10 | 7.3.2022 | LANGLAUF
Herr der Loipen
Hilfsbereit und mit einem Karl-Marx-Bart: Für Langläufer im Oberengadin ist Simon Willy eine Attraktion. Seit 30 Jahren verkauft er Loipenpässe und wurde schon mit dem Tod bedroht. Text: Dario Aeberli
Bilder: Nicola Pitaro
Seit 1991 steht Simon Willy jeden Wintertag vor seinem Kabäuschen und verkauft Langlaufbegeisterten Loipenpässe, meist in Surlej GR. Nur an diesem Dienstagmorgen fehlt von ihm jede Spur. An einer Wand des Häuschens hängt ein Bild von ihm: graue Mütze, gelbe Jacke, mächtiger Bart, Sonnenbrille. So würde er also aussehen. Später spaziert er in diesem Outfit über die Strasse und hinunter zum Häuschen. Eine langjährige Kundin und Freundin im Arm, den Migros-Magazin-Fotografen und
zwei Freunde im Schlepptau. «So viele Fotos wie heute habe ich das ganze Leben nicht gemacht», witzelt er und fragt den Fotografen: «Darf ich meine Sonnenbrille wieder anziehen?» Nein, noch nicht. «Heute muss ich alles mitmachen», sagt Willy und befreit die Langlaufschuhe seiner Kundin beiläufig vom Schnee. Das menschliche Tagblatt Der 73-Jährige lässt sich nicht
stressen. Weder von Regieanweisungen des Fotografen noch von Todesdrohungen. Letzteres ist
ihm vor ein paar Jahren passiert. Ein Deutscher wollte mit seinen Hunden über den Silvaplanersee spazieren, doch der war noch nicht ganz gefroren. Willy liess ihn nicht passieren. «Da rief er aus: ‹Scheiss Schweizer mit euren Regeln! Ich hole meine Dienstwaffe, wenn du mich nicht durchlässt.›» Willy riet ihm davon ab: «Erschiessen Sie mich, kommen Sie noch in die Zeitung.» Darauf sei der Tourist davongelaufen. Zum Glück sind Drohungen die Ausnahme. Die meisten Kundinnen und Kunden freuen sich,
«Leute beschweren sich bei mir, wenn sie bei Nordwind kaum den Hügel hochkommen.» Simon Willy (73) Loipenpassverkäufer