

Ideen, Entwicklungen, Herausforderungen und Chancen
Präsident der AIBI
(International Association of Plant Bakers)
In der strategischen Agenda industrieller Bäckereien ist Nachhaltigkeit nicht länger eine Option, sondern eine Notwendigkeit. In dem Maße, wie das weltweite Bewusstsein für die ökologischen Herausforderungen wächst, wird unser Sektor zunehmend für seinen relativ geringen CO 2-Fußabdruck im Vergleich zu vielen anderen Lebensmittelkategorien anerkannt. Diese vorteilhafte Position ist jedoch kein Grund zur Selbstzufriedenheit. Industrielle Bäckereien haben die Verantwortung und die Möglichkeit, sich der Herausforderung zu stellen, ihre Umweltauswirkungen weiter zu reduzieren.
Diese Dynamik wurde zum Teil durch den europäischen Green Deal vorangetrieben, der eine Welle regulatorischer und finanzieller Veränderungen in Gang gesetzt hat, die den gesamten Lebensmittelsektor betreffen. Sie geht jedoch weit über politische Mandate hinaus. Die Fähigkeit unserer Branche, Zugang zu finanziellen Ressourcen zu erhalten und einen langfristigen Unternehmenswert aufzubauen, ist direkt mit unserer Nachhaltigkeitsleistung verbunden und beeinflusst sowohl börsennotierte Unternehmen als auch Bäckereien in Privatbesitz. Ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg war die Entwicklung des EU-Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Geschäfts- und Vermarktungspraktiken im Lebensmittelbereich, zu dem die AIBI mit Stolz beigetragen hat und zu dessen Unterzeichnern sie gehört.
Doch der Weg dorthin ist alles andere als geradlinig. Während die Europäische Kommission ihre Führung wechselt, hat sich gezeigt, dass ihre Nachhaltigkeitsagenda die Frage der finanziellen Tragfähigkeit der systemischen Veränderungen,
die in der gesamten Lebensmittelkette erforderlich sind, möglicherweise übersehen hat. Wir hoffen, dass die neue Exekutive der Bereitstellung der finanziellen Mittel, die zur Unterstützung des Übergangs zur Nachhaltigkeit erforderlich sind, Priorität einräumt – für die Landwirte und für alle Beteiligten in der Lebensmittelindustrie. Während die zukünftige Richtung der EU-Politik ungewiss ist, ist doch eines klar: Nachhaltigkeit wird ein zentrales Thema in den strategischen Agenden der Unternehmen unseres Sektors bleiben.
Dieser Schwerpunkt ist zum Teil auf die einzigartige Rolle unseres Sektors in der Gesellschaft zurückzuführen. Brot ist ein Grundnahrungsmittel und bildet den Kern der menschlichen Ernährung. Deshalb wollen wir ein Beispiel für verantwortungsvolles Handeln geben und unsere Verantwortung für die Umwelt mit den praktischen Realitäten der Unternehmensführung in Einklang bringen. Nachhaltigkeit ist auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll: Durch die Schonung von Ressourcen und die Minimierung von Abfällen können wir Effizienzgewinne erzielen. Dies erinnert an die Einführung von Qualitätsmanagementsystemen vor vier Jahrzehnten – eine Entwicklung, die als Zwang begann und sich zu einer wesentlichen Geschäftspraxis entwickelte.
Der Kenntnisstand und das Engagement in Sachen Nachhaltigkeit sind bei unseren Mitgliedern jedoch sehr unterschiedlich. Unsere Gemeinschaft der Industriebäcker ist vielfältig und umfasst Unternehmen unterschiedlicher Größe und Modelle, deren finanzielle Situation durch die aufeinanderfolgenden Krisen unterschiedlich stark betroffen war. Während individuelle Strategien
zur Bekämpfung direkter Emissionen (Scope 1 und 2) von entscheidender Bedeutung sind, zielt die AIBI darauf ab, kollektive Fortschritte in vorwettbewerblichen Bereichen zu fördern, in denen Zusammenarbeit sinnvolle Veränderungen bewirken kann.
„Gemeinsam
können wir eine Zukunft gestalten, in der unsere Produkte die Menschen und den Planeten gleichermaßen nähren.“
Jean-Manuel Lévêque
Nach eingehenden Überlegungen haben wir die Scope-3-Emissionen, insbesondere die Emissionen im Zusammenhang mit einem unserer wichtigsten Rohstoffe – dem Weizen –, als Schlüsselbereich für gemeinsame Maßnahmen identifiziert. Auch wenn andere Zutaten ebenfalls wichtig sind, glauben wir, dass es pragmatisch ist, hier anzusetzen. Wir starten ein ehrgeiziges Projekt zur Umstellung auf kohlenstoffarme, regenerative Anbaumethoden für Weizen. Diese Initiative befindet sich noch in der Anfangsphase, und ihr Erfolg wird nicht nur von der Zusammenarbeit innerhalb unserer Bäckergemeinschaft abhängen, sondern auch von der Zusammenarbeit mit den Akteuren in unserer gesamten Wertschöpfungskette. Die ersten Schritte sind ermutigend, und wir bauen auf eine starke Dynamik, bei der die fortschrittlichsten Akteure diejenigen unterstützen, die ihren Weg noch finden.
Beim Thema Nachhaltigkeit geht es jedoch nicht nur um die Verringerung des CO 2-Fußabdrucks der Produktion, sondern auch um ein
Gleichgewicht zwischen der Nutzung von Ressourcen und ihrer Verfügbarkeit. In diesem Zusammenhang ist die Entwicklung der menschlichen Ernährung ein entscheidender Faktor. Wir sind davon überzeugt, dass Brot als zentraler und nachhaltiger Bestandteil einer pflanzlichen Ernährung eine entscheidende Rolle bei diesem
„Dieses Buch ist sowohl ein Aufruf zum Handeln als auch eine Inspiration für Bäckereien, um die Herausforderungen und Chancen der Nachhaltigkeit zu meistern.“
Jean-Manuel Lévêque
Übergang spielt – es ist eines der effizientesten und authentischsten Mittel der pflanzlichen Ernährung, die die Menschheit seit ihren Anfängen nutzt.
Dieses Buch ist sowohl ein Aufruf zum Handeln als auch eine Inspiration für Bäckereien, um die Herausforderungen und Chancen der Nachhaltigkeit zu meistern. Wir laden Sie ein, uns auf dieser Reise zu begleiten, auf der geschäftlicher Erfolg und ökologische Verantwortung Hand in Hand gehen. Gemeinsam können wir eine Zukunft gestalten, in der unsere Produkte die Menschen und den Planeten gleichermaßen nähren.
Helga Baumfalk, Redaktion brot+backwaren baumfalk@foodmultimedia.de
Wie kann eine nachhaltige Wertschöpfungskette der Backwarenproduktion funktionieren? Mit dieser Ausgangsfrage haben wir unser Buchprojekt gestartet. Auf der Hand liegt, dass alles, was mit dem Energieverbrauch in Bäckereien in Zusammenhang steht, zu den entscheidenden Hebeln für mehr Nachhaltigkeit gehört. Deshalb geben wir dem Thema genügend Raum. Ist Wasserstoff tatsächlich ein zukunftsfähiger alternativer Energieträger? Auch dieser Frage wird nachgegangen.
Respekt gegenüber den Ressourcen: Die Vermeidung von Food Waste und die Idee der Kreislaufwirtschaft bekommen eine stärkere Gewichtung.
Neue Rohstoffe werden diskutiert. Wie Sorghum, das als klimaverträgliche Getreidesorte gilt. Aber wie lässt sich Sorghum in westlichen Bäckereiprodukten einsetzen? CO 2-reduzierter Weizen, auch das ist ein Thema. AIBI-Präsident Jean-Manuel Lévêque hat es in seinem Grußwort angesprochen: „Wir starten ein ehrgeiziges Projekt zur Umstellung auf kohlenstoffarme, regenerative Anbaumethoden für Weizen.“ Noch befindet sich alles in den Anfängen.
Außerdem steht die Frage im Raum: „Braucht man High-Protein-Mehle überhaupt noch?“ Norbert Lötz, Geschäftsführer Produktion und Technik bei Harry-Brot, hat dazu eine klare Haltung und schildert in unserem Gespräch, welche Herausforderungen und Hemmnisse die Großbäckerei auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit bewältigen musste.
Beinahe übersehen wird, dass sich Nachhaltigkeit auf das Personalmanagement auswirkt – Stichwort Work-Life-Balance. Wir betrachten außerdem, wie „grüne Marken“ aufgebaut und Kunden in Nachhaltigkeitsstrategien einbezogen werden können. Etwa über Nudging – also positive Verstärkung. Und nichts funktioniert gegen den Markt. „Welche Sicht haben die Verbraucher auf nachhaltige Lebensmittel?“ Trendforscherin Hanni Rützler beantwortet uns diese und weitere Fragen. Ihren Trendbericht haben wir an den Anfang gestellt – und den Blick in die Zukunft des Backens, den Food Futurist Tony Hunter wagt, ans Ende unseres Buches. Zusammen mit den Firmenbeiträgen ab Seite 150 schließt sich ein Kreis rund um Ideen, Entwicklungen, Herausforderungen und Chancen zum Thema Nachhaltigkeit.
Wir wünschen eine inspirierende Lektüre.
Ihre
Helga Baumfalk
02 Grußwort des AIBI-Präsidenten: Notwendigkeit, keine Option
05 Editorial : Nachhaltig backen, wie geht das?
KLIMAFREUNDLICHE ERNÄHRUNG
10 Lebensmittelkonsum und Nachhaltigkeit: Der Aufstieg alternativer Proteine
Hanni Rützler, Gründerin und Geschäftsführerin des „futurefoodstudio“, Wien/Österreich
NACHHALTIGE PRODUKTION
18 „Entscheidend ist, Nachhaltigkeit global zu denken“
Interview mit Norbert Lötz, Geschäftsführer Produktion und Technik, Harry-Brot GmbH, Schenefeld
NACHHALTIGKEITSSTANDARD
30 Orientierung durch den Nachhaltigkeits-Dschungel – Schritt für Schritt nachhaltiger werden
ZNU – Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung, Universität Witten/Herdecke
ENERGIEQUELLEN
36 Die grüne Bäckerei - Nachhaltigkeit bei der Nutzung und Beschaffung von Energie
DI Juergen Fluch, JOANNEUM Gesellschaft mbH, Kapfenberg/Österreich
H 2 -TECHNOLOGIE
46 Einsatz von Wasserstoff als Energieträger in der Bäckerei
Magnus Rienäcker, Florian Stukenborg, Markus von Bargen, ttz Bremerhaven
58 Auf dem Weg zum CO2-neutralen Brot – H2-Konzepte der Bäckerei Therese Mölk Redaktion Food2Multimedia GmbH, Radbruch
ENERGIEMANAGEMENT
62 Energy4Bakery: Die Bäckerei der Zukunft
Lisa Staubmann, Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung (vg), Wien/Österreich; Co-Autoren:
DI Christian Kummer, DI Klaus Paar, DI Markus Goritschnig, DI DI Jasmin Pfleger, DI Dr. Wolfgang Weiss
70 Mehr Effizienz durch intelligentes Monitoring –Einblicke in Energieverbrauchsmuster als Voraussetzungen zur Optimierung
Andrey Bulatov, Sales Support Engineer, AMF Bakery Systems, Gorinchem/Niederlande
76 Perpetuum mobile durch Wärmerückgewinnung? – Nachhaltige Kältetechnik in der Bäckerei
Dirk-Siegfried Hübner, Hübner Energie Consulting, Bad-Neuenahr-Ahrweiler
ROHSTOFFE
82 Getreidesorten – Möglichkeiten zur Einbeziehung von Sorghum in westlichen Bäckereien
Rubina Rumler und Regine Schönlechner, Institut für Lebensmitteltechnologie, BOKU Wien/Österreich
FOOD WASTE
90 Reduzierung der Lebensmittelverschwendung durch Künstliche Intelligenz
Elia Henrichs, Julia Senge, Christian Krupitzer, Universität Hohenheim, Stuttgart
KREISLAUFSYSTEME
102 Nachhaltige Backwaren – das Potenzial der Nebenströme
Zhanar Sadyk, freie Fachjournalistin und Lebensmitteltechnologin, Food Editorial Solutions, Köln
110 CHIAM: Klima-intelligente Lösung für nachhaltige Lebensmittelsysteme –Aufbau einer resilienten Wertschöpfungskette in Afrika
Dr. Viktoria Zettel, Universität Hohenheim, Stuttgart
PERSONALFÜHRUNG
120 Nachhaltige Personalführung – ein unterschätzter Erfolgsfaktor
Nicolas Brackmann, Randstad Deutschland, Eschborn
MARKENFÜHRUNG
127 Green Branding – Aufbau einer „grünen Marke“
Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin
ZUKUNFTSSZENARIEN
135 Technologiebasierte Prognosen für die Zukunft der Branche
Tony Hunter, Future of Food Consulting, Brisbane, Queensland/Australien
150 AMF Bakery Systems: Bessere Lebensmittel, besseres Leben
154 backaldrin: Regionale Rohstoffe, globale Verantwortung – Nachhaltigkeit bei backaldrin
158 Bakon: Wegweisende Technologie für die Backbranche
162 cetravac: Vakuum schafft Nachhaltigkeit
166 DIOSNA: Vorteig – Nachhaltiger und gesünder essen
170 FRITSCH: Die neue IMPRESSA bread von FRITSCH – Kompakt, hygienisch, flexibel und smart
174 Koenig Maschinen: Nachhaltige Backstube – Innovative Technik als Erfolgsfaktor
176 Kwik Lok: Enviro-Denken ist der Schlüssel!
180 MECATHERM: Innovation trifft auf Verantwortung
184 Rademaker: Mehr Effizienz, mehr Leistung, weniger Food Waste
188 Royal KAAK: Food without footprint
192 Verhoeven Family of Companies: Kreislaufsystem repeatloaf – Give loaf a second chance
196 WP Bakerygroup: Eine Symbiose aus Nachhaltigkeit und Effizienz
200 f2m: Impressum
Ideen, Entwicklungen, Herausforderungen und Chancen
LEBENSMITTELKONSUM UND NACHHALTIGKEIT
Nachhaltigkeit ist insbesondere im Hinblick auf Lebensmittel zu einem zentralen Schlagwort geworden. Die Notwendigkeit, angemessen auf den Klimawandel zu reagieren und den Ressourcenverbrauch zu reduzieren, ist mittlerweile quer durch alle Food-Branchen im Bewusstsein verankert. Auch die Erkenntnis, dass Ernährung und Klimawandel direkt zusammenhängen und dass eine gesündere Ernährung auch der Gesundheit des Planeten zugutekommt, ist wissenschaftlicher Konsens.
+Nach Einschätzung der WHO würde eine Umstellung auf nachhaltige, klimaresiliente und gesunde Ernährung dazu beitragen, die weltweiten Gesundheits- und Klimakosten um bis zu 1,3 Billionen US-Dollar zu senken und gleichzeitig die Ernährungssicherheit angesichts des Klimawandels zu unterstützen [WHO, 2022].
Unter einer nachhaltigen, klimaresilienten und gesunden Ernährung versteht dabei nicht nur die WHO eine überwiegend pflanzliche Ernährung. Denn auch wenn sich die Umweltauswirkungen der Fleisch- und Milcherzeugung je nach Herstellung stark unterscheiden, entfallen doch auf sie derzeit insgesamt 69 % aller TreibhausgasEmissionen. Die CO2-Bilanz für pflanzliche Erzeugnisse dagegen fällt mit 31 % durchschnittlich deutlich niedriger aus [WWF, 2021].
Die Reduktion des Fleischkonsums und der Umbau der Fleischproduktion in Richtung einer zirkulären Viehzucht bleiben die größten Hebel, um unsere Ernährung nachhaltiger und gesünder zu gestalten. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer deutlichen Ausweitung des Konsums pflanzlicher Lebensmittel, wie es auch die Anfang 2024 aktualisierten Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
vorsehen. Neben der individuellen Gesundheit sind dort auch Aspekte wie Nachhaltigkeit, Umweltbelastung sowie die in Deutschland üblichen Verzehrgewohnheiten berücksichtigt [DGE, 2024].
„Die Reduktion des Fleischkonsums und der Umbau der Fleischproduktion in Richtung einer zirkulären Viehzucht bleiben die größten Hebel, um unsere Ernährung nachhaltiger und gesünder zu gestalten.“
Auch einer wachsenden Anzahl von Konsument:innen wird das Thema Nachhaltigkeit insbesondere im Zusammenhang mit ihrer Ernährung immer wichtiger. So gaben mehr als 70 % der Deutschen 2019 bei einer qualitativen Befragung des Marktforschungsinstituts für Handelsforschung (IFH) und der Wirtschaftsprüfer KPMG an, beim Einkauf von Lebensmitteln auf Nachhaltigkeit zu achten [IFH Köln, 2020]. Noch deutlicher fallen die Ergebnisse bei jugendlichen Konsument:innen aus, die den Fokus verstärkt auf das persönliche Empowerment richten: auf das Bewusstsein für ihre eigene Verantwortung und auf ihren Wunsch, mit dem eigenen Einkaufs-
und Essverhalten Einfluss auf Veränderungen unseres Ernährungssystems auszuüben [Zühlsdorf et al., 2021].
Speisen mit einem hohen Anteil an pflanzlichen Komponenten – mit Hülsenfrüchten, Gemüse und Obst, Nüssen, Samen und Getreide – rücken damit ins Zentrum. Gleichwohl fehlt es in den nordeuropäischen Esskulturen bislang noch vielfach an kulinarischer Fantasie und auch an der Vielfalt an Gemüsen, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, Nüssen, Samen und pflanzlichen Ölen, um alleine auf natürliche pflanzliche Lebensmittel bzw. Gerichte setzen zu können. Fleisch hatte sich in wenigen Jahrzehnten aufgrund der geförderten Strukturen als Leitsubstanz durchgesetzt und jegliches Pflanzliche zur Beilage, Vorspeise oder Nachspeise degradiert. Food-Start-ups haben darauf reagiert und den mittlerweile auch von der Lebensmittelindustrie aufgegriffenen Trend zur Produktion „alternativer Proteine“ aus pflanzlichen Ausgangsprodukten – sogenannte Plant-based
Foods – vorangetrieben, die darauf abzielen, dass Menschen ihre habitualisierten Ernährungsgewohnheiten nicht ändern müssen und sich dennoch nachhaltiger und klimafreundlicher ernähren können.
Plant-based Food findet immer mehr Akzeptanz
Der Plant-based-Food-Sektor ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Begünstigt wurde dies durch hohe Kapitalspritzen für Start-ups, den Einstieg großer Lebensmittelkonzerne und in der Folge auch durch günstigere Handelsmarken. Auch neue Unternehmen konnten den Trend vorantreiben: Sie haben sich beispielsweise auf die Zulieferung von vorgefertigten Ausgangsprodukten oder auf (bio)technischen Support bei der Entwicklung und kosteneffizienten Produktion neuer Plantbased-Lebensmittel spezialisiert. Parallel dazu finden die Produkte immer mehr Akzeptanz –und das weit über die Zielgruppe der Vegetarier:innen und Veganer:innen hinaus.
Zwischen 2018 und 2023 ist in Deutschland der Anteil der Haushalte, in denen bewusst versucht wird, den Fleischkonsum zu reduzieren, von 37 % auf über 47 % gestiegen [REWE Group, 2023].
Ganz unterschiedlich ist dabei die Motivation, weniger Fleisch zu essen. Ältere begründen dies eher mit gesundheitlichen Aspekten, Jüngere hingegen mit Tierwohl und Klima. Laut einer Forsa-Befragung im Auftrag der AOK würden sich 68 % der befragten Bürgerinnen und Bürger gerne nachhaltiger ernähren, am deutlichsten zeigt sich dieser Wunsch mit 83 % bei jungen Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren [AOK Bundesverband, 2024]. Allerdings macht die Umfrage auch deutlich, dass vielen das entsprechende Know-how fehlt. So ist beispielsweise nur gut einem Viertel (27 %) der Erwachsenen bekannt, dass in puncto Ernährung der reduzierte Konsum tierischer Produkte wie Fleisch oder Milchprodukte den stärksten Effekt auf das Klima hat.
Nachhaltiges Einkaufen ist alles andere als einfach
Auch in der alltäglichen Praxis wird schnell klar: Nachhaltiges Einkaufen ist alles andere als einfach. So zeigt eine Studie mit Tiefeninterviews des Rheingold-Instituts die Zerrissenheit der jungen Konsument:innen: Sie haben zwar ein starkes Nachhaltigkeits-, Klima- und Umweltbewusstsein (inklusive Tierwohl), aber weder verzichten sie konsequent, noch wollen sie bei jedem Griff ins Supermarktregal aufwendige Kriterien-Checks für jedes Produkt machen (vgl. planung&analyse, 2022]. Und so kaufen auch sie entgegen ihrer eigentlichen Überzeugung oft das, was in Supermärkten und Discountern gerade angeboten wird.
Diese bieten ihren Kund:innen – abgesehen von der Positionierung veganer Eigenmarken –jedoch kaum ausreichende Unterstützung an, um einen klima- und umweltbewussten Einkauf zu erleichtern. Denn das derzeit praktizierte Category Management orientiert sich vom Aufbau, von der Wegführung und Regalanordnung bis zur Verteilung des Sortiments an ganz anderen Kriterien.
„Trotz aller Ansprüche“, so die Wirtschaftspsychologin Christine Mack, fällt es daher auch „der GenZ nicht leicht, komplett nachhaltig zu leben“. Fleischkonsum reduzieren und Plastik vermeiden reicht in ihren Augen längst nicht mehr aus. Die eigenen Ansprüche und der Druck, nachhaltig zu leben und fair zu konsumieren, sind oft so hoch, dass junge Menschen sich auch beim Lebensmittelkauf überfordert fühlen.
Fleisch aus dem Bioreaktor, Milchalternativen durch Präzisionsfermentation
Eine weitere Alternative für traditionelle Fleischund Milchprodukte bietet in Zukunft die zelluläre Landwirtschaft, sprich die Fleischproduktion in Bioreaktoren (In-vitro-Fleisch) sowie die Präzisionsfermentation, auf deren Basis geschmacklich attraktive Alternativen für Milch und Milchprodukte (Joghurt, Käse etc.) hergestellt werden können, die auch bei der Backwarenherstellung ein großes Zukunftspotenzial haben.
„Studien zeigen die Zerrissenheit der jungen Konsument:innen: Sie haben zwar ein starkes Nachhaltigkeits-, Klima- und Umweltbewusstsein (inklusive Tierwohl), aber weder verzichten sie konsequent, noch wollen sie bei jedem Griff ins Supermarktregal aufwendige KriterienChecks für jedes Produkt machen.“
Hanni Rützler
Die Entwicklung bei Cultured-Meat-Unternehmen verlief zuletzt zwar widersprüchlich, aber die Zulassung in Singapur und für den US-Markt durch das amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) und die Lebensmittelüberwachungsbehörde (FDA) in Verbindung mit den Anträgen auf Zulassung in der Schweiz, Großbritannien und der EU stimmen zuversichtlich. Unternehmen sehen sich dennoch weiterhin mit vielen Herausforderungen konfrontiert, etwa der Kommerzialisierung und Produktionsausweitung zu wirtschaftlichen Kosten, dem politischen Widerstand und Verboten in verschiedenen Ländern.
„Alternative Protein-Produkte der jüngeren Generation versuchen nicht mehr in erster Linie, Fleisch und Milchprodukte (geschmacklich) zu substituieren. Vielmehr entstehen auf Basis pflanzlicher Ausgangsprodukte (inklusive Pilze und Algen) eigenständige neue Lebensmittel.“
Rützler
Zumindest die Skepsis der Konsument:innen scheint jedoch zu bröckeln. Laut einer aktuellen Umfrage des Good Food Institutes Europe sprechen sich 65 % der Befragten dafür aus, dass kultiviertes Fleisch in Deutschland zugelassen wird, sofern die Behörden für Lebensmittelsicherheit es für sicher und nahrhaft befinden. 66 % der Menschen sagen, dass kultiviertes Fleisch auch in Deutschland hergestellt werden sollte, wenn es auf den Markt kommt, sodass auch die deutsche Wirtschaft davon profitieren kann. Aus Sicht des Institutes zeigen die Ergebnisse unter anderem, dass die Deutschen es den Menschen überlassen wollen, ob sie kultiviertes Fleisch essen oder nicht, statt ideologisch aufgeladene Debatten zu führen [The Good Food Institute Europe, 2024].
Neue Entwicklungen gibt es auch bei Plantbased Foods. Alternative Protein-Produkte der jüngeren Generation versuchen nicht mehr in erster Linie, Fleisch und Milchprodukte (geschmacklich) zu substituieren. Vielmehr entstehen auf Basis pflanzlicher Ausgangsprodukte (inklusive Pilze und Algen) eigenständige neue Lebensmittel. Pflanzendrinks etwa – ob aus Getreide, Nüssen oder Hülsenfrüchten – werden zu einer eigenen Kategorie, die die Palette an Lebensmitteln erweitert, statt ausschließlich Milch zu ersetzen.
Plant-based Cuisine statt Plant-based Food
Nicht zuletzt erleben auch traditionelle fleischfreie Gerichte eine Renaissance, vor allem aufgrund der wachsenden Attraktivität asiatischer und levantinischer Küchen, die auf eine lange Tradition gemüsereicher Speisen zurückblicken können. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Gemeinschaftsgastronomie, die auch in Deutschland auf dem Weg ist, ihr Speisenangebot nachhaltiger und gesünder zu machen. Dass gesundheitsförderliche Menüs automatisch eine niedrigere CO 2-Bilanz aufweisen, konnte die Bachelorarbeit von Lea Rainer an der Hochschule Triesdorf-Weihenstephan zeigen [Rainer, 2023]. Indem Unternehmen in ihren Kantinen und Restaurants eine gesunde und nachhaltige
Ernährung fördern, können sie die Umweltbelastung reduzieren. Gleichzeitig verbessern sie mithilfe der Speiseplanänderung Mitarbeiterzufriedenheit, Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Somit kann die Betriebsgastronomie durch einen gesundheitsförderlichen ökologischen Kurs einen wichtigen Beitrag zu einem ganzheitlich „gesunden“ Unternehmen und damit auch zu einer nachhaltigen Ernährungswende leisten.
Innovative Impulse kommen auch aus der Topgastronomie. Immer mehr Sterneköch:innen verstehen sich als Protagonisten ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Sie denken mit ihren Projekten weit über den Kochtopfrand hinaus, begreifen ihre Küche auch als Hebel, um sich sozial, kulturell oder politisch einzubringen. Mit ihren Homestorys in Magazinen, mit ihren TV-Shows, Instagram-, YouTube- und TikTokVideoclips erreichen sie längst nicht mehr nur die Gäste, die tatsächlich ihre Restaurants besuchen, sondern eine deutlich breitere Öffentlichkeit.
Die Welt verändern, das ist mehr oder weniger explizit der Anspruch, den viele Top-Köch:innen verfolgen. Und dabei geht es nicht nur um Self-Marketing. Sie begreifen sich als Katalysatoren des Wandels unserer Esskultur: die einen
Der Foodreport 2025 – Trends, Konzepte, Statistiken und Best Practices – Die Zukunft von Essen und Ernährung — kann online über den QR-Code bestellt werden.
je nach spezifischem Fokus in kulinarischer oder gesundheitlicher Hinsicht, die anderen im Hinblick auf soziale, ästhetische oder agrar- und umweltpolitische Aspekte. Denn was Küchenchef:innen im 21. Jahrhundert auf die Teller bringen, ist weit mehr als exzellentes Essen. So hat die Farm-to-Table-Bewegung, bei der frische, lokal bezogene Zutaten im Vordergrund stehen, durch die Unterstützung von Köch:innen wie Alice Waters, Thomas Keller und Dan Barber erheblichen Zulauf erhalten. Fergus Henderson hat mit seinem Nose-to-Tail-Konzept dazu beigetragen, dass wir Nutztieren und den Züchtern, die sie artgerecht halten, mehr Respekt und Wertschätzung entgegenbringen. Und nun sind es Chefs wie Daniel Humm, Emile van der Staak oder Paul Ivić, die der Haute Cuisine neue Wege hin zu einer fleischfreien, gesünderen und nachhaltigen Küche ebnen.
Köch:innen tragen vermittelnd auch dazu bei, die Kluft zwischen der produzierenden und der konsumierenden Seite der Lebensmittelwertschöpfungskette zu überwinden. Sie sind die Gesichter eines zukunftstauglichen, nachhaltigen
Ernährungssystems. Innovationen aus der oft als elitär und abgehoben wahrgenommenen Sterneküche lassen sich als gelebte Grundlagenforschung verstehen. Sie prägen die GastroTrends, die engagierten Köch:innen auch abseits der Haute Cuisine als Inspiration dienen, auf der sich für die Gestaltung einer genussvollen und nachhaltigen kulinarischen Zukunft aufbauen lässt, um den Wandel des Ernährungssystems in die Breite zu tragen.
Kaum ein Restaurant, das etwas auf sich hält, kommt heute ohne Sustainability Mission Statement (Nachhaltigkeits-Leitbild) aus. Viele Chef:innen kombinieren heute ein kulinarisches Erlebnis auf höchstem Niveau mit Umweltbewusstsein und zeichnen sich durch vorbildliche GastronomieModelle aus. Die Möglichkeiten, gastronomisch nachhaltig zu wirtschaften, sind dabei so vielfältig wie die Restaurants, die darauf ein besonderes Augenmerk legen. Und sie reichen im Idealfall auch über den eigenen Betrieb hinaus. Denn Chef:innen revolutionieren unsere Esskultur nicht alleine. Dafür braucht es immer auch produzierende Zulieferbetriebe, die bereit sind,
Qualität und Vielfalt ihrer Lebensmittel zu steigern und zugleich nachhaltigere, regenerative Methoden in der Produktion zu verfolgen.
Aufschwung der Vegourmets
Das wachsende Bewusstsein für gesunde Ernährung, die Reduktion des Konsums tierischer Produkte und die steigende Wertschätzung für alte, lokale und exotische Gemüsesorten hat zu einem Aufschwung der vegetarischen und veganen Gourmetküche geführt. Was bei pflanzlich orientierten Sternerestaurants heute auf den Teller kommt, hat so gut wie nichts mit Fleischersatzprodukten zu tun, wie sie von der Lebensmittelindustrie und diversen veganen Start-ups angeboten werden. Spitzenköchen wie Paul Ivić vom Wiener Tian, Emile van der Staak vom De Nieuwe Winkel im niederländischen Nijmegen oder Zizi Hattab im Zürcher Kle geht es nicht darum, mit ihren Gerichten den Geschmack von Fleisch zu imitieren. Vielmehr kreieren sie aus Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchten und Kräutern originäre Speisen, bei deren Genuss niemand das Tierische vermisst.
Gaststätten, die neben traditionellen Fleischgerichten keine wirklich überzeugenden pflanzlichen Alternativen anbieten, werden es in Zukunft immer schwerer haben. Denn Gäste achten bei der Restaurantwahl zunehmend darauf, dass die gesamte Tafelrunde auf ihre Kosten kommt.
Literaturverzeichnis
World Health Organisation (WHO) (Hrsg.) (2022): Initiative on climate action and nutrition (I-can). Bericht. UN-Klimakonferenz COP27 in Sharm el-Sheik. Genf
WWF Deutschland (Hrsg.) (2021): So schmeckt Zukunft: Der kulinarische Kompass für eine gesunde Erde. Klimaschutz, landwirtschaftliche Fläche und natürliche Lebensräume. Berlin
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) (Hrsg.) (2024): Gut essen und trinken – DGE stellt neue lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen für Deutschland vor. Presseinformation. In: dge.de, 05.03.2024
IFH Köln/KPMG AG (2020): Consumer Barometer. Fokusthema: Nachhaltigkeit 01/2020
Zühlsdorf, Anke; Jürkenbeck, Kristin; Schulze, Maureen; Spiller, Achim (2021): Politicized Eater: Jugendreport zur Zukunft nachhaltiger Ernährung. Wissenschaftliche Studie der Zühlsdorf + Partner Marketingberatung und des Lehrstuhls „Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte“ der Universität Göttingen im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung. Göttingen
Und auch in der vegetarischen Topgastronomie weiß man längst, dass die meisten Gäste keine Vegetarier:innen oder Veganer:innen sind, oft aber neugierige Flexitarier:innen, die gerne köstliche fleischfreie Gerichte genießen. +++
Hanni Rützler ist Ernährungswissenschafterin und Gesundheitspsychologin. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin des futurefoodstudio in Wien und seit 2004 Referentin des Zukunftsinstituts sowie Autorin des jährlich vom Zukunftsinstitut herausgegebenen Foodreports. Von 1999 bis 2005 war Hanni Rützler Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE). Seit 2001 ist sie Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Verbandes der Ernährungswissenschaftler Österreichs (VEÖ) und seit 2010 auch des forum.ernährung heute (f.eh). Seit 2014 ist sie zudem Jurymitglied des Zukunftspreises der Internorga (Fachmesse für Gastronomie und Hotellerie in Hamburg), seit 2017 Mitglied des Kuratoriums der Dr. Rainer Wild Stiftung für gesunde Ernährung in Heidelberg sowie seit 2021 Mitglied im Beirat des „Food Campus Berlin“.
