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Eliane: Die Musikerin nimmt kein Blatt vor den Mund

Die Musikerin Eliane Müller tritt am 9. Dezember im Kurtheater Baden auf.

«ICH NEHME KEIN BLATT VOR DEN MUND»

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Eliane Müller ist mit ihrem sechsten Album auf Tournee. Die 32-jährige Pop-Sängerin erklärt, weshalb sie fast ihre Karriere beendet hätte und warum sie sich vor allem auf das Gastspiel in Baden freut.

Text: Stephan Santschi Bilder: Patrick Hördt

Eliane Müller steht wieder auf der Bühne, Ende Oktober begann die Tour zu ihrem sechsten Album «Reset». Elf komplett neue Songs sind darauf zu hören, dazu kommt ein unveröffentlichtes Stück aus dem Jahr 2016 («Simple Love»), sowie ein neu eingespielter Hit («Blackbird») aus ihrem ersten Album. «Ich nehme kein Blatt vor den Mund, meine Musik ist ehrlicher als jemals zuvor», sagt die 32-jährige Luzernerin. Und das will bei ihr etwas heissen, schliesslich waren ihre gefühlvollen Balladen schon immer geprägt durch echte Geschichten aus dem eigenen Leben.

Viel hätte allerdings nicht gefehlt und Eliane würde es als Pop-Sängerin nicht mehr geben. «Ich war sehr, sehr nahe dran, mit Musik ganz aufzuhören, im Frühjahr 2021 hatte ich mein engeres Umfeld bereits darüber informiert.» Der Grund: Die Live-Konzerte zu ihrem fünften Album «Eliane» waren nach nur drei Auftritten gestrichen worden, die Coronamassnahmen sorgten für viel Ungewissheit und brachten ihr kreatives Element aus dem Gleichgewicht. «Ich sah keinen Sinn mehr darin, im stillen Kämmerchen zu üben, wenn meine Fans die Musik nicht konsu-

«Ich nehme kein Blatt vor den Mund, meine Musik ist ehrlicher als jemals zuvor»

Eliane Müller, Pop-Sängerin

mieren können. Mir fehlten das Feedback, der Applaus des Publikums und die Bühnenmomente mit meiner Band.»

Eliane drückt auf Reset-Knopf Die Distanzierung von ihrer grossen Leidenschaft ging mit einem weiteren einschneidenden Ereignis einher. Die langjährige Beziehung mit ihrem Partner endete, obwohl sie im Jahr 2020 noch einen klaren Plan hatte, wie sie der «Schweizer Illustrierten» verriet: «Ich sah mich bald mit einer eigenen Familie.» Eliane verliess ihre Komfortzone, drückte auf den Reset-Knopf, wagte den Sprung ins kalte Wasser, wie der Song «Cold Water» erzählt und ist mittlerweile glücklich mit Sascha Ruefer (50), dem Sportmoderator des Schweizer Fernsehens, liiert. Gemeinsam wohnen die beiden im luzernischen Schenkon mit Blick auf den schönen Sempachersee.

Während der Schaffenspause erhöhte die studierte Kommunikationswissenschaftlerin ihr Pensum bei einem Versicherungsbroker von 20 auf 80 Prozent. «Das war auch cool, ich arbeitete an spannenden, langfristigen Projekten», erzählt Eliane. Bald jedoch spürte sie: Ohne Musik geht es nicht. Die vielen Veränderungen versetzten sie in eine sehr melancholische Stimmung und daraus entstand der Impuls, wieder mit dem Schreiben zu beginnen. «Es ist einfach passiert, ganz automatisch.»

«Nie hatte ich so viel Freude an der Musik» Der Verarbeitungsprozess des Erlebten drückte sich fortan wieder in ihren Kompositionen aus. «Es fühlt sich mega gut an, meine Motivation ist grösser denn je», sagt Eliane und sie betont: «Nie hatte ich so viel Freude an der Musik wie heute.» Zum neuen Freiheitsgefühl passt die Tatsache, dass sie ihr neustes Werk in Eigenregie herausgebracht hat. «Das ist natürlich zeitaufwändiger. Doch wenn ich alles selbst bestimmen kann, ist das so kreativ und sehr befriedigend.»

