwenka aus Posen stammen.

Posener Persönlichkeiten Zahlreiche Persönlichkeiten aus der Provinz Posen haben die Berliner Kommunalpolitik maßgeblich mitgeprägt oder an herausragender Position Verantwortung getragen, wie z. B. Arthur Scholz, Bürgermeister der Stadt Berlin. Am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligten sich Posener, wie Carl-Friedrich Goerdeler und Herbert Baum. Auffallend viele sichtbare Zeichen weisen auf bedeutsame jüdische Mitbürger aus der einst preußischen Provinz Posen hin, weil auch dort ihr Anteil an der Bevölkerung relativ groß war. Die jüdischen Mitbürger haben zum Aufstieg Berlins und zu ihrer Modernität, ihrer Offenheit gegenüber neuen Ideen, ihrer Toleranz und ihrem Weltstadt-Charme beigetragen. Kulturpolitisch ist richtig, dass Harald Schäfer den Gebietsstand der ehemals preußischen Provinz Posen zum Ende des Ersten Weltkriegs berücksichtigt und auch Persönlichkeiten einbezogen hat, die im Kaiserreich als Deutsche polnischer Nationalität im Reichstag waren bzw. in der DDR eine Rolle spielten. Die Genannten und weitere Persönlichkeiten werden in alphabetischer Folge ihres Zunamens und unter zahlreichen Stichworten, wie Ehrenbürger (z. B. Generalfeldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg und der Politiker Wolfgang Straßmann), Gedenkstät-


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te der Sozialisten, Ostbahnhof, Partnerschaft, Gedenkstätte Plötzensee, Reichstag und Stadtälteste vorgestellt. Unter den Stichworten sind auch viele jüdische Einrichtungen und Hinweise auf Stolpersteine. Leider fehlen die Vereinigungen und Einrichtungen der Deutschen, die nach 1945 als Heimatvertriebene aus dem Gebiet der früheren Provinz Posen ein neues Zuhause in Berlin fanden. Diese gründeten dort bereits 1949 eine Landsmannschaft Posen als Vorläufer der Landsmannschaft Weichsel-Warthe, die eine aktive Landesgruppe und eine Frauengruppe hat. Außerdem bildeten sich in Berlin zahlreiche örtliche Gruppen der Heimatkreise ehemaliger Posener. Interessierte Landsleute aus Bromberg, Meseritz, Schneidemühl und Wirsitz treffen sich noch laufend. Auch der „Kirchendienst Ost“, den von 1950 bis 1976 Posener Persönlichkeiten leiteten, und die Stiftung Deutschlandhaus erfüllten während der Teilung Deutschlands und Europas in Berlin wichtige Funktionen. Im Deutschlandhaus wird jetzt eine Dauerausstellung der bundeseigenen Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung vorbereitet. Das entstand aus Seminarmaterialien, die für ein Mitarbeiterseminar der DJOHessen zusammengetragen wurden, das 2016 am Hessischen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation in Berlin vom Autor durchgeführt wurde. Die Veröffentlichung versteht sich als ein konkreter Beitrag zur Ausgestaltung der Landespartnerschaft „Hessen-Wielkopolska“ und der Patenschaft des Landes Hessen über die Landsmannschaft Weichsel-Warthe. Das lesenswerte Buch verdient eine vielseitige Beachtung und eine weite Verbreitung, weil die frühere Provinz Posen vielen Mitbürgern wenig bekannt ist und oft ungenannt bleibt. Es will darüber hinaus zur aktuellen Diskussion über die Zuwanderung in Deutschland anregen. Karl Bauer

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Hessischer Gedenktag und Tag der Heimat „Tag der Heimat“ des BdV in Hessen Wiesbaden. (dod) Im Jahr 2014 hat das Land Hessen neben Bayern und Sachsen einen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation geschaffen, um an die Zwangsumsiedlung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg zu erinnern. In Anwesenheit des Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier wurde am 17. September in der Rotunde des Biebricher Schlosses bereits zum vierten Mal der Gedenktag begangen. Unter den rund 200 Anwesenden begrüßte der Vorsitzende des BdV-Landesverbandes Hessen, Siegbert Ortmann, zahlreiche Ehrengäste, darunter den Präsidenten des Hessischen Landtages, Norbert Kartmann, den Minister für Soziales und Integration, Stefan Grüttner, den Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk, MdB, sowie Abgeordnete des Hessischen Landtages, Vertreter aus der Kommunalpolitik und aus den Vertriebenenverbänden und Landsmannschaften, wie u. a. BdV-Vizepräsident Albrecht Schläger.

Ministerpräsident Volker Bouffier sprach von einem „Tag des Gedenkens und der Würdigung“, den man heute gemeinsam begehe. An die Vertreibung und das damit einhergehende Leid sollte ebenso erinnert werden wie es gelte, die Leistungen der Heimatvertriebenen beim Wiederaufbau und ihrer Eingliederung zu würdigen. Die rund eine Millionen Heimatvertriebenen, die Hessen nach dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen habe, hätten das Land nachhaltig geprägt. „Ohne die Vertriebenen wäre Hessen nicht das, was es heute ist“, unterstrich der Ministerpräsident. Doch müsse nun auch der Blick nach vorne gerichtet und die Frage gestellt werden, wie es künftig weitergehe. Festredner Koschyk sprach Ministerpräsident Bouffier und der Hessischen Landesbeauftragten, Margarete ZieglerRaschdorf, seinen ausdrücklichen Dank aus: „Das Land Hessen gehört zu den Bundesländern, die sich für die deutschen Flüchtlinge, Heimatvertriebenen und Aussiedler besonders stark engagieren.“

INFO Schäfer, Harald, „Der Berliner ist meist aus Posen …“ Posener Reminiszenzen im heutigen Berlin, 315 Seiten, (Blätter zur ostpolitischen Bildungsarbeit, Folge 13), erschienen im Verlag Winterwork Borsdorf.

V. l. n. r.: Stadtrat Markus Gaßner, Stefan Grüttner, Minister für Soziales und Integration, Hartmut Koschyk MdB, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Landtagspräsident Norbert Kartmann, Ministerpräsident Volker Bouffier und Siegbert Ortmann, Vorsitzender des Landesverbandes Hessen e.V. im Bund der Vertriebenen. Hessische StKa (1); OSLM (1)