REWE Group/Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. (Hrsg.) (2023): Nachhaltiger Konsum in Zeiten multipler Krisen. Rückblick, Gegenwart, Zukunft. Eine empirische Studie. In: rewe-group.com, 11.12.2023
AOK Bundesverband/forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH (Hrsg.) (2024): Ernährung 2.0. Nachhaltige Ernährung für Klima und Gesundheit. Wo steht Deutschland? Repräsentative Umfrage. In: aok.de, 06.02.2024 planung&analyse (2022): Generation Z: Sind das wirklich die entschlossenen Klimaaktivisten? In: horizont.net, 17.02.2022
The Good Food Institute Europe (Hrsg.) (2024): Neue Umfrage zu kultiviertem Fleisch und pflanzlichen Alternativen. In: gfieurope. org, 13.03.2024
Rainer, L. (2023): Gesunde Ernährung zur Treibhausgassenkung. Analyse des Zusammenhangs zwischen Speisen und den Auswirkungen auf das CO 2 -Äquivalent am Praxisbeispiel der Gemeinschaftsgastronomie. Bachelorarbeit. Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
Nachhaltigkeit ist vielschichtig und in Teilen kompliziert, weil das Thema kaum losgelöst von anderen Partnern in der Wertschöpfungskette betrachtet werden kann. Das hat Deutschlands größter Backwarenhersteller, die Harry-Brot GmbH, festgestellt, die seit Jahren die CO 2 -Reduktion im eigenen Unternehmen und entlang der Wertschöpfungskette für mehr Klimaschutz vorantreibt. Norbert Lötz, Geschäftsführer Produktion und Technik, spricht im Interview über Herausforderungen und Hemmnisse auf dem Weg zu einer nachhaltigen Backwarenproduktion.
+Helga Baumfalk: Herr Lötz, was verstehen Sie als Backwarenhersteller unter Nachhaltigkeit und woher kam die Idee, das Thema anzugehen und die CO 2 -Bilanz aller Produkte – was sicherlich eine Heidenarbeit war – und später des gesamten Unternehmens zu ermitteln?
Norbert Lötz: Als Inhaber-geführtes Unternehmen in 10. Generation sind wir seit jeher bestrebt, das Fortbestehen unseres Unternehmens auch für die nächsten Generationen zu sichern. Veränderungen in der Gesellschaft und aktuelle Krisen haben bei uns in der Geschäftsführung, aber auch bei vielen Mitarbeitenden die Frage aufgeworfen, was wir zukünftig noch besser machen können. Vor sieben oder acht Jahren hatte Nachhaltigkeit noch nicht die Priorität,
die sie heute hat. Dann wurde uns jedoch bewusst, dass wir etwas verändern müssen und dieses Thema mehr in den Mittelpunkt rücken müssen. Dabei geht es weniger um die Frage, wie man Kosten einsparen oder dieses oder jenes Problem lösen kann, sondern darum, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen.
Baumfalk: Wie sind Sie jetzt konkret vorgegangen?
Lötz: Wir haben uns gefragt, wo wir in Sachen Nachhaltigkeit überhaupt stehen. Wo können wir Dinge noch besser machen? Was müssen wir vielleicht auch grundsätzlich noch einmal überdenken.? Schon seit vielen Jahren befassen wir uns mit dem Thema Energie, aber in erster Linie ging es um Kosteneinsparungen. Heute kalkuliert
Die Harry-Brot GmbH mit Hauptsitz in Schenefeld bei Hamburg besteht seit 1688 und befindet sich in zehnter Generation in Familienbesitz. Mit rund 5.020 Mitarbeitern betreibt Harry-Brot zehn Produktionsstätten in Deutschland und produziert Schnittbrot, Toast, Sandwiches und Backwaren zum Fertigbacken sowie ein Prebake-Sortiment für die Backstationen des Handels. 2023 erwirtschafte die Harry-Brot GmbH einen Umsatz von 1.408 Mio. EUR. Damit ist das Unternehmen Marktführer in Deutschland.
Abfallvermeidung und Schaffung von Kreislaufsystemen
Nutzung nachhaltig produzierter Ressourcen
Vermeidung von schädlichen Emissionen
Effiziente Nutzung von Energie und Ressourcen
man den Einfluss auf die CO 2-Bilanz eines Produkts mit ein. Die Diskussionen haben sich verändert und werden vielschichtiger geführt. Einzig Kilowatt einzusparen, indem wir z. B. einen besseren Motor für ein Förderband einbauen, genügt nicht mehr. Wir denken weiter, überdenken z. B. die Größe unserer Brotstangen, um weniger Ausschuss in Form von Endstücken zu produzieren und damit Energie und Rohstoffe einzusparen.
Baumfalk: Wurden Nachhaltigkeits-Forderungen von außen an Sie herangetragen?
Lötz: Der erste Ansporn kam von uns selbst. Erst danach kamen Anforderungen von außen, von unseren Kunden, anderen Stakeholdern oder auch der Politik. Nachhaltigkeit war und ist ein fortlaufender Prozess in unserem Haus, der mittlerweile stark an Dynamik zugelegt hat.
Baumfalk: Welche Erwartungen haben die Verbraucher?
Umstieg auf erneuerbare Energien
Baumfalk: Wie kommunizieren Sie Nachhaltigkeit?
Lötz: Wir sprechen gezielt über Themen wie die Regionalität unserer Rohstoffe oder die genaue und dadurch verringerte Düngung des Getreides und bekommen durchweg positive Rückmeldungen. Vereinzelt werden wir nach bestimmten Themen, z. B. Food Waste, explizit gefragt. Wenn wir erklären, was wir alles in Sachen Nachhaltigkeit unternehmen, sind die Leute erstaunt, wie groß unser Engagement ist.
Baumfalk: Apropos Food Waste, was unternehmen Sie dagegen?
Lötz: Einen ganz wichtigen Punkt sehen wir im bedarfsgerechten Produzieren und Verpacken. So können wir mit unserer tagesfrischen Produktion und Lieferung uns den Bedarfen im Markt anpassen und aktiv gegen Food Waste beitragen.
Lötz: Verbraucher wollen heute wissen, woher die Rohstoffe stammen, wie sie verarbeitet werden und was mit Nebenprodukten und Abfall passiert. Das Bewusstsein in diese Richtung ist deutlich stärker geworden.
„Würden wir alle nur noch Roggen essen, sähe unsere CO2-Bilanz besser aus. Man kann aber an den Wünschen der Verbraucher nicht vorbeiproduzieren. Trotzdem gibt es auch beim Weizen Möglichkeiten, weniger CO2 zu emittieren. Genau daran arbeiten wir.“
Baumfalk: Werden Ihre Anstrengungen für mehr Nachhaltigkeit auch vom Handel gesehen?
Lötz: Absolut. Der Handel hat selbst Bereiche im Unternehmen aufgebaut, die sich mit Nachhaltigkeit befassen. Mit diesen Abteilungen stehen wir in einem direkten Austausch.
Baumfalk: „Nachhaltigkeit muss Chefsache sein“, sagten Sie im Frühjahr 2024 in Ihrem Vortrag auf den WIG-Tagungen. Wer ist die treibende Kraft bei Harry?
Lötz: Ganz klar die Geschäftsführung. Sie muss bei dem Thema vorangehen. Aber wir haben sehr schnell festgestellt das viele unserer Mitarbeitenden genauso engagiert an dem Thema mitarbeiten möchten und sich aktiv mit einbringen. Sie treiben dieses Thema unglaublich motiviert mit voran.
Baumfalk: Wie definieren Sie Nachhaltigkeit bei Harry?
Lötz: Vermeiden, reduzieren und wenn nötig kompensieren! Am besten ist es, CO 2 gar nicht
erst zu erzeugen. Im zweiten Schritt befassen wir uns mit der Reduktion und der Frage „Was können wir noch besser machen?“. Ein Beispiel: Motoren verbrauchen beim Anfahren und Stoppen sehr viel Energie. Lässt man sie durchgängig laufen, brauchen sie auch Strom. Jetzt ist die Frage, was ist besser für die CO 2-Bilanz? Laufen lassen oder wieder hochfahren? Wir haben entschieden, sie auf minimalster Geschwindigkeit laufen zu lassen. Dafür wurden Frequenzumrichter eingebaut, die statt bei 50 Hertz bei 15 Hertz im Standby arbeiten, damit sie beim Anfahren nicht so viel Strom und beim Weiterlaufen möglichst wenig verbrauchen. Es ist wichtig, dass wir die gesamten Prozesse in allen Einzelheiten hinterfragen, um nach besseren Lösungen zu suchen. Zugegeben, wir finden nicht immer Optimierungsmöglichkeiten, aber allein die Suche danach treibt viele Menschen im Unternehmen an, daran mitzuwirken.
Baumfalk: Können Sie uns weitere Beispiele nennen?
Lötz: Wir haben uns auch mit der Frage befasst, warum das Mehl innerhalb unserer Produktion über so große Distanzen mit Förderluft transportiert werden muss. In der Konsequenz montieren wir die Silos in unserem neuen Werk in Troisdorf nun oberhalb der Produktion. Der Weg zum Kneter wird somit kürzer, der Energieeinsatz für den Transport geringer. Ein anderes Beispiel: Früher wurde die Ware zur Haltbarmachung pasteurisiert. Heute pasteurisieren wir nur noch vereinzelt und fahren viele unserer Produkte über Reinräume, was deutlich die Qualität der Produkte verbessert und auch Energie einspart.
Baumfalk: Sie sprachen das neue Werk in Troisdorf an. Ist dort Nachhaltigkeit bei Baumaterialien ein Thema?
Lötz: Bedingt. Wir versuchen, die Grundfläche zu reduzieren, indem wir nicht nur in 400 m langen Hallen denken, sondern überlegen, wie der Materialfluss optimal gestaltet sein kann. Das ist uns in Troisdorf m. E. gut gelungen. Bei den Baumaterialien selbst haben wir aufgrund der Vorgaben aus dem Brandschutz weniger Spielraum. Nachhaltigkeit stand bei der Planung trotzdem im Fokus. In der Expeditionshalle nutzen wir z. B. eine Fußbodenheizung, die aus der Abwärme gespeist wird. Außerdem haben wir große Wärmetauscher installiert, die die Luft, die den Brennern zugeführt wird, vorerwärmen. Wir gehen davon aus, dass auch das erheblich Energie einsparen wird. Beweisen können wir es erst, wenn die Vergleichswerte vorliegen.
Baumfalk: Sehen Sie CO2 als eine Art Währung?
Lötz: Ja, aber an dieser Stelle fängt es an, kompliziert zu werden. Nachhaltigkeit ist vielschichtig. Ich möchte das wiederum an einem Beispiel festmachen. Bei der Betrachtung unseres Corporate Carbon Footprints steht gerade unser BHKW (Blockheizkraftwerk) in der Diskussion. Das Problem: Es erhöht den Gasverbrauch und damit den Footprint unseres Unternehmens. Wobei es sehr energieeffizient arbeitet, gerade weil wir auch die Abwärme zu 100% nutzen können. So sparen wir an vielen anderen Stellen Energie ein und speisen den Rest der Abwärme sogar noch ins Fernwärmenetz der Stadt ein.
Die Frage ist doch, welcher Blickwinkel auf Nachhaltigkeit ist der richtige? Entscheidend ist, dass wir Nachhaltigkeit nicht klein-klein, sondern global denken. Tun wir es nicht, verändern wir in Wahrheit nichts.
Baumfalk: Das hört sich tatsächlich kompliziert an. Können Sie uns Ihren Ansatz näher erklären? Lötz: Wenn wir im Unternehmen fossile Energie, in dem Fall Gas, nutzen, um über unser BHKW Strom und Wärme zu erzeugen, und dann eine Effizienz von 93 % erreichen, kann es uns doch nicht zur Last gelegt werden, dass wir an dieser Stelle einen Mehrbedarf an Gas haben. 93 % Wirkungsgrad – das schafft keines der stromerzeugenden Kraftwerke in Deutschland. Darum würde ich mir wünschen, dass wir in Deutschland globaler an das Thema herangehen. Die Kleinteiligkeit in den Entscheidungen – Bund, Land, Kreis – wirkt sich hemmend aus. In der Konsequenz führt es dazu, dass wir alles wollen, aber keiner Maßnahmen zur CO2-Reduktion umsetzen kann. Wir dürfen doch Betriebe nicht dafür benachteiligen, dass sie etwas für die Umwelt tun.
Baumfalk: Da gebe ich Ihnen recht.
Lötz: Aber zurzeit ist es so. Unternehmen, die nichts tun, gehen kein Risiko ein. Die, die etwas tun, gehen ein hohes Risiko ein und haben am Ende vielleicht das Nachsehen, wenn beispielsweise die Erdgaspreise in den Keller rutschen und es so gesehen eine Fehlentscheidung war, in nachhaltige Energie zu investieren. Es muss doch sichergestellt werden, dass Betriebe, die in Nachhaltigkeit investieren, nicht benachteiligt werden. Dabei kann der CO 2-Preis eine Rolle spielen, wenn er denn konsequent umgesetzt wird.
Baumfalk: Ganz konkret, inwieweit haben Sie jetzt Nachteile, weil durch das BHKW mehr Gas verbraucht wird?
Lötz: Es geht darum, die SBTi-Ziele zu verfolgen. Also die der Science-Based Targets Initiative, auf Deutsch Initiative für wissenschaftsbasierte Ziele. Sie fordert und definiert die Verfahren zur Emissionsreduzierung im Einklang mit der Klimawissenschaft, um Klimaneutralität zu erreichen. Durch das BHKW verbrauchen wir mehr
Unser Getreide stammt zu 90 Prozent von deutschen Feldern. Ausnahmen bilden Spezialmehle – wie Ruchmehl, das wir aus der Schweiz einkaufen.
65 Prozent unseres CO 2-Fußabdrucks stammt aus dem Rohstoffeintrag und ist somit ein wesentlicher Ansatzpunkt für mehr Nachhaltigkeit.
Ein Problem: Stickstoffdüngung ist sehr CO 2-intensiv.
Gas und erreichen so das gesteckte Ziel an dieser Stelle nicht.
Baumfalk: Und was folgt daraus für Sie?
Lötz: Ich sehe die SBTi-Ziele durchaus kritisch. Sie geben uns vor, jedes Jahr 4,5 % Energie einsparen zu müssen. Wir haben aber kein Perpetuum mobile. Die 4,5-%-Einsparungen müssen jedes Jahr erneut geschafft werden, selbst wenn ein Betrieb mehr Ware produziert. Nur: Ein Unternehmen, das wächst, kann das nicht. Die Crux liegt in der Rechnung mit absoluten Werten. Hier fehlt die Bezugsgröße. Ein produzierendes Unternehmen kann per se nicht klimaneutral sein. Bei der Formulierung von Zielen sollte auch auf globaler Ebene die Erreichbarkeit berücksichtigt werden, sonst erscheinen diese Ziele schnell als Augenwischerei.
Baumfalk: Was schlagen Sie also vor?
Lötz: Wir müssen dringend etwas tun und die vorhandene Energie global effizienter nutzen. Erst mit mehr Effizienz reduziert man den
CO 2-Ausstoß, egal in welchem Prozess. Wir verschwenden heutzutage zu viel Energie und schaffen es zudem auch nicht, sie zu speichern.
Ich habe vor zwei Jahren das Unternehmensziel „50 % eigenerzeugte Energie am Standort Soltau“ vorgegeben. Dabei fördert uns das Bundeswirtschaftsministerium auf Landesebene, Simulationen für mehr Nachhaltigkeit zu erarbeiten, in die unterschiedliche Ideen auch eingingen. Es gibt jedoch viele rechtliche Hürden in der regionalen Politik, die die Umsetzung verschiedener Möglichkeiten verhindern.
Baumfalk: Offenbar gibt es in der Zusammenarbeit mit und in der Politik Verbesserungspotenzial. Wenn wir den Blick auf Ihre Anstrengungen für mehr Nachhaltigkeit richten, gab es für Sie Vorbilder aus der Industrie?
Lötz: Sowohl in der Lebensmittelbranche als auch in anderen Bereichen gibt es viele tolle Unternehmen, die innovativ mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen. Da schaue ich sehr
begeistert hin, welche Konzepte wir auch für uns umsetzen könnten.
Baumfalk: Wie sehen Ihre Pläne für Soltau jetzt aus?
Lötz: Im Moment eruieren wir, was wir umsetzen können. Dabei sind Windkraft und Biogas wichtige Themen, die wir intensiv betrachten.
Baumfalk: Ist eine Elektrolyse-Anlage zur Erzeugung von Wasserstoff, wie sie MPREIS betreibt, ein Thema für Harry?
Lötz: Selber Wasserstoff zu produzieren, ist für uns derzeit keine Option. Wir werden aber eines Tages Wasserstoff benötigen und sind in verschiedenen Organisationen aktiv, in denen es um die Nutzung von Wasserstoff geht. In unserer Produktion können wir an verschiedenen Stellen Wasserstoff problemlos einbinden. Nur der Anschluss fehlt noch. Allerdings stellt sich die Frage, wer bezahlt den höheren Preis für Wasserstoff gegenüber dem Gas? Wenn wir unser Brot zum Beispiel um 10 Cent teurer machen, weil wir Wasserstoff einsetzen, ist das vielleicht löblich, aber am Ende müssen wir es verkaufen und daraus Ergebnisse generieren, aus denen wir wiederum investieren können. Deshalb glaube ich, dass es von übergeordneter Stelle Ausgleichzahlungen geben muss für die, die Gas reduzieren, gegenüber denen, die es nicht tun. Hier landen wir wieder beim Thema CO 2-Bepreisung.
Baumfalk: Wie ermitteln Sie nun den CO 2-Footprint?
Lötz: Für unseren Corporate Carbon Footprint (CCF) beginnen wir bei unseren Rohstoffen und hinterfragen, welche Emissionen der Anbau, der Transport zur Mühle und die Verarbeitung verursachen, wobei wir uns auf Angaben, die uns die Mühlen zur Verfügung stellen, stützen. Im nächsten Schritt rechnen wir die gesamte Produktion mit hinein, den direkten und indirekten Energieaufwand. Wir erfassen alle Werte unserer Prozesse, selbst den Arbeitsweg der Mitarbeitenden und die Geschäftsreisen. Abschließend wird der Transport zu unseren Kunden berechnet.
2023 hat Harry-Brot einen Kooperationsvertrag mit der Mühlengruppe Bindewald & Gutting und dem Düngemittelhersteller Yara Deutschland unterzeichnet. Das Ziel der Zusammenarbeit ist es, den CO 2-Fußabdruck des Getreideanbaus zu verringern. Vehikel dazu ist die Produktion des im Getreideanbau verwendeten Stickstoffdüngers mit erneuerbarer Energie. Der Dünger von Yara wird in Rostock mit grünem Wasserstoff aus Norwegen produziert. Im Vergleich zu herkömmlichem Stickstoffdünger hat er den Angaben zufolge einen um bis zu 90 % kleineren CO 2-Fußabdruck.
Zusammengerechnet ergeben sich die Werte in den verschiedenen Scopes. Der TÜV validiert dann unseren Berechnungen in den einzelnen Scopes. Und da sich die Rahmenbedingungen stetig verändern, wird jedes Jahr neu kalkuliert. Aus diesen Berechnungen ergeben sich die Werte für unseren CCF. Für das einzelne Produkt, den Product Carbon Footprint, wird darüber hinaus berücksichtigt, auf welcher Linie und unter welchen Rahmenbedingungen das Produkt hergestellt wurde. Einen CCF zu entwickeln, ist eine ungeheure Herausforderung, noch dazu mit zeitlichem Limit, denn der CO 2-Footprint muss immer wieder neu angepasst werden.
Baumfalk: Im Gegensatz zu den meisten anderen Lieferanten, die über Zentrallager gehen, beliefert Harry jeden einzelnen Markt. Wie wirkt sich das auf die CO 2-Bilanz aus?
Lötz: Es gibt gravierende Unterschiede. Im Streckengeschäft werden beispielsweise Mehrwegkästen eingesetzt, während bei der Belieferung der Zentrallager in Kartons verpackt wird, die einen höheren CO 2-Wert mitbringen. Wir verursachen also erheblich weniger CO 2, und das, obwohl wir den Diesel für die Fahrten zu den einzelnen Kunden – Hin- und Rückfahrt – und das Reinigen der Kisten miteinrechnen. Trotzdem sind wir in der Bilanz um rund 23 % besser als
Unser Product Carbon Footprint Ressourcen sparen kann nur, wer seine CO 2-Emissionen kennt und entsprechend anpasst. Deshalb sehen wir genau hin. Der TÜV Rheinland hat für jedes unserer Produkte den Product Carbon Footprint ermittelt. Aus den Ergebnissen leiten wir unsere Maßnahmen ab.
Die CO 2-Bilanz unserer Produkte am Beispiel ANNO »1688«
35 g
Verpackung:
35 Gramm CO 2-Äquivalente pro Kilogramm Produkt
194 g
Produktion:
194 Gramm CO 2-Äquivalente pro Kilogramm Produkt
4 g
Anlieferung: 4 Gramm CO 2-Äquivalente pro Kilogramm Produkt
10 g
Transport: 10 Gramm CO 2-Äquivalente pro Kilogramm Produkt
369 g
Zutaten: 369 Gramm CO 2-Äquivalente pro Kilogramm Produkt
die Lieferungen in Kartonverpackungen. Fairerweise muss ich dazusagen, dass wir Standorte unterschiedlicher Handelshäuser anfahren. Daher fährt ein Fahrzeug täglich in einem relativ kleinen Radius viele Märkte an. Wenn wir nur einen Markt jeweils in den Regionen anfahren würden, könnte es völlig anders aussehen.
Baumfalk: Harry produziert Frischware und TK. Gibt es hier Unterschiede in der CO 2-Bilanz?
Lötz: Unsere TK-Ware ist halbgebacken, wir sparen also Energie beim Backen ein. Anschließend wird Energie in Form von Strom für das Frosten gebraucht. Am Ende ist die Bilanz gar nicht so unterschiedlich. Derzeit ist der Strom in Deutschland zur Hälfte grün, zur Hälfte schwarz. Wir könnten natürlich über die Nutzung elektrischer Öfen nachdenken, nur ist der Gaspreis aktuell viel zu niedrig, als dass es sich rechnen würde. Die Skandinavier zum Beispiel sind anders aufgestellt. Weil in den Ländern viel Wasserkraft zur Stromerzeugung genutzt wird, ist Strom in diesen Ländern vergleichsweise günstig.
Baumfalk: Wäre das ein Vorbild für Deutschland?
Lötz: Wenn wir von den fossilen Brennstoffen wegkommen wollen, muss man sicher in Richtung Strom denken, der aber nachhaltig produziert werden müsste. Wir denken bei Harry schon darüber nach, wie man einige Prozesse auf Strom umstellen könnte. Dies bedarf jedoch einer genauen Betrachtung der Vor- und Nachteile.
Baumfalk: 65 % des CO 2-Eintrags stammen aus dem Rohstoff. Wie geht Harry an dieses Thema ran?
Lötz: Das ist der größte Hebel. Würden wir alle zum Beispiel nur noch Roggen essen, sähe unsere CO 2-Bilanz besser aus, da dieser beim Anbau weniger Stickstoffdünger benötigt. Man kann aber an den Wünschen der Verbraucher nicht vorbeiproduzieren. Trotzdem gibt es auch beim Weizen Möglichkeiten, weniger CO 2 zu emittieren. Genau das nehmen wir aktuell in den Blick. Wir begreifen uns als Teil der Wertschöpfungskette und arbeiten mit Landwirten,
„Wir brauchen diese High-Protein-Mehle nicht mehr, wir brauchen die richtigen Sorten.“
„Es
muss sichergestellt werden, dass Betriebe, die in Nachhaltigkeit investieren, nicht benachteiligt werden. Dabei kann der CO2-Preis eine Rolle spielen, wenn er denn konsequent umgesetzt wird.“
einem Düngemittelhersteller und einer Mühle in einem gemeinsamen Projekt und testen, wie wir den CO 2-Eintrag reduzieren können.
Baumfalk: Sie sprechen von Ihrer Kooperation, bei der es um die Nutzung grünen Stickstoffdüngers geht, richtig? Warum sind Sie die Zusammenarbeit eingegangen?
Lötz: Weil wir einen Weg aufzeigen wollen, wie wir den CO 2-Ausstoß reduzieren können. Dieser Weg kostet am Ende allerdings Geld und die Frage ist, ob die Verbraucher bereit sind, etwas mehr Geld auszugeben, damit ein von vornherein reduzierter Stickstoffeintrag den CO 2-Footprint des Produktes senkt. Wir gehen aber auch noch weiter und fragen uns, was müssen wir mit den Landwirten gemeinsam tun, damit die richtigen Sorten angebaut werden, die für uns die Backfähigkeit mitbringen, die wir brauchen. Letzten Endes wollen wir erreichen, mit weniger Protein und insofern mit weniger Stickstoffdüngung auszukommen. Die Landwirte, mit denen wir zusammenarbeiten, sind hochautomatisiert. Sie bestimmen die benötigte die Düngemittel -
menge nicht pro Feld, sondern können über Geodaten und Algorithmen teilflächenspezifisch düngen. Die Düngung wird also bedarfsgerechter und viel gezielter. Es macht unglaublich viel Freude, mit solchen Profis an einem Tisch zu sitzen und darüber zu diskutieren, was machbar ist.
Baumfalk: Welche Lösungen haben Sie aus den Gesprächen mitgenommen?
Lötz: Wir haben Weizensorten ermittelt, von denen wir glauben, dass wir von vornherein weniger Protein benötigen, um dieselben Produktqualitäten zu erzielen. Nun wurden auf definierten Flächen genau diese Sorten angebaut. Das wird mit Studien begleitet und u.a. die Menge des ausgetragenen Stickstoffs dokumentiert. Am Ende berechnen wir, was wir in Sachen CO 2-Reduktion und beim Ertrag erreicht haben. Da wir im vergangenen Jahr mit herkömmlichen Sorten und Methoden auf genau diesen Feldern die Werte gemessen haben, können wir sie mit den Ergebnissen in diesem Jahr wirklich vergleichen.
Braucht es High-Protein-Mehle noch?
Baumfalk: Braucht es einen Weizen mit hohen Proteingehalten zum Backen von Brot überhaupt noch? Ist das nach wie vor der richtige Maßstab?
Lötz: Nein, braucht es nicht. Das Protein ist immer quantitativ, nicht qualitativ betrachtet worden. Diese Sicht hat sich verändert, sicherlich aufgrund der Düngemittelreform, der Teuerung und aus anderen Gründen. Heute denke ich, wir brauchen diese High-Protein-Mehle nicht mehr, wir brauchen die richtigen Sorten.
Baumfalk: Aber die Landwirte werden nach Proteingehalt bezahlt. Wie lösen wir denn das Problem?
Lötz: Es muss ein Umdenken stattfinden. Ein großer Teil des in Deutschland angebauten Getreides wird exportiert. Das heißt, das Umdenken muss sogar global stattfinden. Ich glaube, innerhalb Deutschlands können wir das durchaus hinbekommen. Ich kann jedoch nicht für Frankreich oder andere Länder sprechen. Aber ich weiß, dass beispielsweise einige
Bäcker in den Niederlanden bereit sind, die Forderungen beim Proteingehalt zurückzuschrauben. Deshalb darf aber der Landwirt nicht im Regen stehen gelassen werden. Die spannende Frage wird sein, und das hatte ich schon angesprochen, ob wir eine Akzeptanz beim Verbraucher erreichen. Aber: Wenn dies klappt, und wenn man als Backwarenhersteller die Möglichkeit hat, sein Produkt mit dem Hinweis zu deklarieren „durch diese oder jene Maßnahme ist das Produkt um 30 % CO 2-reduziert“, dann kann man den Landwirten auch entsprechende Verträge anbieten. Bestes Beispiel, wie einfach es sein kann, dass Menschen eine Entscheidung für oder gegen etwas treffen können, ist Ökostrom. Mir ist bewusst, dass es zur Neubewertung von Weizen ein langer Weg sein wird und sicher kein einfacher, aber wie heißt es doch noch gleich – Krisen sind immer auch neue Chancen.
Baumfalk: Ein perfektes Schlusswort. Herr Lötz, vielen Dank für unser inspirierendes Gespräch! +++
Schritt für Schritt nachhaltiger werden: Mit dem ZNU-Standard hat das Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) ein Managementtool entwickelt, mit dem sich das komplexe Feld der Nachhaltigkeit strukturieren und fokussiert in die Unternehmensführung implementieren lässt. Für Betriebe bietet er die Chance, Nachhaltigkeit als Innovationsmotor für sich nutzbar zu machen.
+Nachhaltigkeit ist inzwischen ein zentrales gesellschaftliches Thema. Aspekte wie Klimaneutralität, Reduktion der Lebensmittelabfälle, kreislauffähige Verpackungen, faire Bezahlung sowie offene Dialogkultur und Unternehmenstransparenz gewinnen immer mehr an Bedeutung. Zudem fordern der Handel, die Politik, Verbraucher, kritische zivilgesellschaftliche
Akteure und inzwischen auch Banken zunehmend Informationen und Engagement von Unternehmen zu Nachhaltigkeit. Dies gilt auch für die Backbranche.
Anhand der folgenden Beispiele soll gezeigt werden, wie wichtig es ist, das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich zu betrachten und die zahlreichen
ZNU-Standard Nachhaltiger Wirtschaften (2018)
ökologischen, sozialen und auch ökonomischen Themenfelder gegeneinander abzuwägen.
Dominierende Nachhaltigkeitsthemen in der ökologischen Dimension sind u. a. hohe Energieverbräuche, der Einsatz von Verpackungen und die weit verbreitete Verarbeitung von Palmöl in vielen Produkten. Vor allem aber betreffen die Themen Klimawandel und Verlust von Biodiversität die Backbranche.
Zum einen werden Forderungen vieler Anspruchsgruppen und des Gesetzgebers lauter, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen, beispielsweise durch eine deutliche Reduktion der CO2-Emissionen insbesondere aus Backöfen und Kälteanlagen. Zum anderen führen immer häufiger auftretende Wetterextreme, insbesondere bei Getreiderohwaren, zu schwankenden Qualitäten, Verfügbarkeiten und volatilen Preisen. Betriebe werden so auch gezwungen, ihre Einkaufsstrategien geografisch stärker zu diversifizieren und anzupassen.
Soziale Themen gewinnen im Kontext der Gesundheitsdebatte und des demografischen Wandels ebenfalls immer stärker an Bedeutung. Staatliche und privatwirtschaftliche Initiativen zur Reduzierung von eingesetztem Salz, eingesetztem Zucker und des Fettgehalts befinden sich in der Umsetzung und stellen die Lebensmittelbranche in den Fokus.
Gravierend für die Unternehmen in vielen Branchen sind zudem die Herausforderungen, fachkundiges Personal zu gewinnen und zu halten. Gerade im Hinblick der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes. Um dem Auszubildendenmangel in der Bäckereibranche zu begegnen, bedarf es neuer Konzepte.
Nachhaltigkeit bekommt mehr und mehr Businessrelevanz. Hinzu kommt, dass die regulatorischen Vorgaben der EU wie die kommende CSRD-Berichtspflicht oder die Taxonomie die Unternehmen zu nachhaltigerem Handeln zwingt und über die Ebene der SDG
(Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen hinausgeht.
Um die zunehmenden gesetzlichen Pflichten erfüllen zu können und den steigenden Anforderungen der wichtigen Anspruchsgruppen (u. a. Handel, Verbraucher, Politik) entgegenzuwirken, sind soziale und ökologische Faktoren ganzheitlich und systematisch in das Kerngeschäft der Unternehmen der Backwarenindustrie zu integrieren.
Wie finden Unternehmen nun den richtigen Weg durch den Dschungel an Anforderungen, Gesetzen und Regelungen und den vielfältigen Zertifizierungsangeboten und Lösungsansätzen für mehr Nachhaltigkeit?
Das ZNU – Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung der Universität Witten/Herdecke hat einen integrierten Managementansatz für nachhaltiges Wirtschaften entwickelt, der ganzheitlich, systematisch, praxiserprobt und extern zertifizierbar ist. Zahlreiche andere Nachhaltigkeitsinitiativen, zum Beispiel ISO 26000, EMAS Plus, Deutscher Nachhaltigkeitskodex und Global Reporting Initiative (GRI), flossen ebenso in die Entwicklung des Ansatzes ein, des Weiteren Erfahrungen aus Pilotphasen mit verschiedenen Unternehmen, vor allem aus der Lebensmittelbranche.
Der ZNU-Standard stellt sicher, dass das Unternehmen einen ganzheitlichen Managementprozess „Nachhaltiger Wirtschaften“ implementiert, sich messbar bei seinen wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen am Standort und entlang der Wertschöpfungsketten weiterentwickelt und so einen engagierten, fortlaufenden Beitrag zur nachhaltigen Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft leisten kann.
