Die Niederösterreicherin – Feb.

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| leben

Die beiden Ärztinnen DDr. Christine Wallner und Mag. Dr. Cornelia Wallner-Frisee

Aber zurück zum Anfang: Warum Afrika, und wie hat man dich empfangen? Die Liebe zu Afrika war seit meinem neunten Lebensjahr in mich eingebettet. Damals hat uns ein Religionslehrer gesagt, die armen Kinder Afrikas, die nicht getauft werden, kommen in die Hölle. Obwohl ich ein vollkommen verschüchtertes Kind war, hab ich gesagt, nein, so ist es nicht – was mir große Probleme einbrachte. Außerdem war ich von Kindheit an sehr krank. Ich hatte Lupus, eine Autoimmunerkrankung. Mein vormals hübsches Gesicht war von Narben entstellt. Mit 27 Jahren ging ich zur Caritas und sagte, sie sollten mir die schlimmste Aufgabe zuteilen, die es gibt, um mich von mir selber und meinem Spiegelbild abzulenken. Denn zu sehen, dass es anderen noch viel schlechter geht, schien mir der einzige Schutz, um nicht von meinem Selbstmitleid aufgefressen zu werden. Selbstmitleid ist eine der größten Fallen dieser Krankheiten, denn es verhindert, an deinem persönlichen Schicksal zu wachsen, und man vergeht mit der Zeit. So begann ich, in den verschiedensten Projekten in Indien, am Amazonas oder Himalaya wochenweise zu arbeiten. Später, als meine Tochter auch

Ärztin war, haben wir diese Einsätze gemeinsam gemacht. Aber warum Tanzania? Ich weiß es nicht, ich bin einfach mit meinem Doktorkoffer hingereist, habe die ersten Menschen mit Medikamenten versorgt und angefangen zu arbeiten. Aus einem kleinen Zelt heraus, so richtig kitschig. Die erste Nacht habe ich mich schrecklich gefürchtet, lag da, in einer fremden Welt, ohne Schutz. Verrückt. Doch ich hatte zuvor einem schwer verletzten Mann, einem Bauern, geholfen, der mein Watchman wurde und die Nacht mit seinem Stock vor meinem Zelt wachte. Jafferson ist heute mein bester Freund und kümmert sich um unser Agrarprojekt. Als ich aufwachte, war es warm und hell, ein Zauber lag über dem Land, die Furcht war verflogen. Nach und nach kamen immer mehr Menschen, und ich musste handeln. Also habe ich mich durch Einheimische an den Dorfhäuptling gewandt, um eine Krankenstation bauen zu können. Dafür aber brauchte ich Land. Und ich wollte das schönste Land, rund um einen 1000 Jahre alten Baum, dem Sykamore Fig Tree, der dann auch zum Symbol meines Projektes geworden ist. Er forderte mich auf zu ihm zu kommen, aber ich ließ ihn wissen, dass er zu mir kommen musste, denn ich wollte schließlich mein gesamtes Geld und meine Arbeitskraft in den Dienst der Menschen in der Region Arusha stellen. Eines Tages kam er dann, gemeinsam mit

einem Mittelsmann, der Englisch sprach. In meinem Zelt gab es einen Campingtisch, zwei Stühle und einen Kübel. Die Herren nahmen also auf den Stühlen Platz, mich platzierte man auf dem umgedrehten Kübel, dem „Busch-Klo“. Ich praktizierte also meine Demutsübungen, die Frauen vor dem Dorfhäuptling zu leisten haben. Mitten im Gespräch stand ich dann auf, nahm mir den Stuhl des Mittelsmannes, schaute dem Häuptling in die Augen und sagte: „You King – I Queen.“ Seitdem begegnen wir uns auf der sprichwörtlichen Augenhöhe. Ich bekam also das Land um den Sykamore Tree, unter dessen breiten Schutz bereits mein Zelt stand. Nun seid ihr zwei Frauen, die dieses Projekt leiten. Welche Akzeptanz bekommt ihr in dieser Welt des Machismo? Lassen sich Männer behandeln? Als Ärztinnen werden wir schon geschätzt, denn sie brauchen uns ja. Dieses Commitment gibt es. Außerdem habe ich als Großmutter den Status einer weisen Frau. Die alten Männer sind aber noch nicht in der Lage, diese Veränderungen zu leben. Meine Intention ist es daher, mit Frauen und Kindern zu arbeiten. Bei den Maasai in der Savanne sind Frauen ein Stück Dreck. Da stand Cornelia vor einem Zelt, in dem gerade eine Frau bei der Geburt starb, hörte ihre fürchterlichen Schreie, wollte helfen, aber der Mann, mit einem Speer bewaffnet, ver-

Foto: Afrika Amini Alama

sanften Hilfe. Diese erste Begegnung mit Nema, und was daraus entstanden ist, machte mir Hoffnung. Viele junge Frauen folgten ihrem Weg, und heute ist Nema aus unserem Projekt nicht wegzudenken.

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