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Nachrichten

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Kultur und Geschichte im Schwerpunkt Veranstaltungshinweise aus den Museen und Institutionen Esskultur und Eisenbahnwelten Im Rahmen eines Aktionstages vom 12. November wird im Oberschlesischen Landesmuseum die neue Sonderausstellung „Kann Spuren von Heimat enthalten“ eröffnet. Passend zur Thematik der Präsentation bietet der Handwerker- und Delikatessenmarkt neben regionaltypischen Produkten

auch reichlich Information über Herstellungstechniken und die Bedeutung von Speisen und Handwerk. Der Aktionstag wird vom Kulturreferat für Oberschlesien aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien unterstützt. Bei einem Rundgang durch die neue Sonderausstellung – die vom Haus des Deutschen Ostens in München erarbeitet wurde – erkennt der Besucher, dass thematisch an die große OSLM-Ausstellung zu Schlesiens Esskultur von 2016 angeknüpft wird. Behandelt werden Themen wie Essen und Trinken, Alltag, Identität und Integration der Deutschen im östlichen Europa. Die Vielfalt der Landschaften, des Klimas, der Wälder, der Meere und Flüsse, aber auch die Besitzverhältnisse, hatten einen ent-

scheidenden Einfluss auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse und die daraus resultierende Ernährung der Bevölkerung. Aber auch leichte oder schwere körperliche Arbeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht, Reichtum oder Armut bestimmten den täglichen Speisezettel. Über die Jahrhunderte entwickelten die deutschen Bewohner in jedem Land und jeder Region eigene Rezepte für Speisen und Getränke. Die Ausstellung versucht aufzuzeigen, inwieweit das jeweilige kulinarische Erbe zum Erhalt der Identität der Deutschen aus dem Baltikum, aus Ostpreußen, Pommern, Russland, Schlesien, Böhmen, Mähren, der Slowakei, Ungarn, Jugoslawien oder Rumänien beigetragen hat. Beleuchtet wird die Lebenswirklichkeit der Flüchtlinge nach dem Jahr 1945 sowie der Aussiedler in späteren Jahren. In diesem Sinne werden sowohl die Hungerjahre in der Nachkriegszeit als auch die Überflussgesellschaft dokumentiert. Die Ausstellung ist in Ratingen bis zum 18. Februar 2018 zu besichtigen. Rahmenprogramm: Am 3. Dezember 2017, von 12 bis 18 Uhr, findet ein „Oberschlesischer Adventstag“ mit Führungen, Christbaumkugel-Workshops und dem berühmten schlesischen Mohnkuchen statt. Am 16. Dezember 2017, von

Typische kulinarische Spezialitäten erinnern im Oberschlesischen Landesmuseum an die Heimat. Süßer Teller: Liegnitzer Bombe, Schlesischer Bienenkorb, Kartoffelzucker aus Rumänien (z.B. Banat, Siebenbürgen), Königsberger Marzipan.

13.30 bis 15.30 Uhr, ist für Kinder zwischen 6 und 10 Jahren das museumspädagogische Programm „Weihnachten auf dem Teller“ geplant. Übrigens: Eine spannende Zeitreise durch die 175-jährige Geschichte der Eisenbahn in Schlesien können Besucher des OSLM in Ratingen bei der Besichtigung der großen Präsentation „Schlesische Bahnwelten. 175 Jahre Modernität und Mobilität“ noch bis Ende Mai 2018 erleben.

Heimatgefühle in Zeiten der Globalisierung Die neue Sonderausstellung im Haus Schlesien „Typisch schlesisch!?“ wird von einem Rahmenprogramm mit thematischer Führung, einer Tagung und einer Lesung begleitet. Am 16. November 2017 um 14.30 Uhr: Öffent-

liche Führung „Schlesische Dreiviertelstunde“ zum Thema „Identitätsstiftende Traditionen und Legenden“. Am 18. November 2017 von 10 bis 18 Uhr: Tagung zum Thema Heimatgefühle in Zei-

ten der Globalisierung unter dem Motto „Regionale Identität – Ursache und Wirkung“. Die Tagung sucht am Beispiel Schlesiens und des Rheinlandes Antworten auf die Fragen nach dem Entstehen von Regionalbewusstsein, der Identifikation mit dem regionalen Umfeld und deren Bedeutung. Den Abschluss des Programms bildet ein schlesisch-rheinischer Abend, an dem der Theorie die Praxis folgt. Humoristische Beiträge in beiden


38 Mundarten, Musik und regionale Spezialitäten bieten den Teilnehmern die Möglichkeit, die schlesische und rheinische Lebensart mit allen Sinnen zu erleben. Am 29. November um 19 Uhr: Lesung und Diskussion mit dem im oberschlesischen Oppeln/Opole geborenen Schriftsteller Matthias Nawrat am Rande seines neuen Romans „Die vielen Tode unseres Opas Jurek“.

Reformation, Lesung und Musik Bis Anfang Januar 2018 ist im DZM Ulm die Sonderausstellung „Flucht vor der Reformation – Täufer, Schwenckfelder und Pietisten zwischen dem deutschen Südwesten und dem östlichen Europa“ zu besichtigen. Die Präsentation thematisiert die Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern unterschiedlicher theologischer Richtungen, die bis zur endgültigen Etablierung der

neuen Glaubenslehre der Reformation herrschten. Die Gläubigen, deren Vorstellungen nicht mit der jeweils anerkannten Lehre konform gingen, mussten zwischen Anpassung, Märtyrertod oder Emigration wählen. Einzelne Gruppierungen entschlossen sich zum Auswandern, bestimmte Regionen entwickelten sich zu attraktiven Fluchtpunkten. Für beides spielte Südwestdeutschland eine herausragende Rolle. Die Ausstellung wurde vom Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg in Stuttgart konzipiert und steht unter der Schirmherrschaft des Ministers für Inneres, Digitalisierung und Migrati-

Nachrichten on, Thomas Strobl. Am 26. November und am 10. Dezember jeweils um 14 Uhr sind öffentliche Führungen durch die Sonderausstellung geplant, die die religiös bedingten Wanderungsbewegungen zwischen dem deutschen Südwesten und dem östlichen Europa vorstellen. Am 16. November um 19 Uhr lädt das DZM zu einem Vortrag mit Dr. Wolfgang Schöllkopf ein. Es geht um das Thema „Fromm und fleißig! Fröhlich und frei? Die Schwaben und der Pietismus“. Am 30. November um 18 Uhr wird in Kooperation mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa, Potsdam, das Programm „Das rote Akkordeon“ geboten. Balthasar Waitz liest aus seinem neuen, noch im Entstehen begriffenen Roman „Das rote Akkordeon“, in dem er aus der Perspektive eines Kindes über das Leben in einem banatschwäbischen Dorf erzählt und zugleich das Panorama einer Dorfwelt im

Absurdistan des Kommunismus zeichnet. Waitz, geboren 1950 in Nitzkydorf/ Nițchidorf (Rumänien), lebt als Schriftsteller und Redakteur der Banater Zeitung in Temeswar. Der Akkordeonspieler und Musikethnologe Anton Bleiziffer (Freiburg/ Sanktanna) begleitet die Lesung musikalisch mit einer Ziehharmonika.

Reformatorischer Wandel in Westpreußen Die Ausstellung „Bönhasen, Störer und arme Prediger – Die städtische Reformation in Westpreußen“ wurde im Westpreußischen Landes-

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Kindheit und Jugend in Oberschlesien Für ein neues Ausstellungsprojekt, das die Lebenswelten oberschlesischer Kinder und Jugendlicher vermitteln soll, startete das Oberschlesische Landesmuseum seit kurzem einen Aufruf an die Öffentlichkeit, mit passenden Exponaten an der Gestaltung der Präsentation mitzuwirken. Es geht darum, die Frage nach der Kindheit und Jugend in Oberschlesien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Wer Gegenstände, Dokumente und Fotografien vor allem aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg besitzt, ist eingeladen, mitzumachen. Die Themen sind breit gefächert und beziehen Familienleben, Erziehung und Bildung, Kleidung, Spielsachen, Religion, Kinderarbeit, Militärdienst – auch während des Krieges und der NS-Zeit – mit ein. Das Museumsteam will somit eine breitgefächerte Präsentation schaffen, in der vielfältige, persönliche Einblicke in die Lebenswelten oberschlesischer Kinder und Familien gezeigt werden. Die neue Ausstellung wird am 8. Juli 2018 eröffnet. Kontakt und weitere Informationen: Magdalena Chromik, Tel.: 02102/965-233 E-Mail: chromik@oslm.de

museum Warendorf Ende Oktober eröffnet und ist bis Anfang April 2018 zu sehen. In einer Tafelausstellung wird die Entwicklung des reformatorischen Wandels im „Preußen königlich polnischen Anteils“, dem späteren Westpreußen, dargestellt. Der Schwerpunkt liegt dabei in der Präsentation der Situation in den drei großen Städten Danzig, Elbing und Thorn.

