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Frieden ohne Waffen ist ein Blödsinn“
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„FRIEDEN OHNE WAFFEN
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IST EIN BLÖDSINN“
Gottfried Schröckenfuchs war Berufssoldat und sieben Jahre lang Vorarlberger Militärkommandant. Die marie sprach mit dem heute 74-Jährigen über Folgsamkeit, den Krieg in der Ukraine und warum er manchen Friedensforschern kritisch gegenübersteht.
Interview und Foto: Frank Andres
Waren Sie ein folgsames Kind? Eigentlich nicht. Ich war sehr früh sehr selbständig. Das hat sich daraus ergeben, dass ich zwei Geschwister hatte, die um 13 bzw. elf Jahre älter waren als ich. Sie waren beide schon außer Haus, als ich noch ein Kind gewesen bin. Zudem war das Verhältnis meiner Eltern, als ich geboren wurde, nicht mehr das Beste.
Es gibt einen Grund, weshalb ich Sie das gefragt habe. Sie haben nach der Schule eine militärische Karriere eingeschlagen. Und beim Militär ist Folgsamkeit eine der Grundtugenden. Wie schwer war es für Sie, damit umzugehen? Ich bin in Zeltweg bei den Fliegern eingerückt. Das hat mich fasziniert. Vielleicht auch deshalb, weil ich eine Tagesstruktur hatte, die mir zuhause fehlte. Es gab aber auch viele, die zu mir gesagt haben: „Du wirst dich anschauen, wenn du die Militärakademie machen willst. Da musst du gehorchen.“ Ich machte dann trotzdem den sechsmonatigen Auswahlkurs. Mit der Zeit kam es zu einer gewissen disziplinären Gewöhnung und ich habe die Freude an diesem Beruf entdeckt.
Gab es nie Situationen, wo Sie angeeckt sind und Widerspruch übten? Natürlich. In der Ausbildung, die immerhin vier Jahre dauerte, gab es den Grundsatz: Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Das muss man einfach begreifen. Zudem war das Militär Mitte der 60er Jahre ganz anders strukturiert als heute. Da hat es nur geheißen: Hab Acht und alle mussten ruhig stehen. Diskurs war nicht erwünscht. Unsere Ausbildner hatten einfach anders gedacht, auch weil sie den Krieg selbst erlebt hatten. Die wilden 60er Jahre, von den noch heute viele schwärmen, sind an mir spurlos vorübergegangen. Ich war nicht der Typ dazu. Ich trug auch nie lange Haare. Gottfried Schröckenfuchs (geboren am 8. November 1947 in Mariahof/ Steiermark) absolvierte seine Matura in Leoben und wechselte anschließend an die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt. Nach seiner Ausbildung zum Berufsoffizier war er im Rahmen von UNO-Missionen auf Zypern, im Libanon und Israel. In den 80er Jahren übersiedelte er nach Vorarlberg. Von 2002 bis 2009 war er Vorarlberger Militärkommandant. Darüber hinaus war Schröckenfuchs zwölf Jahre lang ÖVP-Abgeordneter im Landtag.
2002 wurden Sie Vorarlberger Militärkommandant. Welchen Führungsstil haben Sie als Vorgesetzter gepflegt? Es gab natürlich immer wieder Einwände für einen erhaltenen Befehl. Auch wenn es beim Militär klare Strukturen gibt, be-
deutet es nicht, dass das Denken ausgeschaltet ist. Es ist doch gut, wenn von der untersten bis zur obersten Ebene immer mitgedacht wird. Ich habe meine Mitarbeiter immer dazu aufgefordert, sich einzubringen. Und wenn jemand eine bessere Idee hatte, wurde diese umgesetzt.
Blicken wir auf den aktuellen Krieg in der Ukraine. Wie sehr fühlen Sie da mit? Sehr. Es ist für mich sehr emotional, wenn Ukrainer ihre Familien außer Landes bringen, selbst aber wieder zurückkehren, um für ihr Heimatland zu kämpfen. Ich würde genauso handeln.
