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Ausflug in andere Welten

An Messen wie Zurich Pop Con oder Fantasy Basel versammeln sich die Fans von Fantasy, Games und Comics – oft als Lieblingsfigur verkleidet. Wir haben den Cosplay-Star Yuji Koi einen Tag lang begleitet.

Text: Ralf Kaminski Bilder: Matthias Willi Yuji Koi hat gerade keine Zeit zum Reden. Dafür ist an ihrem Stand einfach zu viel los. Zwei in bunte Kostüme gekleidete Teenager wollen ein Selfie mit ihr, ein Mann mittleren Alters ein allfälliges gemeinsames Projekt besprechen und ein Fan eins ihrer Hochglanzfotos kaufen, samt persönlicher Widmung.

So wie im Mai an der Fantasy Basel geht es fast immer zu, wenn die 26jährige Vietnamesin auftritt. Yuji Koi, die seit drei Jahren in der Schweiz lebt, ist ein Star in der CosplaySzene, und sie erfüllt alle Wünsche geduldig und mit einem Lächeln – sichtlich erfreut, dass sie mit ihrer Kunst, die sie seit elf Jahren betreibt, so gefragt ist.

Wie üblich steckt sie auch in Basel den ganzen Tag selbst in einem ihrer Kostüme. Vi, eine Kriegerin aus dem globalen

«Wenn man trendige Figuren überzeugend darstellt, geht das schnell global viral.»

Gamehit «League of Legends», gehört zu ihren Lieblingsfiguren. «Ich spiele das Game auch selbst – und mag generell starke Frauen», erklärt sie später. Tatsächlich sieht sie der Figur unglaublich ähnlich, mit der pinkfarbenen Perücke und der aus einem Kunststoffmaterial nachgebauten Rüstung.

Dazu gehören zwei riesige unförmige Hände, die sie nur zwischendurch trägt, für Fotos und offizielle Auftritte. «Die sind zu schwer und unpraktisch.» Das Kostüm als Ganzes wiegt rund zehn Kilo, und die Verwandlung von Yuji in Vi dauert etwa zwei Stunden. Dass es an einigen Stellen zwickt und drückt, nimmt sie stoisch hin. Hauptsache, der Look stimmt.

Mit 15 Jahren eingestiegen «Ich folge ihr schon seit einiger Zeit auf Instagram, und man sieht ihren Fotos an, wie viel Zeit, Geld und Mühe sie in ihre Arbeit steckt», sagt Daniel aus Liestal BL. Der 23jährige Mangaund CosplayFan hat sich eben bei ihr ein Foto gekauft und signieren lassen, natürlich inklusive Selfie mit ihr.

Rund zwei Stunden dauert es, bis sich Cosplay-Star Yuji Koi in die Kriegerin Vi aus dem Computerspiel «League of Legends» verwandelt hat. Yuji Kois Figur hat pinkfarbene Haare und steckt in einer Art Rüstung. Daniel ist ein Fan (Bild unten), er folgt Yuji auf Instagram und nutzt die Gelegenheit für ein Selfie.

Die junge Asiatin hat sich ihre Position über Jahre erarbeitet. Mit 15 stiess sie zu Hause in Vietnam zufällig in einem Magazin auf das Phänomen Cosplay und war sofort interessiert. «Ich mag diese Comic- und Gamewelten und finde es eine spannende Herausforderung, die Figuren quasi in die Realität zu holen.» Zudem hat sie einige handwerkliche Talente: Kleidung näht sie meist selbst, auch mit Kunststoff arbeitet sie. «Das Rohmaterial in der Schweiz ist aber vergleichsweise teuer. Deshalb bestelle ich ab und zu auch Teile aus Asien.» Schon als Teenager nahm sie an ersten Cosplay-Wettbewerben teil, gewann Preise, zunehmend auch international. «Aber so richtig los ging es, als ich anfing, meine Cosplays über Social Media zu verbreiten, insbesondere Instagram.» Dies sei für Cosplay die zentrale Plattform. «Wenn man trendige Figuren überzeugend darstellt, geht das sehr schnell global viral», erklärt sie. «Anfänglich habe ich das alles nur aus Spass gemacht, aber nach fünf, sechs Jahren realisierte ich, dass daraus durchaus mehr werden könnte.» 2019 kam Yuji Koi in die Schweiz, um einen MBA in Hotelmanagement zu absolvieren – seit dem Abschluss arbeitet sie in einem Zürcher Lokal hinter der Bar und als Barista. Die CosplayLeidenschaft geht jedoch ungebrochen weiter; dadurch lernte sie auch ihren heutigen Ehemann Luca Passarella kennen. Der 22-jährige Elektriker liebt Mangas seit Kindertagen und stiess deshalb auf Yujis Instagram-Seite.

