menschen |
„ICH KANN MACHEN, WAS ICH MAG. NUR DAS SELBSTSTÄNDIGE FEHLT MIR SCHON.“ Raphael Schmid, leidet seit seiner Geburt an Ichthyose
Raphael beim Computerspielen mit Bruder Julian (oben) und am Schlagzeug
R Fotos: Mathias Lauringer
aphael Schmid sitzt im Wohnzimmer auf der Couch, als wir ihn zu Hause in Schiedlberg besuchen. „Ich bin froh, dass es heute nicht mehr so heiß ist wie in den letzten Tagen“, sagt er nach der Begrüßung. „Ich kann nämlich nicht schwitzen. Wenn es recht heiß ist, ist es gefährlich, dass ich kollabiere. Darum sind mir die kühleren Tage lieber.“ Raphael, der Anfang September seinen 14. Geburtstag feiert, leidet seit seiner Geburt an Ichthyose, auch Fischschuppenkrankheit genannt. Durch einen Gendefekt wächst seine Haut rund 100 Mal schneller nach als bei einem gesunden Menschen. „Schuppenpanzer“ wächst über Nacht Besonders schlimm ist es für den Teenager am Morgen. Über Nacht wächst ihm eine Art Schuppenpanzer, der schmerzt und ihn sehr unbeweglich macht. Darum muss er bereits um 04:45 Uhr aufstehen und anschließend zwei Stunden
in einem speziellen Becken mit Fischen verbringen. Raphael nennt sie Knabberfische. Es sind zwischen 300 und 400 Kangalfische, wenige Zentimeter groß. Sie befreien ihn jeden Tag von den verhärteten Hautschuppen. Die Prozedur dauert rund zwei Stunden. In dieser Zeit frühstückt der 13-Jährige und sieht fern, damit die Langeweile nicht allzu groß wird. „Dieses Becken ist ein Segen“, erzählt Mama Roswitha. „Ohne die Knabberfische wüssten wir nicht einmal, ob Raphi in die Schule gehen könnte, weil er das lange Sitzen und auch das Schreiben vermutlich nicht aushalten würde.“ Seit 2008 steht das gut einen Meter mal einen Meter große Becken im Badezimmer der Schmids und erleichtert Raphael das Leben. Nach einer großen Spendenaktion konnte die Familie das teure Therapiebecken kaufen. Nachdem die Fische die Hautschuppen angeknabbert haben, muss Raphaels empfindliche Haut sorgfältig eingecremt
werden. Und bevor es endgültig ab in die Schule geht, stylt er sich noch seine dunkelblonden Haare. „Das muss sein“, sagt seine Mama mit einem Augenzwinkern. „Kann machen, was ich mag“ Überhaupt ist das meiste wie bei anderen Jungen in seinem Alter. In seiner Freizeit spielt Raphael gern Schlagzeug. „Ich spiele seit drei Jahren und es taugt mir voll“, sagt er, während er uns eine kleine musikalische Kostprobe gibt. Neben dem Spaßfaktor fördert das Schlagzeugspielen zudem Beweglichkeit und Motorik. Außerdem spielt er gern mit seinem achtjährigen Bruder Julian oder trifft sich mit Freunden. In der Schule steht er seit zwei Jahren mit der Theatergruppe regelmäßig auf der Bühne. Vor den Ferien etwa führten sie Shakepeares „Ein Sommernachtstraum“ auf. Raphael kommt nach den Ferien in die vierte Klasse der Hauptschule Sierning. Wenn er die Pflichtschule geschafft hat, möchte er in die HTL Leonding gehen. Am liebsten wären ihm die Zweige Informatik oder Medientechnik. Seine Krankheit, für die es bis jetzt keine Aussicht auf Heilung gibt, empfindet er mittlerweile kaum als Einschränkung. Oberösterreicherin | 23
22-24_Fischschuppen.indd 23
20.08.15 13:26