Migros-Magazin-29-2022-d-VS

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22 | 18.7.2022 | SPORT

Super-G auf Gras

Skifahren im Sommer ist für Martin Schacher Alltag, und zwar auf saftigen Alpwiesen. Besuch bei einem der besten Grasskifahrer der Schweiz. Text: Simon Koechlin

Bilder: Herbert Zimmermann

Ein Griff an den Helm, die Skistöcke in Position gebracht, ein paar tiefe Atemzüge. Martin Schacher ist bereit. Kräftig stösst er sich ab und stürzt den steilen Hang hinunter. Kurvt um das erste Tor, dann um das zweite. Wie auf Schienen rollt er durch den Klee und das Gras, das auf der Bergwiese ­unterhalb des Berggasthauses Marbachegg spriesst. Es ist ein wolkenloser Julitag. T-Shirt-Wetter, auch auf 1500 Metern über Meer. Von Schnee keine Spur. Aber den kann Schacher für seinen Sport sowieso nicht gebrauchen. Der 27-jährige Elektroinstallateur aus Escholzmatt im Entlebuch ist nämlich einer der besten Grasskifahrer der Schweiz. ­Heute trainiert er gemeinsam mit seinem Nationalteam­ kollegen Mirko Hüppi. Grasski hat viel mit alpinem Skifahren gemeinsam. Trotz der sommerlichen Temperaturen tragen die Fahrer Skidress, Stöcke, Helm, Handschuhe und Skischuhe. «Auch die Bewegungsabläufe sind dieselben wie im Winter», sagt Martin Schacher. «Wer Skifahren kann, lernt das Grasskifahren schnell.» Wenn er sich denn traut. Denn Grasskifahren brauche schon etwas Mut, sind sich Schacher und Hüppi einig.

Das liegt am ungewohnten ­Untergrund und an den Grasski, die nur 80 Zentimeter bis einen Meter lang sind. Sie funktionieren wie Kettenfahrzeuge. Über einen Gurt laufen Elemente, die Rollen enthalten. Ölen statt wachsen

Schacher hat am Morgen biologisch abbaubares Öl in die Rollen geträufelt, damit sie gut laufen. Bremsen ist mit der Raupenkonstruktion nicht möglich. «Wenn man unterwegs ist, muss man es durchziehen bis ins Ziel», sagt Schacher. Dort braucht man viel Platz, damit der Grasski­ fahrer mit einer grossen Auslaufkurve hangaufwärts zum Stillstand kommen kann. Die besten Fahrer erreichen durchschnittliche Tempi von 80 bis 90 Kilometern pro Stunde und liegen auch schon mal im Gras. Am vergangenen Wochenende sei er gleich dreimal gestürzt, erzählt Schacher. «Auch Stürze gehören zum Besserwerden.» Allerdings komme es beim Grasskifahren meist zu weniger schweren Verletzungen als im alpinen Skisport. Knieverletzungen etwa sind seltener, unter anderem wegen des kürzeren Skis. Schacher hat die erste Trainingsfahrt des Tages sauber ins Ziel gebracht. Rasch bringt ihn der Tellerlift wieder hoch an den

Start. Die Grasski rasseln, als er auf die Startrampe fährt. «Mit der Zeit verfängt sich Sand und Erde in den Kunststoffrollen», sagt er. «Dann werden sie lauter und langsamer, und man muss die Rollen auswechseln.» Sagt es – und donnert bereits wieder die Piste hinunter. Zum Grasski-

fahren gekommen ist Martin Schacher schon als Bub, als ­Mitglied im (alpinen) Skiclub Escholzmatt. Der Trainer organisierte eine Grasskilektion. «Als ich dann den Sprung in e­ inen ­Kader verpasste, stieg ich von Schnee auf Gras um.» 2010, in der achten Schulklasse, nahm


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