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Cyberwar 1.0
Frank Blau (58) ist natürlich kein Hacker, er ist Datenarchitekt und IT-Spezialist. Der erklärte James-Joyce-Fan, Gitarrist und Fotograf lebt seit fünf Jahren in Vorarlberg und hat hier, wie er sagt, eine überraschend innovative Tech-Szene vorgefunden. Gute Gründe, hier zu bleiben findet der aus Seattle, Washington stammende Amerikaner zahlreiche – unter anderem den entspannten Lebensstil, den er hier genießt. Mit der marie redet er über seine Sicht auf das Hacker-Kollektiv Anonymous und ihre Aktivitäten im Cyberkrieg gegen Putin.
Interview: Daniela Egger, Foto: privat
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// Frank, was können Hacker in einem Krieg bewirken? Merken die Ziele ihrer Angriffe überhaupt, dass sie „Besucher“ haben?
Naja, auf die russische Invasion hat das alles vermutlich weniger Einfluss, aber langfristig kann man sich schon erhoffen, dass die Stimmung in Russland kippt. Und dann wird es schwierig, den Krieg weiterzuführen. Offensichtlich ist es den Leuten gelungen, einige Regierungsserver zumindest kurzzeitig lahmzulegen. Dass sie 360.000 Geheimdateien von einer der Zensurbehörden geleakt und Live-Bilder von der Front in der Ukraine auf öffentliche Fernsehsender in Russland übertragen haben, scheint ebenfalls inzwischen verifiziert zu sein. Solche Dinge können die Stimmung in der Bevölkerung schnell beeinflussen und sind deshalb nicht ungefährlich.
// Gefährlich für wen? Frank Blau schreibt seit den 70er Jahren Gedichte und errichtet Data Architektur für große Unternehmen. Im Spielboden sprach er in einem TED X Vortrag über die Vereinfachung der Datenerzählung. https://www.ted.com/talks/frank_blau_demystifying_data_narratives
Es sind illegale Angriffe auf interne Systeme in Russland und könnten auch als starke Provokation gesehen werden. Gefährlich aber natürlich auch für die Staatsmacht, die dem Volk diesen Krieg verkaufen muss. Die Daten der Fernsehanstalten liegen zu 100 Prozent auf digitalen Servern, also können sie auch gehackt werden. Wenn die russische Bevölkerung die Wahrheit über den Krieg erfährt, verliert die Propaganda ihre Wirkung. Offensichtlich haben sie auch die Zentralbank gehackt 01001 und Mobiltelefone mit SMS-Nachrichten geflutet. Da sind also jetzt ein paar Leute sehr fokussiert auf ein Ziel – was neu ist. // Was muss man sich unter Anonymous vorstellen? Sind das Kids in ihrem Jugendzimmer, die nach der Schule versuchen, den Kreml zu stören? Oder sitzt gerade halb Silicon Valley an den Rechnern und greift russische Regierungsserver an? Anonymous sind ein paar Leute, die sich kennen und vermutlich aus der Gaming-Szene kommen. Seither schließen sich von überall her
Gleichgesinnte an, so stelle ich mir das vor. Wie der Name sagt: Wie alt die sind, wie viele Männer oder Frauen, wo die leben und was sie im Brotberuf tun, das weiß niemand, sonst wären sie schnell erledigt. Da sind sicher Profis am Werk. Ich glaube, es gab diese Gruppe nicht als solche, sondern es war immer eine lose Community, die vor allem eine bestimmte Ethik vertritt. Manchmal nahmen sich einige von ihnen bestimmter Themen gemeinsam an. Dass jetzt eine geballte Kraft antritt und ein klares und eindeutig politisches Ziel formuliert, ist meines Wissens einzigartig.
// Wie viel kann von Hackern kontrolliert werden?
Es ist beängstigend, dass man auch Waffensysteme oder Kraftwerke hacken kann. Möglicherweise könnte man die auch alle lahmlegen. Wenn du aber nur ein paar von denen lahmlegen kannst und ihre Besitzer finden heraus, dass sie auf dieser Ebene angegriffen wurden, dann zünden sie vielleicht die noch funktionierenden. Das alles ist wirklich kein Spiel. Wir wissen jedenfalls, dass eine ganze Crew von Hackern versucht, Systeme offline zu bringen, die den Krieg unterstützen. Beispielsweise die Zulieferung von Sprit oder Kommunikationskanäle. Da finde ich allerdings die analoge Variante der Ukrainer auch genial: Sie montieren die Straßenschilder ab. Die russischen Konvois verfahren sich ganz einfach, weil die Hinweisschilder weg sind und Google Maps nicht mehr funktioniert. Im Grunde dasselbe, was auf digitaler Ebene beim einfachen Hacken passiert – man vertauscht die Hinweisschilder und Routen. Viele Geräte sind überhaupt nicht gesichert, man kann das sehr einfach bewerkstelligen.
// Welche Geräte beispielsweise?
Haushaltsgeräte mit Bluetooth-Anschluss. Ich finde es super, dass ich auf meinem Mobiltelefon verfolgen kann, was mein Saugroboter in meiner Wohnung macht. Allerdings sendet er dafür regelmäßig den Plan der Wohnung ans Telefon, zeigt auf, wo er gerade ist, wo er nicht hindarf und wann ich nicht zuhause bin. Das ist so leicht zu hacken, dass wir alle viel zu leichtfertig damit umgehen. Das Internet of Things, kurz IOT, steckt noch in den Kinderschuhen.
// Wie schätzt du denn jetzt die Situation ein, was die Hacker-Angriffe angeht? Wehren sich die russischen Behörden mit ihren Spezialisten dagegen?
In unseren sozialen Netzwerken wird viel darüber geredet – deutlich ist eine stark reduzierte Aktivität im Bereich der Missinformation, die aus Russland im Westen aktiv war. Das kann darauf hindeuten, dass die gerade anderweitig beschäftigt sind, dass die Sanktionen greifen und die Kommunikationskanäle in den Sozialen Medien abgeschaltet wurden. In Es ist beängstigend, dass man auch Waffensysteme oder Kraftwerke hacken kann. Möglicherweise könnte man die auch alle lahmlegen. Wenn du aber nur ein paar von denen lahmlegen kannst und ihre Besitzer finden heraus, dass sie auf dieser Ebene angegriffen wurden, dann zünden sie vielleicht die noch funktionierenden. Das alles ist wirklich kein Spiel.
den letzten zehn Jahren waren sehr viele Kanäle in diesem Bereich hochaktiv. Sie sind anscheinend weniger ehrgeizig darin, in fremde Systeme einzudringen. Eine mögliche Erklärung wäre auch, dass vielleicht nicht alle mit dem Krieg einverstanden sind. Man kann im IT-Bereich sehr viele Dinge sehr kompliziert machen, ohne dass einem das nachgewiesen werden kann. Ich halte diese Idee für sehr wahrscheinlich, weil ich davon ausgehe, dass ein so großes Land wie Russland hervorragende Leute hat. Es würde mich nicht wundern, wenn Anonymous auch ein paar russische Mitstreiter hat. Oder es ist ganz einfach: Ich kontaktiere jemandem an einer Schaltstelle in Russland und biete ihm Bitcoins an, wenn er bestimmte Aufträge nicht ausführt. Am Ende sind es Soziale Netzwerke, die miteinander agieren.
// Wollen wir hoffen, dass sie erreichen, was dem Frieden dient. Vielen Dank für das Gespräch!