Der ZNU-Standard setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Deren Kombination macht die Dynamik nachhaltiger Unternehmensentwicklung aus und hilft Unternehmen, Nachhaltigkeit als Chance für die Entwicklung intelligenter
Zukunftslösungen und damit als Innovationsmotor zu nutzen.
+ Teil 1 – Nachhaltige Unternehmensführung –umfasst das „Wie?“ der Unternehmensführung. Besonders hervorzuheben im Kreislauf Denken/Handeln/Messen/Kommunizieren ist der Punkt „Früherkennung“. Hier geht es darum, die Nachhaltigkeitsherausforderungen auf Unternehmens- und Produktebene, Chancen und Risiken gleichermaßen, zu erkennen und in die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu integrieren.
+ Teil 2 – Nachhaltigkeitsthemen – fokussiert auf das themenbezogene „Was?“. Die systematische Bearbeitung der Nachhaltigkeits -
themen stellt heraus, was ein Unternehmen in den drei Nachhaltigkeitssäulen Umwelt, Wirtschaft und Soziales zum Beispiel bei den Themen Energie, Verpackung, Abfall, Qualität, Ehrliche Werbung, Gesundheit und Demografie unternimmt. Dabei gilt es, das Thema sowohl am eigenen Produktionsstandort als auch entlang der Wertschöpfungsketten zu betrachten.
Der ZNU-Standard ist der erste ganzheitliche und extern zertifizierbare Nachhaltigkeitsstandard. Er ist kein Berichtsstandard, sondern fördert und fordert die nachhaltige Entwicklung in Unternehmen und liefert so die Basis für viele Berichtsanforderungen. Dafür wird der
ZNU-Standard regelmäßig überarbeitet, sodass aktuelle Themen mit einfließen. Derzeit wird an der Revisionsfassung gearbeitet, bei der z. B. Themen wie Klimafolgen oder Finanzen mit aufgenommen werden. Die neue Version wird Ende 2024 veröffentlicht.
Mit dem ZNU-Standard können Unternehmen ihr unternehmerisches Handeln Schritt für Schritt nachhaltiger gestalten und eine kontinuierliche
Verbesserung erreichen. Er ermöglicht es den Unternehmen, Nachhaltigkeitsaktivitäten nach innen wie außen transparent und glaubwürdig gegenüber allen Akteuren zu kommunizieren, beispielsweise gegenüber dem Handel, Zulieferern, anderen Geschäftspartnern, Mitarbeitern, Banken/Versicherungen oder Behörden.
Grundsätzlich sind Firmen, die den ZNU-Standard anwenden, gut auf Berichtsstandards wie DNK,
Das ZNU – Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung ist ein anwendungsorientiertes Forschungsinstitut innerhalb der Fakultät für Wirtschaft und Gesellschaft der Universität Witten/Herdecke. Es arbeitet in den Bereichen Forschung, Lehre, Weiterbildung und Konferenzen daran, Nachhaltigkeit für Führungskräfte von heute und morgen greifbar zu machen. Daraus resultierend wurde mit dem ZNU-Standard ein Managementtool entwickelt, das die Unternehmen beim Bewältigen vieler Nachhaltigkeitsthemen unterstützt. Weitere Infos unter: www.mehrwert-nachhaltigkeit.de und Informationen rund um den ZNUStandard unter www.znu-standard.com
Was „Nachhaltiger Wirtschaften“ bedeutet „Nachhaltiger Wirtschaften bedeutet, auf Unternehmens- und auf Produktebene schrittweise mehr Verantwortung für Mensch und Natur zu übernehmen – vom Unternehmensstandort über die Wertschöpfungskette bis hin zur Gesellschaft. Hierbei gilt es, sowohl das globale Nord-Südgefälle als auch die zukünftigen Generationen im Blick zu haben. Nachhaltiger Wirtschaften ist ein mittel- bis langfristiger Lernprozess, der einen offenen Dialog mit den Anspruchsgruppen des Unternehmens voraussetzt“, Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung (ZNU), Universität Witten/Herdecke.
Der ZNU-Standard Nachhaltiger Wirtschaften
Der ZNU-Standard berücksichtigt neben den drei Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Soziales auch die Ebene der nachhaltigen Unternehmensführung und bietet so einen ganzheitlichen, verlässlichen Rahmen für Unternehmen. In den Standard-Anforderungen finden sich auch aktuelle Rahmenwerke wie z. B. der EU Green Deal und die CSRD sowie weitere gesetzliche und normative Forderungen wieder. Die Unternehmen selbst legen dabei die Leitplanken, um Schritt für Schritt nachhaltiger zu werden und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess für Nachhaltigkeitsthemen in Gang zu setzen.
Revision des ZNU-Standard
Etwa alle fünf Jahre wird der ZNU-Standard Nachhaltiger Wirtschaften auf seine Aktualität überprüft. Dabei werden geänderte Anforderungen an nachhaltiges Wirtschaften, aktuelle Themen, Richtlinien und Gesetze sowie Herausforderungen identifiziert, mit den Anforderungen des Standards abgeglichen und Neuerungen eingearbeitet. Die Veröffentlichung der deutschen und englischen Version des revidierten ZNU-Standard ist für Ende 2024 geplant.
Ecovadis, ESRS etc. und deren Anforderungen vorbereitet, müssen aber darüber hinaus (wenn sie berichtspflichtig sind) noch spezifische Anforderungen dieser Rahmenwerke erfüllen.
Bis Mai 2024 wurden bisher in über 128 Unternehmen mit 180 Standorten ZNU-Standard-Zertifizierungsaudits von insgesamt elf zugelassenen Zertifizierungsstellen (TÜV Rheinland, ARS PROBATA, IFTA, Control Union, Lacon, QAL, DEKRA, TÜV Süd, TÜV Thüringen, Zertifizierung Bau, dqs) durchgeführt. Im Rahmen der Audits erhielten die Unternehmen laut eigenen Aussagen zum einen Hinweise für konkrete Verbesserungsmaßnahmen und zum anderen wurden die Stärken der jeweiligen Nachhaltigkeitsarbeit klar und objektiv benannt.
Die stetig wachsenden Nachhaltigkeitsanforderungen verschiedener Anspruchsgruppen haben das Thema Nachhaltigkeit ins Zentrum der Geschäftstätigkeit und der Strategie jedes Unternehmens, auch von Handwerks- und Großbäckern, gerückt. Der ZNU-Standard Nachhaltiger Wirtschaften macht das komplexe Feld Nachhaltigkeit handhabbar und unterstützt Unternehmen dabei, das ganzheitlich zu erfassen und den Fokus auf die wesentlichen Themen zu legen. Nachhaltigkeitsaktivitäten werden strukturiert und erzielte Erfolge lassen sich intern wie extern glaubwürdig kommunizieren. +++
Nachhaltigkeit bei der Nutzung und Beschaffung von Energie in der Backwarenindustrie ist nicht länger ein abstraktes Ziel für die Zukunft. Sie ist eine Realität, der sich die Unternehmen hier und jetzt stellen müssen. Technologien zur Umsetzung dieser Bemühungen sind bereits verfügbar.
+Der Wandel der industriellen Energieversorgung in ein nachhaltiges und klimaneutrales System ist alternativlos. Trotz ernst zu nehmender technischer und wirtschaftlicher Vorbehalte gibt es Sektoren, in denen dieser Umbau mit verfügbaren Technologien bereits jetzt zu erreichen ist. Der Lebensmittelbereich zählt dazu. Die Dekarbonisierung ist ökologisch notwendig und auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll. Die Unternehmen brauchen jedoch Unterstützung, zum einen in der Entwicklung nachvollziehbarer Konzepte und zum anderen in der Umsetzung dieser. Dann ist der Wandel des Energiesystems ein Geschäftsmodell für die Unternehmen. Warum das so ist, zeigen folgende Einblicke.
Ausgangspunkt und Rahmenbedingungen
Bäckereien müssen sich mit der Substitution fossiler Energieträger beschäftigen. Es gilt, die Auswirkungen des menschengemachten Treibhausgaseffekts zu verringern oder zumindest unter Kontrolle zu bringen. Außerdem haben die unkalkulierbaren Kostenentwicklungen der letzten Monate das Bewusstsein für die Dekarbonisierung oder eigentlich Defossilisierung des Energiesystems aus ökonomischer Perspektive geschaffen.
Die Herausforderungen dieses Umstiegs sind offensichtlich. 2019 wurden nur 14 % des weltweiten Primärenergieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen abgedeckt 1 , und auch in der EU-27
betrug dieser Anteil 2021 nur knapp 18 % 2. Der industrielle Sektor steht für etwa ein Viertel dieses Bedarfs im europäischen Raum 2 (siehe Abbildung 1) und auch dieser ist hauptsächlich fossil versorgt. Erdgas steht für etwa 32,7 % der eingesetzten Energieträger und liegt damit auf demselben Niveau wie der Strombedarf, in dessen Erzeugung wiederum fossile Brennstoffe eine wichtige Rolle spielen. Damit wird klar, dass man zur Erreichung der gesetzten Ziele Unternehmen aktiv einbinden und mit klaren Lösungen unterstützen muss. Es braucht einen radikalen Wandel, geeignete Anreize und auch gesetzliche Vorgaben.
Abbildung 1: Aufteilung Endenergiebedarf in der EU-27 – Stand 2021, Daten: eurostat, eigene Darstellung
Abbildung 2:
Aufteilung des Energiebedarfs 2021 im Sektor Nahrungsund Genussmittel & Tabak, eigene Darstellung. Daten:
Statistik Austria 2020, eigene Darstellung
Die Rahmenbedingungen sind auf europäischer Ebene im Green Deal 3 zusammengefasst. Die Schlagworte Biodiversität, „Vom Hof auf den Tisch“, Kreislaufwirtschaft und eine saubere, erschwingliche und sichere Energieversorgung sind natürlich für Bäckereien von größter Bedeutung. Zwar ist der Anteil der Energie an den gesamten Produktionskosten im Sektor Nahrungs-, Genussmittel & Tabak (etwa 5 bis 15 %) verglichen mit der energieintensiven Branche (>30 %) vergleichsweise gering und Unternehmen in der Herstellung von Chemikalien, Zellstoff und Papier, nichtmetallischen mineralischen Produkten sowie Eisen und Stahl beschäftigen sich deshalb auch seit Jahren mit Energieeffizienz. Aber das Bewusstsein für das Thema Energiekosten, Energieeffizienz und Dekarbonisierung ist auch in den überwiegend kleinen und mittelgroßen Unternehmen 4 angekommen.
In einer industriellen Produktion und damit auch in einer Bäckerei kann der Energiebedarf in den tatsächlichen Strombedarf sowie jenen für Heizen und Kühlen unterteilt werden. Strom wird für den
Betrieb von Anlagen, Maschinen, Standmotoren, Beleuchtung und Ähnlichem benötigt, was für etwa ein Viertel des Gesamtbedarfs steht. Dem gegenüber stehen knapp 75 % für den thermischen Bedarf, ganz unabhängig davon, wie dieser versorgt wird. Dabei kann man diesen wiederum mit etwa 48 % einem hohen Temperaturbereich (>400 °C), 22 % einem mittleren (150–400 °C) und 30 % einem niederen Temperaturbereich (<150 °C) zuordnen. Und genau hier liegt der Vorteil der Lebensmittelproduktion gegenüber energieintensiven Sektoren, nämlich bei welcher Temperatur die Energie benötigt wird. 72,3 % des Energiebedarfs werden bei weniger als 400 °C benötigt, der überwiegende Anteil sogar unter 200 °C (siehe Abbildung 2). 5
Um also das Energiesystem einer Bäckerei ohne fossile Energieträger umzusetzen, muss man die Potenziale von Energieeffizienzmaßnahmen und jener erneuerbaren Energieträger und Technologien betrachten, die sich für diesen Temperaturbereich eignen, und sie hinsichtlich ihrer kurzfristigen Einsetzbarkeit bewerten. Unternehmen aus der Lebensmittelbranche zeigen große Bereitschaft für innovative Lösungen und erkennen, dass es Vorteile gegenüber Mitbewerbern und vor allem den Kunden bringt. Wichtig ist, dass das Risiko kalkulierbar ist und sich bezahlt macht. Und bei aller Motivation bleibt das Kerngeschäft der Unternehmen die Herstellung der Produkte und nicht der Betrieb komplexer Energiesysteme.
Die kurzfristigen Potenziale sind groß
Statistik Austria 2020, eigene Darstellung
Quelle:
Die gute Nachricht vorweg: Etwa 60 % des Prozesswärmebedarfs sind sofort mit verfügbaren Maßnahmen und Technologien einzusparen bzw. mit erneuerbarer Energie abzudecken. Ganz ohne notwendigen Forschungsbedarf erreichen das Investitionen, die sich innerhalb von weniger als fünf Jahren amortisieren. Zumindest 10 % 6 sind über Effizienzmaßnahmen auf Prozessebene und in Versorgungsanlagen (Kessel, Kälte, Druckluft etc.) zu erreichen und 50 % 7 durch die Integration erneuerbarer Technologien. Solarthermie, Wärmepumpen, Biomasse oder Biogas sind in
einer Vielzahl an Beispielen bereits umgesetzt und wirtschaftlich sinnvoll.
Die Umstellung des Energiesystems von fossilen auf erneuerbare Energieträger ist ein wichtiger Schritt und bedarf einer sorgfältigen Planung und Bewertung. Bäckereien erwarten sich zu Recht nachvollziehbare Konzepte, die wirtschaftlich sinnvoll sind und eine maximale Versorgungssicherheit bei minimalen Abhängigkeiten garantieren. Damit Planer:innen diese Lösungen entwickeln können, benötigen sie von den Betrieben belastbare Informationen zum Ist-Stand des Energiebedarfs und der -versorgung:
+ benötigte thermische und elektrische Leistung und Energie
+ Prozessbeschreibungen
+ Zuordnung der eingesetzten Ressourcen (Rohstoffe und Energie)
+ eingesetzte Anlagen (Wärme, Kälte, Druckluft)
+ identifizierte Verluste wie Rauchgas, Abluft, Abwasser und Abwärme
+ Kosten des aktuellen Systems
Die Erhebung und Auswertung dieser Informationen sollte im Idealfall in Anlehnung an anerkannte Normen und Standards wie beispielsweise die ISO 50001 (Energiemanagementsystem) oder der EN 16247 (Energieaudit) erfolgen. Basierend auf einem entwickelten detaillierten Fließbild und erfolgten Bilanzierungen weiß das Unternehmen dann, (i) wo die größten Potenziale
für Effizienzmaßnahmen sind, (ii) welche Anlagen ineffizient genutzt werden, (iii) welche Prozesse und Anlagen sich für einzelne erneuerbare Technologien eignen und (iv) welche Produktionsabläufe in der Konzeption des nachhaltigen Energiesystems zu beachten sind.
Gut gemacht, können die Auswertungen laufend aktualisiert und in ein lebendes Managementsystem übergeführt werden.
Das industrielle Energiesystem
Ganz allgemein benötigen Unternehmen für die Produktion qualifizierte Mitarbeiter, die das System „bedienen“, wodurch Rohstoffe unter Einsatz von Energie in das Produkt umgewandelt werden (siehe Abbildung 3). Das System besteht aus:
+ Ressourcen wie Rohstoffe und Energieträger
+ Maschinen und Anlagen zur Aufbereitung der Rohstoffe und Energieträger für den Einsatz im Produktionsablauf
+ Produktionsanlagen
+ Produkt als Unternehmensziel
+ „unerwünschter“ Output: Abfallströme, materielle und energetische Emissionen
Das Ziel jeder Produktion ist, die eingesetzten Ressourcen (Rohstoffe und Energieträger) zu einem möglichst großen Anteil in das Produkt zu bringen. Allerdings ist jeder Prozessschritt, jede Maschine und Anlage mit einem Wirkungs -
© eigene Darstellung Abbildung 3: Das industrielle Ressourcensystem
grad behaftet. Ein Teil des eingesetzten Wertstroms verlässt also die Produktion ungenutzt. Diese Verluste haben negative ökologische Auswirkungen sowohl in der Phase der Beschaffung als auch der Entsorgung. Die effiziente Nutzung der materiellen Rohstoffe ist für alle Unternehmen wichtig, der effiziente Umgang mit Energie wurde aber lange vernachlässigt. Das Emittieren von warmer Luft oder Abwasser kostet nichts und die eingesetzten Energieträger wie Strom oder Erdgas waren vergleichsweise gering. Das hat sich in Anbetracht der Krisen geändert.
Betrachtet man eine typische Bäckerei, dann findet man dort meistens einen oder mehrere erdgasbefeuerte Heizkessel, in denen Dampf, Heißwasser, Heißluft oder Thermoöl „erzeugt“ wird. Über ein Verteilsystem werden beispielsweise Backprozesse mit Energie versorgt und der dort nicht benötigte Anteil wird dann ungenutzt emittiert oder wieder zu den Kesseln rückgeführt. Ähnlich sehen üblicherweise Kältesysteme aus, die meist strombetrieben sind und mit denen einzelne Prozesse mit einem Kühlmedium versorgt werden. Weiters hat man in Produktionsanlagen fast immer einen Druckluftbedarf, entweder direkt in den Prozessen oder für die Steuerung und Regelung von Anlagen. Energetisch zählen diese neben den Verteilverlusten zu den ineffizientesten. Folgende typische Verluste treten auf:
Tabelle 1: Wärmebedarf und Temperaturbereich ausgewählter Prozesse einer Bäckerei (Erfahrungswerte)
Prozess
Zwischen- und Endgärung
Gärunterbrechung
Backen
Warmwasserbedarf
Heizen/Kühlen der Produktionsräume
Reinigung von Kisten/Flaschen
Reinigung allgemein
Temperaturbereich
+25 bis +45°C (kontrollierte Luftfeuchtigkeit)
+5 bis -23°C
+150 bis +300°C
+30 bis +60°C
+10 bis +60°C
+60 bis +120°C
+30 bis +60°C
+ Heizkessel: 10 bis 50 % im realen Betrieb (bspw. Rauchgas, Abstrahlung, Absalzung)
+ Verteilung: 5 bis 25 % (hohe Verluste bei Dampf!)
+ Abstimmung Bedarf vs. Versorgung: 10 bis 20 % (richtige Temperaturen, Betriebszeiten)
+ Prozesse: hohe Bandbreite an Verlusten über Abluft, Abwasser, Produkt etc.
+ Kälteanlagen: 100 % der Rückkühlung als Abwärme (bis zu 90 °C)
+ Druckluftanlagen: >80 % in Form von ungenutzter Abwärme (bis zu 80 °C)
Angewandt auf eine typische und standardisierte Bäckerei findet man die folgenden wichtigsten Produktionsschritte:
+ Verwiegung, Mischen der Zutaten und Kneten des Teiges
+ Ruhen des Teiges (Gären)
+ Gärunterbrechung bei bis zu -23 °C, danach kontrolliert gestartet
+ Formen der Produkte
+ finale Gärung
+ Backen und ggf. noch einmal Tiefkühlung und Fertigbacken
Strom wird benötigt für das Verwiegen, Mischen, Kneten sowie den Betrieb von Anlagen, Motoren, Beleuchtung sowie die Regelung des Systems. Wärme- und Kältebedarf haben die restlichen angeführten Prozessschritte bei Temperaturen in Abhängigkeit der Produkte (siehe Tabelle 1 – Erfahrungswerte).
Das Energieversorgungssystem in einzelnen Bäckereien ist sehr unterschiedlich und abhängig von den eingesetzten Technologien sowie den Entwicklungen des Standortes über die letzten Jahre und Jahrzehnte. Zu unterscheiden sind zentrale und dezentrale Systeme, sprich, ob Wärme, Kälte, Druckluft etc. von einer zentralen Anlage ausgehend verteilt werden oder aber direkt an den Prozessen aus den Energieträgern „erzeugt“ werden. Zumeist findet man eine Mischung aus beiden Ansätzen mit allen Vor- und Nachteilen der Flexibilität und der Wirkungsgrade. In einer Standard-Bäckerei findet man Folgendes:
„Das
dekarbonisierte Energiesystem der Zukunft wird mehrere Technologien kombinieren und sie an den Energiebedarf bestehender und künftig eingesetzter
Technologien anpassen. Dadurch wird das System komplexer, aber auch deutlich effizienter und nachhaltiger.“
DI
Jürgen Fluch, Dozent, FH | JOANNEUM Gesellschaft mbH
+ Energieträger: Erdgas, Kohle, Strom, Biomasse
+ Wärmeverteilung über Dampf, Heißwasser, Thermoöl oder Heißluft
+ Kälteverteilung mit unterschiedlichen Arbeitsmedien für Normal-, Tief- und Tiefstkühlung
+ Druckluft zumeist über ein zentrales Verteilsystem aus Kompressoren mit elektrischem Antrieb
+ Stromversorgung durch Bezug aus dem Netz, ergänzt um Eigenerzeugung am Standort
In der Auslegung, dem Betrieb und der Optimierung des Energiesystems einer Bäckerei muss man neben der Verschaltung unterschiedlicher Prozess- und Versorgungsanlagen noch berücksichtigen, dass die Bedarfslastprofile sehr unterschiedlich sind. Natürlich ändern sich diese im Tagesverlauf, unterliegen aber noch weitreichenderen Volatilitäten. Das ohnehin sehr große Produktportfolio und der unterschiedliche Energiebedarf der Produkte in einer Bäckerei ist abhängig von Saisonalitäten und kann sich teilweise im Wochenrhythmus verändern.
Will man dieses System also optimieren und dekarbonisieren, ist ein strukturiertes Vorgehen anhand definierter Standards unbedingt notwendig. Damit werden Konzepte zur Steigerung der Effizienz und der Integration erneuerbarer Energieträger so entwickelt, dass sie nicht nur kurzfristig einen positiven Einfluss haben, sondern
auch mittelfristig einen wirtschaftlichen Vorteil für Unternehmen bringen.
+ Prozessoptimierung durch Effizienzsteigerung einzelner Prozesse und Technologien
+ Systemoptimierung durch Nutzung von Abwärme aus Prozessen und Anlagen (Kessel, Kälte, Druckluft) zur Optimierung der Gesamteffizienz
+ Effizienzoptimierung bestehender Anlagen
+ Identifikation erneuerbarer Technologien für den Ersatz fossiler Brennstoffe
+ Integration des Unternehmens in bestehende Versorgungsnetze als Abnehmer und Einspeiser (Prosumer)
Das bestehende System basiert auf erdgasbefeuerten Kesseln und stromversorgten Anlagen, die flexibel sind, rasch auf sich ändernde Anforderungen reagieren und weit verbreitete und erprobte Technologien nutzen. Das dekarbonisierte Energiesystem der Zukunft wird mehrere Technologien miteinander kombinieren und auf den Energiebedarf bestehender und zukünftig eingesetzter Technologien abzustimmen sein. Dadurch wird das System zwar komplexer, aber auch deutlich effizienter und nachhaltiger. Dafür braucht es auch Mut und Vertrauen in Lösungen, die folgende Möglichkeiten beinhalten.
Prozessoptimierung
Auf Ebene der Produktionsschritte und der eingesetzten Technologien wird der Energiebedarf reduziert. Konkrete Optimierungsmaßnahmen sind:
+ Anpassung von Prozessparametern (z. B. Temperaturen)
+ Verlustreduktion durch Isolierung and Abdeckungen
+ optimierte Produktionsplanung für gute (Voll-) Auslastung der Anlagen
+ Einsatz neuester Back- und Prozesstechnologien (Prozessintensivierung)
+ Schulung von Mitarbeiter:innen
Abwärmenutzung
Die Vielzahl auftretender Abwärmeströme (Wasser, Luft, Rauchgas) aus unterschiedlichen Anlagen ermöglicht eine sehr gute direkte Nutzung in Wärmeübertragern (zumeist Platten- oder Rohrbündelwärmetauscher). Dadurch wird die Gesamteffizienz des Systems optimiert. Methodisch können solche Umsetzungen neben der praktischen Erfahrung von Anlagenbauern mithilfe der Pinch-Analyse systematisch identifiziert und bewertet werden. Beispiele sind:
+ Bedarfsströme wie Reinigung, Heizen oder (Vor-) Erwärmung von Wasser oder Luft (30 bis 110 °C)
+ Abwärme aus Prozessen wie Backen, Trocknen oder Reinigen (40 bis 200 °C)
+ Abwärme aus Anlagen wie Kessel, Kälte- und Druckluftanlagen (50 bis 250 °C)
Wärmepumpen
Ist eine direkte Nutzung anfallender Abwärmeströme aufgrund zu geringer Temperaturen nicht möglich, können Wärmepumpen eingesetzt werden, um diese auf ein höheres Temperaturniveau zu heben. In den meisten Anwendungsfällen wird dafür Strom als Antrieb eingesetzt:
+ Bedarfsströme sind alle Prozesse inklusive Vorwärmungen
+ Abwärmequellen aus Prozessen und vor allem Anlagen
+ Wirkungsgrade: COP >3 (abhängig von Temperaturen)
+ Stand der Technik (2023): erzielbare Nutztemperaturen von etwa 120 °C
+ aktuelle Entwicklungen zur Erreichung von 150 bis 250 °C
+ mittelfristiges Ziel: Nutztemperaturen >250 °C
+ Informationen zu laufenden Entwicklungen unter IEA HPT Annex 58
Solarthermie – solare Prozesswärme
Eine Möglichkeit, die Energie der Sonne zu nutzen, ist die Umwandlung in thermische Energie (Solar Heat for Industrial Processes – SHIP).
Dabei wird in einem Kollektor die auftreffende Solarstrahlung in Wärme umgewandelt und in die Energieversorgung eingebunden.
+ erreichbare Temperaturen: 20 bis 400 °C
+ Versorgung von Prozessen (Reinigung, Trocknung etc.) oder Versorgungsanlagen (Heißwasser, Dampf oder Thermoöl)
+ Integration in bestehendes Versorgungssystem bei sehr guter Speicherbarkeit
+ Wirkungsgrade bis zu 75 %
+ Nutzungsdauer einer Anlage >20 Jahre
+ Stand der Technik und Umsetzung in >400 industriellen Anlagen
+ Informationen zu laufenden Entwicklungen unter IEA SHC Task 64
Biomasse
Biomasse wird genutzt, um in entsprechenden Kesseln Wärme zu erzeugen.
+ Nutzung anfallender Abfallströme aus der Produktion als Brennstoff
+ Anlieferung von Biomasse aus der näheren Umgebung (max. ~ 100 km)
+ Einsatz für die Grundlastversorgung von Wärme bei Temperaturen >400 °C
+ Platzbedarf für Lagerung des Brennstoffes
+ Betriebskosten für laufende Anschaffung
Biogas
Biogas kann vor Ort durch die Umwandlung des organischen Anteils anfallender Abfall- oder Abwasserströme erzeugt und direkt für die Erzeugung von Wärme oder auch Strom genutzt werden.
+ Nutzung für Spitzenlastabdeckung von Wärme bei Temperaturen >400 °C
+ hohe Flexibilität durch gute Regelbarkeit
+ Nutzung von UASB-Reaktoren (geruchsfrei)
+ Betriebskosten durch Betreuungsaufwand
Geothermie
Die Nutzung von (Tiefen-) Geothermie ist abhängig von der regionalen Verfügbarkeit und Förderung.
+ Nutzung zur direkten Versorgung der Prozesse je nach Quellen 120 °C
+ bei Bedarf Kombination mit Wärmepumpen für höhere Temperaturen
+ keine saisonalen Abhängigkeiten und geeignet zur Abdeckung der Grundlast
+ Abstimmungs- und Klärungsbedarf: Verfügbarkeit 12, Genehmigungen, Rückführung und Berücksichtigung umweltrelevanter Risiken (Stoffrückführung, seismologische Auswirkungen)
Photovoltaik
Eine weitere Möglichkeit der Nutzung der Solarenergie ist die Umwandlung in Strom in geeigneten Kollektoren. Zwar sind die erreichbaren Wirkungsgrade deutlich geringer als bei Solar-
thermie, die Kosten jedoch geringer und die Integration ist einfacher. + Nutzung für Grundlastbedarf wie Kühlprozesse + einfache Integration in das bestehende Netz + Nutzungsdauer >15 Jahre + neue Geschäftsmodelle bis hin zum Aufbau von Energiegemeinschaften + Entwicklungsbedarf: Speicherung und Optimierung der Wirkungsgrade (derzeit 20 %)
Technologiekombinationen
Durch die sinnvolle Kombination unterschiedlicher Technologien im hybriden Energiesystem werden deren Vorteile hervorgehoben und Nachteile ihrer Volatilität und Verfügbarkeit reduziert. Für das Unternehmen ist es irrelevant, welche Technologie wann welchen Beitrag liefert. Die „Black Box“-Energieversorgung muss die Energie dann liefern, wenn sie benötigt wird. Ein gutes Beispiel dafür ist beispielweise die Kombination von Solarthermie und Wärmepumpen. Liefert die Solarthermie in Zeiten starker Solarstrahlung ausreichend hohe Temperaturen, versorgt sie Prozesse direkt. Ist das nicht der Fall, wird sie
Abbildung 4:
Das Konzept Grüne Bäckerei
Tabelle 2: Das Konzept einer grünen Bäckerei
Komponente
Energiesystem
Speicher
Strombedarf
Nutzung Biomassekessel als Kraft-Wärme-Kopplungsanlage
Wärmebedarf <150 °C
Wärmebedarf Grundlast und >150 °C
Wärmebedarf Spitzenlast
Netzversorgung
Ziel
Zentrale Versorgung über Verteilsystem (max. Effizienz)
Kaskadisch für Wärme, Kälte, Druckluft und Strom
Photovoltaik zur Abdeckung des Bedarfs der Kühlprozesse, Maschinen und Anlagen
+30 to +60°C
Nutzung von Abwärmeströmen in Kombination mit Solarthermie und Wärmepumpe
Biomassekessel zur Grundlastabdeckung; lokal verfügbare Brenn- und Abfallstoffe
Vermeidung durch Planbarkeit des Bedarfs, ergänzt um PV
Lokale und regionale Strom- und Wärmenetze als Prosumer nutzen
in Kombination mit anderen Abwärmequellen im System über eine Wärmpumpe genutzt, um die notwendigen Temperaturen zu erreichen. Zentrale Komponente ist ein thermischer Speicher, über den die Prozesse versorgt werden und dessen ausreichende „Befüllung“ (Beladung) sichergestellt werden muss.
Die grüne Bäckerei
Jetzt stellt sich die Frage nach der vollkommen optimierten und dekarbonisierten grünen Bäckerei der Zukunft. Aufgrund der Unterschiede von Unternehmen zu Unternehmen gibt es nicht die eine perfekte Lösung. Basierend auf Erfahrungen und Diskussionen mit unterschiedlichen Unternehmen kann man aber ein mögliches Konzept entwickeln.
Basis der Auslegung ist der Bedarf der Produktion und Abhängigkeiten einzelner Prozessschritte. Das ist besonders wichtig beim Umbau eines bestehenden Systems. Dreht man an einem Schräubchen, hat das immer eine Auswirkung auf das gesamte System. Bei der Auslegung neuer Produktionsanlagen auf der grünen Wiese ist man etwas flexibler, muss aber natürlich lokale
und äußere Parameter berücksichtigen. Dazu zählen beispielsweise die Verfügbarkeit erneuerbarer Energieträger (Solarstrahlung, Biomasse), nutzbare Flächen oder die logistische Anbindung.
In der idealen Bäckerei gilt:
+ Produktion, Abläufe und Prozessparameter sind flexibel, zeitlich verschiebbar und planbar.
+ Alle Anlagen entsprechen dem Stand der Technik, werden bedarfsgesteuert in Volllast betrieben und laufend gewartet.
+ Abwärmeströme aus Prozessen, Kälte- und Druckluftanlagen sind nutzbar.
+ Definierte Klimazonen in der Produktion vermeiden unnötigen Wärme- und Kälteeintrag.
+ Demand Side Management zur Abstimmung von Bedarf und Versorgung
Damit sind die Grundvoraussetzungen für ein effizientes und nachhaltiges System gegeben und die Versorgung kann kaskadisch auf den unterschiedlichen Bedarf ausgelegt werden, wie in Tabelle 2 und Abbildung 4 gezeigt.
Auf dem Papier ist so ein Konzept rasch niedergeschrieben und erklärt. Die Komplexität ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. Planbare Volatilitäten sind ebenso zu berücksichtigen wie kurzfristige Anpassungen des Bedarfs. In diesem Konzept werden ausschließlich Technologien gewählt, die bereits jahrelang eingesetzt werden. Die Herausforderung ist, das System optimiert zu regeln und Anwender in der Produktionsplanung und -durchführung bestmöglich in das System zu integrieren. Digitale Tools werden dabei helfen und die Komplexität beherrschbar machen. Notwendige Daten für den Betrieb sind klar zu definieren und für die optimierte Regelung auch einzusetzen.
In der aktuellen (politischen) Diskussion wird vieles auf Wasserstoff und die Elektrifizierung der industriellen Energiesysteme fokussiert. Das bedeutet, dass fossile Energieträger (vor allem Erdgas) durch Strom substituiert werden. Auch die Herstellung von Wasserstoff wird sehr viel
Strom benötigen. Der Bedarf an grünem Strom steigt also signifikant. Aber woher kommt der erneuerbare Strom? Derzeit ist das System in Europa oder im D-A-CH-Raum bei Weitem nicht erneuerbar und das Hinterherhecheln dieser vermeintlich einfachen Lösungen inklusive Nuklearenergie absolut keine nachhaltige Lösung.
