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Einfach helfen

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Sozialer Mensch

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Was tun in der Pension? Diese Frage hat sich auch Karl Kilga (77) gestellt. Der Dornbirner fand aber rasch eine Antwort. Er engagierte sich ehrenamtlich bei der CaritasAuslandshilfe, dem Projekt „Bruder und Schwester in Not“, gab Notreisenden bzw. Flüchtlingen Arbeit und ist derzeit Sozialpate der Caritas.

Text: Frank Andres, Fotos: Frank Andres, Bruder und Schwester in Not

Es ist das Jahr 2003. Karl Kilga ist 60 und geht in den Ruhestand. Ab sofort heißt es für ihn: „Nie mehr Schule.“ Es ist das Ende seiner Lehrerlaufbahn. Er hatte die ersten Jahre am Schoren-Gymnasium in Dornbirn und ab 1976 Englisch und Geographie am Bundesgymnasium Feldkirch in der Rebberggasse unterrichtet. Mit viel Engagement. Doch was tut ein Mensch, wenn er plötzlich keine echte Aufgabe mehr hat? Um sich aufs Altenteil zu setzen, fühlt er sich zu jung. Zu fit. Zu neugierig. Er hat Lust auf Veränderung, will sich engagieren. „Ich war auf der Suche nach etwas, wo ich mich einbringen kann“, erinnert sich der heute 77-Jährige. Da trifft er auf Markus Fröhlich, einen ehemaligen Lehrerkollegen. Kilga blickt zurück: „Ich kannte ihn sehr gut. Ich war sein einführender Lehrer am Gymnasium Feldkirch.“ Er war es auch, der Markus Fröhlich während seines ersten Dienstjahres ermöglicht hat, mehrere Wochen nach Afrika zu gehen, um dort ein Projekt abzuschließen. Karl Kilga interveniert erfolgreich beim Landesschulrat für seinen jungen Kollegen. „Bedingung war aber, dass ich die Klasse in seiner Abwesenheit übernehme. Ohne zusätzliche Bezahlung. Für mich war das kein Problem“, sagt Kilga.

Reisen nach Afrika

Doch zurück ins Jahr 2003. Als sich Kilga und Fröhlich vor 17 Jahren wieder begegnen, hat sich einiges verändert. Kilga ist Neo-Pensionist und Fröhlich Verantwortlicher für das Projekt „Bruder und Schwester in Not“. Eine Stiftung der

„Für mich war der Lehrerjob ein sozialer Beruf. Meine Motivation war es, anderen zu helfen.“

Entwicklungshilfe der Diözese Feldkirch und der Katholischen Männerbewegung. Diese wurde von Bischof Paulus Rusch 1961 ins Leben gerufen. Seitdem unterstützt die Stiftung Gesundheits-, Bildungs- und Ernährungsprojekte in benachteiligten Ländern in Afrika, Lateinamerika und Indien. Kilga gefällt das Projekt und fragt Fröhlich, ob er jemanden wie ihn brauchen könne. Und dieser sagt sofort ja. Kilga startet gemeinsam mit ihm und der Caritas eine Sammelaktion für ein Aidshilfe-Projekt. Doch damit nicht genug. Kilga beginnt ehrenamtlich für die Caritas-Auslandshilfe zu arbeiten. Reist mehrfach nach Afrika, nach Namibia, Äthiopien und Malawi. Er bekommt Einblicke in die Projekte der Caritas. Besucht eine Waisenschule. Unterstützt weiter „Bruder und Schwester in Not“. Hilft in Kirchen bei Sammelaktionen mit. Doch auf Dauer empfindet Kilga seinen sozialen Einsatz als nicht befriedigend. Seine Begründung heute lautet: „Ich hatte keinen eigenen Aufgabenbereich.“ Nach fünf Jahren zieht er einen Schlussstrich. Die Motivation ist weg.

Notreisende und abenteuerliche Geschichten

2008 zieht Kilga in sein Elternhaus in Dornbirn. Inklusive großem Garten. Arbeit, die allein nur schwer zu bewältigen ist. Deshalb sucht er einen Helfer. Und wie es der Zufall will, klopft einer an seine Haustüre. Es ist ein Notreisender aus Rumänien auf der Suche nach Arbeit. Und weil Kilga ein sozialer Mensch ist, gibt er ihm einen Job. Doch es bleibt nicht bei dem einen. „Es kamen immer mehr. Das war mir zu lästig. Ich bin sehr naiv an die Sache herangegangen“, gibt er offen zu. Er lässt auch Notreisende ins Haus, damit sie sich duschen können. Und die Notreisenden erzählen ihm die abenteuerlichsten Geschichten. Von der Großmutter, die gestorben sei und für deren Beerdigung sie jetzt Geld bräuchten. Oder vom Kind, das krank sei und operiert werden müsse. Und Kilga zahlt. Kleinere Beträge, doch in Summe kommt einiges zusammen. Inzwischen hat er die Zahlungen gestoppt und schickt die Notreisenden weg, wenn sie bei ihm auftauchen. „Ich bin viel kritischer geworden“, sagt Kilga. Er hat gelernt, dass nicht alles, was gut gemeint ist, auch wirklich funktioniert. Das hat er auch bei einem Alphabetisierungsprojekt erfahren müssen. Er habe sich extra auf den Unterricht vorbereitet, aber seine Schüler seien nur sporadisch gekommen. „Das konnte ich nicht brauchen. Ich wollte, dass sie etwas lernen. Aber das hat sich nicht gespielt“, zieht Kilga eine ernüchternde Bilanz.

Auf eine Mithilfe im Garten muss er dennoch nicht verzichten. Über die Caritas bekam er vor vier Jahren einen Flüchtling aus China vermittelt. Der macht einen hervorragenden Job. Nur mit der Kommunikation hapert es zwischen den beiden. „Er kann zwar ein paar Brocken Deutsch, aber eine Unterhaltung ist nur mit einem Übersetzungsprogramm auf dem Handy möglich“, erzählt Kilga.

Aber woher kommt Kilgas soziales Engagement? „Wahrscheinlich vom Vater. Er war bei der Vogewosi und hat sozial bedürftigen Familien günstigen Wohnraum vermittelt“, antwortet Kilga. Das hat ihn geprägt. Als Lehrer ist er Mitglied des Vereins der Freunde des Gymnasiums Feldkirch. Mit Geldspenden werden damit zum Beispiel Skiwochen für Schüler aus sozial bedürftigen Familien unterstützt. „Für mich war der Lehrerjob ein sozialer Beruf. Meine Motivation war es, anderen zu helfen.“

Als wäre das alles nicht genug, ist Kilga heute auch Sozialpate bei der Caritas. Seit März kümmert er sich um eine krebskranke, 70-jährige Frau, die auf eine 24-Stunden-Pflege angewiesen ist. „Ich besuche sie, rede mit ihr und gehe mit ihr spazieren. Sie hat wenig Energie und kann nur noch mit Krücken gehen. Das erwähnt Kilga am Ende des Gesprächs nur so nebenbei. So als ob das nichts Besonderes wäre. Doch das ist es.

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