Migros-Magazin-29-2022-d-VS

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38 | 18.7.2022 | INNOVATION

«Es ist nicht wie Fleisch, es ist Fleisch» In Israel tüfteln Start-ups an Fleisch, das in Bioreaktoren aus einer Zelle heranwächst. Die Migros hat in zwei davon investiert. Wir haben sie in Tel Aviv besucht und exklusiv Gerichte probiert, die damit zubereitet wurden. Text: Ralf Kaminski

Bilder: Daniel Grieser

Sieht aus wie echt, ist der erste Gedanke beim Anblick der Gerichte. Und im Grunde sind sie es ja auch. Nur dass das Pouletfleisch nicht an einem Tier in ­einem Mastbetrieb gewachsen ist, sondern in einem runden, grossen Metallbehälter in einer pflanzen­ basierten Nährlösung, aus lediglich ­einer Zelle eines Huhns, dem sonst nichts weiter geschehen ist. Wir befinden uns in einem Aussenquartier der israelischen Metropole Tel Aviv bei «SuperMeat», einem Start-up, das seit 2015 an kultiviertem Fleisch a­ rbeitet und sich auf Geflügel spezialisiert hat. Die kleine MigrosDelegation aus der Schweiz sitzt im Testrestaurant des Start-ups, mit ­direktem Blick in die Produktions­ anlage, wo das Fleisch entsteht und anschliessend in der offenen Küche für uns zubereitet wird. Wie ein ganz normales Poulet

Es gibt eine kleine Wurst, eine Frühlingsrolle und einen Burger, alle mit Beilagen und hübsch ­angerichtet wie in einem echten Restaurant. Neben den Laien probieren auch drei Profis diese neuartige Form von Fleisch: Rolf Hiltl (57), Inhaber des Hiltl, dem ältesten vegetarischen R ­ estaurant der Welt; Nicole Hasler (38), Ökonomin und ­Innovationsberaterin aus Zürich, sowie Daniel Tinembart (49), Koch und Rezeptautor bei ­Migusto. Für alle drei ist es das erste Mal – entspre-

chend g­ espannt sind sie. Und alle ­räumen anschliessend ein: Hätten sie nicht gewusst, dass dies kein klassisch produziertes Fleisch ist, wären sie nie auf die Idee gekommen. «Ich habe den Burger auseinanderge­ nommen und auch das Fleisch unter der Panade probiert», erzählt Rolf Hiltl, «die Struktur, die Fasern … es schmeckt und fühlt sich an wie tie­risches Poulet.» Die Migros bereitet sich vor

Daniel Tinembart findet, dass man bei der Rezeptur noch etwas kreativer werden könnte, aber am Fleisch selbst gebe es nichts zu beanstanden. Fleischfan Nicole Hasler sagt es so: «Es ist nicht wie Fleisch, es ist Fleisch. Punkt.» Auch Matthew Robin (56), Geschäftsführer der ELSA-Mifroma, die zur Migros-Industrie gehört, ist beeindruckt. Er steckt hinter dem Engagement der Migros in diesem ­Bereich, dem von vielen eine grosse Zukunft prophezeit wird. «Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis die Behörden alle Fragen geklärt haben, aber dann werden diese Produkte auch in den Kühlregalen der Migros erhältlich sein», sagt er. Allenfalls werde die Migros-­Industrie sie irgendwann sogar selbst herstellen. Eine Herausforderung sieht er da­ rin, dass Lebensmittel sehr stark mit Emotionen aufgeladen sind. «Es wird

«Es schmeckt und fühlt sich an wie tierisches Poulet.» Rolf Hiltl


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