Daneben werden aber auch Kleinstädte berücksichtigt, wobei erstmals neueste Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Ergänzt wird diese Präsentation durch eine weitere Aus-

stellung, die das Deutsche Kulturforum östliches Europa in Potsdam zur Reformation im östlichen Europa erstellt hat. Bis Ende März 2018 ist in Warendorf das Modul „Polen – Litauen – Preußenland“ im Westpreußischen Landesmuseum zu sehen.

Architektur und russische Revolution Die neue Ausstellung „Bohuslav Fuchs – Architekt der Avantgarde“ ist im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus bis zum 15. Januar 2018 zu besichtigen. Im Fokus steht das Werk des Architekten Bohuslav Fuchs (1895-1972), dessen Bauten man heute auf Schritt und Tritt in Brünn/ Brno wiederfindet. Hintergrund ist, dass Brünn – heute die zweitgrößte Stadt Tschechiens – so etwas wie ein „Bilderbuch des Bauens“ im


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ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gilt. Dort entstand eine große Dichte an funktionalistischen Bauten, wie es sie damals nur in Frankfurt, Rotterdam und Tel Aviv gab. Einer der Architekten im Sinne der Moderne war Bohuslav Fuchs. In der Ausstellung kommen zwölf tschechische und slowakische Architekten unserer Zeit zu Wort, die ausgewählte funktionalistische Bauten von Bohuslav Fuchs kommentieren. Die Aussagen werden mit ergänzenden Dokumentationen, historischen Fotografien und aktuellen Fotos vom heutigen Zustand der Bauten belegt. Als Begleitveranstaltung zur Ausstellung über Bohuslav Fuchs, dem Pionier der modernen tschechischen Architektur, läuft als Preview vor der eigentlichen Premiere beim DokFilm am 15. November von 19 bis 21 Uhr ein informativer tschechischer Streifen über Fuchs‘ architektonisches Erbe in Brünn. Architekten von heute nehmen die Zuschauer mit zu bedeutenden Gebäuden, die teilweise nicht öffentlich zugänglich sind, erklären Fuchs' Ideen und die Geschichte der einzelnen Bauten. Der filmische Rundgang auf den Spuren von Bohuslav Fuchs startet mit dem Café Zeman (1925/26), das 1964 abgerissen und 1994/95 neu aufgebaut wurde und endet mit dem Bahnhofspostamt (1938). Ergänzend werden Archivmaterialien wie Briefe, Tagebücher und Interviews, in denen Bohuslav Fuchs selbst zu Wort kommt, präsentiert. Im Anschluss an die Vorführung ist ein Gespräch mit dem Drehbuchautor Martin Polák

Nachrichten über den Film und das Erbe von Bohuslav Fuchs anberaumt. Ebenfalls am 15. November wird im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus die Ausstellung „Paarweise“ vor dem Eichendorff Saal des Gerhart-Hauptmann-Hauses in Düsseldorf eröffnet. Zu sehen sind Collagen und Fotografien, die Gabriele Kerkhoff und Sigurd StorchCicogna aus Gefundenem gestaltet haben. Die „Fundsachen“ sammelten sie auf ihren Reisen in Ost und West. Die beiden Künstlerinnen waren übrigens bereits am Ausstellungsprojekt „Sammelsurium“ beteiligt. Die Ausstellung ist bis zum 15. Januar 2018 zu besichtigen. Am 22. November um 19 Uhr hält Prof. Dr. Jörg Baberowski den Vortrag „Leben in der Katastrophe. Die russische Revolution 19141924“. Die revolutionären Ereignisse in Russland im Jahr 1917 gehören zu den einschneidenden Zäsuren des 20. Jahrhunderts. Die politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen im Osten Europas waren ein tiefgreifender Einschnitt, dessen Nachwirkungen bis heute spürbar sind. 100 Jahre nach der Februar- und Oktoberrevolution nimmt der Berliner Osteuropahistoriker Jörg Baberowski das Jahrzehnt des Ausnahmezustands in Russland in den Blick.

Carl Knauf und die Kurische Nehrung Die Ausstellungseröffnung im Ostpreußischen Landesmuseum von Lüneburg am 24. November um 18.30 Uhr dürfte besonders viele Kunstfreunde und auch Liebhaber der Kurischen Nehrung anlocken. Unter dem Titel „Licht über Sand und Haff“ wird Carl Knauf (1893-1944) als

Maler in Nidden vorgestellt. Knauf gehörte lange Zeit der Künstlerkolonie Nidden an und war seinerzeit einer der bekanntesten Maler auf der Kurischen Nehrung. Er arbeitete dort ein Vierteljahrhundert und wird zum engsten Kreis der Künstler in Nidden gezählt. Obwohl Knauf viele Gemälde des idyllischen L a n d strichs geschaffen hat, war er bis vor zehn Jahren fast unbekannt. Dem Einsatz des Hamburger Sammlers Dr. Bernd Schimpke ist es zu verdanken, dass in jüngster Zeit Knaufs Werk in großem Umfang gezeigt werden kann. Carl Knauf wurde 1893 in Godesberg geboren und studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie. Ab 1920 war er in Ostpreußen ansässig und konzentrierte sich in seinem Schaffen ganz auf die Kurische Nehrung und das Memelland. Heute gilt Carl Knauf als Wiederentdeckung und Neueinführung in die Kunstgeschichte.

Böhmisches Handwerk und Literatur-Event In der Dauerausstellung des Rheinbacher Glasmuseums wird ein Überblick über die Kunst böhmischer Glasherstellung und -veredlung angeboten. Zu sehen sind unter anderem barocke Schnittgläser, Farb-, Schliff- und Schnittgläser des Biedermeier, Freundschaftsbecher, Prunkpokale des Historismus, Bäder- und Souvenirgläser des 19. Jahrhunderts sowie Jugendstil-, Art-Déco- und Fachschulgläser aus Steinschönau und Haida. Weil die Glasmanufaktur im Eifelstädtchen eine lange Tradition hat