Ja, die Dekarbonisierung des Lebensmittelsektors und von Bäckereien im Speziellen ist kein Projekt von wenigen Monaten, das mit wenig Aufwand zu schaffen ist. Das industrielle Energiesystem der Zukunft ist ein komplexes System mit derzeit noch wenigen Best-Practice-Beispielen. Aber der Dampfkessel wurde zu Beginn wohl auch als komplexes System bewertet. In der wirtschaftlichen Bewertung von Konzepten muss bei einem Standortbekenntnis der Blick auf die Energiegestehungskosten gerichtet werden. Wie viel muss ein Unternehmen für eine nutzbare Energieeinheit wie bspw. eine Megawattstunde in den nächsten 20 Jahren bezahlen? Herkömmliche wirtschaftliche Bewertungskriterien wie Amortisationsdauer oder die Zinsfußmethode (IRR) sind nur ein Maß für das wirtschaftliche Risiko und dafür nur bedingt geeignet.
In Bäckereien werden Temperaturen bis etwa 300 °C benötigt. Wozu also offensichtlich limitierten erneuerbaren Strom (Exergie) vergeuden, wenn es doch ausreichend erprobte Technologien zur Versorgung mit erneuerbarer Wärme und Kälte gibt? Ja, diese müssen sinnvoll mit -
einander kombiniert, ausgelegt und auch betrieben werden. Was genau in der „Black Box“ hybrider Energiesysteme passiert, ist die Aufgabe der Expert:innen. Davon werden sehr viele benötigt und Ausbildungen dafür gibt es längst (u. a. an der FH JOANNEUM). Vorbehalte der Unternehmen müssen durch aktive Information abgebaut und die Mutigen vor den Vorhang geholt werden. Das ist mit sinnvollen Geschäftsmodellen, einer fundierten Risikobewertung für Investoren und der Unterstützung über Förderungen zu koppeln. Dann wird aus dem alternativen Schreckgespenst der Dekarbonisierung plötzlich ein erfolgreiches Geschäftsmodell für Unternehmen, Technologieanbieter und Investoren. Die Frage wird also sein: Warum erst jetzt?! +++
DI Juergen Fluch , Dozent, FH | JOANNEUM Gesellschaft mbH
Institut „Energie-, Verkehrs- und Umweltmanagement“
Werk-VI-Strasse 46, 8605 Kapfenberg, Österreich
Tel.: +43 (0)316 54 53 6340
Mobil: +43 (0)664 804 53 6340
E-Mail: juergen.fluch@fh-joanneum.at www.fh-joanneum.at
Facebook: FH JOANNEUM Energie, Verkehrsund Umweltmanagement
Instagram: fh_joanneum_emu_met
1IEA, ”World Energy Balances: Overview“, Paris, License: CC BY 4.0, 2021. [Online]. Available at: https://www.iea.org/reports/world-energybalances-overview
2Eurostat, 2023
3Eurostat, 2023
4C. Fetting, ”The European Green Deal,“ ESDN Office, Vienna, 2020. [Online]. Available at: https://www.esdn.eu/fileadmin/ESDN_Reports/ ESDN_Report_2_2020.pdf
5fooddrink Europe, ”SMES Small Scale, big impact,“ November 16, 2020. https://www.fooddrinkeurope.eu/policy-area/smes/ 6 Statistics Austria, 2023
7Study on EE and Energy Savings Potential in Industry...“ ICF International. 2015
8Estimate developed based on several sources: ”Process heat collectors...“ Horta P. 2016; ”Process heat in Industry, Suitable Technologies“. Fraunhofer ISE presentation. 2017. ”Potential for Solar Heat in Ind. Processes.“ Vannoni C. et al. 2008; 9COP...Coefficient of Performance; Ratio of energy used to usable heat.
10https://heatpumpingtechnologies.org/annex58/task1 11www.ship-plants.info
12https://task64.iea-shc.org/
13Geothermie Verfügbarkeit in Österreich, Archive der Geologischen Bundesanstalt, Studie GeoEnergie 2050 (Joanneum Research, 2014)
Angesichts des steigenden Kostendrucks und der aktuellen regulatorischen Rahmenbedingungen hinsichtlich Nachhaltigkeit und Energieeffizienz steht die Branche vor weiteren Herausforderungen. Der Einsatz erneuerbarer Gase, insbesondere Wasserstoff, spielt hierbei in einem zukünftigen Energiesystem eine wichtige Rolle als Langzeitspeicher für erneuerbaren Strom, als Brennstoff für Wärme sowie als Kraftstoff im Mobilitätssektor.
+Steigende Kosten für Energie und Rohstoffe stellen die Backbranche aktuell vor weitere Herausforderungen, insbesondere die Handwerksbäcker, denen der Fachkräftemangel und der fehlende Nachwuchs durch die schlechten Arbeitszeiten noch schwerer zu schaffen macht. Die Herstellung von Backwaren ist ein sehr energieaufwendiger Prozess. Für den Backprozess selbst werden neben dem elektrischen Strom vorwiegend fossile Brennstoffe wie Erdgas oder Heizöl eingesetzt. Unternehmen zahlten im 2. Halbjahr 2022 für Erdgas ohne Mehrwertsteuer und andere abzugsfähige Steuern durchschnittlich 8,06 Cent pro Kilowattstunde. Das waren 25,3 % mehr als im ersten Halbjahr 2022 und 74,4 % mehr als im z weiten Halbjahr 2021. Im Rahmen der klimapolitischen Entwicklungen ist die Zielsetzung der EU-Mitgliedsstaaten, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, mit der Verordnung über das Europäische Klimagesetz in 2021 zu einer rechtlichen Verpflichtung geworden, um die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 zu senken.
Neben dem steigenden Kostendruck nimmt der Aspekt des Klimaschutzes im Rahmen einer nachhaltigen Energiewende stetig zu. Bezeichnend hierfür ist der aktuelle Gesetzesentwurf
im Rahmen des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG). Mit dem Energieeffizienzgesetz sollen die europäischen Zielvorgaben auf nationaler Ebene erfüllt und somit die Energieeffizienz in Deutschland gesteigert werden. Durch eine Reduzierung des Primär- und Endenergieverbrauchs, des Imports und Verbrauchs fossiler Energien wird einerseits eine Verbesserung der Versorgungssicherheit angestrebt sowie andererseits dazu beigetragen, dass eine Eindämmung des weltweiten Klimawandels erreicht wird. Unternehmen mit einem Gesamtenergiebedarf größer 2,5 GWh sollen u. a. alle 4 Jahre ein Energieaudit durchführen. Unternehmen mit einem Gesamtenergieverbrauch größer als 7,5 GWh werden u. a. zum Energiesparen durch die Einführung eines Energiemanagementsystems nach DIN EN ISO 50001 oder Umweltmanagementsystems nach EMAS verpflichtet. (1)
Eine Ausnahmeregelung, dass klimaneutrale Unternehmen von bestimmten Pflichten im Rahmen des EnEfG befreit sind, verdeutlicht hierbei die Notwendigkeit für die Anwendung von Alternativen zu herkömmlichen Energieträgern, die möglichst unabhängig von steigenden Energiekosten und fossilen Brennstoffen eingesetzt werden können.
Abbildung 1: Zusammensetzung der Primärenergieträger in Deutschland für das Jahr 2022. In Anlehnung an (2)
Der Einsatz von Wasserstoff bietet aufgrund von dessen chemischen und physikalischen Eigenschaften großes Anwendungspotenzial für eine alternative Energieversorgung. Dieser Artikel beschreibt einige aktuelle Herausforderungen zur Anwendung von Wasserstoff für die Backbranche und erläutert die praktische Anwendung von Wasserstoff als Energieträger im Backprozess.
Energetische Bestandsaufnahme
Der aktuelle Energiemix in Deutschland setzt sich aus verschiedenen Energieträgern zusammen, welche im Inland erzeugt bzw. importiert werden. Der Primärenergieverbrauch in Deutschland im Jahr 2022 betrug demnach 11.769 PJ bzw. 401,6 Mio. t SKE (Steinkohleeinheit). (2) Die Zusammensetzung sowie das Niveau des aktuellen
Abbildung 2: Prozentuale Anteile am jeweiligen Primärenergieverbrauch für Inlandsförderung und für den Import verschiedener Energieträger in Deutschland für das Jahr 2022. In Anlehnung an (2)
Energieverbrauchs wurden dabei u. a. in einem hohen Maß durch die Auswirkungen des aktuellen geopolitischen Konfliktes in Europa geprägt. Die Zusammensetzung der Energieträger ist in Abbildung 1 dargestellt.
Hierbei wird deutlich, dass Deutschland die wesentlichen Energieträger, insbesondere Erdgas, für die Deckung des Energieverbrauches aus Importen bezieht, welche in Summe ca. 70 % des gesamten Primärenergieverbrauches ausmachen.
Der Einsatz erneuerbarer Energien erfolgt nahezu vollständig aus der inländischen Erzeugung und stellt mit knapp 56 % die wichtigste heimische Energiequelle dar. Die Struktur der erneuerbaren Energien in Deutschland für das Jahr 2022 ist in Abbildung 3 dargestellt.
Der Anteil der erneuerbaren Energien, welcher zur Deckung des inländischen Brutto-Stromverbrauchs beiträgt, soll bis 2030 80 % betragen (Stand 2022: 46,2 %). (4) Hierfür wird u. a. der massive und beschleunigte Ausbau von Windund Solaranlagen erforderlich sein. Insbesondere in Industriebereichen, welche sich durch den Einsatz von Elektrizität nicht ohne Weiteres dekarbonisieren lassen, wird dem Energieträger Wasserstoff eine zentrale Schlüsselrolle bei der Weiterentwicklung und Vollendung der Energiewende zugesprochen, vor allem aufgrund seiner vielfältigen Einsatzmöglichkeiten als Energieträger, Energiespeicher und als wesentliches Element der Sektorenkopplung.
Wie in Abbildung 4 dargestellt, besteht laut Bundesregierung bis 2030 ein Wasserstoffbedarf von bis zu 110 TWh, welcher mit der inländischen Produktionsprognose durch die Bereitstellung von grünem Wasserstoff durch Elektrolyseanlagen nicht vollständig gedeckt werden kann. (5)
Im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) hat das Bundeskabinett im Juli 2023 die Fortbeschreitung der NWS beschlossen, um u. a. den Markthochlauf von Wasserstoff zu beschleunigen. Darüber hinaus soll die heimische
Elektrolysekapazität auf 10 GW bis 2030 ausgebaut werden. Ebenso ist das Ziel, die Wasserstoffanwendungen bis 2030 in den verschiedenen Sektoren von Industrie, bei schweren Nutzfahrzeugen sowie zunehmend im Luft- und Schiffsverkehr einzusetzen.
Der restliche Bedarf an Wasserstoff soll durch eine entsprechende Importstrategie gedeckt werden. Der Import von Wasserstoff ergibt sich insbesondere für Länder mit einem hohen Energiebedarf und einem begrenzten Potenzial an erneuerbaren Energien. Aktuell gibt es starke Entwicklungen für den Aufbau von internationalen Wasserstoff-Beziehungen, welche derzeit im Rahmen von bi- und trilateralen Abkommen zwischen
Abbildung 3: Strukturierung der Erneuerbare-Energie-Quellen in Deutschland für das Jahr 2022. In Anlehnung an (2)
2030: 90-110 TWh
Abbildung 4: Vergleich des Wasserstoffbedarfes und der Elektrolyseprognose in Deutschland
2030: 5 GW/14 TWh
2040: 10 GW/28 TWh
Electrolyseprognose Quelle: ttz Bremerhaven
Tabelle 1: Übersicht der internationalen Wasserstoffzusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland (7)
Land Auszug der zentralen thematischen Schwerpunkte
Angola
Australien
Brasilien
Chile
China
Indien
Beginn
Einrichtung eines Wasserstoffdiplomatiebüros (2021) für den Ausbau des Dialogs mit strategischen Partnerländern, Vernetzung von Entscheidungsträgern, Experten und Unternehmen 2011
Einrichtung eines deutsch-australischen Innovations- und Technologieinkubators für Wasserstoff (HyGATE), Einrichtung eines Wasserstoff-Hubs, Untersuchungen zum Aufbau von Lieferketten für Wasserstoff und seine Derivate 2017
Systemintegration von erneuerbaren Energien, Energieeffizienz, Digitalisierung, grüner Wasserstoff 2017
Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, grüner Wasserstoff (Projekt „Haru Oni“) 2019
Austausch zu regulatorischen Rahmenbedingungen sowie Standards, grüner Wasserstoff 2009
Erarbeitung Roadmap für den Markthochlauf grüner Wasserstoff in Indien 2006
Japan AG „sauberer Wasserstoff“, Austauschplattformen und Expertenworkshops 2019
Kanada Intensive Energiepartnerschaft, Ausbau von Lieferketten für grünen Wasserstoff 2021
Kasachstan Energiedialog (Vorstufe zur Energiepartnerschaft), Durchführung von Kurzstudien zum Thema Wasserstoff 2022
Korea
Marokko
Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, intelligente Netze, Energiespeichersysteme, AG „Neue grüne Technologien“ 2019
Dekarbonisierung Stromsektor, Begleitung des Privatsektors im Energiebereich, Unterstützung Entwicklung einer grünen Wasserstoffstrategie, Absichtserklärung (2020) für die Entwicklung eines Power-to-X-Sektors, Planung Produktionsanlage für ca. 100 MW Elektrolyseleistung 2012
Mexiko Wasserstoff als zentrales Thema auf Ebene der mexikanischen Bundesländer 2019
Namibia
Nigeria
Russland
Saudi-Arabien
Südafrika
Tunesien
Türkei
Ukraine
Absichtserklärung für den Aufbau einer Wasserstoffpartnerschaft mit den Schwerpunkten Strategie und Machbarkeitsstudien, Pilot- und F&E-Projekte sowie ein Stipendienprogramm
Einrichtung eines Wasserstoffdiplomatiebüros (2021) für den Ausbau u. a. des Dialogs mit strategischen Partnerländern, Vernetzung von Entscheidungsträgern, Experten und Unternehmen
Energiedialog, 2021 Absichtserklärung zu „Nachhaltigen Energien“ unterzeichnet, Wasserstoffdiplomatiebüro (2022). Die Arbeit wurde aktuell ausgesetzt
2021
2008
2010
Energiedialog, Unterzeichnung Memorandum of Understanding zur Wasserstoffkooperation (2021), Einrichtung eines Wasserstoffdiplomatiebüros (2022) 2019
Energiepartnerschaft grüner Wasserstoff, Energieeffizienz, Strukturwandel und Energiespeicherlösungen 2013
Energiepartnerschaft Ausbau und Systemintegration erneuerbarer Energien und Wasserstoff, Unterzeichnung Allianz zur Entwicklung des Power-to-X-Sektors (2022), Bau einer 10-MW-PtX-Pilotanlage 2021
Energiepartnerschaft im Bereich Sektorenkopplung, grüner Wasserstoff 2021
Energiepartnerschaft zum Thema Wasserstoff, Planung Einrichtung eines Wasserstoffdiplomatiebüros 2020
Vietnam Planung eines Energiedialoges im Bereich grüner Wasserstoff offen
potenziellen Import- und Exportländern realisiert werden. (6)
Tabelle 1 gibt eine aktuelle Übersicht von Deutschlands weltweit bestehenden und geplanten Energiepartnerschaften im Wasserstoffbereich. Die internationale Zusammenarbeit besteht hierbei aus verschiedenen Partnerschaften, Kooperationen und Allianzen.
Neben der Entstehung eines internationalen Marktes sind darüber hinaus einheitliche Nachhaltigkeitskriterien notwendig, um die Entwicklung eines globalen Wasserstoffmarktes mit den Klimaschutzzielen zu vereinbaren. (8)
Was ist Wasserstoff und wann gilt
Wasserstoff als klimaneutral?
Die Entdeckung des Wasserstoffs reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Der britische Naturwissenschaftler Henry Cavendish (*1731, †1810) entdeckte Wasserstoff als Erster in dem Zusammenhang, dass bei der Reaktion von Säuren mit Metallen ein Gas entsteht, welches er brennbare Luft nannte. Darüber hinaus entdeckte Cavendish, dass Wasser aus „brennbarer Luft“ entsteht, erkannte den Wasserstoff allerdings nicht als solchen und hielt an der Phlogistontheorie fest. Erst Antoine Laurent de Lavoisier (*1734, †1794) zog die richtigen Schlüsse, indem er die Knallgasversuche von Cavendish nachstellte und Wasser als einen zusammengesetzten Stoff identifizierte, also aus Wasserstoff und Sauerstoff bestehend.
Wasserstoff ist das kleinste, leichteste und erste chemische Element des Periodensystems
und kommt auf der Erde unter atmosphärischen Bedingungen als molekularer Wasserstoff H 2 in Form eines farb- und geruchslosen Gases vor.
Wie in Tabelle 2 dargestellt besitzt Wasserstoff bezogen auf den unteren Heizwert im Vergleich zu weiteren Energieträgern eine sehr hohe massenbezogene Energiedichte.
Aufgrund des Gewichtes von Wasserstoff ist die volumetrische Energiedichte allerdings wesentlich geringer im Vergleich zu anderen Brennstoffen. Für die Speicherung und den Transport des Wasserstoffes stehen verschiedene Technologien zur Verfügung, welche durch geeignete Technologien zur Erhöhung der volumetrischen Energiedichte führen. Aktuell eingesetzte Verfahren sind hierbei die Wasserstoffspeicherung in Druckbehältern bis zu 700 bar, die Verflüssigung durch Abkühlen auf -253,0 °C (LH 2-Speicher), die Bindung von Wasserstoff an flüssige Trägermaterialien (sogenannte Liquid organic hydrogen carriers (LOHC) wie z. B. Benzyltoluol) sowie die Einlagerung in Metallhydrid-Speicher durch die Adsorption von Wasserstoff an Metalloberflächen. Je nach Einsatzgebiet des Wasserstoffes besitzen die verschiedenen Speicher- und Transporttechnologien Vor- und Nachteile u. a. in Bezug auf die technischen Voraussetzungen für eine Umwandlung und das durch die jeweilige Technologie bedingte Speichergewicht.
Aufgrund physikalischer und chemischer Eigenschaften bildet Wasserstoff unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Oxidationsmittel (Luftsauerstoff) ein zündfähiges und explosionsfähiges Gemisch. Nach § 5 Arbeitsschutzgesetz, § 3 Betriebssicherheitsverordnung und § 6, § 11
Tabelle 2: Massen- und volumenbezogene Energiedichte für den unteren Heizwert verschiedener Energieträger (9)
Energieträger Heizwert Hi
Tabelle 3: Sicherheitstechnische Kenngrößen von Wasserstoff und weiteren Gasen (10) Kenngröße
Tabelle 4: Aktuelle Anwendungen von Wasserstoff in der Industrie
Industriezweig
Chemische Industrie
Eisen- und Stahlproduktion
Lebensmittelproduktion
Raumfahrt
Kraftwerke
Gaschromatographie
Halbleiterindustrie
Metallproduktion
Anwendung
Ammoniak- und Methanolherstellung
Ölraffinerien, Entschwefelung von Mineralölprodukten
Direktreduktion von Eisen
Hydrierung von ungesättigten Fettsäuren, Margarineherstellung
Treibstoff
Kühlung von Generatoren
Flammenionisationsdetektor, Trägergas
Trägergas für die Produktion dünner Kristallschichten
Reduktionsmittel, Herstellung besonderer Metallqualitäten
sowie Anhang I Nr. 1 der Gefahrenstoffverordnung ist eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, um eine Gefährdung durch eine Explosion zu vermeiden. Ist auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung davon auszugehen, dass eine Explosion eintreten kann, sind Maßnahmen auf Basis des primären (Vermeiden explosionsfähiger Atmosphäre), des sekundären (Vermeiden wirksamer Zündquellen) und des tertiären (konstruktive Maßnahmen) Explosionsschutzes zu treffen.
Die Kenntnis über die sicherheitsrelevanten Faktoren ist hierbei eine Voraussetzung für den anwendungsbezogenen Umgang mit Wasserstoff und für die Beurteilung des Gefahrenpotenziales von Stoffen und Reaktionsgemischen.
Die Kenngrößen dienen hierbei als Grundlage zur Festlegung von Maßnahmen für den Brandund Explosionsschutz. Tabelle 3 stellt relevante sicherheitstechnische Kenngrößen von Wasserstoff und weiteren Energieträgern gegenüber. Es ist zu erkennen, dass Wasserstoff einen deutlich größeren Explosionsbereich (4 Vol. % UEG – 77 Vol. % OEG) besitzt, wodurch das Auftreten eines explosionsfähigen Gemisches mit Luft größer ist als z. B. mit Methan.
Aufgrund der geringen Normspaltweite (Indikation Flammendurchschlag durch einen hinreichend schmalen Spalt) ist Wasserstoff der Explosionsgruppe IIc zugeordnet. Gase der Gruppe IIc besitzen ebenfalls geringe Mindestzündenergien, wie z. B. Methan aus der Gruppe IIa. Dies
bedeutet, dass für Wasserstoff wesentlich schwächere potenzielle Zündquellen wirksam werden können. Allerdings gelten beide Stoffe aufgrund der Mindestzündenergie von <3 mJ bereits als extrem entzündlich.
Neben der energetischen Nutzung dient Wasserstoff bereits heute für große Teile der Industrie als Ausgangsstoff für verschiedene technische Prozesse. Tabelle 4 fasst zentrale Anwendungen von Wasserstoff für verschiedene Industriezweige zusammen.
Die Verteilung von Wasserstoff zum Anwender kann über verschiedene Distributionswege erfolgen. Bekannte Transportwege erfolgen je nach Distanz per Lkw mit Wasserstoff-Trailern (z. B. für die Belieferung von Tankstellen), per Schiff oder per Wasserstoffpipeline.
In Deutschland existieren bereits Wasserstoffpipelines, welche für den Transport von 100 % Wasserstoff im Bereich der chemischen Industrie im Jahr 1938 entstanden sind. Das größte Pipelinenetz zur Versorgung von Großabnehmern wird durch die Air Liquide Deutschland GmbH im Rhein-Ruhr-Gebiet betrieben und erstreckt sich über 240 km. (11)
Für den inländischen Transport bietet sich darüber hinaus die Umwidmung sowie die Wasserstoffeinspeisung in das bestehende Erdgasnetz an. Der DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.) berichtet in diesem Zusammenhang, dass eine 100-prozentige Versorgung mit Wasserstoff über die Verteilnetze technisch möglich ist. Bereits heute ist eine Zumischung von Wasserstoff von bis zu 10 Vol. % zulässig, sowie eine Zumischung von bis zu 20 Vol. % durch gewisse Anpassungen beim Netzbetreiber und Gaskunden. (12)
Für die Einspeisung höherer Wasserstoffkonzentrationen in die bestehende Gasinfrastruktur muss die generelle Eignung u. a. von Bauteilen aus Stahl und Thermoplasten sowie weiteren Anlagen, Netzkomponenten und Verbrauchsgeräten nachgewiesen werden. (13)
Zur Herstellung von Wasserstoff werden verschiedene Verfahren eingesetzt, welche sich auf Basis der eingesetzten Ausgangsstoffe sowie der Herstellungs- und Speicherverfahren entlang der CO2-Emissionen verschiedenen Farben zuordnen lassen. Die Farbenlehre des Wasserstoffs ist in Abbildung 5 visualisiert.
Den größten Anteil an der Wasserstoffproduktion trägt die Dampfreformierung. Für dieses Verfahren werden hauptsächlich fossile Energieträger wie z. B. Erdgas oder Erdöl eingesetzt. Die Energieträger werden hierbei unter Einfluss von Wasserdampf und Wärme in Wasserstoff und CO 2 durch allotherme oder autotherme Reformierung umgewandelt. Das entstandene CO 2 entweicht hierbei ungehindert in die Atmosphäre. Um bei der Herstellung von Wasserstoff durch die Dampfreformierung die CO 2-Emissionen zu reduzieren, werden sogenannte Carbon dioxide capture and storage (CCS)-Verfahren eingesetzt, um das produzierte CO2 größtenteils abzutrennen und zu speichern. Der mittels CCS hergestellte Wasserstoff wird hierbei auch als blauer Wasserstoff bezeichnet. Allerdings werden für die Lagerung des abgetrennten CO 2 große Speicher-
Abbildung 5: Farben des Wasserstoffs entlang der verschiedenen Herstellungsverfahren und CO2-Emissionen. In Anlehnung an (14)
kapazitäten benötigt. Zudem wird laut einer Studie von Greenpeace Energy EG keine umfassende Dekarbonisierung erreicht, da u. a. in der Erdgas-Lieferkette bereits vor der Wasserstoffproduktion erhebliche Mengen an CO2- und Methanemissionen durch Abfacklung von Gas sowie den Methanschlupf freigesetzt werden. (15)
Eine (nahezu) vollständige Dekarbonisierung der Wasserstoffproduktion wird allerdings nur durch die Erzeugung von grünem Wasserstoff erreicht. Dazu wird hauptsächlich regenerativ erzeugter Strom (z. B. durch Wind und Sonne) in Elektrolyseuren genutzt, um Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff (g) und Sauerstoff (g) zu zerlegen.
Zur Festlegung von Kriterien für grünen Wasserstoff sowie einem Zertifizierungssystem hat die Europäische Kommission zwei delegierte Rechtsakte im Rahmen der Erneuerbare-EnergienRichtlinie (RED II) erlassen, um insbesondere für Investoren Rechtssicherheit zu schaffen.
„Im Rahmen des Modellprojektes ,Wasserstoff – grünes
Gas für Bremerhaven’ (gefördert durch das Land Bremen und die Europäische Union) wurde durch das ttz Bremerhaven ein Demonstrationsobjekt eines Wasserstoffbackofens entwickelt, um die generelle Anwendbarkeit von Wasserstoff als alternative Energiequelle für einen emissionsarmen Backprozess zu untersuchen.”
ttz Bremerhaven
Die aus heutiger Sicht bekanntesten Technologien für die Wasserelektrolyse sind die Alkali-Elektrolyse, PEM-Elektrolyse und die Solid-Oxid-Elektrolyse. Wichtige Parameter für die jeweilige Elektrolyse-Technologie sind hierbei u. a. der Betrieb unter variablen Lasten, Lebensdauer und Anlagenverfügbarkeit, Investitions- und Betriebskosten sowie die Systemperformance.
Die gegenwärtigen und zukünftigen Produktionskosten für die Erzeugung von grünem Wasserstoff unterliegen einer breiten Preisspanne und werden durch die Entwicklung verschiedener
technischer Parameter der Elektrolyseure, wie z. B. der Investitionskosten und Betriebskosten (insbesondere Stromkosten), des Wirkungsgrads sowie der Lebensdauer, beeinflusst. Greenpeace Energy prognostiziert u. a., dass durch Kostensenkungen für Elektrolyseure im Rahmen des Markthochlaufes die Produktionskosten von grünem Wasserstoff im Jahr 2030 auf 6–12 ct/kWh sinken, dies entspricht ca. 2–4 €/kg Wasserstoff (im Vergleich 2019: 15–18 ct/kWh). (15)
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Wasserstoff eigens durch die Nutzung vorhandener Unternehmensinfrastruktur von z. B. Photovoltaikmodulen herzustellen. Hierfür wird der Bedarf an Wasserstoff durch einen entsprechenden Elektrolyseur mit Speicheranbindung erzeugt und gedeckt. Dadurch wird überschüssiger erneuerbarer Strom in Form von Wasserstoff zwischengespeichert und kann bspw. in der Bäckerei zu Zeiten genutzt werden, in denen kein Solar- oder Windstrom zur Verfügung steht.
Anwendungsmöglichkeit von Wasserstoff in der Bäckerei – Entwicklung eines Wasserstoffbackofens
Im Rahmen des Modellprojektes „Wasserstoff – grünes Gas für Bremerhaven“ (gefördert durch das Land Bremen und die Europäische Union) wurde durch das ttz Bremerhaven ein Demonstrationsobjekt eines Wasserstoffbackofens (vgl. Abbildung 6) entwickelt, um die generelle Anwendbarkeit (Proof of Concept) von Wasserstoff als alternative Energiequelle für einen emissionsarmen Backprozess zu untersuchen.
Im Fokus der Arbeiten stand hierbei u. a. die Prüfung der sicherheitstechnischen Anforderungen sowie die Auslegung des Gesamtsystems zur Übertragung backtechnisch relevanter Temperatur- und Feuchtigkeitsprofile.
Aufgrund der besonderen chemischen und physikalischen Eigenschaften für die Verwendung von Wasserstoff als Brenngas sind Materialauswahl sowie die Implementierung eines Sicherheitskonzeptes wichtige Faktoren, um einen gefahrenlosen Betrieb zu gewährleisten.
Für die Erzeugung der nutzbaren Wärme erfolgt die Umwandlung von Wasserstoff mit Luftsauerstoff exotherm in einem speziellen Brenner auf Basis der Reaktionsgleichung:
Praktisch erfolgt die Gasdosierung von Wasserstoff und Luftsauerstoff im entwickelten Ofensystem je nach zu erreichender Backraumtemperatur automatisch über verschiedene Regelungseinheiten. Die im Brenner erzeugte Reaktionswärme (dampfförmiges Wasser) steht dem Backprozess somit zur direkten bzw. indirekten (Wärmetauschsystem) Einspeisung als Wärme- und Feuchteübertragungsmedium (Beschwadung) zur Verfügung. Sensoren überwachen die Zusammensetzung der Gase während der Verbrennung, im Fall eines möglichen Fehlers, wie z. B. einem Überschreiten einer unzulässigen Wasserstoffkonzentration, reagiert das Sicherheitssystem und stoppt die Gasdosierung.
Die grundlegende Performance-Charakterisierung des Wasserstoffbackofens erfolgt u. a. durch die Analyse von Wärmeübertragung und Luftströmungsverhalten. Das Zusammenspiel verschiedener Prozessgrößen wie z. B. die Regelung des Brenners und die damit zu erzielende Backraumtemperatur ist hierbei ein wichtiger Faktor, um eine effiziente und schnelle Wärmeübertragung zu erreichen. Die ermittelten Kenndaten dienen als Datengrundlage für weitere Anwendungsversuche zur Herstellung diverser Backwaren, angepasst an die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger.
Abbildung 7 zeigt exemplarisch einen Auszug über die Analyse des Temperaturniveaus bei einer definierten Backtemperatur von 220 °C, zur Beurteilung der Regelungseigenschaften des Brenners in Bezug auf eventuelle Temperaturschwankungen. Es ist zu erkennen, dass die Temperatur über den zeitlichen Verlauf gleichmäßig und nahezu konstant verläuft. Systembedingte Schwankungen am Beginn der Datenaufzeichnung sind durch das Einbringen des Messsystems in den Wasserstoffbackofen zu
erklären (Temperaturdifferenz, Luftverwirbelungen).
Die Beurteilung der zu erzielenden Produktqualität erfolgt durch die Analyse von StandardWeizenbrötchen (vgl. Abbildung 8 bis Abbildung 9), als Referenz dient der Vergleich mit einem industriellen Konvektionsbackofen.
Auf Grundlage der Analyse von Produktvolumen und Krumeneigenschaften lassen sich keine relevanten Unterschiede zwischen den hergestellten Produkten aus dem Wasserstoffbackofen und dem untersuchten Konvektionsbackofen erkennen. Es ist somit möglich, mit dem Einsatz der Wasserstofftechnologie grundsätzlich Backwaren thermisch zu behandeln und eine Produktqualität zu generieren, welche mit herkömmlichen Ofensystemen vergleichbar ist.
Wasserstoff gilt als ein vielversprechender und zukunftsfähiger alternativer Energieträger für die Substitution von fossilen Brennstoffen wie z. B. Erdgas, insbesondere wenn Wasserstoff „grün“, d. h. mittels Wasserelektrolyse erzeugt wird. Durch die speziellen chemischen und physikalischen Eigenschaften besitzt Wasserstoff andere sicherheitsrelevante Kenngrößen im Vergleich zu herkömmlichen Energieträgern. Durch
Abbildung 6: Wasserstoffbackofen im Bäckerei-Technikum des ttz Bremerhaven
Abbildung 7: Verlauf der Temperatur im Wasserstoffbackofen bei einer definierten Backraumtemperatur von 220 °C
eine umfangreiche Beurteilung der notwendigen sicherheitsrelevanten Parameter, wie sie generell auch bei anderen entzündlichen und explosionsfähigen Stoffgemischen erforderlich ist, kann
Wasserstoff durch geeignete Maßnahmen sicher eingesetzt werden. Die Entwicklung eines Wasserstoffbackofens zeigt, dass Wasserstoff durch die Umwandlung in Wärmeenergie
Abbildung 8: Aufnahmen der Krumenstruktur durch das digitale Imaging-System C-Cell. (a) = Konvektionsbackofen; (b) = Wasserstoffbackofen
Abbildung 9: Vergleich des spezifischen Volumens und des Zelldurchmessers von Weizenbrötchen, die im Wasserstoffund im Umluftofen hergestellt wurden (n = 10)
grundsätzlich für die thermische Behandlung von Backwaren und in weiteren Anwendungsfeldern in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden kann. Durch die aktuell stark zunehmende Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologien ist abzusehen, dass neben Infrastruktur und Herstellungskosten auch die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff verbessert wird. +++
Magnus Rienäcker, Florian Stukenborg, Markus von Bargen ttz Bremerhaven
Am Lunedeich 12, 27572 Bremerhaven, Deutschland
E-Mail: info@ttz-bremerhaven.de Tel.: +49 471 80934 200
Das ttz Bremerhaven ist ein unabhängiger Forschungsdienstleister und betreibt anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung im Bereich der Lebensmitteltechnologie und Ressourceneffizienz. Das ttz unterstützt vor allem mittelständische Unternehmen bei ihren Innovations-, Qualitätsoptimierungs- und Energiemanagementprojekten. Im Technikum und in den Laboren des ttz werden gemeinsam mit Kunden Prozessversuche, Rohstoff- und Endproduktanalysen sowie sensorische Charakterisierungen durchgeführt. Dieser multidisziplinäre Ansatz hilft, komplexe Probleme zu lösen und bahnbrechende Produkte und Technologien zu entwickeln.