«Das sechste Album habe ich mit fünf verschiedenen Produzenten zusammengestellt, das hätte mir ein Label aus Kostengründen nie ermöglicht»

Eliane Müller, Pop-Sängerin

Sie ist nun nämlich nicht mehr wie in der Vergangenheit vertraglich an eine Plattenfirma gebunden und sie braucht für ihre Ideen auch keine Erlaubnis einzuholen. «Das sechste Album habe ich mit fünf verschiedenen Produzenten zusammengestellt, das hätte mir ein Label aus Kostengründen nie ermöglicht», versichert Eliane.

Wegweisender Sieg an Castingshow Und so feiert Eliane heuer ihr 10-jähriges Jubiläum als Berufsmusikerin. Dass sie überhaupt einmal mit Musik ihren Lebensunterhalt verdienen würde, war in ihrer Jugend kein Thema. Zwar entwickelte sie ihre Passion früh und begann als Sechsjährige mit dem Klavierunterricht. Sie übte täglich stundenlang und nahm an regionalen und nationalen Wettbewerben teil, entdeckte bald auch ihr Talent für den Gesang. «Doch ich dachte, es würde zu einem Müssen und ich könnte die Freude verlieren, wenn ich die Musik zum Beruf mache.» Dass dies nicht so ist, bewies ihr ein Schlüsselmoment – die zweite Staffel der SRF-Castingshow «Die grössten Schweizer Talente» 2012.

Eliane verzauberte das Publikum und die Jury. Mit ihrer Interpretation des Metal-

lica-Hits «Nothing Else Matters» landete sie auf Rang eins, gewann ein Preisgeld von 100 000 Franken und einen Platz im Vorprogramm von DJ Bobos «Dancing Las Vegas»-Tour. «Es herrschte ein Riesenhype», erinnert sie sich. «Ich wollte einfach alles aufsaugen, weil ich davon ausging, dass es danach wieder vorbei sein würde. Ich machte mir nämlich nicht zu grosse Hoffnungen. Überraschenderweise ist es anders gekommen.»

Zu persönlich war es bisher nie Ihre Karriere war lanciert und nahm schnell Fahrt auf. Innerhalb von nur drei Jahren veröffentliche sie drei Alben, «Like The Water» (2012), «Venus & Mars» (2013), «Bright Lights» (2014). Eines war erfolgreicher als das andere, in der Hitparade erreichte sie der Reihe nach die Plätze vier, drei und zwei. «Ich wurde ehrgeiziger und es begann mir sehr viel Spass zu machen», berichtet Eliane. Das Auftreten mit einer Band war dabei ein Mehrwert, den sie davor nicht kannte, bis zu ihrem Durchbruch performte sie allein am Piano an Privatanlässen wie der Hochzeitsfeier von Christa Rigozzi. «Die Band», so sagt sie, «ist mein grösster Stolz.»

Ihre Inspirationsquelle war schon damals das eigene Leben und jenes ihrer Familie und Freunde. «Wer mit mir zusammen ist, weiss, dass unsere Erlebnisse Teil eines Songs werden könnten, dieses Risiko gehen sie ein», erzählt Eliane und lacht. Die Privatsphäre bleibe aber gewahrt, Namen nennt sie nicht, «bisher kam es noch nie vor, dass ich im Nachhinein hätte sagen müssen: ‹Mist, das war zu persönlich!›» Ihre Balladen drehen sich um Beziehungen und Verluste, um schöne Momente und unlösbare Probleme, um Melancholie, Hoffnung und Zuversicht.

«Jeder Song erzählt eine Geschichte aus meinem Leben, es ist mein bisher autobiographischstes Werk.»

Eliane Müller, Pop-Sängerin

Die Anregung von Sascha Ruefer Für die Alben vier und fünf nahm sie sich anschliessend mehr Zeit, «es ist nicht nötig, im Jahresrhythmus ein Album zu veröffentlichen, darunter könnte die Qualität leiden», erklärt sie. Sie setzte ihr Studium mit dem Master fort, verbrachte ein Semester im amerikanischen Nashville und vertiefte ihr Wissen im Songwriting. «In den USA ist die Herangehensweise eine ganz andere, manchmal ist eine Session bereits nach zwei Stunden beendet.» Ihr Ding ist das nicht, Eliane nimmt sich gerne Zeit, lässt der Musik Raum zur Entfaltung. «Das kann einen oder auch mehrere Tage dauern und zuweilen sehr emotional werden.»