39 und mit der Ansiedlung vertriebener sudetendeutscher Facharbeiter eng verbunden ist, widmet das Spezialmuseum der Entwicklung des Rheinbacher Glases eine eigene Abteilung. Die gebürtige Siebenbürgerin Dr. Ruth Fabritius, die das Glasmuseum seit vielen Jahren leitet, verweist auch auf eine weitere Ausrichtung des Hauses. Es handelt sich um zeitgenössische Studioglasobjekte aus der Sammlung Mülstroh, die Künstler aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Malta, den Niederlanden, Norwegen, Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und den USA geschaffen haben. Neben Ausstellungen und Künstlertreffen beherbergt das Rheinbacher Glasmuseum auch verschiedene kulturelle Events. So findet am 18. November um 19 Uhr im Rahmen der Reihe „Literatur zum Essen“ ein Programm zum Thema „Freundschaft“ statt. Veranstalter ist die Firma esskultur aus Köln. Susanne Rump und Andres Lange lesen szenisch aus dem Kinderbuchklassiker von Erich Kästner „Pünktchen und Anton und die Berliner Luft“. Kästners Roman von 1931 geht weit über jene Freundschaft hinaus, die sich gegen alle Widerstände zu behaupten weiß. Denn nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob sich ungleiche Voraussetzungen überwinden lassen – ein Thema, das mehr denn je für unsere Gesellschaft bedeutsam ist. Passend dazu serviert esskultur ein Menü aus dem Berlin der 20er Jahre. Dieter Göllner


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Noch in Schlesien geboren: Johannes Hoffmann Gratulation zum 80. Geburtstag des Wissenschaftlers Dortmund. (dod) Wer in den fünfziger Jahren die Aufstellungen von Fußballmannschaften im Ruhrgebiet studierte, war immer wieder erstaunt darüber, dass manche der dort aufgeführten Spieler polnische Nachnamen hatten. So gab es in der deutschen Nationalmannschaft, die am 4. Juli 1954 drei Tore gegen Ungarn schoss, einen Anton Turek (1919-1984). Und nach dem Sieg rückten zwei neue Spieler in die Nationalmannschaft vor: der Düsseldorfer Erich Juskowiak (1926-1883) und der Wuppertaler Horst Szymaniak (1934-2009). Das alles konnten man sich vage damit erklären, dass mit der Aufteilung Polens zwischen Russland, Österreich-Ungarn und Preußen im 18. Jahrhundert polnische Gebiete von erheblichem Umfang ins Königreich Preußen eingegliedert worden waren und damit 1871 auch ins Deutsche Kaiserreich, deren Bewohner dann ins Ruhrgebiet einwanderten, wo es Arbeit gab. Wer genauer informiert sein wollte, der griff zu den beiden umfangreichen (458 und 500 Seiten) Bänden eines „Lexikons der Familiennamen polnischer Herkunft im Ruhrgebiet“, das 2006 und 2010 bei der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund erschienen ist. Herausgeber waren Kazimierz Rymut (1935-2006), Direktor des „Instituts für polnische Sprache“ in Krakau, und Johan-

nes Hoffmann, Leiter der Dortmunder „Arbeitsstelle Ostmitteleuropa“, der am 9. August seinen 80. Geburtstag feiern konnte. Beide Wissenschaftler haben 30.000 Familiennamen mit polnischen Wurzeln ermittelt, der erste Band wird eingeleitet mit einem Abriss der Geschichte polnischer Einwanderer ins Ruhrgebiet 1870 bis 1945. Dass Johannes Hoffmann Schlesier ist, war bei dieser Themenwahl ganz sicher von Bedeutung. Er wurde 1937 in der oberschlesischen Stadt Bad Ziegenhals geboren, die 1939 fast 10.000 Einwohner hatte. Sein Vater Alfred Hoffmann war Sargfabrikant. Die Familie floh, als die Front 1945 näher rückte, unter Führung des Großvaters über die nahe Grenze nach Mähren, auf sudetendeutsches Gebiet, und kehrte von dort, nach Einstellung der Kampfhandlungen, nach Schlesien zurück, wo sie noch fast ein Jahr in der alten Heimat verbrachte. Eine Woche vor Ostern 1946 aber wurden die Hoffmanns aus Bad Ziegenhals vertrieben und fanden ein neues Zuhause im Münsterland, in der Britischen Besatzungszone. Der Vater Alfred Hoffmann wurde 1946 aus amerikanischer Gefangenschaft entlassen. In Dortmund, im Bundesland N o r d r h e i n - We s t f a l e n , besuchte Johannes Hoffmann von 1949 an das Staatliche Humanistische Gymnasium und bestand dort Ostern 1958 das Abitur. Danach ging er zur Bundeswehr und leis-

Historisches Institut der TU Dortmund.

tete seinen Wehrdienst ab, ehe er von 1959 bis 1966 die Fächer Geschichte, Latein, Geografie, Philosophie und Pädagogik studierte, zunächst in Freiburg/Breisgau, dann an der Freien Universität Berlin und in Münster. Bei dieser Fächerverbindung konnte sein Berufsziel nur sein, als Lehrer an Höheren Schulen zu unterrichten, was er auch bis 1972 als Studienrat und Oberstudienrat getan hat. Dann aber übernahm er 1973 als wissenschaftlicher Leiter die „Forschungsstelle Ostmitteleuropa“ an der Universität Dortmund, die 1952, damals unter dem Namen „Ostdeutsche Forschungsstelle“, gegründet worden war. Dort konnte er eine breitgefächerte Tätigkeit entfalten und, zuletzt als Akademischer Oberrat, bis zum Eintritt in den Ruhestand 2002 eine Reihe wissenschaftlicher Projekte begründen und befördern. Die wissenschaftliche Leistung, die Johannes

Hoffmann während seiner 29 Jahre an der Universität Dortmund erbracht hat, ist bewundernswert. Da er auch die polnische Sprache beherrscht, was bei seinem Fachgebiet unabdingbar ist, sind ihm Forschungsergebnisse zugänglich, die anderen verschlossen bleiben. Allein die Anzahl der wissenschaftlichen Werke, für die er als Herausgeber verantwortlich war, erschlägt den Betrachter: So sind in den vier Buchreihen nicht weniger als 123 Titel erschienen. Es ist ihm weiterhin gelungen in Ostmitteleuropa, besonders in Polen, neue Mitarbeiter ausfindig zu machen und sie für die Bearbeitung bestimmter Themen zu gewinnen; das gelang ihm dann auch nach der Revolution in Mitteldeutschland 1989 mit DDRHistorikern wie Manfred Wille in Magdeburg und Wolfgang Meinicke in Ostberlin. Besonders ertragreich war dabei die Kooperation mit TU Dortmund (1); Dietrich Breuer (1)


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Manfred Wille, der übrigens schon im April 1990 zu ersten DDR-Tagung über Flucht und Vertreibung eingeladen hatte; ihm sind die drei Dokumentensammlungen (insgesamt 1441 Seiten) „Die Vertriebenen in der SBZ/DDR“ (1996, 1999, 2003) zu verdanken, die einen seltenen Einblick gewähren in die SED-Restriktionspolitik gegenüber den „Umsiedlern“. Ein weiterer Höhepunkt in der Editionspolitik Johannes Hoffmanns war das bis heute einmalige Standardwerk „Der ungeheure Verlust. Flucht und Vertreibung in der deutschsprachigen Belletristik der Nachkriegszeit“ (1988) des deutsch-amerikanischen Germanisten Louis

Nachrichten Ferdinand Helbig, das 1996 in der dritten Auflage erschien. Dieses Buch wie auch die vorausgegangene Aufsatzsammlung „Sie hatten alles verloren. Flüchtlinge und Vertriebene in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands“ (1993), herausgegeben von Manfred Wille, Johannes Hoffmann und Wolfgang Meinicke, erschienen im Wiesbadener Harrassowitz-Verlag, der eine lange Tradition (gegründet 1872 in Leipzig) als Wissenschaftsverlag vorzuweisen hat. Beim Stöbern im Publikationsverzeichnis der Forschungsstelle findet man auch Bücher, die ganz seltenen Themen gewidmet sind, wie das von Hans Pörnbacher