Literaturverzeichnis
1. Südwestfälische Industrie- und Handelskammer zu Hagen. SIHK zu Hagen. [Online] [Zitat vom: 1. August 2023.] www.ihk.de/ hagen/innovation/energie/aktuelles/energieeffizienzgesetz2023-5683686.
2. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V. Energieverbrauch in Deutschland im Jahr 2022. Berlin: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V., 2023.
3. Auswertungstabellen zur Energiebilanz Deutschland – Daten für die Jahre von 1990 bis 2021. Berlin: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V., 2022.
4. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Die Bundesregierung. [Online] [Zitat vom: 1. August 2023.] https://www. bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/klimaschutz/energiewende-beschleunigen-2040310.
5. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Die Nationale Wasserstoffstrategie. Berlin: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), 2020.
6. Weltenergierat-Deutschland e.V. Weltenergierat Deutschland. [Online] [Zitat vom: 1. August 2023.] www.weltenergierat.de/ publikationen/studien/international-hydrogen-strategies/?cnreloaded=1 .
7. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. [Online] [Zitat vom: 1. August 2023.] www.bmwk.de/Navigation/DE/Wasserstoff/ Internationale-Wasserstoffzusammenarbeit/internationalewasserstoffzusammenarbeit.html.
8. Der nationale Wasserstoffrat. Nachhaltigkeitskriterien für Importprojekte von erneuerbarem Wasserstoff und PtX-Produkten. Berlin: Leitstelle Wasserstoff-Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena), 2021.
9. Linde Gas GmbH. Rechnen Sie mit Wasserstoff. Die Datentabelle. [Online] [Zitat vom: 1. August 2023.] www.linde-gas.at/ de/images/1007_rechnen_sie_mit_wasserstoff_V111_tcm550169419.pdf.
10. Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB). chemsafe. [Online] [Zitat vom: 2. August 2023.] www.chemsafe.ptb.de/de/.
11. AIR LIQUIDE Deutschland GmbH. Air Liquide. [Online] [Zitat vom: 2. August 2023.] https://de.airliquide.com/unser-equipment/wasserstoffanlagen.
12. DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. DVGW. [Online] [Zitat vom: 2. August 2023.] www.dvgw.de/ medien/dvgw/verein/energiewende/h2-wochen-factsheetgasanwendungen-ready-for_h2-dvgw.pdf.
13. TÜV Rheinland Industrie Service GmbH. [Online] [Zitat vom: 2. August 2023.] www.tuv.com/content-media-files/mastercontent/global-landingpages/images/hydrogen/tuv_ rheinland_nutzung-bestehender-erdgasleitungen-für-dentransport-von-wasserstoff.pdf.
14. Horng, Pauline, et al. Kurzstudie| Wasserstoff-Farbenlehre. Berlin, Greifswald, Stuttgart: IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V., 2020.
15. Bukold, Steffen, Huneke, Fabian und Claußner, Michael. Studie| Grün oder Blau? Wege in die Wasserstoff-Wirtschaft 20202040. Hamburg, Berlin: Greenpeace Energy EG, 2020.
16. Smolinka, Tom, et al. Studie IndWEDe-Industralisierung der Wasserelektrolyse in Deutschland: Chancen und Herausforderungen für nachhaltigen Wasserstoff für Verkehr, Strom und Wärme. Berlin: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), 2018.
Seit März 2022 verwendet Therese Mölk grünen Wasserstoff (H2) zur thermischen Verwertung bzw. zum Backen von Brot. Die Bäckerei-Tochter des österreichischen Lebensmittelhändlers MPREIS hatte damit Neuland betreten.
+Das Ziel von Therese Mölk ist nichts Geringeres als die Dekarbonisierung der Brotherstellung. Mag. Ewald Perwög war Leiter des Geschäftsbereichs Sustainable Energy Solutions bei MPREIS und die treibende Kraft hinter dem Wasserstoffprojekt. Er hat die Initiative sechs Jahre lang maßgeblich vorangetrieben.
Perwög: „Wir wollen unsere Backwaren ohne die Verbrennung von fossilen Energieträgern erzeugen und so nicht nur zeigen, dass das geht, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten.“
Der Grundstein für das „Herzstück“ des Projekts –die Elektrolyseanlage, die den grünen Wasserstoff
„MPREIS nimmt eine Vorreiterrolle bei der Sektorenkopplung, der Produktion und der Nutzung von grünem Wasserstoff ein.“
Friedrich Koidl-Sieber, Projektentwicklung F&E/Projektleitung Wasserstoff, MPREIS
liefert – wurde im März 2021 gelegt. Im März 2022 nahm die Anlage ihre Arbeit auf. Unmittelbar danach wurde Wasserstoff zum ersten Mal für thermische Zwecke und zum Backen verwendet. Die H 2 -Tankstelle für die Logistikflotte des Unternehmens ging im April desselben Jahres in Betrieb, als der erste Logistik-Lkw mit
Die Elektrolyseanlage
Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb seinen Dienst antrat.
Die acht Öfen von Therese Mölk werden mittels eines Thermalöl-Verbunds mit thermischer Energie versorgt. Der Projektleiter erklärt: „Wir nutzen
MPREIS ist „First Mover“. Es gab nichts Vergleichbares, als das Unternehmen 2016 seine Wasserstoff-Initiative startete. Sie soll nicht nur als Vorbild für andere Branchen dienen, sondern auch den Grundstein für eine breit angelegte Wasserstoffwirtschaft in Westösterreich legen – und damit eine Brücke in eine CO 2-freie Energiezukunft schlagen. Hauptziel des von der EU geförderten Projekts „Demo4Grid“ war es, mit einem PAE-Elektrolyseur (Pressurized Alkaline Electrolyser) den kommerziellen Aufbau und eine technische Lösung für die Erbringung von Netzausgleichsdienstleistungen sowie die Sektorkopplung mit grünem Wasserstoff im Bereich der Industrielogistik und des Fuhrparks zu demonstrieren.
Für dieses ehrgeizige Projekt reicht eine erstaunlich kleine Fläche aus. Auf etwas mehr als 1.000 m² wurde die Elektrolyseanlage für die Wasserstoffproduktion nahe der Therese Mölk Bäckerei errichtet. Sie erzeugt heute aus grünem Strom (aus Wasserkraft)
einen Zweistoffbrenner, der sowohl Wasserstoff als auch Erdgas verbrennen kann. Um die Öfen bei Volllast zu betreiben, sind neben diesem speziellen Zweistoffbrenner noch zwei weitere Brenner in Betrieb, die ausschließlich mit Erdgas betrieben werden. Daher wird nur ein Teil des
bis zu 1.300 kg grünen Wasserstoff pro Tag. Dieser selbst produzierte grüne Wasserstoff wird sowohl als Treibstoff für die eigene Vertriebsflotte zur „Betankung“ von Brennstoffzellen-Lkw als auch als Brennstoff zur Beheizung der Öfen in der Bäckerei Therese Mölk verwendet. Darüber hinaus stellt MPREIS den am Unternehmensstandort produzierten grünen Wasserstoff im Rahmen einer branchenübergreifenden Wasserstoffinitiative auch anderen Anwendungen und Geschäftspartnern zur Verfügung.
Das Projekt Demo4Grid wurde mit Mitteln der Europäischen Union (Nr. 736351), der Schweizerischen Eidgenossenschaft und des Österreichischen Bundesministeriums für Klimapolitik, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Rahmen von europäischen und nationalen Förderprogrammen unterstützt. (Horizon 2020 – FCH2 JU grant agreement No 736351/SERI contract No 17.00002/FFG project number 885959)
Wärmebedarfs des Backprozesses durch die Verbrennung von grünem Wasserstoff erzeugt.“
Er führt weiter aus: „Die Umsetzung von Wasserstoff in thermische Energie erfolgt in unserem Projekt mit dem Zweistoff-Brenner, der H 2 und Erdgas verbrennen und zwischen diesen Medien im Betrieb umschalten kann. Wir betreiben mehrere Brenner/Kessel.“
Anpassungen an bestehende Räumlichkeiten waren nicht notwendig. Perwög: „Unser Kesselhaus ist glücklicherweise mit einer Erweiterungsfläche für einen dritten Thermalöl-Erhitzer gebaut worden. Diesen freien Platz nutzen wir jetzt. Es gab keine durch die Verwendung von Wasserstoff notwendig gewordenen Anpassungen an den Öfen. Die Gaswarnanlage (CH4), die im Kesselhaus vorhanden war, wurde erweitert und mit H 2-Sensorik ausgestattet. H 2 wird den Brennern mit einem maximalen Druck von 4 bar zugeführt, so dass auch keine Änderungen am Konzept der Betriebsanlage erforderlich waren.“
Der Brenner ist, wie erwähnt, eine Neukonstruktion. Für Therese Mölk war es wichtig, den Backprozess unabhängig vom Vorhandensein von Wasserstoff betreiben zu können. „Deshalb wollten wir eine neue Brenner/Kessel-Kombination, die auch Erdgas verbrennen kann“, berichtet Perwög. „Eine Nachrüstung der bestehenden Kessel mit
Die Bäckerei Therese Mölk ist ein 12.500 m² großer, IFS-zertifizierter, hochmoderner Betrieb, der bis zu 12.000 t Backwaren pro Jahr produziert. Die Produkte werden an MPREIS-Supermärkte und Fachgeschäfte in den österreichischen Bundesländern Tirol, Salzburg, Kärnten, Vorarlberg, Oberösterreich und dem italienischen Südtirol geliefert. Bis zu 92 % aller verwendeten Rohstoffe stammen aus Österreich, beachtliche 34 % sind bio-zertifizierte Zutaten. Nachhaltigkeit gehört zum Grundprinzip. Das Unternehmen betreibt neben der Elektrolyseanlage und eine Photovoltaikanlage mit einer Leistungsfähigkeit von 6.000 kWp.
einem H 2-Brenner ist bei uns nicht möglich, da die physikalischen Eigenschaften von CH 4 und H 2 in dieser Hinsicht zu unterschiedlich sind.“ Unterschiede zwischen CH4 und H2 gäbe es u. a. bei der Flammgeschwindigkeit, dem Energiegehalt und der Viskosität.
Die Nutzung des grünen Wasserstoffs für das „Betanken“ der Lkws und das Befeuern der Öfen läuft nebeneinander. An die Politik gerichtet erwartet Perwög: „Grüner Wasserstoff ist in der Tat ‚grün‘, weil er aus regenerativem Strom in einem CO2-freien Produktionsverfahren (Elektrolyse) gewonnen wird. Nun haben zwar die Erdgaspreise in letzter Zeit einen beispiellosen Preisanstieg erlebt, trotzdem ist Strom immer noch ein wesentlich teurerer Energieträger. Ein Ersatz von Erdgas durch Strom ist daher derzeit aus betriebswirtschaftlichen Gründen noch nicht möglich. Um auch in diesem Bereich eine Dekarbonisierung zu erreichen, brauchen wir Regelungen, die den CO2-Ausstoß von Erdgas so stark verteuern, dass grüner Wasserstoff aus erneuerbarem Strom preislich konkurrieren kann.“
Was die Preise anbelangt, hat man bei MPREIS eine Lösung gefunden: „Wir nutzen die Tatsache, dass wir unsere Elektrolyse-Anlage auf dem so genannten Regelenergiemarkt vermarkten und so genannten ‚überschüssigen‘ Strom aus dem Netz nehmen. Diese Elektrizität ist, vom Einstandspreis her betrachtet, wesentlich billiger als der Strom, den wir regulär beziehen. Wasserstoff, der mit dieser Elektrizität erzeugt wird, kann auch kostenmäßig mit Erdgas mithalten und wird von uns dazu verwendet, CO 2-neutral Brot zu backen.“
Für MPREIS sind die Ziele klar: „Es geht uns darum, unseren CO 2-Fußabdruck als Unternehmen zu reduzieren und auf null zu bringen“, so Perwög. „Deshalb ist die Erzeugung von industrieller Prozesswärme für uns genauso wichtig wie die Substitution von Diesel als Lkw-Treibstoff. Aus unserer Sicht gibt es kein grünes CO 2. Die Emission von CO2 muss vermieden werden, wenn wir die Pariser Klimaziele erreichen wollen.“
ENERGY4BAKERY
Ein Konsortium aus drei österreichischen Forschungsinstituten entwickelt innovative Lösungen für eine „Bäckerei der Zukunft“, die deutlich energie- und klimaschonender produziert. Energy4Bakery lautet der Name des Gemeinschaftsprojekts, das federführend durch die vg – Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung in Wien/Österreich geleitet und bis 2025 abgeschlossen sein wird. Erste Ergebnisse liegen bereits vor.
+Die Herstellung von Brot und Backwaren ist ein energieintensiver Prozess. Der größte Energieverbrauch geht dabei auf den Back- und Kühlprozess zurück. Im Schnitt benötigen die rund 1.400 in Österreich gemeldeten gewerblichen Bäckereibetriebe pro Betrieb und Jahr etwa 400 Megawattstunden Strom. Ein
durchschnittliches Bäckereigewerbe verbraucht damit jährlich so viel wie 110 Haushalte. Durch die gestiegenen Preise für Strom und Gas besteht dringender Handlungsbedarf, um den Verbrauch drastisch zu reduzieren, damit vor allem kleine und mittelgroße Bäckereibetriebe erhalten bleiben. Da die Kühlung bzw. Tiefkühlung einen großen Anteil am Gesamtenergieverbrauch einnimmt (siehe Abbildung 1), setzt das Forschungsteam an dieser Stelle an und schlägt vor, das innovative Frischbacksystem weiter zu etablieren.
In einem ersten Schritt wurden Versuchssauerteige für die Backversuche, die im Laufe des Projektes durchgeführt werden, ausgewählt. Dafür war zu Projektbeginn eine umfassende Literaturrecherche über die unterschiedlichen Mikrobiota und ihr optimales Wärmespektrum sowie die Stabilisierung der jeweiligen Kulturen notwendig.
Je nach Gärprodukt unterscheidet man im Sauerteig inzwischen drei Typen von LactobacillusStämmen:
+ obligat (ausschließlich) homofermentative Laktobazillen
Abbildung 1: Energieverbrauch in Prozent, aufgegliedert auf die verschiedenen Prozesse in Bäckereien
+ fakultativ (wahlweise) heterofermentative Laktobazillen
+ obligat heterofermentative Laktobazillen
Abbildung 2:
Homofermentative Milchsäuregärung
Glykolyse
Glukose Pyruvat Laktat
Phosphoketolase-Weg
Glukose
C6H12O6
Abbildung 3: Heterofermentative Milchsäuregärung
Glycerinaldehyd-P
Acetyl-P
Bei einem homofermentativen Stoffwechsel besitzen die Milchsäurebakterien ein Enzymsystem, mit dem sie in erster Linie Milchsäure (Laktat) erzeugen können.
Bei dem heterofermentativen Stoffwechsel hingegen wird nicht nur Milchsäure, sondern auch Essigsäure (Acetat), Alkohol, CO 2 sowie weitere back- und aromawirksame Stoffe produziert.
Heterofermentative Laktobazillen, wie beispielsweise Lactobacillus sanfranciscensis , sind verantwortlich für den aromatischen Geschmack und die verlängerte Haltbarkeit durch den Schutz vor unerwünschten Bakterien und Pilzen
Tabelle 1: Beispiele von homofermentativen und heterofermentativen Mikrobiota
Bakterien homofermentativ heterofermentativ
Lactobacillus brevis +
Lactobacillus plantarum +
Lactobacillus pentosus +
Lactobacillus sanfranciscensis +
Lactobacillus coryniformis +
Lactobacillus curvatus +
Leuconostoc mesenteroides +
Pediococcus pentosaceus + C 6H 12O 6 C 3H 4O 3
Quelle: Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung
3H 5O 3
Pyruvat Laktat
C3H4O3
Ethanol
Acetat
(Schimmelpilze, Penicillium etc.) von Broten mit Sauerteig. Da sie den pH-Wert aber erheblich in den sauren Bereich verschieben, ist das richtige Verhältnis zwischen heterofermentativen zu homofermentativen Laktobazillen essenziell für die Qualität eines Sauerteiges. So sollten die essigsäureproduzierenden Laktobazillen nur ca. 10 bis maximal 20 Prozent der Bakterien ausmachen, um einen Fehlgeschmack zu verhindern.
Ein ausschlaggebender Parameter zur Stabilisierung eines Sauerteiges ist die Temperatur während der Auffrischungsphase und der Lagerung im Kühlschrank. Einerseits wird dadurch die Kulturen-Zusammensetzung bestimmt, andererseits auch die Haltbarkeit des Sauerteiges beeinflusst. So haben zum Beispiel die heterofermentativen Milchsäurebakterien wie Lactobacillus brevis oder Leuconostoc mesenteroides ein Temperaturoptimum bei einer Gärung von 20–25 °C, während die homofermentativen wie Lactobacillus plantarum und curvatus sich bei 25–30 °C durchsetzen.
Im Projekt Energy4Bakery wurden die Versuchssauerteige durch laufende photometrische Messungen auf ihr Milchsäure-Essigsäure-Verhältnis überprüft und durch zweiwöchige Auffrischung stabilisiert. Der sogenannte Fermentationskoef -
Quelle: Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung
Quelle: Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung
fizient blieb über die Zeit der Versuchsdurchführung konstant bei einem Verhältnis von 4:1.
Die vg hat eine Sauerteigdatenbank mit insgesamt 500 identifizierten Mikrobiota-Stämmen aufgebaut, die herangezogen wurde, um die drei vielversprechendsten Sauerteige auszuwählen. Folgende Bakterien und Hefen, die sich bei einer Gärtemperatur von 30 °C durchsetzen, wurden in den für die Backversuche herangezogenen Sauerteigen identifiziert (siehe Tabelle 2).
Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor zur Stabilisierung der Bakterienkulturen ist eine gleichbleibende Qualität der Rohstoffe, in diesem Fall der Mehle. Die für die Sauerteige und Backwaren verwendeten Mehle wurden laufend chemisch, sensorisch und teigrheologisch überprüft, ob sie den erforderlichen Spezifikationen entsprechen. Dabei wurden teigrheologische Eigenschaften mittels Extensograph und Farinograph sowie der Aschegehalt durch Veraschung im Muffeloffen und die Feuchtigkeit mittels Trocknung bei 130 °C analysiert. Zusätzlich wurden die Mehle anhand des vg-Degustationsprotokolls sensorisch bewertet. Eine gleichbleibende Qualität der Grundstoffe für die Gebäckherstellung kann somit während der Laufzeit des Projektes garantiert werden.
Güssing Energy Technologies konzentriert sich im Projekt „Energy4Bakery“ auf die Analyse und Optimierung des Energieverbrauchs in Bäckereien. Ziel ist es, energieeffiziente Systeme zu entwickeln, die sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile bieten.
Die Methodik lässt sich in drei Hauptphasen unterteilen:
Prozessschrittanalyse
+ Ziel: Ermittlung des energetischen IST-Zustands in bestehenden Tiefkühlbacksystemen und innovativen Frischbacksystemen
+ Vorgehen: Durch Kooperation mit KMU-Bäckereien werden alle Arbeitsschritte des Bestandssystems erfasst und einer detaillierten energetischen Analyse unterzogen. Hierbei
Tabelle 2: Mikrobiota-Zusammensetzung der Versuchssauerteige
Sauerteig 1
Milchsäurebakterien
Hefen
Lactobacillus coryniformis Saccharomyces uvarum
Lactobacillus plantarum Kazachstania unispora
Lactobacillus brevis Saccharomyces cerevisiae
Lactobacillus sanfranciscensis
Lactobacillus curvatus
Sauerteig 2
Milchsäurebakterien Hefen
Lactobacillus coryniformis Saccharomyces uvarum
Lactobacillus plantarum Kazachstania unispora
Lactobacillus brevis Saccharomyces cerevisiae
Lactobacillus sanfranciscensis
Lactobacillus curvatus
Sauerteig 3
Milchsäurebakterien Hefen
Lactobacillus coryniformis Saccharomyces uvarum
Lactobacillus plantarum Kazachstania unispora
Lactobacillus brevis Saccharomyces cerevisiae
Lactobacillus sanfranciscensis Torulaspora delbrueckii
Lactobacillus curvatus
Leuconostoc mesenteroides
kommen fortschrittliche Messtechniken und Datenanalysen zum Einsatz.
+ Ergebnisse: Die spezifischen Energiebedarfe jedes Prozessschritts werden aufgezeigt und als Basis für zukünftige Optimierungen genutzt.
Die Abbildungen 4 und 5 zeigen z. B. die elektrische Leistungsaufnahme im Zeitverlauf bei den Prozessschritten Teigmischen und -kneten.
Exergetische Betrachtung und Pinch-Analyse
+ Ziel: Optimale Verknüpfung der Energieströme zur Maximierung der Energieeffizienz
+ Vorgehen: Durch die Pinch-Analyse werden Wärmequellen und -senken innerhalb des Prozesses identifiziert und optimal miteinander verknüpft. Diese Methode ermöglicht es,
Abbildung 4: Elektrische Leistungsaufnahme des Spiralkneters beim Mischen
z. B. Abwärme effektiv zu nutzen und den Gesamtenergieverbrauch zu reduzieren.
+ Ergebnisse: Erhöhung der Gesamtenergieeffizienz durch intelligente Nutzung von Abwärme und anderen Energiequellen
Die durchgeführten Analysen und entwickelten Konzepte zeigen bereits nach dem ersten Projektjahr, dass es möglich ist, den Energieverbrauch in Bäckereien signifikant zu senken. Erste Tests im Pilotbetrieb deuten darauf hin, dass Einsparungen von bis zu 20 % möglich sind. Dies geht einher mit einer Reduktion des CO 2-Ausstoßes und einer deutlichen Kostensenkung für die Bäckereien.
**Der Fragebogen ist über diesen QR-Code online einsehbar
Das „(Digital) Maturity Assessment“ ist ein wesentlicher Bestandteil von Energy4Bakery, durchgeführt von AEE Intec, zur Bestimmung des technologischen Reifegrades von Bäckereien, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Die Bewertung wurde als Fragebogen** umgesetzt und zielt darauf ab, eine fundierte Analyse der technologischen Ausstattung
und Innovationsfähigkeit von Bäckereien durchzuführen. Diese Analyse ermöglicht es, die Positionierung der Bäckereien im Wettbewerb besser einzuordnen und ihre technologische Entwicklung zu bewerten, und bildet die Grundlage für die zukünftige Bereitstellung maßgeschneiderter Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsdienstleistungen (FEI-Dienstleistungen) für KMU. Dadurch können gezielt Maßnahmen entwickelt werden, um den individuellen Bedürfnissen der Bäckereien gerecht zu werden und ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken. Durch die Teilnahme an diesem Projekt profitieren die Bäckereien nicht nur von einer Bestandsaufnahme ihrer aktuellen technologischen Lage, sondern auch von der Möglichkeit, gezielte Unterstützung und Beratung für ihre weitere Entwicklung zu erhalten.
Das (Digital) Maturity Assessment erfasst neben den Unternehmensdaten auch Aspekte zu den Produkteigenschaften, der Qualität der Rohstoffe und Zwischenprodukte, dem Status der Digitalisierung und Automatisierung und Aspekte der Nachhaltigkeit.
Modellierung
Nach gemeinsamer Definition der Zielkriterien und Einflussfaktoren im Konsortium wird im nächsten Schritt ein Modell erstellt, um den Backprozess von der Sauerteigbereitung bis zur fertigen Backware zu beurteilen. In der Beschreibung können drei Stufen unterschieden werden: + Sauerteigbereitung
+ Verarbeitung des Sauerteiges als Vorteig nach vorgegebener Rezeptur zu Teiglingen mit anschließender Gärung
+ Backvorgang
Für die Sauerteigbereitung werden aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsschritte verschiedene Arten (Typen) unterschieden. Für das Projekt Energy4Bakery wurde der Starterkultur-initiierte
© Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung
Mehl-WasserMischung
MilchsäurebakterienStarterkultur
Anstellgut Anfrischen
Sauerteigbrote
Abbildung 5: Elektrische Leistungsaufnahme des Spiralkneters beim Kneten © Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung
Abbildung 6: Arbeitsschritte während der Sauerteigbereitung und -auffrischung (aus L. De Vuyst, A. Comasio und S. V. Kerrebroeck, „Sourdough production: fermentation strategies, microbial ecology, and use of non-flour ingredients“, Critical Reviews in Food Science and Nutrition, Bd. 63, Nr. 15, S. 2447–2479, Juni 2023, doi: 1)
Abbildung 7 links: Mögliche Darstellung der Korrelationsanalyse – Eingabeparameter und Qualitätskriterien werden einander gegenübergestellt und über die Punktwolken unterhalb der Diagonalen wird für die oberhalb der Diagonalen mit Zahlen beschriebenen Korrelationen ein grafischer Zusammenhang dargestellt. Abbildung 7 rechts: Mögliche Ergebnisdarstellung der Versuche – hier werden Eingabeparameterkonfigurationen ihrem zugeordneten Energieverbrauch gegenübergestellt und mit ihrem Ergebnis (Qualitätskriterien des Backergebnisses zusammengefasst) korreliert.
Fermentationsprozess mit laufender Auffrischung ausgewählt, wobei die einzelnen Schritte dieser Vorgehensweise in Abbildung 6 abgebildet sind.
Die Untersuchung und Variation der ersten zwei Stufen Sauerteig- und Teiglingsbereitung wurden bereits wie zu Beginn des Beitrags beschrieben durchgeführt. Aus diesem Grund konzentriert sich die Modellierung in Energy4Bakery auf die letzte Stufe: den Backvorgang.
Ein erfolgreiches Backergebnis ist gekennzeichnet durch die folgenden Qualitätskriterien:
+ eine optisch ansprechende Form und normales Aussehen
+ eine ausreichende Lockerung mit gutem Krumenbild
+ ein normaler Geruch/Geschmack.
Abweichungen in diesen Punkten sind mit einem gewissen Qualitätsverlust verbunden und sollten möglichst vermieden werden. Deswegen sind dies auch die Zielparameter, die den Erfolg der Versuche zu unterschiedlichen Backkonfigurationen beschreiben. Die Konfigurationen unterscheiden sich sowohl in den eingesetzten
Backtemperaturen als auch -zeiten, weshalb unterschiedliche Energieverbräuche pro Backvorgang erwartet werden. Dadurch wird untersucht, ob sich eine Änderung der Backkonfiguration und eine mögliche Senkung des Energieverbrauches mit einem zufriedenstellenden Backergebnis vereinen lassen (siehe Abbildung 7 rechts). Die Modellierung des Backvorganges soll mögliche Korrelationen zwischen den Eingangsparametern und dem Backergebnis aufzeigen, um so die für die Qualität wichtigsten Variablen festlegen und die restlichen möglicherweise als Stellschrauben verwenden zu können. Dabei wird davon ausgegangen, dass die ersten zwei Stufen in der Bereitung mit einem qualitativ hochwertigen Ergebnis aufwarten können, da hier die idealen Parameter bekannt sind und nur jene Chargen für die Backversuche verwendet werden, die diese Kriterien erfüllen. Eventuelle Abhängigkeiten sollen durch den Einsatz einer Korrelationsmatrix ermittelt werden, die dazu dient, die Abhängigkeit zwischen mehreren Variablen gleichzeitig zu untersuchen. Das Ergebnis ist eine Tabelle mit den Korrelationskoeffizienten zwischen jeder einzelnen
Energy4Bakery ist ein Gemeinschaftsprojekt der drei österreichischen ACR-Projektpartner Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung (vg), GET (Güssing Energy Technologies) und AEE INTEC (Institut für Nachhaltige Technologien). Auch kleine und mittlere österreichische Bäckereien sind beteiligt. Das Projekt wurde im September 2023 gestartet und läuft bis 2025. Die Projektpartner arbeiten an Lösungen, um den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen in Bäckereien zu senken und die Arbeit der Bäcker gleichzeitig zu erleichtern. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit von KMU-Bäckereien zu verbessern, einen Beitrag zum Thema Kreislaufwirtschaft zu leisten und hochqualitative Backwaren ressourcenschonend herzustellen.
Das Projekt wird aus Mitteln des Österreichischen Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft gefördert und setzt sowohl bei den Rohstoffen als auch den Verfahren an. In einem ersten Schritt wurde ein Maturity Assessment entworfen, durch das sich die Bäckereien hinsichtlich ihres Technologiegrades selbst einordnen können. Im weiteren Verlauf soll ein mathematisches Modell der wichtigsten Teigparameter entwickelt werden. Abgerundet wird das Projekt durch Energieanalysen bei den Partnerbäckereien vor Ort. Zum Projektabschluss wird den Bäckereien ein FEI*Dienstleistungskoffer angeboten, der u. a. das Bereitstellen und Stabilisieren von Sauerteigen in optimalem Zustand und einen Energy-Check zur direkten Maßnahmenumsetzung beinhaltet.
*FEI: Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsdienstleistungen
Variablen und allen anderen, die z. B. auch wie in Abbildung 7 links bildlicher dargestellt werden kann.
Die dadurch gewonnenen Ergebnisse aus der Korrelationsanalyse sollen in die Erstellung eines Nomogramms oder Ähnlichem einfließen, das in Bäckereien praktische Anwendung bei der Backdurchführung finden soll.
Die Forschungsarbeit der drei Institute im Projekt „Energy4Bakery“ leistet einen wichtigen Beitrag zur Energieeffizienz in der Bäckereibranche. Durch innovative Ansätze und fortschrittliche Analysen können signifikante Energieeinsparungen erzielt werden, die nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch die wirtschaftliche Lage der Bäckereien verbessern.
Die entwickelten Konzepte haben das Potenzial, die Zukunft der Bäckereiproduktion nachhaltig zu gestalten, und werden im zweiten Projektjahr weiterentwickelt und optimiert. +++
Lisa Staubmann , Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung (vg), Projektleiterin Energy4Bakery, in der vg tätig in den Bereichen Forschung & Entwicklung sowie Chemische & Physikalische Analytik. Co-Autoren sind: DI Christian Kummer, DI Klaus Paar, DI Markus Goritschnig, DI DI Jasmin Pfleger und DI Dr. Wolfgang Weiss Kontakt: staubmann@vfg.or.at
Das Monitoring der Energieverbräuche in Bäckereien gibt wertvolle Einblicke in Energieverbrauchsmuster und schafft erst die Voraussetzungen, diese optimieren zu können.
+Wird das Energiemonitoring systematisch organisiert und nahtlos in die tägliche Arbeit einer Bäckerei integriert, wird es zu einem wirksamen Instrument. Ein Monitoring beleuchtet Bereiche, in denen Energie nicht effizient genutzt wird, identifiziert Quellen etwaiger Energievergeudung und quantifiziert potenzielle Einsparmöglichkeiten. Darüber hinaus bietet es die Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs. Letztlich führt Monitoring zu nachhaltigeren und kosteneffizienteren Abläufen.
Ein Beispiel ist die Verbrauchsoptimierung bei Öfen, was angesichts steigender Energiekosten immer wichtiger wird. Die Analyse der Verbrauchswerte ist die einzige Möglichkeit, Änderungen beim Betrieb eines Ofens zu validieren, etwa bei der Anpassung des Blecheabstands oder der Feinabstimmung der Brenner. Ohne Überwachung und Analyse des Energieverbrauchs könnten positive Veränderungen unbemerkt bleiben und optimale Einstellparameter nie identifiziert werden.
Ein weiterer kritischer Bereich sind industrielle Waschanlagen z. B. für Bleche, sie sind mit einem Verbrauch bis 50 l Wasser pro Minute bekanntermaßen einer der größten Wasserverbraucher in der Bäckerei. Insofern ist die Kontrolle des Wasserverbrauchs von entscheidender Bedeutung. Aufgrund der vollständig geschlos -
senen Bauweise ist das Auffinden von Leckagen in den Leitungen ohne Erkenntnisse aus der permanenten Verbrauchsüberwachung praktisch unmöglich. Beispielsweise könnte ein defektes Ventil in der Anlage unbemerkt bleiben. Dies verdeutlicht, wie wichtig ein regelmäßiges Monitoring für die Aufrechterhaltung der Effizienz und die Vermeidung von Ressourcenvergeudung ist. Denn es liefert die notwendigen Daten, um den Verbrauch kontrollieren und Gerätestörungen erkennen zu können.
