Sonderausgabe «Danke sagen»

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MM43, 23.10.2017 | DANKE

DANKE | MM43, 23.10.2017

« Ohne dich würde ich vielleicht nicht mehr leben » Mario Lüchinger (13) verdankt Jan Baumgartner (14)

sein Leben. Er rettete ihn aus dem Alten Rhein, nachdem ein anderer Junge vom 5-Meter-Brett auf ihn gesprungen war.

W Mario (links) hat seinen Unfall gut überstanden – dank Jan, der blitzschnell reagierte und ihn an die Wasseroberfläche zurückholte.

ie dankt man jeman­ dem, der dem eigenen Sohn das Leben ge­ rettet hat? Diese Frage trieb Martina und Martin Lüchin­ ger­Walser (beide 42) um, seit Jan Baumgartner am 28. Mai ihren leblos unter Wasser treibenden Sohn Mario aus dem Alten Rhein gezogen hatte. Hätte Jan nicht oder langsamer reagiert, wären bleibende Schäden kaum zu vemeiden gewesen – wenn nicht Schlimmeres. «Was Jan für uns getan hat, ist etwas so Grosses, dass ich lange nicht wusste, wie wir darauf angemessen reagieren könnten», sagt Martina Lüchinger. Dann entdeckte sie den Aufruf, in dem das Migros­Magazin Menschen suchte, die jemandem in dieser Spezialausgabe Danke sagen möchten. Und Jan, der nach seiner Heldentat nicht gross darüber redete, freut sich sehr darüber. Dazu gabs ein T­Shirt mit dem Aufdruck «Retter» und etwas Süsses für den begeisterten Schwimmer und Taucher. Aber was genau ist an diesem Tag im Naturstrandbad von Diepoldsau SG

passiert? «Ich war mit Kollegen in der Badi, und wir sind immer wieder vom Sprungturm ins Wasser gesprungen», erzählt Mario. «Das Letzte, das ich weiss, ist ein Satz vom 1­Meter­Brett, der Rest ist weg.» Dass er danach mit Jan auch vom 5­Meter­Brett gesprun­ gen ist, daran kann er sich nicht mehr erinnern. «Ein paar Stunden später bin ich in der Notaufnahme im Kinder­ spital St. Gallen aufgewacht.» Unter Wasser mit Hirnerschütterung und gebrochenen Brustwirbeln

Jan erinnert sich: «Mario und ich kennen uns vom Sehen her von der Schule, mehr nicht. Aber an dem Tag ergab es sich, dass er und ich ein paar Mal zusammen vom 5­Meter­Brett sprangen. Nach einem dieser Sprünge schwammen wir beide zur Seite hin weg, damit zwei andere nach uns freie Bahn hatten. Aber als ich mich umsah, waren nur zwei Köpfe zu sehen, einer fehlte. Ich realisierte, dass etwas nicht stimmte, tauchte runter und sah Mario wenige Meter tiefer im trüben Wasser treiben.» Einer war auf ihn gesprungen. «Ich

schwamm zu ihm, packte ihn am Arm, zog ihn hoch. Kaum an der Oberfläche begann er zu zappeln und zu schreien. Dann kamen noch andere dazu und halfen mir, ihn ans Ufer zu bringen.» Martina Lüchinger ergänzt: «Er hatte drei gebrochene Brustwirbel, eine Hirnerschütterung und einen Lungenkollaps, deshalb kam er nicht mehr hoch. Sein älterer Bruder Nino hörte ihn dann schreien und rannte sofort hin. Als die Rega schliesslich kam, mussten wir Nino völlig erschüttert in der Badi zurücklassen, weil nur ich mitfliegen durfte. Das war ein ganz schlimmer Moment. Und das Erste, was Mario mich fragte, als er mich sah: Mama, sag bitte, dass alles ein Traum ist! Ich bin nicht querschnittgelähmt, oder?» Daran erinnert sich Mario nicht mehr: «Aber ich war schon vier Tage danach wieder in der Schule. Und nächsten Sommer gehe ich auch wieder in die Badi und springe vom Turm.» MM Text: Ralf Kaminski

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