
3 minute read
Schweißperlen auf der Stirn
16 |
Wie geht‘s dir, Klima?
Advertisement
Vor fünf Jahren wurde das Übereinkommen von Paris mit dem Ziel des Klimaschutzes verabschiedet. 195 Staaten bekannten sich dazu, die globale Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten. Wir haben das Klima gefragt, wie es ihm heute geht.
Text: Christina Vaccaro Illustration: iStockphoto
„Ich würde mir wirklich wünschen, dass ihr endlich mal versteht, dass es ohne Erde (mit mir als Teil davon) nicht einmal eine Wirtschaft gibt. Ihr müsst also schon zuerst mich retten, bevor ihr eure Wirtschaft retten könnt .“
Mir ist ein bisschen heiß, aber sonst geht‘s mir gut. Eigentlich kann ich mich meiner Schweißperlen glücklich schätzen, immerhin können diesen Winter anders als sonst tausende Menschen nicht in die Karibik fliegen. Wegen Corona und so. Ich will mich nicht beklagen. Gründe mieser Laune gibt es momentan schließlich genug, also für meine menschlichen Erdenbewohner, meine ich. Für den Rest meiner Sprösslinge ist 2020 ein sehr gutes Jahr gewesen. Klar, auf die Millionen Tonnen Covid-Müll in meinen geliebten Ozeanen könnte ich meiner Fische, Schildkröten und Delphinen halber echt verzichten. Doch abgesehen davon konnten zumindest im Frühjahr einige meiner Liebsten ein wenig „Land gewinnen“, konkret Stadtparks, Häuserreihen und Dorfgassen. Okay, zugegeben, in Vorarlberg waren es weniger spektakulär vielleicht „bloß“ Füchse, Rehe und vereinzelt Dachse, doch andernorts schafften es Schakale in Parks und in Santiago de Chile wurde ein wilder Puma gesichtet (keine Sorge, es ist nichts passiert). Auch weniger gefährliche Zeitgenossen, wie unsere diversen heimischen Singvögel, deren Zwitschern, Trillern und Pfeifen noch jedem Miesepeter die Laune gehoben haben, wurden öfter gesichtet und ihrem Gesang wurde häufiger gelauscht.
Wenn‘s nur nicht so verdammt heiß wäre (wischt sich den Schweiß von den Alpengletschern). Es ist ja nicht nur mir zu warm. Wo sollen nur die Eisbären hin, die im Polarmeer ertrinken, und wie soll sich ein Gletscher-Hahnenfuß oder das Alpen-Edelweiß durchsetzen, wenn von unten Gold-Fingerkraut und Co hochdrücken, weil sie mit den wärmeren Temperaturen in höheren Lagen mitwandern? Also nichts gegen das Gefleckte Ferkelkraut und wie sie noch alle heißen, aber ehrlich, wo soll die Erde jetzt hin mit den Arten? Ich hab‘ den Blick dafür, im Gegensatz zu Homo sapiens offensichtlich. Na gut, schon klar, dass jede Spezies sich erstmal um sich selbst kümmert. Ich kann das nachvollziehen, echt. Aber trotzdem: So geht es nicht weiter! Es dauerte etwa 300.000 Jahre bis der Mensch im Jahr 1804 erstmals die Milliarden-Marke überschritt. Dann dauerte es zumindest mehr als 100 Jahre, bis er 1927 zwei Milliarden erreichte. 33 Jahre bis 3 Milliarden. 14 Jahre bis 4 Milliarden. 13 bis 5 Milliarden. 12 bis 6. Für 2050 sind knapp 10 Milliarden prognostiziert. Zum Vergleich: Es gibt nur ein hunderttausendstel Mal so viele Schimpansen wie Menschen (von denen gibt‘s nur mehr 100.000, also 0,0001 Milliarden). Wie auch immer. Es geht hier nicht um Schimpansen. Was ich sagen will (eine Schweißperle tropft den Großglockner hinunter): Es gibt wirklich viele Menschen!
Menschen, die wollen nicht nur essen, die graben auch ziemlich viel. Ich weiß jetzt leider nicht, wie viele Maulwürfe und Wühlmäuse es gibt, aber ich glaube, man kann sich in etwa ausmalen, dass Menschen mit ihren Baggern und Bohrern und Bergwerken eine andere Dimension in ihrer Wirkung erreichen. Jedenfalls – es weiß ja schon jedes Kind – die fördern alle möglichen fossilen Energieträger aus der Erde. Da steckt das Wort „fossil“ drin, weil die alt sind, und zwar verdammt alt. Die meisten Gesteine, aus denen Erdöl gewonnen wird, sind vor 400 bis 100 Millionen Jahren entstanden. Ist doch irgendwie klar, dass es mich durcheinander bringt, wenn die da unten auf Teufel komm raus uralten, gebundenen Kohlenstoff in Form von CO2 freisetzen und in die Luft donnern. Ich weiß, ihr rennt jetzt mit Maske da unten rum, aber hier oben ist