Diese Beispiele verdeutlichen, dass ein systematisches Monitoring der Energieverbräuche nicht nur ein Instrument zur Ermittlung von Einsparungsmöglichkeiten ist, es ist auch ein notwendiger Bestandteil einer effektiven Betriebsführung einer Bäckerei, um sicherzustellen, dass Ressourcen sinnvoll eingesetzt und Nachhaltigkeitsziele erreicht werden.
Klare Ziele und Kennzahlen definieren Ein effektives Energiemonitoring hängt von der Festlegung klarer Ziele und Kennzahlen ab. Beispielsweise beginnt die Optimierung der Gasverbrauchwerte für eine Buns- oder Brotproduktionslinie mit der Analyse des Verbrauchs des Ofens. Bei jedem gasbefeuerten Ofen, egal ob Durchlauf- oder Tunnelofen, ist die wichtigste zu überwachende Messgröße der Gasverbrauch pro Produkteinheit, gemessen beispielsweise in Kubikmetern pro Tonne. Es ist
Verbrauchsdiagramm-Tools
wichtig zu wissen, dass dieses Verhältnis aufgrund der unterschiedlichen Ofenbelegung bei verschiedenen Produkten variieren kann. Um herauszufinden, wie der Ofen effizienter genutzt werden kann, ist die Berechnung der Ofenauslastung von entscheidender Bedeutung.
Um den Energieverbrauch des Ofens genau zu analysieren, ist es wichtig, die Produktmengen, die in den Ofen gelangen, zu messen, also im Wesentlichen die Ofenbelegung zu verfolgen, und diese mit dem am Gaszähler erfassten Verbrauch zu vergleichen. Hier ist eine stündliche Erhebung der Daten ratsam. Die Daten werden dann dem Produktionsplan zugeordnet und ermöglichen die Berechnung der Verbrauchsdaten (immer gemessen in Kubikmeter pro Stunde und Tonne) für jedes Produkt – also für Brot, Buns oder Hot-Dog-Buns.
Anschließend lassen sich Vorher-Nachher-Vergleiche durchführen und Anpassungen daraufhin vornehmen. Kommt es zu einem Anstieg beim Verbrauch, ist eine Untersuchung ratsam, welche technologischen Veränderungen zu diesem Anstieg beigetragen haben könnten, um sicherzustellen, dass alle Anpassungen voll -
ständig berücksichtigt und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Gasverbrauch verstanden werden.
Ähnliche Szenarien miteinander vergleichen Ein praktischer Ansatz liegt darin, ähnliche Produktionsszenarien miteinander zu vergleichen. Beispielsweise kann der Energieverbrauch während der gesamten Produktionszyklen derselben Art von Backwaren überwacht werden. Die Monitoringsoftware kann wöchentliche Änderungen nachverfolgen und die Auswirkungen von Optimierungen, wie die Anpassung der Luft-/ Gaszufuhr beim Brenner oder die Lüftergeschwindigkeit, auf den Energieverbrauch aufzeigen.
Das Monitoring kann irreguläre Verbrauchsmuster aufzeigen, was bei Bedarf dazu führen kann, dass außerplanmäßige Druckluftleckageprüfungen durchgeführt oder die Einstellung des Steuerungssystems überprüft werden. Die Hauptursache für abnormale Verbräuche bei Luftkompressoren ist häufig eine Luftleckage. Leider ist die sofortige Erkennung einer Leckage eine Herausforderung, da in Produktionsbereichen zumeist ein hoher Lärmpegel herrscht. Luftleckagen werden in der Regel während Ausfallzeiten oder durch Einsatz spezieller Werkzeuge wie einer industriellen akustischen Kamera erkannt.
Darüber hinaus können Probleme mit der Kompressor-Steuerung auftreten, die dazu führen können, dass versehentlich drei statt der erforderlichen zwei Kompressoren aktiviert werden, einschließlich des Ersatzkompressors. In diesem Szenario wird der Verbrauch deutlich erhöht sein. Durch die Implementierung eines einfachen Alarmsystems, das vor solchen Überschreitungen warnt, können täglich Tausende von Euro eingespart werden.
Es ergeben sich erhebliche Vorteile, wenn Bäckereien ihre Energieausgaben regelmäßig überwachen und deren Effizienz analysieren. Die Ermittlung der zugrunde liegenden Ursache von Schwankungen im Energieverbrauch ist bereits der halbe Weg zur Kontrolle dieser Schwankungen, um eine korrekte Ressourcenzuweisung
und Prozessoptimierung zu gewährleisten. Mit einer gut gepflegten Datenbank mit Daten aus mehreren Jahren lassen sich Schwankungen –sowohl erwartete als auch außergewöhnliche Ereignisse – einfach erkennen. Es ist normal, dass sich in den Sommermonaten ein höherer Stromverbrauch ergibt, der beispielsweise auf den Mehrbedarf beim Betrieb von Kältetechnik und Klimaanlagen zurückzuführen ist, und in den Wintermonaten ein höherer Gasverbrauch aufgrund des Heizbedarfs.
Kommt es jedoch zu Änderungen in der Produktionstechnik oder es wurde in neues Equipment wie Absauganlagen, neue Verpackungs- oder Reinigungsmaschinen investiert, ist es erforderlich, deren Einsatz mit den Verbrauchwerten zu korrelieren, um Missverständnisse bei der Datenanalyse zu vermeiden. Alle anderen unerwarteten Verbrauchsabweichungen sollten gründlich untersucht werden, um deren Ursache zu erkennen. Dabei muss sichergestellt werden, dass alle Anpassungen genau widergespiegelt und im Kontext der gesamten Versorgungsnutzung verstanden werden.
Die Konzentration auf die Minimierung des Energieverbrauchs – sei es Gas oder Wasser, gemessen in Kubikmetern pro Tonne Produkt, oder Strom in kWh pro Tonne Produktion – ist für ein effizientes Backen von entscheidender Bedeutung und stellt gleichzeitig sicher, dass keine Kompromisse bei der Produktqualität eingegangen werden.
Am Beispiel eines Durchlaufofens zur Bunherstellung ergab z. B. eine Inspektion, dass drei der 15 aktiven Brenner eine abnormale, meist orangefarbene Flamme zeigten, was auf ein ineffizientes Gas-Luft-Mischungsverhältnis und eine ineffiziente Flammenausbreitung hindeutete.
Durch Feinabstimmung des Gas-Luft-Verhältnisses und Verringerung der Gasmenge wurde die Flamme wieder blau und erreichte eine bessere Ausbreitung. Allein diese Anpassung führte zu quantifizierbaren Einsparungen von etwa 10 % beim gesamten Gasverbrauch.
Dieser Ansatz wurde auch auf andere Verbesserungsbereiche angewandt, beispielsweise bei der Optimierung der Ventilatorgeschwindigkeit bei Umluft und Abluft. Auch der Einbau eines zusätzlichen Wärmespeichertunnels im Inneren des Ofens trägt zu Einsparungen bei und bestätigt die Wirksamkeit dieser Maßnahmen.
„Ein systematisches Monitoring der Energieverbräuche ist nicht nur ein Instrument zur Ermittlung von Einsparungen, es ist auch ein notwendiger Bestandteil einer effektiven Betriebsführung einer Bäckerei, um sicherzustellen, dass Ressourcen sinnvoll eingesetzt und Nachhaltigkeitsziele erreicht werden.“
Wichtige Schritte zu einem effektiven Monitoring:
+ Installation separater Zähler: Platzieren Sie Zähler an den großen Energieverbrauchern und verbinden Sie diese mit der Monitoringsoftware.
+ Identifizierung und Nachverfolgung wichtiger Verbräuche: Überwachen Sie die täglichen Verbrauchs-KPIs der größten Energieverbraucher.
+ Konsistente Vergleiche: Vergleichen Sie dieselben Produkttypen und Produktionszyklen für eine genaue Analyse.
+ Verbesserungen bewerten und aufrechterhalten: Bewerten Sie die Auswirkungen von Korrekturmaßnahmen und setzen Sie erfolgreiche Änderungen dauerhaft um.
+ Verbesserung der Überwachungsverfahren: Implementieren Sie automatische Alarmsysteme und integrieren Sie KI für eine erweiterte Überwachung.
Ein automatisches Alarmsystem zur Erkennung abnormaler Verbräuche kann Probleme schnell erkennen und so zusätzliche Kosten vermeiden. Zukünftig integrierte KI in Verbrauchsanalysemodellen könnte saisonale Verbrauchsspitzen vorhersagen und die Nutzung in kritischen Zeiten optimieren.
Anpassungen der Sollwerte des Ofens müssen durch Produkttests und Versuche überprüft werden. Änderungen des Brennerbetriebs oder der Luftzirkulation können sich beispielsweise auf die Produktqualität auswirken. Dies kann mithilfe eines Thermologgers erkannt und gesteuert werden. Im Anschluss an den Test sollten die Backkurven des Produkts analysiert werden, um eventuell notwendige letzte Anpassungen vorzunehmen. Gleichzeitig sollte die Qualitätssicherung das Produkt bewerten und Feedback geben. Wenn die Qualität den Standards entspricht, kann der neue Ofensollwert umgesetzt werden, der den Gasverbrauch für einen bestimmten Produkttyp reduziert.
Im Hinblick auf die Elektrizität ist es von entscheidender Bedeutung, sich auf Luftkompressoren zu konzentrieren. Es ist erwähnenswert, dass in den meisten Bäckereien, abgesehen von den grundlegenden Fördersystemen, fast 90 % der Maschinen durch Pneumatik angetrieben werden. Diese Vorgänge werden durch mehrere Luftkompressoren unterstützt. Sie sind für ihren hohen Energieverbrauch bekannt, da sie ununterbrochen laufen. Um eine konstante Versorgung zu gewährleisten und den Druck von über 6 bar aufrechtzuerhalten, ist es unerlässlich, einen Ersatzkompressor zu besitzen.
Ein Unterschreiten des Drucks kann zu Produktionsunterbrechungen und Instabilitäten bei der Geräteleistung führen.
Eine konsequente Überwachung und Datenanalyse führt zu erheblichen Kosteneinsparungen
durch die Reduktion des Energieverbrauchs. Aber das ist noch nicht alles: Optimierte Energiesysteme führen zu mehr Leistung und Langlebigkeit der Anlagen und stellen gleichzeitig sicher, dass Vorschriften hinsichtlich der Energieverbräuche eingehalten werden.
Aus ökologischer Sicht trägt es zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bei und unterstützt die weltweiten Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels. Und im Engagement für mehr Energieeffizienz steckt noch ein weiterer Vorteil: Es verbessert das Image einer Bäckerei bei Kunden und Stakeholdern, es schafft also einen Wettbewerbsvorteil und kann neue Marktchancen eröffnen. +++
Andrey Bulatov, Sales Support Engineer, AMF Bakery Systems
Andrey Bulatov verfügt über 16 Jahre Erfahrung im Ingenieurwesen, u. a. in der Lebensmittelproduktion. Seine Laufbahn in der Backbranche begann er 2019 als Chefingenieur für eine Bäckerei der Grupo Bimbo in der Ukraine. Anfang 2022 wechselte er zu Bimbo QSR nach Italien, wo er Projektmanagementaufgaben wahrnahm. Während seiner Zeit für die Grupo Bimbo setzte Bulatov zahlreiche Energiesparprojekte um, bevor er 2024 schließlich zu AMF Bakery Systems wechselte.
EIN PERPETUUM MOBILE DURCH WÄRMERÜCKGEWINNUNG?
In Zeiten steigender Energiekosten rückt die Effizienz von Kälteanlagen in den Fokus.
CO2-Kältetechnik ist eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Systemen, die erhebliche Energieeinsparungen mit sich bringen – insbesondere durch Wärmerückgewinnungskonzepte. Doch wie funktioniert diese Technologie, und kann sie tatsächlich das Versprechen einlösen, ein „Perpetuum mobile“ in der Bäckereikältetechnik zu sein?
+CO 2 (R744) als Kältemittel erlebt in den letzten Jahren eine Renaissance. Dies liegt vor allem an seinen hervorragenden thermodynamischen Eigenschaften und seiner Umweltfreundlichkeit. Mit einem Global Warming Potential (GWP) von 1 ist CO 2 praktisch „klimaneutral“, Referenzwert für alle anderen Kältemittel und damit eine zukunftssichere Lösung angesichts verschärfter Klima- und Umweltauflagen.
CO2-Kälteanlagen arbeiten in zwei Betriebsmodi: subkritisch und transkritisch. Im subkritischen Betrieb, der bei Außentemperaturen unter etwa 25 °C optimal funktioniert, kondensiert das Kältemittel von Gas zu Flüssigkeit. Dies ermöglicht eine hohe Effizienz bei niedrigen Drücken. Im subkritischen Bereich können CO 2-Anlagen COP-Werte von 4 oder höher erreichen. Das bedeutet, dass für jede Kilowattstunde elektrischer Energie, die in das System eingespeist wird, mehr als 4 Kilowattstunden Kälteleistung erzeugt werden.
Der transkritische Betrieb kommt bei höheren Temperaturen (ab ca. 32 °C) zum Einsatz. Hierbei wird das Kältemittel im sogenannten Gaskühler abgekühlt, ohne zu kondensieren.
Die Drücke steigen dabei auf 85 bis 90 Bar im Rohrleitungssystem an und der COP-Wert sinkt deutlich.
Eine der größten Herausforderungen in Bäckereien ist der Teillastbetrieb. Bäckereien haben oft stark schwankende Kühlbedarfe über den Tag und das Jahr verteilt. Hinzu kommen jahreszeitliche Schwankungen, die einen Wechsel zwischen sub- und transkritischem Betrieb erfordern. Die Lösung liegt in einer ausgeklügelten Regelungstechnik und entsprechender Dimensionierung der Aggregate wie Kompressor, Verdampfer und Gaskühler.
Moderne CO 2 -Kälteanlagen verfügen über mehrere Regelkreise zur Verbrauchsoptimierung:
1. Adaptive Verdampferfüllungsregelung: Diese passt sich automatisch an die momentanen Betriebsbedingungen an und optimiert die Kälteleistung.
2. Saugdruckoptimierung (Po-Optimierung): Der Saugdruck wird nach der am stärksten belasteten Kühlstelle geregelt, was den Energieverbrauch minimiert.
3. Drehzahlgeregelte Verdichter: Diese ermöglichen eine bedarfsgerechte Anpassung der Kälteleistung und tragen wesentlich zur Effizienzsteigerung bei.
4. Hochdruckregelung des Gaskühlers: Im transkritischen Betrieb wird der Gaskühlerdruck nach dem optimalen Coefficient of Performance (COP) geregelt.
5. Optionaler Flashgas-Bypass: Überschüssiges Gas wird direkt in den Mitteldruckbereich geleitet, was die Effizienz weiter erhöht.
Durch diese Optimierungen können CO2-Kälteanlagen gegenüber herkömmlichen Systemen mit konstanten Arbeitsdrücken Energieeinsparungen von bis zu 23 % pro Jahr erzielen.
Wärmerückgewinnung –der Schlüssel zur Effizienz
Ein oft übersehener, aber entscheidender Vorteil von CO 2-Kälteanlagen liegt in ihrer hervorragenden Fähigkeit zur Wärmerückgewinnung.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Anlagen mit chemischen Kältemitteln können CO 2-Systeme wirklich heißes Wasser aus der Wärmerückgewinnung liefern – mit Temperaturen deutlich über 45 °C. Die Wassertemperatur hängt maßgeblich
vom jeweiligen Betriebszustand der Kälteanlage ab. Im transkritischen Betriebsstatus ist das WRG-Potenzial deutlich höher als im subkritischen Betriebsstatus. Da der subkritische Betriebszustand jedoch vom COP-Wert und somit dem Primärenergiebedarf des Kälteprozesses her deutlich günstiger ist sowie durch die niedrigeren Anlagendrücke auch die Belastung reduziert und somit Anlagenlanglebigkeit der Kälteanlagen optimiert wird, ist der subkritische Betriebszustand der möglichst anzustrebende Betriebszustand.
Durch die WRG wird das Kältemittel auch im Sommer im Pufferspeicher gegen Wasser abgekühlt, bevor es zum Gaskühler gelangt, wo das Kältemittel über Ventilatoren an die Außenluft abgegeben wird. Gerade im Sommer ist eine gut projektierte WRG der Kälteanlage ein Garant für Energieeffizienz. So kann das Kältemittel auch im Sommer statt gegen 45 °C Außentemperaturluft gegen 25 °C kaltes Pufferspeicherwasser gekühlt werden.
Vorteil: Durch die hohe Spreizung ist das Wärmerückgewinnungspotenzial sehr hoch und da gegen kühles Pufferspeicherwasser gekühlt wird,
ist der COP-Wert hoch und somit der Primärenergieeinsatz gering.
Die Wärmerückgewinnung erfolgt typischerweise über einen Plattenwärmetauscher, der am Verbund sitzt und dort Wärme abführt. Besonders effizient ist dieser Prozess im transkritischen Betrieb, also bei Außentemperaturen über etwa 31 °C. In diesem Bereich kann das Kältemittel im Gaskühler nicht mehr kondensieren, was zu einem höheren Flüssigkeitsanteil im Dampf führt und die Wärmerückgewinnung noch effizienter macht.
Üblicherweise wird die zurückgewonnene Wärme in großen Wasserpufferspeichern zwischengespeichert. Die Wassertemperatur in diesen Pufferspeichern beträgt in der Regel maximal 45 °C. Um diese Temperatur konstant zu halten und gleichzeitig die Wärme effektiv zu nutzen, wird das warme Wasser im Durchlaufverfahren zur Erwärmung von Brauchwasser eingesetzt. Beispielsweise kann so das Wasser für gewerbliche Spülmaschinen von etwa 10 °C auf maximal 45 °C erwärmt werden. Durch diesen kontinuierlichen Prozess wird der Pufferspeicher gekühlt und kann weiterhin Wärme aus der Kälteanlage aufnehmen.
Es gibt aber noch einen weiteren sehr wichtigen Aspekt für die Nutzung einer WRG bei einer CO2-Boosteranlage – indem man die Aufheizung der Gärvollautomaten mit in die Energiebilanz einbezieht. So werden die Backwaren beispielsweise mit ca. +25 °C nach der Teigbereitung/ Brötchenanlage/ etc. in die Gärvollautomaten eingebracht. Dann werden sie je nach Prozess und Produktionsverfahren auf -5 °C (noch weicher Teig durch das im Teigwasser enthaltene Salz) oder auf -7 °C (im Kern gefroren) gebracht, um den Gärprozess/die Teigentwicklung zu verlangsamen bzw. zu stoppen. Wenn die Teiglinge dann weiterverarbeitet bzw. gebacken werden sollen, werden diese nach der Lagerung im TK-Bereich langsam durch ein Wasserglycolgemisch, welches über die Verdampferregister die Kühlzellen aufwärmt, wieder aufgetaut und auf Gare gebracht. Das Wasserglycolgemisch wird durch das zuvor mittels Wärmerückgewinnung der Kälteanlage zurückgewonnene Energiepotenzial im Pufferspeicher erwärmt. Da die Wassertemperatur des Wasserglycolgemischs zum Aufheizen in etwa dieselbe ist wie die Temperatur bei der Wärmerückgewinnung der Kälteanlagen, ist dieser Prozess fast ein Perpetuum mobile. Die Einsparung an elektrischem
Strom kann hierdurch signifikant reduziert werden. In der Praxis sind je nach Produktionsverfahren Einsparungen an elektrischem Strom für die gesamte Kälteanlage von über 50 % realisierbar. Die Investitionen rechnen sich meistens in weniger als 3 Jahren.
Diese Form der Wärmerückgewinnung bietet mehrere Vorteile:
1. Energieeinsparung: Die zurückgewonnene Wärme reduziert den Bedarf an zusätzlicher Heizenergie für Warmwasser erheblich.
2. Ganzjährige Nutzbarkeit: Anders als beispielsweise Solarthermie-Anlagen liefert die Kälteanlage das ganze Jahr über Abwärme, die genutzt werden kann.
3. Entlastung der Kälteanlage: Durch die Abführung der Wärme muss der Gaskühler weniger Wärme an die Umgebung abgeben, was besonders in heißen Sommermonaten die Effizienz der Kälteanlage verbessert.
4. Kosteneinsparung: Durch die reduzierte Belastung der Kälteanlage und den geringeren Bedarf an zusätzlicher Heizenergie können erhebliche Betriebskosten eingespart werden.
Neben den energetischen Vorteilen bietet die CO2-Kältetechnik auch erhebliche Umweltvorteile.
CO 2 ist als Kältemittel:
+ nicht giftig
+ nicht brennbar
+ frei verfügbar und ohne Patentschutz
+ sehr günstig im Vergleich zu synthetischen Kältemitteln
Zudem hat CO 2 als natürliches Kältemittel keine negativen Auswirkungen auf die Ozonschicht und trägt mit seinem GWP von 1 praktisch nicht zum Treibhauseffekt bei. Dies macht CO2-Kälteanlagen zu einer zukunftssicheren Investition, die auch strengste Umweltauflagen erfüllt.
Herausforderungen und Lösungen
Trotz aller Vorteile bringt die CO 2-Kältetechnik auch einige Herausforderungen mit sich:
1. Hohe Drücke: CO2-Systeme arbeiten mit deutlich höheren Drücken als herkömmliche Kälteanlagen. Dies erfordert speziell ausgelegte Komponenten und gut geschultes Personal für Installation und Wartung.
2. Komplexität: Die optimale Regelung einer CO 2-Kälteanlage ist komplexer als bei herkömmlichen Systemen. Moderne Steuerungssysteme und intelligente Algorithmen können diese Komplexität jedoch beherrschen und sogar zur Effizienzsteigerung nutzen.
3. Investitionskosten: Die Anschaffungskosten für CO 2-Kälteanlagen sind oft höher als für herkömmliche Systeme. Diese Mehrkosten amortisieren sich jedoch in der Regel durch die höhere Effizienz und die niedrigeren Betriebskosten.
4. Räumlichkeiten: CO 2 ist zwar nicht giftig und auch nicht brennbar, allerdings ist es schwerer als herkömmliche Umgebungsluft und „verdrängt“ daher im Falle einer Leckage die Atemluft in einer geschlossenen Räumlichkeit. Hierdurch tritt das Risiko einer Erstickungsgefahr für Menschen auf. Daher müssen Räumlichkeiten mit CO 2- Anlagen im Notfall evaluierbar sein – beispielsweise über eine Lüftungsanlage mit CO 2-Sensorregelung.
5. Fachpersonal: Die Installation und Wartung von CO 2-Kälteanlagen erfordert speziell geschultes Personal. Mit der zunehmenden Verbreitung der Technologie wächst jedoch auch die Verfügbarkeit qualifizierter Techniker.
Fazit: Kein Perpetuum mobile, aber ein großer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit
Die Idee eines „Perpetuum mobile“ in der Bäckereikältetechnik bleibt zwar leider ein unerreichbares Ideal, doch moderne CO 2-Kälteanlagen mit intelligenter Wärmerückgewinnung kommen diesem Traum so nah wie nie zuvor. Durch die Kombination von hocheffizienter Kältetechnik mit innovativen Wärmerückgewinnungskonzepten lässt sich ein Großteil der eingesetzten Energie mehrfach nutzen.
Die Energieeffizienz moderner CO2-Kälteanlagen übertrifft in vielen Fällen die herkömmlicher Systeme. Insbesondere in Regionen mit gemäßigtem Klima, wo der Anteil des energieeffizienten subkritischen Betriebs hoch ist, können erhebliche Einsparungen erzielt werden. Selbst in wärmeren Regionen, wo der transkritische Betrieb häufiger vorkommt, bleiben CO2-Anlagen konkurrenzfähig – nicht zuletzt dank der hervorragenden Möglichkeiten zur Wärmerückgewinnung.
Die Umweltfreundlichkeit von CO2 als Kältemittel macht diese Technologie zudem zu einer zukunftssicheren Investition. Angesichts immer strenger werdender Umweltauflagen und steigender Preise für synthetische Kältemittel bietet CO 2 langfristige Planungssicherheit.
Für Bäckereien bedeutet der Einsatz moderner CO2-Kältetechnik mit Wärmerückgewinnung nicht nur eine Senkung der Betriebskosten, sondern auch einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz.
Die Möglichkeit, die anfallende Abwärme effizient zu nutzen – sei es für die Warmwasserbereitung, die Beheizung von Gärräumen oder sogar zur Unterstützung der Backprozesse –, eröffnet völlig neue Perspektiven für ein ganzheitliches Energiemanagement in der Bäckerei.
Die Entwicklung der CO 2-Kältetechnik schreitet kontinuierlich voran. Neue Komponenten, verbesserte Regelungsstrategien und innovative Systemkonzepte versprechen weitere Effizienzsteigerungen in der Zukunft. Bäckereien, die heute in diese Technologie investieren, positionieren sich nicht nur als Vorreiter in Sachen
Nachhaltigkeit, sondern sichern sich auch einen wichtigen Wettbewerbsvorteil in Zeiten steigender Energiekosten.
Letztendlich ist die Entscheidung für oder gegen eine CO 2-Kälteanlage immer eine individuelle, die von den spezifischen Anforderungen und Gegebenheiten der jeweiligen Bäckerei abhängt. Eine sorgfältige Planung unter Berücksichtigung aller Faktoren – von den klimatischen Bedingungen über die Produktionsabläufe bis hin zu den Möglichkeiten der Wärmerückgewinnung –ist unerlässlich, um das volle Potenzial dieser Technologie auszuschöpfen.
Die CO 2 -Kältetechnik bietet Bäckereien eine zukunftssichere, umweltfreundliche und effiziente Lösung für ihre Kühlbedürfnisse. Mit innovativen Technologien wie der Booster- oder Parallelverdichtung und ausgefeilter Regelungstechnik können die Herausforderungen des Bäckereibetriebs gemeistert werden. Angesichts strenger werdender Umweltauflagen und steigender Energiekosten entwickelt sich diese Technologie in den kommenden Jahren zum neuen Standard in der Branche. +++
Dirk-Siegfried Hübner ist Zentralheizungs- und Lüftungsbauermeister, Wirtschaftsingenieur und Wirtschaftswissenschaftler. Aktuell ist er Doktorand der Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit und CSR an der MATE Universität (Ungarn) sowie an der HFH in Hamburg. Er ist Lead-Auditor für Energiemanagement (DIN EN ISO 50001) und Qualitätsmanagement (DIN EN ISO 9001). Mit seinem Unternehmen Hübner Energie Consulting betreut er über 1.800 Bäckereifilialen und deren Produktionen im Bereich Energie. Als Treuhänder der gemeinnützigen Greenbaker Stiftung gehört er mit zum Zertifizierungsteam für das Nachhaltigkeitslabel Greenbaker. Als Geschäftsführer des Sustainergy-Institute unterstützt er mit seinem Netzwerk bei der Transformation zu einem nachhaltigen Unternehmen. Kontakt: d-s.huebner@huebner-energie.de
MÖGLICHKEITEN ZUR EINBEZIEHUNG VON SORGHUM IN WESTLICHE BÄCKEREIEN
Die extremen Temperaturen der vergangenen Jahre, die durch den Klimawandel auf der ganzen Welt verursacht wurden, liegen in manchen Regionen jenseits der optimalen Bedingungen für das Wachstum von Weizen. Angesichts der rasanten Veränderungen, die sich auf die Stabilität der Weizenversorgung auswirken, bietet die Aufnahme von Sorghum, einem glutenfreien Getreide, in die menschliche Ernährung zahlreiche Vorteile.
+Die optimalen Bedingungen für den Weizenanbau liegen bei Temperaturen zwischen 21 und 24 °C, in tiefgründigen, fruchtbaren und gut drainierenden Böden. Die niedrigste Temperatur, die Weizen in seinem Wachstumszyklus vertragen kann, liegt bei etwa 4 °C. Temperaturen über 35 °C behindern das Wachstum von Weizen (NASA, GPM 1). In Zeiten wie diesen, in denen der Klimawandel bereits fortgeschritten ist, treten zunehmend Temperaturen auf, die die optimalen Wachstumsbedingungen für Weizen überschreiten. Deshalb ist es wichtig, alternative und klimaverträgliche Getreidesorten wie Sorghum in den Blick zu nehmen.
Die Sorghumpflanze ist dafür bekannt, dass sie trockenheits- und hitzetolerant ist und weniger Wasser benötigt. Der Grund dafür ist, dass Sorghum als „C4-Pflanze“ gilt, was bedeutet, dass die Pflanze CO 2 effektiver binden kann. Im Allgemeinen benötigen Pflanzen CO 2 für den Prozess der Photosynthese. Zum Vergleich: Weizen beispielsweise gilt als „C3-Pflanze“, die CO 2 weniger gut binden kann und daher mehr Wasser benötigt und nicht so viel Hitze verträgt wie die Pflanzen der C4-Kategorie (Yamori et al., 2014).
Sorghum ist das fünftmeistproduzierte Getreide weltweit und ein fester Bestandteil der Ernährung in Afrika und Asien, während es in den westlichen Ländern derzeit in begrenztem Umfang statt Weizen und Mais als Tierfutter verwendet wird. Die in den letzten Jahren immer häufiger auftretenden extremen Wetterereignisse haben jedoch die Weizenerträge infrage gestellt. Außerdem ist die Qualität des Weizens, der unter nicht optimalen Bedingungen angebaut wird, beeinträchtigt (Gagliardi et al., 2020).
Die Beimischung von Sorghum kann den Auswirkungen des Klimawandels (Ernteverluste) entgegenwirken und die Artenvielfalt von Getreide erhöhen. In der Backwarenindustrie kann
„Die wichtigsten Vorverarbeitungsschritte für das Getreide sind das Einweichen, die Keimung und die Fermentation, um den Nährwert zu erhöhen und die nährstofffeindlichen Bestandteile zu verringern. Diese üblichen Vorbehandlungen können jedoch auch die technologischen Eigenschaften von Sorghum-Broten in Bezug auf Volumen, Textur, Elastizität und Porosität verbessern.”
Rubina Rumler, Regine Schönlechner
¹ https://gpm.nasa.gov/education/sites/default/files/lesson_plan_files/water-for-wheaties/PR_AG_HS_GrowingWheat.pdf
Abbildung 1:
Weltweite Getreideproduktion 2022/23, nach Art – in
Millionen Tonnen
Sorghum die Mengenverluste bei Weizen und minderwertige Weizenqualität ausgleichen. Sorghum ist nicht nur hitzetolerant, sondern auch nahrhaft und kann auch interessante funktionelle Eigenschaften aufweisen (Mesa-Stonestreet et al., 2010).
Eine vielseitige, nahrhafte Alternative
Sorghum ist als nährstoffreich bekannt, wobei insbesondere sein Mikronährstoffprofil als vorteilhaft gilt. Die Mengen an Mikronährstoffen in den verschiedenen Arten variieren jedoch stark, was die Bedeutung des Vergleiches verschiedener Sorghumsorten unterstreicht. In Sorghum wurden durchschnittliche Mineralstoffgehalte von 112,5–327,7 mg/100 g, 2,2–6,2 mg/100 g, 62,0–207,5 mg/100 g bzw. 9,5–67,2 mg/100 g für Phosphor, Natrium, Magnesium und Calcium festgestellt (Tasie et al., 2020).
Mehrere vielversprechende Komponenten, die die Gesundheit unterstützen, sind ebenfalls in Sorghum enthalten. Insbesondere SorghumPolyphenole sind aufgrund ihrer antioxidativen Eigenschaften von Interesse, weil sie die Insulinsensitivität erhöhen, die Fettspeicherung
verringern oder leichte chronische Entzündungen lindern können (Girard et al., 2018). Wie bei jeder Getreidefraktionierung ergeben sich je nach Mahlgrad unterschiedliche chemische Eigenschaften. Bei Weizen ist bekannt, dass ein helleres Mehl einen geringeren Nährstoffgehalt, aber auch höhere funktionelle Eigenschaften impliziert. In der Literatur wird häufig beschrieben, dass die Tannine von Sorghum (die sich in den äußeren Schichten des Korns befinden) zu einer Verringerung der Qualität von SorghumBackwaren führen und auch die Proteinverdauung beeinträchtigen (Birhanu, 2021). Der Tanningehalt ist jedoch zumindest in Europa kein Problem mehr, da die europäischen Sorten seit Ende der 1980er-Jahre keine oder nur noch sehr geringe Mengen an Tannin enthalten (Sorghum ID, 2023). Außerdem ist noch nicht klar, ob raffinierte Sorghummehle für die Qualität von Backwaren von Vorteil sind.
von Sorghum in Bäckereiprodukten
Die Verwendung von Sorghum in der westlichen Ernährung ist noch sehr begrenzt, obwohl es in Afrika zu den Grundnahrungsmitteln zählt
(Taylor, 2019). Der Verzehr von Sorghum ist vor allem deshalb eingeschränkt, weil das Getreide praktisch unbekannt ist und der Fokus der Backindustrie fast ausschließlich auf Weizen liegt. Es wurde bereits einiges unternommen, um dieses einzigartige Getreide zu fördern und die Steigerung der Sorghumproduktion zu unterstützen. In diesem Zusammenhang spielt die Vereinigung „Sorghum ID“ (Sorghum ID, 2023) eine wichtige Rolle, da sie die Verbreitung von Sorghum fördert und alle relevanten Informationen bereitstellt, wobei sie sich insbesondere auf landwirtschaftliche Aspekte konzentriert.