„Joseph Freiherr von Eichendorff als Beamter“ (1963). Der im oberschlesischen Lubowitz geborene Dichter (1788-1857) wurde mit seiner Lyrik weltberühmt, seinen Lebensunterhalt aber verdiente er als preußischer Beamter 1816 bis 1844 in Danzig, Königsberg und Berlin. Unter dem Titel „Erlebte Geschichte zwischen Pregel und Rhein“ (1880) hat der Königsberger Journalist Wilhelm Matull (1903-1985) seine Lebensgeschichte aufgeschrieben, die Johannes Hoffmann veröffentlicht hat. Kaum jemand weiß heute noch, dass er auch Verfasser eines Buches über „Ostpreußens Arbeiterbewegung“ (1970) ist. Genannt werden soll auch Ernst-August Brenn-

41 eisens Autobiografie „Stationen eines Lebens. Ein ostpreußischer Bauer erzählt“ (1992), weil sie uns Einblicke gibt in einen längst entschwundene Welt. Um ein derart gewaltiges Buchprogramm realisieren zu können, muss man, wie Johannes Hoffmann, ein großer Anreger sein, der Fachleute anspricht, sie stärkt, wenn sie aufgeben wollen, ihnen Zuspruch und Ratschläge gibt. Es ist ein weiter Weg von der ersten Anregung bis zum fertigen Manuskript und zum gedruckten Buch. Das alles geleistet zu haben über Jahrzehnte, ist das große Verdienst Johannes Hoffmanns. Jörg Bernhard Bilke

Schlesische Kulturtage herausragendes Ereignis Grenzüberschreitende Beziehungen standen im Mittelpunkt Duderstadt. (dod) Das gemeinsame kulturelle Erbe, dessen Pflege und Weiterentwicklung sowie die grenzüberschreitenden Beziehungen in die Heimatgebiete standen im Zentrum der „Schlesischen Kulturtage“ der Landmannschaft Schlesien in Niedersachsen, die vom 26. bis 28. September 2017 traditionell in Duderstadt stattfanden. Die rund 80, auf Einladung des Landesvorsitzenden Helmut Sauer aus fast allen Kreisgruppen angereisten Schlesier besprachen die Arbeit vor Ort, in den Heimatgebieten und gaben einander Anregungen, wie mit dem wichtigen Thema des Erinnerungs- und Verantwortungstransfers von der Erlebnisgeneration von Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg hin zur Bekenntnisgeneration umzugehen ist. Auch der Brücken-

bau zu Schlesien wurde thematisiert, der von den Vertriebenen getragen wird und fortgesetzt werden soll. Für viele waren die Kulturtage, in deren Rahmen immer auch die Landesdelegiertentagung der Landsmannschaft stattfindet, nach dem Deutschlandtreffen der Schlesier im Juni in Hannover und der Verleihung des Kulturpreises Schlesien des Landes Niedersachsen im August in Osnabrück das dritte wichtige heimatpolitische Ereignis des Jahres im Patenland der Schlesier. Aktive Kulturpflege wurde den Teilnehmern durch einen Erntedankabend mit Liedern, Gedichten und Geschichten dank der Vorbereitung von Adelheid Moschner ermöglicht. Über die die seit 65 Jahren bestehende „Stiftung Kulturwerk Schlesien“ in Würzburg und das Bundesinstitut für Kultur und Geschichte

der Deutschen im östlichen Europa mit Sitz in Oldenburg sprach Kulturreferentin Dr. Idis Hartmann. Dabei gab es viel Neues zu erfahren. Helmut Sauer hatte es übernommen, an seinen früheren CDU-Bundestagskollegen, Vizekanzler Dr. Erich Mende (Groß-Strehlitz/OS) zu erinnern, der im vergangenen Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Edith und Ernst-August Jacobs brachten den Zuhörern und Zuschauern schlesi-

sche Maler in Wort, Bild und untermalt mit passender Musik näher. Dafür gab es viel Beifall. Zum Abschluss hatte der Landesvorsitzende noch einmal alle Hände voll zu tun. Er informierte über heimat- und tagespolitische Entwicklungen und beantwortete vielfältige Fragen, u.a. zu den jüngst geäußerten Reparationsforderungen der polnischen Regierung, die er zurück wies. Dietrich Breuer

Erinnerungsfoto für die Teilnehmer an den Schlesischen Kulturtagen 2017 in Duderstadt.


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Ehrenamtliche informieren sich in Berlin BdV-Bundesverband veranstaltet Ehrenamtsseminar zum 4. Mal Berlin. (dod) Zur vierten zentralen Arbeitstagung „Integration durch Ehrenamt“ hatte der Bund der Vertriebenen am 1. September 2017 in die Räumlichkeiten des Ernst-Lemmer-Instituts eingeladen. Begrüßt wurden die rund 75 anwesenden, engagierten Ehrenamtlichen von BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius und der Fachbereichsleiterin für Eingliederung und Recht beim BdV, Gisela Schewell. Anlässlich des 60-jährigen Verbandsjubiläums und der am Folgetag stattfindenden Auftaktveranstaltung zum Tag der Heimat fasste der Präsident die Erfolge der Verbandsarbeit zusammen, beschrieb die gegenwärtigen Aufgaben und ging auf zukünftige Herausforderungen ein. Insgesamt, so betonte Fabritius etwa, fuße die Arbeit des BdV auf den bereits in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen von 1950 niedergeschriebenen Grundsätzen. Schon damals sei insbesondere den osteuropäischen Nach-

barn mit dem Ziel eines freien, friedlichen und geeinten Europas die Hand gereicht worden. Konsequent würden sich die Vertriebenen und ihre Verbände bis heute für die grenzüberschreitende Verständigung einsetzen. Auch das Engagement des BdV in der Migrationsberatung passe in dieses Bild. Hier würden überwiegend Spätaussiedler beraten – aber auch anerkannte Flüchtlinge, die durch den Heimatverlust ähnliche Schicksalserfahrungen gemacht hätten und denen die deutschen Vertriebenen und Spätaussiedler daher mit Empathie begegnen. Ansonsten bestehe kaum Vergleichbarkeit dieser Gruppen, zumal die deutschen Vertriebenen nach moderner Diktion „Binnenvertriebene“ waren, die heutigen Vertriebenen und Flüchtlinge jedoch sprachlich sowie kulturell Fremde seien, für die völlig unterschiedliche Integrationserfordernisse beachtet werden müssten, hob der BdV-Präsident hervor. Dem Bundestag und der Bun-

Mit großem Interesse lauschten die Teilnehmer den Fachvorträgen der Referenten.