Der Ehemann als Assistent Die beiden tauschten zuerst längere Zeit Nachrichten aus, dann trafen sie sich. Ende 2019 heirateten sie und leben nun gemeinsam in Baar ZG. «Ich mag Cosplay, mache es aber selten selbst», erzählt Passarella. Umso mehr unterstützt er seine Frau, als Assistent und Fotograf.

Tatsächlich hätte sie es ohne seine Hilfe kaum geschafft, in ihr Vi-Kostüm zu kommen. Aber er kann natürlich längst nicht immer dabei sein. «In solchen Situationen stellen die Organisatoren Assistenten zur Verfügung», erklärt Koi. Bis Ende des Jahres ist sie noch zu diversen weiteren internationalen Cosplay-Anlässen eingeladen – auch an der Zurich Pop Con Anfang Oktober wird sie teilnehmen.

In Basel hat sie Starstatus. «Ich war allerdings schon ein bisschen nervös und habe mich gefragt, ob überhaupt jemand an meinen Stand kommt», sagt sie. Doch diese Sorge war unbegründet. «Es ist wirklich eine schöne Bestätigung, wie viele sich interessieren und sogar etwas kaufen.»

Gleichzeitig schaut sich Yuji Koi auch selbst auf der Messe um und tauscht sich aus. Aber kaum stoppt sie irgendwo für einen genaueren Blick, wird sie schon von jemandem angesprochen und in ein Gespräch ver-

wickelt. Am Ende folgt das obligatorische Selfie. Doch dann muss sie zum nächsten Termin, dem grossen CosplayWettbewerb, bei dem sie mitentscheidet, wer von den rund 20 Playern einen der vier Preise erhält. «Das Kostüm zählt die Hälfte: Wie nah ist es an der Figur, aus welchem Material und wie detailtreu ist es gefertigt? Die andere Hälfte ist die Präsen tation beim Wettbewerb.»

Der Publikumsandrang ist gewaltig, die Stühle reichen längst nicht, viele sitzen hinten und an der Seite auf dem Boden. Und sehr viele sind selbst kostümiert. Sie sind einerseits wegen des Wettbewerbs da, andererseits weil alle Kostümierten

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Was ist Cosplay?

Die Fankultur kommt ursprünglich aus Japan, hat sich aber längst über den Globus verbreitet. Beim Cosplay stellt man eine Figur aus einem Manga, Film oder Videospiel durch ein Kostüm und sein Verhalten möglichst originalgetreu nach. An der Fantasy Basel spielt Cosplay immer eine zentrale Rolle. Dieses Jahr hat die grösste Popkulturveranstaltung der Schweiz 62000 Personen nach Basel gelockt – ein Rekord. Die Zurich Pop Con Anfang Oktober wird ebenfalls Cosplayer in Scharen anziehen.

Die nächste Fantasy Basel findet vom 18. bis 20.Mai 2023 statt. Die gleichen Veranstalter organisieren am 1. und 2.Oktober die Zurich Pop Con & Game Show. anschliessend selbst über die Bühne laufen und sich dem Publikum präsentieren dürfen. Einige können durchaus mit denen aus dem offiziellen Teil mithalten.

Später will sie davon leben Der Entscheid für die Gesamtsiegerin Isabel (copperspell_cos), die zu den bombastischen Klängen von Richard Strauss’ «Also sprach Zarathustra» ein witziges Minitheater präsentierte, sei der Jury nicht schwergefallen, erzählt Yuji Koi anschliessend. «Nicht nur war das Kostüm unglaublich detailreich, die begeisterte Reaktion des Publikums hat für sich gesprochen.» Im Vergleich mit anderen internationalen Wettbewerben gebe es in der Schweiz schon noch Luft nach oben, findet sie. «Aber die Cosplayer hier sind auf gutem Weg, es ist beeindruckend, was Anfänger bereits hinkriegen.»

Yuji Koi hofft, mit Cosplay irgendwann den Lebensunterhalt zu verdienen. So weit ist es noch nicht, aber die bezahlten Einladungen für Messeauftritte hätten in letzter Zeit deutlich zugenommen. Es sei keine Altersfrage», betont sie. «Es gibt Menschen, die das mit 50 oder noch später mit Vergnügen und Erfolg tun.» Ob es bei ihr dereinst auch so sein werde, könne sie jetzt noch nicht sagen. «Aber es wäre schon irgendwie schön.» MM

Mehr Infos: fantasybasel.ch; zurichpopcon.ch; yujikoicosplay.info

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Erfahren Sie mehr über Javier: caritas.ch/javier Javier Pinto (46), Bolivien, erzielt trotz Klimakrise ein nachhaltiges Einkommen. Dafür muss er im Amazonas keinen Wald mehr roden.

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