In Europa wurden einige andere Projekte durchgeführt, um die Einführung von Sorghum in europäischen Lebensmitteln zu unterstützen, z. B. das Projekt „Klimatech“ (finanziert von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft), ein österreichisches nationales Projekt, oder das Projekt „Nutrifoods“, eine afrikanisch-europäische Partnerschaft zur Entwicklung klimaresistenter Brotprodukte.
Sorghum ist ein glutenfreies Getreide, das nicht die gleichen funktionellen Eigenschaften wie Weizen aufweist, was zu Schwierigkeiten bei seiner Verwendung führen kann. Durch die Auswahl einer geeigneten Sorghumsorte oder durch eine Vorbehandlung des Getreides (z. B. durch die Versäuerung zu einem Sauerteig) kann jedoch eine vielversprechende Brotqualität erzielt werden. Aus der Literatur ist bekannt, dass die Proteinverdauung von Sorghum im Vergleich zu Weizen geringer sein soll. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Proteine von Sorghum die Fähigkeit haben, sich zu vernetzen, was die Verdauung erschwert (Birhanu, 2021). Wenn Sorghum jedoch mit Weizen gemischt wird, ist das Ausmaß möglicherweise nicht signifikant. Außerdem ist zu erwähnen, dass die westliche Ernährung keinen Eiweißmangel aufweist, sodass die Quervernetzung, die die Verdauung behindert, kaum ins Gewicht fallen dürfte. Der Literatur zufolge könnte die Vernetzung auch positive Auswirkungen haben, insbesondere im Hinblick auf die Verarbeitungstechnologie oder das Backen
(Hamaker und Bugusu, 2003). Hier besteht jedoch noch Forschungsbedarf.
Das Potenzial von Sorghum für westliche Brotsorten
Traditionelle afrikanische Sorghumerzeugnisse wie Fladenbrote oder Porridges werden meist aus vorbehandelten Sorghumkörnern hergestellt. Die wichtigsten Vorbehandlungsschritte für das Getreide sind das Einweichen, die Keimung und die Fermentierung, um den Nährwert zu erhöhen und die nährstofffeindlichen Bestandteile zu verringern. Diese üblichen Vorbehandlungen können jedoch auch die technologischen Eigenschaften von Sorghum-Broten in Bezug auf Volumen, Textur, Elastizität und Porosität verbessern (Taylor, 2019). Darüber hinaus kann Sorghum mit anderen alternativen Mehlen gemischt werden.
Eine kürzlich durchgeführte Studie hat gezeigt, dass Mischungen aus Sorghum, Augenbohnen und Maniokmehl in Afrika verwendet werden können, um importierten Weizen in der kommerziellen Brotherstellung zu ersetzen (Renzetti et al., 2023).
Eine Möglichkeit, Sorghum in Broten nach westlicher Art zu verwenden, wäre, es dem Weizen beizumischen. Je nach dem zu erzielenden Backprodukt kann der Zusatz von Sorghum Voroder Nachteile haben. Es wurden bereits zahlreiche Studien durchgeführt, die zeigen, dass sich dadurch das Nährstoffprofil von Broten verbessert.
Um die Backleistung von Sorghum zu bewerten, wurden im Rahmen des Projekts „Klimatech“ rote und weiße Sorghumsorten mit Weizen in zwei Standard-Weizenrezepturen gemischt. Die verwendeten Mehlmischungen enthielten einen Sorghum-Anteil von bis zu 40 %. Für diese Versuche wurden sowohl hefegesäuerte StandardWeizenbrote (SWB) als auch Milchweizenbrote (MWB) hergestellt. Das SWB enthielt 58 % Wasser, 3 % Frischhefe, 1,8% Salz und 1 % Zucker auf 100 % Mehl, während das MWB aus 50 % Milch, 6 % Frischhefe, 12 % Butter, 12 % Zucker, 6 % Eigelb und 1,5 % Salz auf 100 % Mehl bestand.
Alle Backversuche wurden in dreifacher Ausführung durchgeführt, und die Brote wurden hinsichtlich ihrer physikalischen Eigenschaften bewertet. Als einer der wichtigsten Parameter für die Brotqualität wurde das spezifische Volumen gemessen. Die Untersuchung ergab, dass die Sorghumsorte das spezifische Volumen in beiden Rezepturen erheblich beeinflusst. Weißes Sorghum beeinflusste das spezifische Volumen des SWB weniger als rotes Sorghum. Beim MWB war das Gegenteil der Fall. Wie zuvor gemessen, enthielt rotes Sorghum deutlich weniger Eiweiß und Stärke, dafür aber mehr Polyphenole als weißes Sorghum, was offenbar große Auswirkungen hatte.
Darüber hinaus gibt es eine aktuelle Studie, die zeigt, dass der Zusatz von Sorghum zu Weizenbroten in bestimmten Fällen sogar das Brotvolumen erhöht (Rumler et al., 2023). Die Hintergründe hierfür sind jedoch noch nicht klar. Es fehlt an Untersuchungen zur molekularen Struktur von Weizen-Sorghum-Teigen. Die Wirkung der Zugabe von Sorghum zu Weizen wird hauptsächlich durch die Rezeptur bestimmt. So führte beispielsweise die Beimischung von Sorghum zu einem Standard-Weizenbrot zu einem größeren Volumenverlust als bei einem süßen Hefebrot (Rumler et al., 2023).
Innovative Ansätze zur Wertschöpfung und Kommerzialisierung von klimaverträglichen Nutzpflanzen zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und der Ernährung in Afrika und darüber hinaus Das Projekt zielte darauf ab, die Verwendung von klimaresistenten Nahrungsmittelpflanzen wie Sorghum für die Herstellung von gesundem Brot zu fördern, um die Abhängigkeit des Kontinents von Weizen, der größtenteils importiert wird, zu verringern. Da einige Länder zur Deckung ihres Bedarfs fast ausschließlich auf (schwankende) Weizenimporte angewiesen sind, sind lokal angebaute Pflanzen von entscheidender Bedeutung. So werden beispielsweise bis zu 95 % des in Uganda verwendeten Weizens importiert. Sorghum spielt außerdem eine wichtige Rolle bei der Umstellung auf den Anbau klimaresistenter Nutzpflanzen. Darüber hinaus schafft der Trend zu funktionellem, glutenfreiem und nachhaltigem Mehl in Europa auch einen Markt für Getreide aus Afrika.
Das Projekt machte deutlich, dass klimaresistente Pflanzen, deren Anbau in Afrika südlich der Sahara weit verbreitet ist, in Europa nur unzureichend genutzt werden, und untersuchte daher Lösungen zur Förderung ihrer Verwendung in Backwaren.
Dabei hat NUTRIFOODS verschiedene Verarbeitungstechnologien eingesetzt, um die Funktionalität von Sorghum und Augenbohnen (Vigna sinensis, Vigna unguiculata) in Backwaren zu verbessern. Behandlungen wie Fermentation, Extrusion, Rösten und Mälzen wurden eingesetzt, um die chemischen und physikalischen Parameter (Stärkekleisterung, Proteindenaturierung und -gelierung, Hydratation und rheologische Eigenschaften) zu verbessern, die mit der technischen Funktionalität der Mehle zusammenhängen, und ihre Funktionalität zur Herstellung hochwertiger Brote zu verbessern. Die Behandlungen werden auch zur Verbesserung der sensorischen Eigenschaften der Brote in Bezug auf Geschmack und Textur eingesetzt.
Projektpartner: Wageningen Food & Biobased Research, Makerere University, Uganda, Prof. Yusuf Byaruhanga; University of Pretoria, Südafrika, Prof. Riette de Kock; University of Venda, Südafrika, Prof. Afam I.O. Jideani; Kenya Industrial Research and Development Institute – KIRDI, Samuel M. Wambugu; VTT Technical Research Centre of Finland Ltd, Dr. Emilia Nordlund
Industrielle Partner: Bakker Wiltink; Bbrood; Nutreal Ltd; Tymax Agribusiness Solutions Ltd; BICSA
Im Allgemeinen wird die Rheologie von Weizenteigen durch den Zusatz von Sorghum verändert. Die Zugabe von Sorghum führt zu einer weniger festen Teigstruktur, da Sorghum kein Gluten enthält.
Um Sorghum in die westliche Ernährung zu integrieren, muss vor allem die Sortenvielfalt weiter erforscht werden. Es ist wichtig, die Sorten auf breiter Basis in Bezug auf Chemie, Rheologie und Backtechnik zu vergleichen. Außerdem ist bekannt, dass Sorghumsorten unterschiedliche Geschmacksrichtungen haben. Daher sind auch sensorische Tests notwendig, um Unterschiede zwischen den Sorten aufzuzeigen. Im Allgemeinen sind die traditionellen Vorbehandlungsverfahren aus Afrika (Fermentation, Keimung oder Vorgelatinierung) sehr vielversprechend.
Die Sauerteigtechnik ist eine sehr alte Methode, die sich positiv auf die Brotqualität auswirkt und bei Weizen- und Roggenbroten weit verbreitet ist. Bei Sorghum hingegen gibt es bisher kaum Daten zu Sauerteigversuchen. Hier wäre es wichtig, herauszufinden, welche Starterkulturen für Sorghum geeignet sind. Darüber hinaus können auch Untersuchungen zur SorghumKeimung durchgeführt werden. Hier gibt es bereits vielversprechende Ergebnisse, die gezeigt haben, dass das Brotvolumen durch die Sorghum-Keimung positiv beeinflusst wurde (Cardone et al., 2021).
Weiterer Forschungsbedarf besteht auch bei der Sorghumvermahlung, insbesondere bei der Sorghumfraktionierung. Definierte
Sorghumfraktionen können für die Herstellung bestimmter Backwaren, wie z. B. Waffeln, nützlich sein. Um definierte Sorghumfraktionen zu erhalten, ist es notwendig, herauszufinden, welches Mahlsystem am besten geeignet ist und wie die Einstellungen vorgenommen werden müssen. Es wurden bereits Versuche zur Analyse und Auswahl der optimalen Mahltechnik durchgeführt (Rumler et al., 2021), aber für eine definierte Fraktionierung sind weitere Forschungen erforderlich.
Die Mehlfraktionen wurden mithilfe eines SiebSichtung-Systems aus Steinmahlversuchen hergestellt. Das System kann das Korn in seine verschiedenen anatomischen Teile trennen, wurde aber für Weizen entwickelt, der eine ganz andere Größe und Form hat als Sorghum. Daher ist nicht klar, ob es konsistent auf Sorghum angewandt werden kann. Die Versuche zeigten, dass die Mehlfraktionen erhebliche Unterschiede in ihrem Protein- und Stärkegehalt aufwiesen. Eine interessante Beobachtung war, dass es keine nennenswerten Ascheunterschiede gab, obwohl die Mehlfraktionen deutlich unterschiedliche Farben aufwiesen. Eine mögliche Schlussfolgerung ist, dass die Asche zwar normalerweise der Parameter ist, der Weizenmehle definiert, dass aber im Fall von Sorghummehl das Protein der zuverlässigste Parameter für die Bestimmung der Mehlextraktionsrate zu sein scheint. Die Walzenmahlversuche zeigten gute Ergebnisse. Mit zunehmender Extraktionsrate nahmen Asche und Eiweiß ab, während die Stärke zunahm.
Zurzeit ist es schwierig, die Qualität von Sorghummehl vorherzusagen, da die meisten Geräte für
Die BOKU ist eine der besten Life-Sciences-Universitäten Europas und zeichnet sich durch ihren ganzheitlichen Ansatz in Forschung und Lehre aus. WissenschaftlerInnen, Studierende und AbsolventInnen arbeiten an Lösungen für brennende gesellschaftliche Fragen und für eine nachhaltige Zukunft.
Die heutige Universität für Bodenkultur (BOKU) begann ihre Erfolgsgeschichte im Jahr 1872 als kleine landwirtschaftliche Universität. Heute bieten die BOKU-Standorte Türkenschanze, Muthgasse und Tulln den 15 Departments und 11.000 Studierenden optimale Bedingungen für Lernen, Lehren und Forschen.
Das Verständnis der BOKU von Nachhaltigkeit: Die BOKU bekennt sich zu den allgemeinen Prinzipien der Nachhaltigkeit und gliedert ihre Bemühungen in fünf Bereiche: Forschung, Lehre und Studium, Betrieb, Organisationskultur und Austausch mit der Gesellschaft.
Literatur
Weizen ausgelegt sind. Es gibt bereits Geräte, die die Mehlqualität von glutenfreien Mehlen messen. Es ist jedoch noch unklar, wie die Mehlqualität von Sorghum-Weizen-Mischungen vorhergesagt werden kann. Insgesamt hat das Getreide vielversprechende Eigenschaften, da es ein klimaresistentes Getreide ist, aber es sind noch weitere Forschungen erforderlich, um Sorghum vollständig in die westliche Backwarenindustrie zu integrieren. Für die künftige Verwendung in westlichen Produkten wird es von großer Bedeutung sein, die optimalen Sorten zu finden und zu definieren, nicht nur im Hinblick auf die Backleistung, sondern auch auf die sensorische Akzeptanz. +++
Rubina Rumler und Regine Schönlechner, Universität für Bodenkultur Wien, Department für Lebensmittelwissenschaften und -technologie, Institut für Lebensmitteltechnologie, BOKU
Birhanu, Silamlak (2021): Potential Benefits of Sorghum [Sorghum bicolor (L.) Moench] on Human Health: A Review. In: International Journal of Food Engineering and Technology 5 (1), p. 8–18.
Cardone, Gaetano; Rumler, Rubina; Speranza, Sofia; Marti, Alessandra; Schönlechner, Regine (2021): Sprouting time affects sorghum (Sorghum bicolor [L.] Moench) functionality and bread-baking performance. In: Foods 10 (10), p. 2285.
Gagliardi, Anna; Carucci, Federica; Masci, Stefania; Flagella, Zina; Gatta, Giuseppe; Giuliani, Marcella Michela (2020): Effects of genotype, growing season and nitrogen level on gluten protein assembly of durum wheat grown under Mediterranean conditions, 5. In: Agronomy, 10, p. 755.
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Hamaker, B. R.; Bugusu, B. A. (Hg.) (2003): Overview: sorghum proteins and food quality. Workshop on the proteins of sorghum and millets: enhancing nutritional and functional properties for Africa [CD] (Pretoria: South Africa).
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Rumler, Rubina; Bender, Denisse; Schoenlechner, Regine (2023): Mitigating the Effect of Climate Change within the Cereal Sector: Improving Rheological and Baking Properties of Strong Gluten Wheat Doughs by Blending with Specialty Grains. In: Plants 12 (3), p. 492. Mesa-Stonestreet, Normell Jhoe de; Alavi, Sajid; Bean, Scott R. (2010): Sorghum proteins: the concentration, isolation, modification, and food applications of kafirins, 5. In: Journal of food science, 75, pp. R90–R104.
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Die rasanten Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz (KI) eröffnen neue Möglichkeiten in der Datenverarbeitung und -analyse. Durch den Einsatz von KI können sowohl Anlagen und Prozesse in der Lebensmittelherstellung gezielt optimiert und die Konsumierenden bei ihren Verzehrentscheidungen unterstützt werden, wodurch Lebensmittelverluste minimiert werden.
+Jährlich werden in Deutschland ca. 11 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, wovon der größte Anteil (59 %) in privaten Haushalten anfällt – das entspricht etwa 78 kg an Lebensmittelabfällen pro Person [1]. Weitere 17 % fallen in Restaurants und Catering-Services, 15 % in Verarbeitungsbetrieben, 7 % im Einzelhandel und 2 % in der Primärproduktion an [2].
Die Hauptgründe für Abfälle, die in privaten Haushalten, also bei den Konsumierenden entstehen, sind Probleme mit der Lebensmittelhaltbarkeit, oftmals aufgrund schlechter Planung, u nerwartet schnell eintreten dem Verderb oder Unkenntnissen, die z. B. zur Entsorgung von Le bensmitteln ohne Überprüfung der Verzehrfä higkeit bei Überschreiten des Mindesthaltbarkeitsdatus (MHD) führen [3].
Dabei sind viele dieser Abfälle (40,5 %) vermeidbar, da die Lebensmittel nicht entsorgt werden müssten, wenn sie optimal gelagert oder rechtzeitig verarbeitet worden wären [4]. Insbesondere handelt es sich dabei um leicht verderbliche Lebensmittel wie Obst und Gemüse, Backwaren und Milchprodukte. Im Fall von Lebensmitteln, die das MHD überschritten haben,
stellen Milchprodukte den Großteil dar, gefolgt von nicht selbst zubereiteten Lebensmitteln wie Ölen, Gewürzen oder Grill-Saucen, Fertiggerichten, Getränken, Fleisch und Fisch, Backwaren sowie konserviertem Gemüse und Obst. Bemerkenswert ist dabei, dass 43,8 % in geschlossenen Verpackungen entsorgt werden, woraus der Autor der vorliegenden Studie [4] den Schluss zieht, dass diese nicht auf ihre Verzehrfähigkeit überprüft wurden. Dies wäre mit der einfachen Regel „sehen – riechen – schmecken“ schnell umsetzbar gewesen.
Die rasanten Fortschritte in der KI eröffnen neue Möglichkeiten in der Datenverarbeitung und -analyse und KI hält langsam Einzug in die Lebensmittelindustrie. So können durch den Einsatz von KI bereits Anlagen und Prozesse in der Lebensmittelverarbeitung gezielt optimiert und somit die produktionsbedingten Lebensmittelverluste minimiert werden. Eine besondere Herausforderung besteht jedoch darin, die Konsumierenden bei der Reduzierung der Lebensmittelabfälle zu unterstützen. Die fortschreitenden Entwicklungen im Bereich des Internets der Dinge (engl. Internet of Things , kurz IoT),
das verschiedene Lebensbereiche durchdringt, führen zu einer zunehmenden Vernetzung von Informationssystemen und ermöglichen einen übergreifenden Datenaustausch. Dabei werden neue Möglichkeiten geschaffen, die Konsumierenden aktiv bei ihren Verzehrentscheidungen zu unterstützen. Der Fokus dieses Kapitels liegt daher auf der Überwachung der Lebensmittelqualität, angefangen von der Herstellung bis hin zu den Konsumierenden.
KI, maschinelles Lernen (ML), künstliche neuronale Netzwerke (engl. artificial neural networks) und Deep Learning sind Begriffe, die oft synonym verwendet werden, aber jeweils spezifische Konzepte repräsentieren. ML nutzt Lernalgorithmen, um auf großen Datenmengen genaue Vorhersagen zu treffen und zuvor unbekannte Muster zu erkennen. Dabei können die Systeme durch Erfahrungen lernen und sich selbst verbessern. Künstliche neuronale Netze sind Strukturen, die das menschliche Gehirn imitieren und aus mehreren Schichten (Eingabe-, Zwischenund Ausgabeschicht) bestehen, wobei jede Schicht aus einem oder mehreren Neuronen besteht. Die Neuronen verarbeiten Informationen über die Kombination von Eingabefunktionen, unterschiedlichen Gewichtungen und Aktivierungsfunktionen. Deep Learning ist eine Form
des ML, das sich auf künstliche neuronale Netze mit zwei oder mehr Zwischenschichten bezieht, die tiefe neuronale Netze (engl. deep neural networks ) genannt werden. KI ist ein übergeordneter Begriff, der sich allgemein auf Systeme bezieht, die Aufgaben ausführen können, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern. Dabei kann der Begriff KI sehr weit gefasst werden und unterschiedliche Ansätze und Technologien umfassen [5].
Verschiedene Ansätze des maschinellen Lernens
Im Wesentlichen wird ML in drei Gruppen unterteilt: supervised, unsupervised und reinforcement learning – also überwachtes, unüberwachtes und bestärkendes Lernen. Supervised Learning umfasst Methoden wie Regression und Klassifikation, bei denen das Ziel darin besteht, Beziehungen zwischen Merkmalen ( features ) und Klassen ( label ) zu identifizieren. In der Regression liegt der Fokus auf der Vorhersage von numerischen Werten, während die Klassifikation darauf abzielt, die Zugehörigkeit zu bestimmten Kategorien zu bestimmen. Hierbei wird ein Klassifizierungsmodell mithilfe von Trainingsdaten erstellt, das dann in der Lage ist, die korrekte Kategorie für zuvor unbekannte Daten mit hoher Genauigkeit vorherzusagen.
Unsupervised Learning beinhaltet Ansätze wie Clustering , Empfehlungsdienste (engl. Recommender Systems) und Assoziationsanalyse. Beim Clustering wird das Ziel verfolgt, Daten in sinnvolle Gruppen (Cluster) aufzuteilen, wobei Datenpunkte in denselben Gruppen ähnlicher sind als in anderen Gruppen. Bei der Assoziationsanalyse geht es darum, häufige Muster, Assoziationen, Korrelationen oder kausale Strukturen in einer Datensammlung zu finden. Diese Methode identifiziert Regeln wie, dass das Vorhandensein von Merkmal X in einer Instanz wahrscheinlich auch das Vorhandensein von Merkmal Y bedeutet, ohne dass die Daten vorher gelabelt wurden.
Reinforcement Learning ist ein weiterer Ansatz im ML, bei dem ein Agent durch Interaktion mit
seiner Umgebung optimales Verhalten erlernt. Der Agent trifft Entscheidungen, erhält Rückmeldungen in Form von Belohnungen oder Strafen und passt sein Verhalten entsprechend an, um über die Zeit hinweg optimale Handlungsstrategien zu entwickeln.
Der Prozess des maschinellen Lernens besteht im Allgemeinen aus zwei Phasen: der Offlineoder Trainingsphase und der Online- oder Anwendungsphase. In der Trainingsphase liegt der Fokus auf dem Verständnis des Problems, der Datensammlung, der Datenaufbereitung, der Modellauswahl, der Modellkonfiguration, dem Modelltraining und schließlich der Modellevaluation. Diese Phase ist oft sehr rechenintensiv, wobei die Qualität der verwendeten Daten von entscheidender Bedeutung ist, da das Prinzip „garbage in – garbage out“ gilt: Modelle können nur das erkennen, was in den Trainingsdaten enthalten war, was zu Problemen wie Klassenungleichgewicht oder Verzerrung führen kann. Zum Beispiel könnten Vorhersagen bei einem Ungleichgewicht der Daten, die nur auf Männer ausgerichtet sind, für Frauen ungenau sein. Lösungsansätze für solche Probleme umfassen das Hinzufügen von mehr (Mess-)Daten, Overund Undersampling sowie die Verwendung synthetischer Daten (Augmentation).
In der Online- oder Anwendungsphase erfolgt die Modellbereitstellung, ein fortlaufendes Datenmanagement, die Modellwartung und -weiterentwicklung. Im Gegensatz zur Trainingsphase kann dieser Prozess auch auf schwächeren Computern ausgeführt werden, da die reine Anwendung des bereits trainierten Modells auf neue Daten weniger rechenintensiv ist. Die Anwendungsphase erfordert jedoch eine sorgfältige Überwachung, um sicherzustellen, dass das Modell angemessen auf Echtzeitdaten reagiert, um gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen und somit die Leistung beizubehalten oder zu verbessern. Somit können beide Phasen iterativ erfolgen, wenn z. B. die in der Anwendungsphase gesammelten Daten verwendet werden, um die Modelle neu zu trainieren.
Aktuelle Trends im Bereich der KI
Generative KI ist eine spezielle Untergruppe der künstlichen Intelligenz, die darauf abzielt, neue Inhalte wie Bilder, Videos, Texte oder sogar Musik durch einen probabilistischen Ansatz zu generieren, die den ursprünglichen Trainingsdaten stark ähneln. Ein wesentliches Problem der generativen KI besteht jedoch in der Zuverlässigkeit der generierten Ergebnisse, da diese oft schwer interpretierbar oder unvorhersehbar sein können.
Allgemein sind durch KI generierte Ergebnisse häufig nicht direkt nachvollziehbar, insbesondere wenn diese mit Deep-Learning-Verfahren erzeugt wurden. Abhilfe schafft die sogenannte erklärbare KI (engl. explainable artificial intelligence , kurz XAI), die darauf abzielt, die Entscheidungsprozesse von KI-Modellen verständlicher und nachvollziehbarer zu machen. Dies ist besonders relevant in kritischen Anwendungen, in denen es wichtig ist, zu verstehen, warum ein Modell bestimmte Entscheidungen trifft, oder zur Kausalitätsanalyse, wenn ein Modell nicht korrekte Ergebnisse erzeugt. Allerdings liefert nicht jedes ML-Verfahren erklärbare Modelle; insbesondere Deep-Learning-Technologien benötigen deshalb eine zusätzliche Komponente, die die Erklärungen post hoc erzeugen können – deren Implementierung jedoch sehr aufwendig ist.
Abbildung 1: Die intelligente, digitalisierte
Lebensmittel-Lieferkette verknüpft intelligente Sensoren mit EdgeML zur effizienten
Datenanalyse und die BlockchainTechnologie zur Datenspeicherung
Transfer Learning ist eine Technik im maschinellen Lernen, bei der ein bereits für eine Aufgabe trainiertes Modell für eine neue, verwandte Aufgabe optimiert wird. Dies ermöglicht die Nutzung bereits erworbenen Wissens und beschleunigt den Trainingsprozess für neue Aufgaben erheblich.
Föderiertes Lernen (engl. federated learning ) ist eine innovative Methode, bei der mehrere Modelle gleichzeitig dezentral auf verschiedenen Geräten trainiert werden, ohne dass sensible Informationen zwischen den Geräten ausgetauscht werden. Die wesentliche Komponente liegt in der Aggregation der lokal trainierten Modelle, was Datenschutz und Sicherheit in verteilten Umgebungen gewährleistet.
Eine Voraussetzung für die Nutzung von KI zur Reduktion von Lebensmittelabfällen ist die Bereitstellung von Echtzeitinformationen entlang der Lieferkette, insbesondere vom Verarbeitungsbetrieb zu den Konsumierenden [6]. Dabei ermöglicht der Einsatz intelligenter Verpackungen, diese Informationen über den Zustand der Lebensmittel bereitzustellen. Mit weiteren Technologien wie EdgeML [7] und Blockchain können
diese Informationen effizient ausgewertet und anderen Beteiligten der Lieferkette bereitgestellt werden (Abbildung 1).
Intelligente Verpackungen überwachen Lebensmittelzustand
Intelligente Verpackungen bestehen aus intelligenten Materialien oder Objekten, die durch ihr Verhalten „den Zustand verpackter Lebensmittel oder die Umgebung der Lebensmittel“ überwachen [8]. Dabei sind in der Regel Indikatoren und Sensoren in die Verpackung integriert [9]. Während Indikatoren nur das Vorhandensein oder Fehlen von Substanzen oder die Ausmaße von Parametern wie Temperatur, pH-Wert oder Luftfeuchtigkeit direkt anzeigen können, quantifizieren Sensoren die Intensität dieser Parameter und übertragen diese Werte in ein elektronisches Signal [10, 11]. Im Fall von Indikatoren löst die Bindung eines Analyten an einen spezifischen Rezeptor eine chemische Reaktion aus, die durch eine Farbveränderung angezeigt wird [10]. Somit kann bereits der aktuelle Zustand bzw. die Frische des Lebensmittels angezeigt werden. Darüber hinaus gibt es Ansätze zur automatisierten Auswertung mittels Bilderkennung und KI [12]. Dennoch bleibt die Vorhersage des zukünftigen Zustands
eine Herausforderung, da die Komplexität der Lebensmittelalterung und die Vielzahl möglicher Einflussfaktoren es schwierig machen, genaue Prognosen zu treffen.
Daher bietet sich die Verwendung von Sensoren in der Verpackung an, die physikalische und chemische Parameter messen und diese in elektronische Signale umwandeln. Bei chemischen Sensoren bindet der Analyt am Rezeptor und verursacht eine Veränderung der Energie des Rezeptors. Anschließend wandelt der Transducer diese Veränderung in ein analytisches Signal um, das elektronisch verarbeitet wird. Sensoren in intelligenten Verpackungen überwachen Parameter wie Temperatur, pH-Wert, Luftfeuchtigkeit, den Druck auf das Lebensmittel oder Vibrationen während des Transports [13].
Darüber hinaus messen Gassensoren die Konzentration von Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) oder Schwefelwasserstoff (H 2S), um Rückschlüsse auf den aktuellen Zustand der Lebensmittel ziehen zu können [9]. Ein anderer weit verbreiteter Sensortyp sind Biosensoren, bei denen die Rezeptoren aus biologischen Materialien wie Enzymen, Antigenen, Hormonen oder Nukleinsäuren bestehen. So können Biosensoren beispielsweise Pathogene in bakterienkontaminierten Lebensmitteln erkennen und einen Barcode in einen unlesbaren Zustand verwandeln [10].
In Kombination mit Kommunikationstechnologien wie RFID oder NFC können die gesammelten Daten an entsprechende Server, wie beispielsweise eine Cloud, gesendet werden [11]. Dort können sie nicht nur analysiert werden, um die aktuelle Qualität der Lebensmittel zu bestimmen, sondern auch zur Generierung weiterer Vorhersagen oder zur effizienten Verwaltung der Lieferkette genutzt werden. Die Effizienz der Datenanalyse kann weiter durch den Einsatz von EdgeML, also der Datenverarbeitung am Ort der Entstehung, gesteigert werden.
Sicherer Informationsaustausch mittels Blockchain
Zur genauen Prognose der verbleibenden Haltbarkeit müssen neben den Informationen über
im
mitKIgeneriert©UniversitätHohenhe
den aktuellen Zustand der Lebensmittel allerdings auch Informationen aus der Verarbeitung und über die Rohstoffqualität herangezogen werden. Häufig sind diese Informationen einzelnen Akteuren der Lieferkette zwar bekannt, jedoch werden die Daten nicht mit anderen geteilt. Ein möglicher Lösungsansatz, der die Daten transparent und sicher zwischen den Akteuren teilt, ist der Einsatz der BlockchainTechnologie [14]. Eine Blockchain ist ein verteilter Ledger , bei dem die Einträge durch kryptographische Funktionen miteinander verkettet sind und somit nachträglich nicht mehr geändert werden können. Durch verschiedene Sicherheitsmechanismen kann zudem der freie Zugang zu den Informationen eingeschränkt werden. Die KI-Modelle können so jedoch alle relevanten Informationen zur gezielten Vorhersage einbeziehen. Bekannt ist die Blockchain-Technologie als Basis von Kryptowährungen. In diesem Zusammenhang ist notwendig zu erwähnen, dass das Design der Kryptowährungen zu energieintensiven Prozessen führt, und nicht die Datenspeicherung in der Blockchain.
Mit der Entwicklung und Digitalisierung in Richtung Industrie 4.0 erhielt das Konzept der digitalen Zwillinge Einzug in die Industrie. Ein digitaler Zwilling ist definiert als die digitale Darstellung eines aktiven, einzigartigen Produkts (eines realen Geräts, Objekts, einer Maschine, Dienstleistung oder eines immateriellen Vermögenswerts) oder
eines einzigartigen Produkt-Dienstleistungssystems (eines Systems, das aus einem Produkt und einer zugehörigen Dienstleistung besteht) [15]. Diese Darstellung umfasst ausgewählte Merkmale, Eigenschaften, Bedingungen und Verhaltensweisen durch Modelle, Informationen und Daten in einer oder sogar mehreren Phasen des Lebenszyklus. Der digitale Zwilling ermöglicht die Integration von Echtzeitdaten und Simulationen, was eine kontinuierliche Überwachung, Analyse und Optimierung während des gesamten Lebenszyklus des Produkts oder der Dienstleistung ermöglicht. Insbesondere die Lebensmittelindustrie ist von besonderem Interesse, da sie eine hocheffiziente Nutzung der verfügbaren Ressourcen erfordert.
In einer aktuellen Publikation [16] untersuchten wir den Einsatz digitaler Zwillinge in der Lebensmittelindustrie. Die Ergebnisse der Recherche zeigten, dass der größte Teil der Anwendungen die primäre Produktion (54,90 %) adressiert, somit landwirtschaftliche Anwendungen wie das Wachstum von Pflanzen, die Überwachung des Zustands von Tieren oder die Steuerung ganzer Produktionssysteme wie Gewächshäusern. Circa ein Drittel der Studien fokussiert die Verarbeitungsstufe (31,37 %), hauptsächlich die Überwachung einzelner Verarbeitungsmaschinen (z. B. Pasteurisier- oder Verpackungsmaschinen) oder ganze Verarbeitungssysteme/ -prozesse. Nur wenige Studien konzentrieren sich auf die optimale Produktzusammensetzung oder -qualität. Anwendungen während des Transports, insbesondere in den Stadien Lieferung und Vertrieb (7,84 % bzw. 5,88 %), bestimmen die Qualität von Obst und Gemüse, wobei der Schwerpunkt auf der Messung der Temperatur liegt. Nur eine Anwendung konnte dem Handel (1,96 %) zugeordnet werden, wo sie zur Bestimmung der Qualität von Obst und Gemüse sowie der verbleibenden Haltbarkeitsdauer eingesetzt wird. Außerdem betrifft eine Studie die Konsumierenden (1,96 %) und beschreibt einen digitalen Zwilling für die Herstellung von personalisierten Lebensmitteln.