Das Podium am Vormittag (v.l.n.r.): Gisela Schewell, BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius, Marc-P. Halatsch.

desregierung dankte er für die Einführung der Anerkennungsleistung an ehemalige zivile deutsche Zwangsarbeiter, wofür sich der BdV lange eingesetzt habe. Die bislang mehr als 25.000 Anträge zeigten, dass diese symbolische Geste gut angenommen werde. Am 31. Dezember 2017 laufe die Antragsfrist ab, gab Fabritius zu bedenken und empfahl Betroffenen, ihre Ansprüche noch fristgerecht geltend zu machen. Das besondere Altersarmutsrisiko bei Spätaussiedlern bezeichnete der BdV-Präsident als „GenerationenUngerechtigkeit im Rentenrecht“. Diejenigen, die mit gut ausgebildeten und hart arbeitenden Kindern besonders zur Sicherung unserer sozialen Systeme beitrügen, hätten seit den 1990er Jahren die Zeche für eine Neiddebatte zahlen müssen. Der BdV arbeite mit Nachdruck daran, die Situation dieser Menschen zu verbessern und

habe dafür mehrere Vorschläge unterbreitet, die Zustimmung und Unterstützung der Unionsfraktion im Bundestag erreicht hätten. Abschließend rief er die Anwesenden zur Teilnahme an der Bundestagswahl am 24. September 2017 auf. Ohne einen konkreten Wahlvorschlag zu machen, empfahl er, möglichst keine Partei zu wählen, die Anliegen der Heimatvertriebenen nicht unterstütze. Dabei sollte man bisherige Erfahrungen beachten, die Äußerungen der jeweiligen Kandidatinnen und Kandidaten verfolgen und sich anderweitig über die Ziele der Parteien informieren. Gleichzeitig betonte er aber: „Lassen Sie nicht zu, dass extreme und populistische Positionen von links oder von rechts im politischen Diskurs die Oberhand gewinnen. Mit Abschottung, Nationalismus und anti-europäischen Tendenzen werden all unsere Erfolge und ErrunGriesbach/BdV (2); Markus Bauer (1)


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genschaften, die uns Wohlstand und ein Leben in Frieden und Freiheit bescheren, ins genaue Gegenteil verkehrt.“ Viele Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, dem BdV-Präsidenten ergänzende Fragen zu stellen. Geduldig und detailliert antwortete Fabritius insbesondere zur Rententhematik. Dabei wurde deutlich, wie wichtig eine Lösung der damit verbundenen Probleme für die Betroffenen ist und wie dankbar diese den von den Unionsparteien aufgegriffenen Vorstoß des BdV aufnehmen. Thematisch verwandt ging es mit einem Vortrag von Volker Schmidtke von der Verbraucherzentrale Berlin weiter. Unter der Überschrift „Gegen die Altersarmut – Selbstvorsorge“ schilderte er den Ehrenamtlichen die wichtigsten Eckpunkte der privaten Altersvorsorge. Spannend war auch das Thema „Schulden-Folgen und Auswege“, vorgestellt von Christoph Wenner von der Schuldner- und Insolvenzberatung des Caritasverbandes Berlin. Wenner ging darin auf immer wieder zu beobachtende Schuldenfallen hin und zeigte Wege aus den daraus entstehenden, oft schwierig zu bewältigenden persönlichen Krisensituationen. Den Schlusspunkt der diesjährigen Veranstaltung bildete ein Rundgespräch zum Thema „Grenzüberscheitendes Engagement, Zeitzeugen und Nachwuchsarbeit im BdV“. Roland Zillmann, Leiter des Fachbereiches Grundsatzfragen und Jugendarbeit beim BdV, und Markus Patzke, Chefredakteur dieser Zeitung, suchten darin das offene Arbeitsgespräch mit den Teilnehmern der Ehrenamtstagung und brachten ihnen Grundzüge der grenzüberschreitenden Arbeit sowie der möglichen Finanzierung solcher Aktivitäten nahe.

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20 Jahre „Plasto Fantasto“: „Freundschaft für das Leben!“ Jubiläum der Kinder- und Jugendbegegnung der Ackermann-Gemeinde Haidmühle. (dod) Dass eine Veranstaltung für Kinder und Jugendliche 20 Jahre Bestand und immer noch Zulauf hat – auf deutscher und tschechischer Seite, das verdient Respekt. Die Kinderund Jugendbegegnung „Plasto Fantasto“ vom 13. bis 20. August fand zum 20. Mal statt. Während der Begegnungswoche beschäftigten sich die 52 Kinder und Jugendlichen im Alter von acht bis 15 Jahren mit dem Thema „Grenzenlos glücklich“. Paritätisch kamen sie aus Deutschland (v.a. Bayern und Baden-Württemberg) und aus ganz Tschechien. Neun Teamer aus beiden Ländern betreuten den Nachwuchs, die Gesamtleitung oblag der seit Januar tätigen Jugendbildungsreferentin der Ackermann-Gemeinde Amálie Kostřížová. Sie konnte persönlich auf 15 Jahre „Plasto Fantasto“ zurückblicken – als Teilnehmerin, Leiterin und nun Hauptverantwortliche. „Mehrere Kinder und Jugendliche waren schon häufiger dabei, aber wir bekommen immer auch Neulinge“, freut sich die Jugendbildungsreferentin. Das sind dann Freunde und Bekannte der bisherigen Teilnehmer, die Kinder früherer JA-Mitglieder und heutiger Mitglieder der „Jungen AckermannGemeinde“. Auf tschechischer Seite kommen die Teilnehmer über die Sdružení Ackermann-Gemeinde, die spirála – und auch über Berichte in Zeitungen. Und mehrere kreative Arbeitskreise gehörten zum Programm: Theater, Basteln, Singen. Deren Ergebnisse

Jugendbildungsreferentin Amálie Kostřížová (links) und Kristýna Kopřivová brachten die Jubiläumstorte, die zum Beginn der Abschlussparty natürlich feierlich angeschnitten – und dann auch verzehrt wurde.

konnten die Gäste am Samstagnachmittag bestaunen: ein von Kristýna Kopřivová geschriebenes Theaterstück, in dem zwei Mädchen in einer Zeitreise Personen und Ereignisse der gemeinsamen deutsch-tschechischen Geschichte erleben – verbindende und trennende Aspekte, wobei aber immer der versöhnende, Einheit stiftende Gedanke zum Tragen kam. So tauchte Kaiser Karl IV. ebenso auf wie Jan Hus und Martin Luther, es ging um Nationalhymnen und die Kinderoper „Brundibár“ von Hans Krása, die von Freundschaft und Zusammenhalt, aber auch vom Konzentrationslager Theresienstadt handelt. Den Abschluss bildete das in einem grenzenlosen Europa mögliche Reisen – eben auch zur 20. Plasto Fantasto nach Haidmühle. Die Kulissen für das Theaterstück, die Gesangsund Musikbeiträge sowie die szenischen Darstellungen haben die Mädchen und Jungen in den kreativen Arbeitskreisen entwickelt.

