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«Ich behandle Schokolade mit grossem Respekt»

Amaury Guichon ist der Schokoladensuperstar der Stunde. In Las Vegas baut der Schweizer damit die verrücktesten Figuren. Im Interview verrät er, ob man sie essen darf und warum er nie mehr in Europa leben möchte.

Text: Kian Ramezani

Geniessen kann man Guichons Lieblingsdessert, den Kompass, auf Instagram nicht – aber schon der Anblick lässt nur Gutes ahnen.

Amaury Guichon, wie haben Sie Ihre Leidenschaft für die Patisserie entdeckt?

Ich war ein durchschnittlicher Schüler und entschied mich für eine Lehre, wie das in Frankreich üblich ist. Ich lernte Koch und spezialisierte mich mit 18 Jahren auf Süsses. Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich Potenzial, plötzlich war ich nicht mehr Durchschnitt, der Verlierer. Als mich das Pariser Traditionshaus Lenôtre anheuerte, war ich mir sicher, dass Patisserie mein Lebensinhalt wird. Heute habe ich über zehn Millionen Follower auf Instagram.

Das klingt fast ein bisschen zufällig.

Ja, rückblickend war es ein glücklicher Zufall. Die ersten paar Jahre in der Patisserie waren sehr hart: um 3 Uhr früh aufstehen und an Wochenenden arbeiten. Als Teenager möchtest du eigentlich nur mit Freunden ausgehen und Spass haben. Ich wurde also recht früh ins echte Leben geschubst. Aber das Handwerk der Patisserie erfüllte mich, weil ich dort eine Anerkennung erfuhr, die mir bis dahin verwehrt geblieben war.

Und wie kamen Sie auf die Schokolade?

Ich mochte Schokolade schon immer: Sie ist warm, riecht gut und ist eine unglaubliche Zutat. Für mich ist sie etwas sehr Kostbares und Edles. Ich behandle sie mit grossem Respekt, als sowohl geschmackliche als auch visuelle Zutat.

Ist Ihnen schon einmal etwas begegnet, was Sie mit Schokolade nicht machen konnten? Nein, aber ich bin mir sicher, dass es eine Grenze gibt, ich habe sie bisher aber noch nicht erreicht. Bei der Giraffe, meinem mit Abstand grössten Objekt bis jetzt, hatte ich Angst, sie würde zusammenbrechen. Aber sie hat gehalten und steht auch Monate später noch. Mich überrascht ausserdem, wie vielseitig Schokolade verwendbar ist: Scharniere, interaktive Elemente, Schaltungen, bewegliche Teile, Zahnräder – dank der Festigkeit dunkler Schokolade ist das alles möglich.

Ist Ihnen je etwas missglückt? Glücklicherweise funktionierte bisher alles sehr gut, wenn nicht, konnte ich es immer retten. Es gab noch kein Projekt, das ich nach der Hälfte abgebrochen und bei dem ich gesagt habe: «Das geht nicht, das verstehe ich nicht, das ist unmöglich.» Das liegt nicht in meiner Natur.

Ein zentrales Thema Ihrer Arbeit ist die Illusion. Sie fabrizieren Objekte aus Schokolade, denen man nicht ansehen soll, dass sie aus Schokolade sind. Warum?

Wie alle anderen lernte ich Patisserie als Kombination verschie- dener Aromen und Texturen, die man im Nachhinein irgendwie hübsch aussehen lässt. Das habe ich umgedreht: Mein Ziel ist es, ein Objekt zu erschaffen, das man sofort erkennt und akzeptiert. Das erfordert grosse Präzision. Um beim Beispiel der Giraffe zu bleiben: Man muss sie erkennen, und sie muss so echt wie möglich aussehen. Die perfekte Illusion eben.

Die Illusion wird in den Videos perfekt transportiert, der Geschmack leider nicht. Den versuche ich vorzuführen, indem ich meine Kreationen anschneide und das Innenleben präsentiere. Aber ja, im Internet gibt es viele schöne Sachen, und man fragt sich, ob sie auch gut schmecken. Natürlich kann man etwas einfach für Instagram hübsch machen. Aber ich lehre an meiner eigenen Schule, und was ich lehre, muss gut schmecken. Der Geschmack ist und bleibt die wichtigste Daseinsberechtigung der Patisserie.

Sie schaffen verrückte Dinge an einem verrückten Ort. Sie passen also perfekt zu Las Vegas?

Ja, in Las Vegas habe ich einen Ort gefunden, wo das Extravagante, das Übertriebene, perfekt hinpasst. Die Menschen hier respektieren das Handwerk, in Frankreich hingegen schaut man darauf herab. Das hat mich zu Beginn meiner Karriere wirklich

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