Auch für den Preis, dass viele Menschen im Kampf ihr Leben lassen? Ich verstehe Ihre Frage und sie begleitet mich mein ganzes Leben. Ich kann mich noch an meine erste Diskussion 1971 am Standort des heutigen Jugendzentrums „Between“ erinnern. Ich war damals als junger Leutnant von meinem damaligen Kommandanten dazu eingeladen worden. Er meinte: „Komm mit, du bist noch jung und hast sicher einen besseren Draht zu den jungen Leuten.“ Und da ging es genau um die Frage: Würden Sie im Ernstfall schießen? Ich habe mit „Ja“ geantwortet. Wenn ich einen Auftrag habe und das als ultima ratio bedeutet, damit einen noch tödlicheren Angriff abzuwehren und andere damit zu schützen, dann muss ich natürlich schießen. Sonst hätte ich den Beruf als Soldat nicht wählen dürfen. Sinn einer Verteidigung ist es, etwas abzuwehren. Fragen Sie einen Polizisten, ob er einen Mörder erschießt, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Das gehört zu seiner Ausbildung. Der Krieg fordert Opfer. Töten ist die Folge des Krieges. Damit muss man rechnen. Deshalb ist es wichtig, alles zu tun, um gar keinen Krieg entstehen zu lassen. Aber leider gibt es Personen, wie jetzt den Herrn Putin, die diese Opfer blind in Kauf nehmen, um irgendwelche Machtgelüste auszuleben. Dieses Großmachtstreben hat er in den letzten zehn Jahren offensichtlich so verinnerlicht, dass er das Rationelle und das Völkerrecht vergessen hat. Es ist nicht rational erklärbar, dass ein Mensch fünf Tage davor bei den Olympischen Spielen auf der Ehrentribüne sitzt und winkt und gleichzeitig schon den völkerrechtswidrigen Befehl zum Angriff auf die Ukraine unterschrieben hat.
Sind Waffen bzw. das Militär wirklich probate Mittel, um den Frieden in einem Land zu sichern? Es ist die Verpflichtung eines Staates, seine Bürger zu schützen. Sicherheit muss man natürlich auch sichern. Dazu gehört für die innere Sicherheit eine gut ausgebildete Polizei. Und genauso brauche ich für die äußere Sicherheit Mittel und Personal, eben Soldaten, um nach außen Stärke zu demonstrieren. Wir hatten als neutrales Land aber auch Glück, zum Beispiel bei der Kuba-Krise, als die Weltordnung auf der Kippe gestanden ist. Zugegeben, einem Angriff wie jetzt in der Ukraine hätten wir militärisch wenig entgegensetzen können.
Sind Friedensforscher für Sie also unverbesserliche Sozialromantiker? Da gilt es zu differenzieren. Es gibt natürlich Friedensforscher, vor denen ich die größte Hochachtung habe. Die sitzen aber in Landesverteidigungs-Akademien oder in europäischen Sicherheitskommissionen. Sehr gescheite Leute. Die gehen vernünftig an diese Sache heran. Anders wie die selbsternannten Friedensforscher, die mit Bleistift und Papier die großen Friedenslösungen herbeischreiben. Diese waren mir eigentlich immer suspekt. Sie haben wesentliche Grundelemente der menschlichen Entwicklung missachtet. Sie haben wohl gedacht, dass, wenn sich alle gemeinsam zum Kaffee treffen und es keine Waffen mehr gibt, dann haben wir den ewigen Frieden. Das wird aber stündlich widerlegt und beweist damit, dass das ein Blödsinn ist. Da brauche ich gar nicht Soldaten, da kann ich genauso gut die Mafia als Beispiel nennen. Es gibt keine Minute in der Menschheitsgeschichte, in der nicht durch kriegerische Handlungen Menschen durch Waffen gestorben sind.