Aktiv dabei als Musiker und Lektoren waren die Kinder und Jugendlichen auch bei dem vom Pilsener Altbischof František Radkovský zelebrierten Gottesdienst. In seiner Predigt ging er auch auf das Tagungsthema ein. „Grenzen teilen etwas bzw. Leute und auch Lebensstile. Hier sind wir an der Grenze. Gott sei Dank ist der Eiserne Vorhang heute weg. Früher war die Grenze ganz schrecklich. Heute kann man ohne Probleme kommen und gehen“, verdeutlichte der emeritierte Bischof. Geblieben sei aber die Sprachbarriere. „Wichtig ist, die Sprache des Nachbarn zu lernen, um ihn besser zu verstehen“, appellierte er wenigstens zur passiven Kenntnis der Nachbarfremdsprache. Und auch auf die Grenze zwischen den Menschen bzw. Persönlichkeiten wies der frühere Pilsener Oberhirte hin. „Jeder hat seine Freiheit und damit bestimmte Rechte. Die Anderen müssen das respektieren!“ Markus Bauer


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PERSONALIEN Rüdiger Scholz MdL ist Beauftragter für Vertriebene und Aussiedler der NRW-CDU-Landtagsfraktion Die CDU-Landtagsfraktion hat den Leverkusener Abgeordneten Rüdiger Scholz einstimmig zum Beauftragten für Vertriebene, Aussiedler und deutsche Minderheiten ernannt. Rüdiger Scholz, der auch Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen in Leverkusen ist und im BdV-Landesvorstand sitzt, ist aus diesen Funktionen heraus mit den Themen vertraut. Er erklärt dazu: „Ich freue mich über das Vertrauen der CDU-Landtagsfraktion. Durch meine Tätigkeiten beim Bund der Vertriebenen habe ich seit vielen Jahren Kontakt zu den Verbänden, die die Interessen der Menschen vertreten, die nach dem Krieg ihre Heimat in den ehemaligen deutschen Ostgebieten verlassen mussten. Leverkusen war eine der westdeutschen Städte, die sehr viele Vertriebene aufgenommen hat. Die Straßennamen in den damals neuen Siedlun-gen in Rheindorf oder Steinbüchel zeugen noch heute davon. Als Vorsitzender der Partnerschaftsinitiative Leverkusen-Ratibor pflege ich zudem die Kontakte zu den heutigen Bewohnern in unserer Partnerstadt. Ich freue mich auf die Aufgabe und den Beitrag, den ich dabei für die Verständigung leisten kann.“ BdV-Präsidialmitglied Milan Horáček erhält hohe tschechische Ehrung Am 6. September 2017 ist BdVPräsidialmitglied Milan Horáček von der Tschechischen Republik in Prag für seinen Widerstand gegen den Kommunismus ausgezeichnet worden. Hierzu erklärt BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB: „Die Auszeichnung, die Milan Horáček namens des tschechischen Verteidigungsministers Martin Stropnický für „Kampf und Widerstand gegen den Kommunismus“ erhalten hat, ist hochverdient. Sie würdigt den Beginn eines lebenslangen, mutigen Einsatzes für Menschenrechte und gegen jedwedes totalitäre Unrecht. Außerdem steht sie sinnbildlich für das sich immer weiter verbessernde Verhältnis zwischen den Vertriebenen, ihren Verbänden und der Tschechischen Republik. Dies unterstreichen auch die offiziellen Reden tschechischer Regierungsvertreter bei den Sudetendeutschen Tagen. Auch die Ehrung eines gleichermaßen auf Ver­ständigung wie auf Wahrheit bedachten, kritischen Geistes wie Horáček zeigt, dass es ein gutes und vertrauensvolles Miteinander geben kann, trotz der Verwerfungen und

Schrecknisse aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Ich freue mich über Milan Horáčeks Ehrung und gratuliere ihm herzlich." Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten wählt Eckhard Pols Die Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hat in ihrer konstituierenden Sitzung den niedersächsischen Abgeordneten Eckhard Pols zum neuen Vorsitzenden gewählt. Zur Arbeit der Gruppe erklärt der frisch gewählte Vorsitzende: „Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hat in der 19. Wahlperiode wieder eine Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten eingerichtet. Sie wird dafür Sorge tragen, dass die Anliegen der für die Unionsparteien nach wie vor wichtigen Bevölkerungsgruppen der Heimatvertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten auch im neuen Deutschen Bundestag vertreten werden. In den anstehenden Koalitionsverhandlungen wird sie sich dafür einsetzen, Nachteile deutscher Spätaussiedler in der Rentenversicherung, die sich durch Änderungen des Rentenrechts ergeben haben, zu beseitigen. Außerdem wird sie die deutschen Heimatvertriebenen und Aussiedler weiterhin dabei unterstützen, ihr vielfältiges kulturelles und geistiges Erbe zu bewahren sowie ihr Brauchtum lebendig zu halten. Die Mitglieder der Gruppe dankten im Rahmen der Sitzung dem aus dem Deutschen Bundestag ausscheidenden bisherigen Vorsitzenden Klaus Brähmig herzlich für seine erfolgreiche Arbeit in der 17. und 18. Wahlperiode.“ Dr. Günter Krings wird Übergangsnachfolger von Hartmut Koschyk als Aussiedlerbeauftragter Am 20. September 2017 teilte das Bundesministerium des Innern in einer Pressemitteilung mit, der Parlamentarische Staatssekretär Prof. Dr. Günter Krings MdB werde in der Nachfolge von Hartmut Koschyk MdB ab dem 1. November 2017 übergangsweise die Aufgaben des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten übernehmen. Koschyk habe zum 31. Oktober 2017 um Entbindung von den Amtsgeschäften gebeten, weil er nicht noch einmal für den Deutschen Bundestag kandidiert. Bis zur Bestellung eines neuen Beauftragten durch die nächste Bundesregierung wird Dr. Krings also die Anliegen der Aussiedler, der nationalen Minderheiten in Deutschland sowie der deutschen Minderheiten im Ausland auf der Regierungsebene vertreten. Privat (5)


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PERSONALIEN BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB bezeichnete diese Übergangsnachfolge als „wichtiges Signal in Richtung der betroffenen Gruppen, dass das Bundeskabinett ihre Anliegen stets mit im Blick hat“. „Mit der Berufung eines erfahrenen Parlamentariers und Staatssekretärs wie Dr. Krings kann die hervorragende Arbeit, die Hartmut Koschyk in den letzten vier Jahren geleistet hat, nahtlos fortgesetzt werden“, erklärte der BdV-Präsident. Daraus lasse sich ableiten, dass eine neue Bundesregierung unter CDU/CSUFührung dem Amt des Aussiedlerbeauftragten auch zukünftig einen wichtigen Stellenwert einräumen werde, betonte Fabritius und lobte die politische Kontinuität. Bundesbeauftragter Koschyk mit dem Orden „Stern Rumäniens“ im Range eines Offiziers ausgezeichnet Für seinen Einsatz um die deutsch-rumänischen Beziehungen ist der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten und langjährige Bayreuther Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk mit dem Nationalorden „Stern Rumäniens“ im Range eines Offiziers ausgezeichnet worden. Die feierliche Ordensverleihung nahm der rumänische Botschafter S.E. Emil Hurezeanu in der rumänischen Botschaft vor. Mit dem Nationalorden „Stern Rumäniens“ im Range eines Offiziers wird Koschyks umfassendes Engagement, die er für die Intensivierung der deutsch-rumänischen Beziehungen geleistet hat, gewürdigt. In dem von Botschaf-

ter Hurezeanu verlesenen Dekret heißt es hierzu: „Der Präsident von Rumänien, in der Absicht, die Verdienste von Herrn Hartmut Koschyk, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten und Vorsitzender der Deutsch-Rumänischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der deutschen Minderheit in Rumänien, zu würdigen, als Zeichen der hohen Anerkennung für den entscheidenden Beitrag zu der Konsolidierung der rumänisch-deutschen Beziehungen auf unterschiedlichen Ebenen und für den konstruktiven Ansatz angesichts der Erhaltung der linguistischen und kulturellen Identität der deutschen Minderheit in Rumänien, verleiht den Nationalen Orden Stern von Rumänien im Rang eines Offiziers.“ In seiner Laudatio verwies Botschafter Hurezeanu neben den großen Verdiensten, die sich Koschyk als Bundesbeauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten und Vorsitzender der Deutsch-Rumänischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der deutschen Minderheit erworben hat, auch auf seine großartigen Verdienste als langjähriger Bundestagsabgeordneter sowie u.a. als Ratsvorsitzender der Stiftung „Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“, die allesamt nachhaltig zur Fortentwicklung der deutsch-rumänischen Freundschaft beigetragen haben.