Mit dem Album «Slow Motion» (2017) erklomm sie in der Hitparade erstmals Platz 1, bei den Swiss Music Awards 2018 wurde sie mit dem «Best Female Solo Act» ausgezeichnet. «Eliane» (2019) war ihr vorderhand persönlichstes Album, ehe sie, nicht zuletzt auf Anregung ihres Partners Sascha Ruefer, mit «Reset» noch einen oben draufgesetzt hat: «Jeder Song erzählt eine Geschichte aus meinem Leben, es ist mein bisher autobiographischstes Werk.»

Persönlich

Name Vorname Geburtstag Geburtsort Wohnort Zivilstand Beruf Erfolge

Alben

Hobbys Müller Eliane 28. Juni 1990 Hochdorf LU Schenkon LU ledig, mit Sascha Ruefer liiert Musikerin, Kommunikationswissenschaftlerin Sieg «Die grössten Schweizer Talente» 2012, Nummer-1-Album 2017, Best Female Solo Act an Swiss Music Awards 2018 «Like The Water» (2012), «Venus & Mars» (2013), «Bright Lights» (2014), «Slow Motion» (2017), «Eliane» (2019), «Reset» (2022) Kochen (derzeit mit Fokus auf indisch), essen, neue Restaurants entdecken

«Die Leute in diesem wunderschönen Städtchen sind sehr kulturinteressiert und offen, zudem habe ich gute Freunde, die aus Baden kommen.»

Eliane Müller, Pop-Sängerin

en diese allerdings noch nicht. Fest steht: Die Familienplanung ist aktuell nicht in ihrem Fokus, dafür ist ihr die Musik wieder zu wichtig geworden. Dafür haben sie und Sascha Ruefer seit neustem Gesellschaft von Chili, einer schwarzen, vier Monate alten Katze, die zum Unmut von Eliane grosses Interesse an ihrem Flügel im Wohnzimmer zeigt. «Ich muss den Flügel schliessen, weil sie sonst zwischen die Saiten schlüpft», sagt sie und lacht.

«Der Bauch hat sich gegen meinen Verstand durchgesetzt.»

Eliane Müller, Pop-Sängerin

Künstlerische Freiheit versus Finanzielles Risiko Die Vorfreude auf die Livekonzerte ist gross, nicht minder wichtig ist deren finanzielle Bedeutung. Eliane verheimlicht nicht, dass die Produktion in Eigenregie ein «Hindertsigeschäft» ist. Für ihre künstlerische Unabhängigkeit nimmt sie ein unternehmerisches Risiko in Kauf, das nur mit Einnahmen aus Bühnenauftritten ausradiert werden kann. Ihr treues Publikum kommt dafür voll auf seine Kosten. Die Popsängerin entzückt ihre Fans nicht nur mit Emotionen, die jeder in seiner eigenen Form erlebt haben dürfte, sondern sie tut dies mit ihrer natürlichen, etwas rauchigen Stimme auch weitgehend frei von elektronischer Stimmbearbeitung und damit sehr authentisch. Besonders fiebert sie dabei dem Heimauftritt in der Braui in Hochdorf entgegen, dicht gefolgt von ihrem Gastspiel im Kurtheater in Baden am Freitag, 9. Dezember. «Die Stimmung in Baden ist besonders lässig und das sage ich nicht einfach nur, weil ich mit Ihnen spreche», sagt Eliane. «Die Leute in diesem wunderschönen Städtchen sind sehr kulturinteressiert und offen, zudem habe ich gute Freunde, die aus Baden kommen.

Mit «Chili» kämpft sie um den Flügel Über ihre Tournee hinaus hat sie weitere Ziele entwickelt, in Stein gemeisselt seiUnd dann wird Eliane mit Blick in die Zukunft doch noch etwas konkreter, wenn sie sagt, dass sie gerne nochmals einen Swiss Music Award gewinnen würde – «das wäre eine mega grosse Wertschätzung». Zudem liebäugelt sie mit etwas, das sie lange nicht ins Auge gefasst hat – mit Auftritten im Ausland. Die Zeit der vielen Veränderungen schuf eben Platz für Neues und bewirkte bei ihr eine gewisse Gelassenheit. «Lieber probiere ich etwas aus und scheitere, als dass ich es nicht tue und es später bereue», so lautet ihr Leitsatz, oder anders formuliert: «Der Bauch hat sich gegen meinen Verstand durchgesetzt.»

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