Termine der Mitgliedsverbände Alle dem Bundesverband gemeldeten Termine für die kommenden Monate November 03.-04.11. Karpatendeutsche LM Slowakei Bundeskulturtagung Stuttgart 03.-05.11. LM Schlesien Kulturreferententagung Königswinter 03.-05.11. Verband der Siebenbürger Sachsen Tagung der Kreisgruppenvorsitzenden Gundelsheim 03.-05.11. LM der Banater Schwaben DBJT-Brauchtumsseminar für Jugendliche Bad Wurzach 04.-05.11. LM Ostpreußen Ostpreußische Landesvertretung Wuppertal 05.-08.11. LM Ostpreußen Kulturpolitisches Seminar für Frauen Helmstedt 11.11. LM Westpreußen Deutsche Minderheit: Herbstkonferenz Thorn 13.-19.11. LM Ostpreußen Werkwoche Helmstedt 17.-19.11. Deutsch Baltische Gesellschaft Internationale Kulturtag/Mare Balticum Darmstadt 18.11. LV der vertriebenen Deutschen HH Christkindlmarkt Hamburg 27.11. LV der vertriebenen Deutschen HH Stunde der Begegnung Hamburg

Dezember 05.12. LV Baden-Württemberg BdV-Jahresschlusssitzung Stuttgart 30.12. LV der vertriebenen Deutschen HH Brauchtumsstunde Hamburg


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Huber trifft Bavendamm München. (dod) Staatskanzleiminister Dr. Marcel Huber traf unlängst Dr. Gundula Bavendamm, Direktorin der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ und den Landesvorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, Landesverband Bayern e. V., Landrat a.D. Christian Knauer in der Bayerischen Staatskanzlei. Im Mittelpunkt stand die Entwicklung des „Ausstellungs-, Dokumentationsund Informationszentrum zu Flucht und Vertreibung“, das 2018 in Berlin eröffnet wird. Staatskanzleiminister Dr. Huber: „Bayern hat Heimatvertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler von Anfang an dabei unterstützt, ihre berechtigten Anliegen einzubringen. Uns ist wichtig, dass ihre Erfahrungen und Schicksale in der Dauerausstellung angemessen berücksichtigt werden. Menschliches Leid ist nicht rückgängig zu machen. Aber wir müssen uns mit dem Geschehenen konkret und anschaulich befassen, damit wir daraus lernen können – für ein friedliches und vereintes Europa. Dafür wird die bis 2018 entstehende Dauerausstellung in Berlin ein Meilenstein sein. Bayern, das nach dem Zweiten Weltkrieg neue Heimat für so viele Vertriebene geworden ist, wird die Stiftung ‚Flucht, Vertreibung, Versöhnung‘ auf diesem Weg weiterhin intensiv begleiten und unterstützen.“

CDU-Niedersachsen bleibt Partner Hannover. (dod) Zum Programm der CDU in Niedersachsen für die Jahre 2017 bis 2022 erklärt der Landesvorsitzende der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung (OMV) der CDU in Nieder-

Nachrichten sachsen, zugleich Landesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien im Patenland Niedersachsen, Helmut Sauer (Salzgitter): Am 29. August 2017 hat die CDU in Niedersachsen auf dem Landesausschuss ihr Regierungsprogramm „Niedersachsen nach vorne bringen“ beschlossen und vorgestellt. Unter dem Stichwort „Für unsere Heimatvertriebenen und Spätaussiedler“ hat die CDU auf Seite 90 ein eigenes Kapitel aufgenommen, das inhaltlich anknüpft an die erfolgreiche, von der CDU gestaltete Vertriebenen- und Aussiedlerpolitik vergangener Jahre. So sollen unter einem erneut einzusetzenden, eigenen Landesbeauftragten sozialpolitische, kulturpolitische und verständigungspolitische Themen aus diesem Bereich besondere Beachtung finden. Insbesondere die Patenschaft zur Landsmannschaft Schlesien sowie über die Schlesier soll nochmals in ihrer Bedeutung gestärkt werden. Die OMV-Niedersachsen freut sich, dass die von ihr beantragten Inhalte nahezu ohne Abstriche übernommen wurden und ist insbesondere Dr. Bernd Althusmann für dessen Fürsprache und dessen Unterstützung dankbar. Die CDU in Niedersachsen bleibt ein verlässlicher politischer Partner für die Vertriebenen und Aussiedler sowie für die Deutschen in Schlesien.

Schlesische Wellwurst Königswinter. (dod) Lateinamerikanische Klänge, ein schottischer Dudelsackspieler, Schlager und natürlich schlesische Tanzmusik – in diesem Jahr bot das Sommer- und Stiftungsfest von HAUS SCHLESIEN internationale Klänge. Der Präsident

des Vereins HAUS SCHLESIEN, Prof. Dr. Michael Pietsch, und die Mitarbeiter des Hauses konnten wieder zahlreiche Stammgäste begrüßen, darunter viele Vereinsmitglieder. Aber auch viele Königswinterer haben sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den berühmt berüchtigten schlesischen Mohnstreuselkuchen oder andere kulinarische Leckereien schlesischer Art zu kosten. Darunter auch wieder der Bürgermeister von Königswinter, Peter Wirtz, und der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises, Sebastian Schuster. Auch der Bundestagsabgeordnete für den Rhein-Sieg-Kreis, Dr. Norbert Röttgen, der seit vielen Jahre Mitglied im Verein HAUS SCHLESIEN ist, war zum wiederholten Mal zu Gast auf dem Sommerfest. Zum ersten Mal zu Besuch war die Bonner Bundestagsabgeordnete Claudia LückingMichel, die sich sehr interessiert an der Arbeit des Vereins zeigte.

Thema Ungarneutsche Dresden. (dod) Vor 70 Jahren, im August 1947, begann die Vertreibung von 50.000 Ungarndeutschen in die damalige Sowjetische Besatzungszone. Aus diesem Anlass veranstaltet der Landesverband Sachsen des Vereins für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA) ein öffentliches Forum, das sich dem Thema „Die Ungarndeutschen gestern, heute und morgen“ widmen wird. Das VDA-Forum findet am Samstag, dem 11. November 2017, ab 14 Uhr im Goethe-Institut Dresden, Königsbrücker Straße 84, 01099 Dresden, statt. Als Referenten werden Prof. Dr. Karl-Heinz Schlarp und PD Dr. Norbert Spannenberger erwartet.

DOD 05/2017

IMPRESSUM

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