Die meisten Anwendungen der digitalen Zwillinge können als intelligent oder datengesteuert eingestuft werden (39,22 %). Diese Anwendungen fokussieren neben der Überwachung von Pflanzen und Tieren im Agrarbereich vor allem die Bestimmung und Anpassung von Prozessparametern in der Lebensmittelverarbeitung durch die Nutzung von Clustering-Methoden und anderen ML-Techniken, um die Systeme kontinuierlich zu verbessern. Ein vergleichbarer Anteil der Anwendungen dient der Simulation, die auf mechanistischen oder physikalischen Modellen beruht (31,37 %) und vornehmlich das Pflanzenund Tierwachstum in der Produktionsphase oder die Überwachung der Lebensmittelverarbeitung betrifft. Weitere digitale Zwillinge konzentrieren sich auf die Qualität von Obst und Gemüse während des Vertriebs, indem sie die Oberflächentemperatur messen und daraus die Fruchtfleischtemperatur berechnen, um letztendlich den Qualitätsverlust abzuschätzen. Die verhältnismäßig wenigen Anwendungen mit statistischen Verfahren (13,73 %) konzentrieren sich vor allem auf die Prozesssteuerung während der Lebensmittelverarbeitung.
Anhand der Literaturanalyse konnte festgestellt werden, dass fast alle Anwendungen für die Überwachung ihrer realen Gegenstücke verwendet werden. Nur drei Anwendungsfälle wurden nicht in diese Kategorie eingeordnet; diese zielen auf die Entwicklung neuer Lebensmittelprodukte und -verpackungen sowie auf die Gewichtszunahme von Rindern ab. Dies erscheint sinnvoll, da die Überwachung der physischen Objekte oft die Grundlage für weitere Vorhersagen oder Entscheidungen ist. Allerdings arbeiten nur ca. zwei Drittel der Anwendungen mit Echtzeitdaten. Obwohl über 70 % der digitalen Zwillinge Vorhersagen bereitstellen, die hauptsächlich für die Entscheidungsfindung verwendet werden, sind lediglich ein geringer Anteil der digitalen Zwillinge (16 %) in autonom arbeitende Systeme integriert.
Ein digitaler Lebensmittel-Zwilling hat jedoch im Vergleich zu digitalen Zwillingen der Produktion
Rohstoffdaten
WISSEN
Prozessdaten
von Sachgütern zusätzliche spezifische Anforderungen, da diese aufgrund der Variabilität der Rohstoffe nicht nur auf den Verarbeitungsschritten basieren können, sondern auch die chemischen, physikalischen oder (mikro-)biologischen Eigenschaften der Lebensmittel berücksichtigen müssen [17]. Im Allgemeinen ermöglichen digitale Lebensmittel-Zwillinge eine fundiertere, effizientere und schnellere Entscheidungsfindung, da Sensordaten genutzt werden, um den Lebensmittelprozess detailliert abzubilden (Abbildung 2).
Diese Modelle liefern relevante Informationen (i) für eine Prozesssteuerung und Fehlersuche in Echtzeit und (ii) zur Optimierung von Prozessen bzgl. Einheitlichkeit, Leistung und Nachhaltigkeit. Insbesondere kann damit auch der Transport (Stichwort: Kühlkette) überwacht und die Herkunft (insbesondere auch die Erfüllung von Zertifizierungsstandards) exakter bestimmt werden – zwei Aspekte, die für Lebensmittel besonders relevant sind.
Digitale Lebensmittel-Zwillinge können des Weiteren zur Optimierung der Produktionsplanung eingesetzt werden oder die Grundlage für autonome Systeme bilden. Darüber hinaus sind digitale Lebensmittel-Zwillinge auch bei der Produktentwicklung von Nutzen. Zum einen können wissenschaftliche Modelle integriert in einen digitalen Lebensmittel-Zwilling die Erzeu -
Maschinendaten
Produkt/Vertrieb
gung neuer Rezepturen unterstützen, z. B. die Auswirkungen der Reduzierung des Fettgehalts; zum anderen können diese den Scale-up von Prototypen (Demonstratoren) auf die Produktionslinie durch Simulationen basierend auf den Daten des Demonstrators vereinfachen. Letztlich können digitale Lebensmittel-Zwillinge auch die Effekte der Verpackung auf die Haltbarkeit der Lebensmittel simulieren. Ein digitaler Lebensmittel-Zwilling könnte sogar als Ersatz für Lagertests dienen, die für die Vorhersage der Haltbarkeit üblich sind [17].
Eine der größten Herausforderungen bei der Implementierung digitaler Zwillinge ist das Fehlen einer allgemeinen Methode, die beschreibt, wie die Informationen vom physischen zum virtuellen Objekt übertragen werden können. Die besonderen Merkmale des Lebensmittelsektors (z. B. spezielle Anlagen oder Hygienebestimmungen wie HACCP), die Komplexität der Komponenten (z. B. wie diese die Lebensmittel durch chemische oder physikalische Prozesse verändern) und hochwertige Standards erschweren die Einführung von digitalen (Lebensmittel-)Zwillingen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass nur durch die Weiterentwicklung von Sensor-, Kommunikations- und
Abbildung 2: Der digitale LebensmittelZwilling bezieht Daten aus der gesamten LebensmittelLieferkette und kann unter Einbeziehung theoretischen Wissens Lebensmittel und ihre Herstellung überwachen und verbessern
Datenverarbeitungstechnologien eine Echtzeitinteraktion zwischen den realen Entitäten und den virtuellen Zwillingen erreicht werden kann.
Insbesondere die Komplexität und Variabilität der Rohstoffe sowie ihrer Eigenschaften und die begrenzte Haltbarkeit nicht nur der Lebensmittelrohstoffe, sondern auch der daraus hergestellten Produkte schränken das Anwendungspotenzial ein. Hinzu kommt, dass sich Anlagen, Prozesse und Wissen über biologische oder chemische Prozesse zur Lebensmittelerzeugung/-verarbeitung in einem sich ständig verändernden Umfeld befinden, was die entsprechenden digitalen Zwillinge zu einer permanenten Verbesserung zwingt.
Das Fehlen guter physikalisch-chemischer Daten aus den Prozessen ist ein weiteres großes Hindernis für den Einsatz von Modellierungs- und Simulationswerkzeugen [18]. So gibt es bei der Lebensmittelverarbeitung eine Vielzahl von Lebensmitteln mit ungenügend beschriebenen, schwer zu berechnenden oder gar vorherzusagenden Eigenschaften wie Molekulargewicht, pH-Wert, Wasseraktivität oder Thermodynamik. Darüber hinaus muss die Kinetik biologischer und chemischer Prozesse verstanden und in Form physikalischer Modelle berechenbar gemacht werden [19], welche im Rahmen von PhysicsInformed Machine Learning als Grundlage des Lernprozesses von künstlichen neuronalen Netzen integriert werden können [20]. Prozessmodelle können dabei bereits zur Abschätzung des Energie- und Materialbedarfs und der erwarteten Prozessausbeute während der Lebensmittelverarbeitung eingesetzt werden [18].
Beim Einsatz von ML taucht insbesondere in kritischen Anwendungen wie der Lebensmittelverarbeitung oder in Vertrieb und Handel oft die Frage auf, auf welchen Grundlagen die getroffenen Entscheidungen beruhen. Um diesen Bedenken entgegenzuwirken, bietet sich der
Einsatz von XAI an, wobei eine zusätzliche XAIKomponente implementiert werden muss, die das KI-Modell analysiert und gegebenenfalls das Training anpasst 1. Auf diese Weise kann diese Komponente auf Anfrage des Anwenders detailliert erklären, wie sie zu einer bestimmten Entscheidung oder Vorhersage gelangt ist. Die Komponente selbst besteht aus wissenschaftlichen Modellen sowie Daten und Validierungen von Experimenten und Simulationen. Als ganzheitlicher Ansatz optimiert ein solcher digitaler Zwilling nicht nur die Effizienz von Produktionsprozessen, sondern leistet auch in der Lebensmittelversorgung einen bedeutenden Beitrag.
Smartphone-App zur genaueren
Bestimmung der Haltbarkeit
Doch auch die aktive Beteiligung der Konsumierenden spielt eine entscheidende Rolle bei der Reduzierung von Lebensmittelverschwendung. Nicht nur, dass die Konsumierenden letztlich die Lebensmittel entweder konsumieren oder lagerfähig machen müssen, sondern sie können auch wichtige Informationen zur genaueren Bestimmung der Haltbarkeit beitragen. In vielen Fällen orientieren sich die Konsumierenden am MHD, das von den Unternehmen festgelegt wird, um die Frische der Lebensmittel zu bestimmen. Jedoch nimmt das Bewusstsein für die genaue Beurteilung der Genießbarkeit, insbesondere nach Ablauf des MHDs oder bei schon geöffneten Lebensmitteln, ab.
Das Smartphone als täglicher Begleiter vieler Menschen könnte Abhilfe schaffen: So könnte eine Smartphone-App den Anwendern helfen, die Frische von Produkten nach dem Überschreiten des MHDs zu bewerten oder die Lagerung zu optimieren [21]. Die App erfasst dabei eine Vielzahl von Informationen, darunter Produktinformationen wie das MHD und Benutzerbewertungen zu Geschmack, Geruch und Textur der Lebensmittel. Zudem werden Details zur Lagerung des Produkts sowie das Datum des Verbrauchs erfasst, um eine umfassende Bewertung
1 https://foodinformatics.uni-hohenheim.de/aif-22840n und www.fei-bonn.de/gefoerderte-projekte/projektdatenbank/22840-n.projekt (zuletzt aufgerufen am 17.05.2024)
des Verbrauchserlebnisses zu ermöglichen. Des Weiteren bietet die App den Konsumierenden die Möglichkeit, die Frische ihrer Produkte eigenständig unter Berücksichtigung ihrer Sinne und Wahrnehmungen zu bestimmen. So können die Konsumierenden die besten Praktiken zur Lebensmittellagerung erlernen und detailliertere Informationen zu den tatsächlichen Haltbarkeiten der Lebensmittel erhalten, wodurch Unsicherheiten bezüglich der Genießbarkeit und somit auch Lebensmittelabfälle reduziert werden können. Abbildung 3 zeigt die Benutzeroberfläche des App-Prototypen.
Darüber hinaus haben die aus diesen Interaktionen aggregierten Daten einen immensen Wert. Sie können wichtige Rückmeldungen an Lebensmittelproduzenten und -hersteller liefern und es ihnen ermöglichen, ihre Prozesse basierend auf Echtzeit-Verbrauch- und Brancheneinblicken zu optimieren. Beispielsweise kann die Haltbarkeit der Lebensmittel genauer durch Informationen über die realen Lagerbedingungen bestimmt werden. Dieser proaktive Ansatz gewährleistet die Aufrechterhaltung hoher Qualitätsstandards entlang der gesamten Lebensmittel-Lieferkette. Eine herausfordernde Aufgabe bleibt die effek-
tive Vermittlung dieser Informationen an die Konsumierenden. Es gilt, Wege zu finden, wie Unternehmen und Konsumierende gleichermaßen von dieser wertvollen Informationsquelle profitieren können, um gemeinsam die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.
Vermittlung der Information an die Konsumierenden
Durch die Möglichkeit, mittels generativer KI Texte zu erzeugen, eröffnen sich vielfältige Anwendungen. So liefern generative KI-Tools, wie z. B. ChatGPT, bereits durchaus ansprechende und realistische Antworten auf die Frage, wie ältere, noch verzehrfähige Lebensmittel verwendet werden können.
Die Interaktion zwischen Konsumierenden und KI kann über Schnittstellen weiter optimiert werden. Ein innovativer Ansatz wäre beispielsweise, ein Foto des Kühlschranks zu machen und dieses mithilfe von Bildanalysetools zu analysieren. Die gewonnenen Informationen könnten dann an die generative KI übergeben werden, die daraufhin nicht nur Rezeptvorschläge liefert, sondern auch Empfehlungen zur verbesserten Lagerung gibt.
Abbildung 3: Interface und Interaktion eines Smartphone-AppPrototyps: Homescreen (1); Produktsuche (2); Produktinformation (3); Produktfeedback (4)
Es ist jedoch wichtig, sich bewusst zu sein, dass KI-Tools wie ChatGPT Sprachmodelle (sogenannte Large Language Models, kurz LLM) nutzen und dass ihr Wissen auf trainierten Daten basiert. Um die Sicherheit und Genauigkeit zu gewährleisten, sollte eine zusätzliche Schnittstelle implementiert werden, um fundiertes Wissen in die Interaktion einzubringen. Auf diese Weise können die Konsumierenden nicht nur kreative Ideen und praktische Tipps von der generativen KI erhalten, sondern auch auf verlässliche und authentische Informationen zurückgreifen. Dies verdeutlicht den Potenzialbereich der generativen KI, kombiniert mit weiterentwickelten Schnittstellen, um den Konsumierenden eine noch umfassendere und sicherere Erfahrung zu bieten.
Der effektive Einsatz von KI zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung erfordert eine integrierte Lösung aus verschiedenen Elementen. Es bedarf zunächst Informationssysteme, die den Zustand der Lebensmittel in der gesamten Lieferkette überwachen und diese Informatio -
nen dann nahtlos mit den relevanten Akteuren teilen können. Zudem sind Analyseplattformen erforderlich, die die gesammelten Daten verarbeiten und für prädiktive Modelle zur Haltbarkeitsvorhersage nutzen. Aufgrund der komplexen Natur von Lebensmitteln, die durch ihre chemischen, physikalischen und biologischen Eigenschaften definiert ist, bietet sich die Nutzung von digitalen Lebensmittel-Zwillingen an. Diese digitalen Repräsentationen, erstellt mit KI, ermöglichen eine präzise Abbildung der Eigenschaften und Verhaltensweisen von Lebensmitteln.
Ein entscheidender Faktor, der bisher oft vernachlässigt wurde, ist die Erklärbarkeit von Entscheidungen durch KI-Systeme. XAI kann hier Abhilfe schaffen, indem es durch eine detaillierte Analyse Erklärungen zu den getroffenen Entscheidungen liefert und somit das Vertrauen in die Technologie stärkt.
Abschließend spielt auch die Interaktion mit den Konsumierenden eine zentrale Rolle. Konsumierende können aktiv Informationen zur Lagerung
E-Mail: elia.henrichs@uni-hohenheim.de und Haltbarkeit von Lebensmitteln teilen. Generative KI kann wiederum dazu dienen, auf innovative Weise mit den Konsumierenden zu kommunizieren, und ihnen beispielsweise kreative Rezeptideen für die Verwertung ihrer Vorräte vorschlagen. Zusammen bilden diese Elemente eine ganzheitliche Strategie from farm to fork and back zur effizienten Nutzung von KI im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung. +++
Literaturverzeichnis
[1] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), “Lebensmittelabfälle in Deutschland: Aktuelle Zahlen zur Höhe der Lebensmittelabfälle nach Sektoren,” 2023. https://www. bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittelverschwendung/ studie-lebensmittelabfaelle-deutschland.html. (zuletzt aufgerufen am 17.05.2024)
[2] Statistisches Bundesamt, “Lebensmittelabfälle in Deutschland,” 2022. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/Abfallwirtschaft/Tabellen/lebensmittelabfaelle. html. (zuletzt aufgerufen am 17.05.2024)
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[4] H. Hübsch, “Systematische Erfassung des Lebensmittelabfalls der privaten Haushalte in Deutschland,” 2021. https://www. bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/Lebensmittelverschwendung/GfK-Analyse-2020.pdf (zuletzt aufgerufen am 17.05.2024)
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[7] J. Sicking, A. Voss, T. Wirtz, and N. Paul, “Maschinelles Lernen » on the Edge «,” Sankt Augustin, 2019. [Online]. Available: https://www.iais.fraunhofer.de/content/dam/iais/pr/pi/2019/ WhitepaperMachineLearningontheedge/Whitepaper_Machine-Learning-on-the-edge_FraunhoferIAIS.pdf.
[8] The Commission of the European Communities, “COMMISSION REGULATION (EC) No 450/2009 of 29 May 2009 on active and intelligent materials and articles intended to come into contact with food,” Off. J. Eur. Union, no. 135, pp. 3–11, 2009, [Online]. Available: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ TXT/%0APDF/?uri=CELEX:32009R0450.
[9] P. Müller and M. Schmid, “Intelligent packaging in the food sector: A brief overview,” Foods, vol. 8, no. 1, 2019, doi: 10.3390/foods8010016.
[10] M. Ghaani, C. A. Cozzolino, G. Castelli, and S. Farris, “An overview of the intelligent packaging technologies in the food sector,” Trends Food Sci. Technol., vol. 51, pp. 1–11, 2016, doi: 10.1016/j.tifs.2016.02.008.
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Elia Henrichs, Julia Senge, Christian Krupitzer Fachgebiet Lebensmittelinformatik & Computational Science Hub, Universität Hohenheim, Stuttgart Fruwirthstr. 21, 70599 Stuttgart
[12] A. Albrecht, R. Ibald, V. Raab, W. Reichstein, D. Haarer, and J. Kreyenschmidt, “Implementation of Time Temperature Indicators to Improve Temperature Monitoring and Support Dynamic Shelf Life in Meat Supply Chains,” J. Packag. Technol. Res., vol. 4, no. 1, pp. 23–32, Mar. 2020, doi: 10.1007/s41783019-00080-x.
[13] S. Mondal, K. P. Wijewardena, S. Karuppuswami, N. Kriti, D. Kumar, and P. Chahal, “Blockchain inspired RFID-based information architecture for food supply chain,” IEEE Internet Things J., vol. 6, no. 3, pp. 5803–5813, 2019, doi: 10.1109/ JIOT.2019.2907658.
[14] E. Henrichs, “Enhancing the Smart, Digitized Food Supply Chain through Self-Learning and Self-Adaptive Systems,” in Proceedings – 2021 IEEE International Conference on Autonomic Computing and Self-Organizing Systems Companion, ACSOS-C 2021, 2021, pp. 304–306, doi: 10.1109/ACSOS-C52956.2021.00081.
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[16] E. Henrichs, T. Noack, A. M. P. Piedrahita, M. A. Salem, J. Stolz, and C. Krupitzer, “Can a byte improve our bite? An analysis of digital twins in the food industry,” Sensors, vol. 22, no. 1, p. 115, 2022, doi: 10.3390/s22010115.
[17] C. Krupitzer, T. Noack, and C. Borsum, “Digital Food Twins Combining Data Science and Food Science: System Model, Applications, and Challenges,” Processes, vol. 10, no. 9, p. 1781, Sep. 2022, doi: 10.3390/pr10091781.
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[19] P. Verboven, T. Defraeye, A. K. Datta, and B. Nicolai, “Digital twins of food process operations: the next step for food process models?,” Curr. Opin. Food Sci., vol. 35, pp. 79–87, Oct. 2020, doi: 10.1016/j.cofs.2020.03.002.
[20] E. Purlis, “Physics-Informed Machine Learning: the Next Big Trend in Food Process Modelling?,” Curr. Food Sci. Technol. Reports, vol. 2, no. 1, pp. 1–6, Dec. 2023, doi: 10.1007/s43555023-00012-6.
[21] J. Senge, E. Mielinger, M.-C. Wendt, R. Weinrich, and C. Krupitzer, “A crowdsensing-based smartphone app for optimal food storage and real-time best-before dates,” in Biodiversität fördern durch digitale Landwirtschaft, 2024, pp. 407–412.
NACHHALTIGE BACKWAREN
Mit steigendem Produktionsvolumen von Milchalternativen aus Sojabohnen, Hafer oder Buchweizen bleiben immer mehr Nebenprodukte (wie Sojabohnen-Okara) aus der Produktion unverarbeitet zurück. Diese Nebenströme haben das Potenzial, als funktionelle Rohstoffe in Brot und Backwaren Verwendung zu finden, wie aktuelle Studien zeigen.
+Nebenströme sind Rückstände aus der Herstellung von pflanzlichen Milchalternativen, die bei der Verarbeitung von Sojabohnen, Hafer, Buchweizen und anderen Pflanzen anfallen. Diese Nebenprodukte enthalten wertvolle Nährstoffe und können als funktionelle Zutaten in der Backwarenindustrie eingesetzt werden. Dieser Artikel stellt die neuesten Forschungsergebnisse vor, gibt einen aktuellen
Marktüberblick über Sojabohnen-Nebenströme und außerdem einen Überblick über weitere Reststoffe und deren Einsatzmöglichkeiten in Backwaren.
Wachstum des Marktes für pflanzliche Milchalternativen
Der Weltmarkt für Sojamilch verzeichnet ein deutliches Wachstum. Im Jahr 2022 wurde die Marktgröße auf 10,3 Milliarden US-Dollar geschätzt. Prognosen deuten darauf hin, dass der Markt bis 2030 voraussichtlich auf 16,17 Milliarden US-Dollar anwachsen wird (8). Etwa 10 % der deutschen Bevölkerung leben vegetarisch und/oder vegan, was sich im Umsatz in Höhe von 112 Millionen EUR im Jahr 2020 auf dem Markt für pflanzliche Milchalternativen widerspiegelt (1). Laut Statista (2023) konsumierten im Jahr 2021 etwa 1,53 Millionen Menschen
in Deutschland regelmäßig Sojamilchprodukte mehrmals pro Woche. Diese Zahlen verdeutlichen die steigende Nachfrage nach pflanzlichen Milchalternativen (hergestellt aus Sojabohnen, Hafer oder Buchweizen) (2). Dieser Anstieg wird durch das zunehmende Bewusstsein der Verbraucher für die gesundheitlichen Vorteile, den Tierschutz und die Nachhaltigkeit angetrieben. Wie die Marktforschungsergebnisse von Mintel zeigen, geht der Trend in der Lebensmittelbranche zunehmend in Richtung Transparenz, Nachhaltigkeit und Wiederverwendung von Reststoffen, um natürliche, wenig verarbeitete und nährstoffreiche Produkte herzustellen. Ein herausragendes Beispiel ist die Firma Matriark, USA (www.matriarkfoods.com) mit ihren Pastasoßen: Das Unternehmen stellt Pastasoßen aus frisch recycelten, nährstoffreichen Tomatenresten her und verpackt sie in langlebigen Kartons. Der Kauf eines Kartons rettet 0,4 Pfund Gemüse vor dem Müll, spart fast 190 Liter Wasser und 0,45 kg Treibhausgase und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit (17).
Forschungsergebnisse zu Soja-Okara Okara*, auch bekannt als „ おから “ auf Japanisch, entsteht als Nebenprodukt der Sojabohnenverarbeitung während der Herstellung von
* Die japanische Bezeichnung „Okara“ kann als „Pressrückstand“ übersetzt werden und wird auch in Bezug auf andere Nebenprodukt-Quellen wie Hafer oder Buchweizen verwendet (siehe Tab. 2).
Abbildung 1: Hausgemachter Sojariegel (Okara-Kuchen), Sojamilch und Sojabohnen
Sojamilch und Tofu. Die Produktionsmengen des entstehenden Nebenprodukts fallen tonnenweise an (6) und werden nicht immer wiederverwendet, obwohl es gesundheitsförderliche Aspekte aufweist (siehe Tab. 1) und besonders für die Anwendung in Backwaren geeignet ist (3), siehe Tab. 2. Ähnliche Rückstände werden auch bei der Verarbeitung von Hafer und Buchweizen gewonnen (siehe Abbildung 6). Dieses Nebenprodukt wird bereits seit Jahrhunderten in verschiedenen traditionellen Gerichten in Ländern wie China, Japan und Korea verwendet.
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Studien zu verschiedenen Okara-Sorten durchgeführt, um seine Eigenschaften, Verarbeitungsmethoden und potenziellen Anwendungen in der Lebensmitteltechnologie zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass das Nebenprodukt reich an Proteinen, Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen ist, was es zu einem vielversprechenden Lebensmittelzusatzstoff macht. Forscher haben zudem verschiedene Verarbeitungsmethoden wie Trocknung, Mahlen und Extrusion untersucht, um den Pressrückstand in Produkte wie Brot, Kuchen, Kekse und Nudeln zu integrieren. Es wurde festgestellt, dass der Nährstoffgehalt (siehe Tab. 1) je nach angewandter Verarbeitungsmethode variieren kann. Darüber hinaus ist Okara angereichert mit
Tabelle 1: Soja-Okara Nährstoffwerte; aus den fünf überarbeiteten Standardtabellen für die Nährstoffzusammensetzung von Lebensmitteln in Japan
Energie 111 kcal pro 100 g Sojabohnen-Okara
Phytochemikalien, einschließlich Isoflavon, Lignin und Phytosterol, die positive gesundheitsfördernde Wirkung haben. Bei der Verarbeitung von Sojabohnen zu Sojaprodukten werden etwa 1,1 kg bis 1,2 kg Okara (auf Nassbasis) aus 1 kg verarbeiteten Sojabohnen gewonnen (6). Lian et al. (2019) untersuchten, ob Okara als Verdickungsmittel verwendet werden kann, um das Mundgefühl zu verbessern (siehe Abbildung 2). Das Nebenprodukt kann zu einem nährstoffreichen Mehl getrocknet werden, aber seine hohe Wasserabsorption führt zu dichteren Backwaren. Die Analyse ergab, dass Kichererbsen-Okara mehr Stärke, aber weniger unlösliche Ballaststoffe und Protein als Soja-Okara enthält. Beide Okaramehle erhöhten die Viskosität des Teigs deutlich, wenn sie hinzugefügt wurden. Die Zugabe von Okara zum glutenfreien Brot erhöhte den Feuchtigkeitsgehalt und führte zu einer weicheren Krume, obwohl die Krustenhärte zunahm (4). Plazotta et al. (2022) untersuchten die
Verwendung von Soja-Nebenprodukt zur Verbesserung der Ölverteilung und Förderung der gesunden Eigenschaften von Brot. Die Forscher stellten eine Emulsion aus Okara und Öl her, um das Öl gleichmäßig im Brot zu verteilen. Durch die Emulsionsfähigkeit des Okara-Faser-ProteinNetzwerks wurde eine signifikante Reduzierung der gesättigten Fettsäuren um mehr als 50 % erreicht, während der Proteingehalt sowie der Ballaststoffgehalt im Brot erhöht wurden (5). Die Ersetzung von Weizenmehl durch Okara-Pulver in einem Anteil von 10–25 % kann den Proteingehalt in Keksen erhöhen, ohne die sensorischen Parameter negativ zu beeinflussen (7).
Hafer-Okara und sein gesundheitlicher Nutzen
Haferflocken weisen im Vergleich zu anderen Getreidesorten einen besonders hohen Anteil (ca. 5 %) an Beta-Glucan auf, einem äußerst wertvollen Zusatzstoff in der Lebensmittelindustrie aufgrund seiner immunstimulierenden, präbiotischen und ballaststoffreichen Eigenschaften. Sie sind daher ein bevorzugter Rohstoff in verschiedenen Branchen wie Kosmetik, Fitness, Sport und spezieller Ernährung. Die Bestätigung der EFSA im Jahr 2010, dass der tägliche Verzehr von drei Gramm Hafer- β -Glucan das Risiko einer koronaren Erkrankung senken kann, hat die Verwendung von Hafer- β -Glucan in Backwaren und anderen Lebensmitteln stark gefördert (16). Bei der schwedischen Firma Oatly, einem Hersteller von Hafermilch, fielen im Jahr 2020 41.000 Tonnen Hafer-Okara an (18). Das Recycling von Haferpülpe ist daher genauso
Mehlersatz
Okara kann als Teil des Mehls in Brotrezepturen verwendet werden, um die ernährungsphysiologische Qualität des Brotes zu verbessern. Es dient als Quelle für zusätzliches Protein, Ballaststoffe und andere Nährstoffe.
Feuchthaltemittel
Aufgrund seines hohen Feuchtigkeitsgehalts kann Okara dazu beitragen, die Feuchtigkeit in Brotprodukten zu halten, was zu einem optimalen Endprodukt führt.
Textur
Die Fasern in Okara können dazu beitragen, die Textur von Brot zu verbessern, indem sie eine weiche Krume und ein angenehmes Mundgefühl erzeugen.
Farbe
Okara kann auch die Farbe von Brot beeinflussen. Insbesondere wenn es in höheren Mengen verwendet wird, kann es zu einem dunkleren, reicheren Farbton führen.
wichtig für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen, wie es bei Sojabohnen-Okara der Fall ist. Obwohl die Textur im Vergleich zu Soja-Okara möglicherweise weniger fest ist, variiert der Proteingehalt des Hafer-Nebenprodukts je nach Verarbeitungstechniken zwischen 27 und 50 %. Der Ballaststoffgehalt macht zwischen 31 und 42 % des Nährstoffprofils aus (15). Hafer-Okara ist eine hervorragende Alternative für glutenfreie Backwaren und für Personen mit Sojaallergien oder -unverträglichkeiten. Die Wahl zwischen den beiden hängt daher von den spezifischen Bedürfnissen oder Verwendungszwecken ab.
Am 6. März 2024 präsentierten Forscher (Jasmin Fischer, Romana Plebst, Harald Rohm, Doris Jaros) der TU Dresden, unter der Leitung von Dr. Carsten Nachtigall, auf der Tagung des Weihenstephaner Instituts in Freiburg einen Vortrag zum Thema „Einsatz von minimal prozessiertem Hafer-Okara in Weizenbrot“. Die Arbeitsgruppe untersuchte dabei die sensorischen und backtechnologischen Eigenschaften von Weizenbroten mit Hafer-Okara-Zusatz. Die Forschungsergebnisse zeigten, dass bei einer Mehlsubstitution von 10 % von frischem Hafer-Okara ein Backverlust und eine Verkleinerung der Poren im Brot auftreten können. Die Haferpülpe hat die Eigenschaft, Wasser zu binden, was dazu führt, dass die Brotmasse zunimmt und bis zu 7 Tage lang unverändert bleibt. Sensorische Analysen zeigten, dass Weizenbrote mit Okara einen angenehmen nussigen, salzigen und getreidigen Geschmack sowie eine faserige Textur aufweisen (15).
Abbildung 2: Übersicht der Eigenschaften von Okara als funktionelle Backzutat
Abbildung 3: Gedämpftes Brot aus SojabohnenOkara nach japanischer Art
Tabelle 2: Einsatzmöglichkeiten von Reststoffen (Nebenprodukten) aus der Getreide-, Hülsenfrucht- und Mandelverarbeitung
Reststoff/Nebenprodukt Quelle
Amaranth-Reststoffe
Buchweizen-Okara
Dinkelkleie
Erbsenkleie
Hafer-Okara
Mandel-Okara
Sojabohnen-Okara
Quinoa-Reststoffe
Roggenkleie
Weizenkleie
Amaranth-Verarbeitung
Buchweizen-Verarbeitung
Getreideverarbeitung
Hülsenfrucht-Verarbeitung
Hafermilchherstellung
Mandelmilchherstellung
Sojamilchherstellung
Quinoa-Verarbeitung
Getreideverarbeitung
Getreideverarbeitung
Funktion Beispiele für Einsatz
Proteinquelle, Textur- und Geschmacksverbesserung
Ballaststoff- und Proteinquelle, Textur- und Geschmacksverbesserung (nussig)
Ballaststoff- und Proteinquelle, Textur- und Geschmacksverbesserung
Ballaststoff- und Proteinquelle, Textur- und Geschmacksverbesserung
Protein- und Ballaststoffquelle (16), Geschmacksverbesserung (süßlich)
Protein- und Fettquelle, Geschmacksverbesserung (nussig)
Feuchtigkeits- und Fettbindemittel, Texturverbesserung, Protein- und Ballaststoffquelle
Proteinquelle, Textur- und Geschmacksverbesserung
Ballaststoffquelle, Proteinquelle, Textur- und Geschmacksverbesserung
Ballaststoffquelle, Proteinquelle, Textur- und Geschmacksverbesserung
Müsliriegel, Brot, Kekse, Müsli
Brot, Gebäck, Müsliriegel, Pasta, Kekse
ballaststoffreiche Brote, Müsliriegel, Kekse, Muffins
Brot, Gebäck, Müsliriegel, Pasta, Kekse
Haferkekse, Müsliriegel, Brot, Pralinen
Kuchen, Gebäck, Müsli, Desserts
Brot, Gebäck, Pfannkuchen
Müsliriegel, Brot, Kekse, Müsli
ballaststoffreiche Brote, Müsliriegel, Kekse, Muffins
ballaststoffreiche Brote, Müsliriegel, Kekse, Muffins
Abbildung 4: Bio-Soja-Okara
Überblick über den Sojabohnen-Okara-Markt
Okara, ein Nebenprodukt der Sojabohnenverarbeitung, hat in den letzten Jahren weltweit in der Lebensmittelindustrie an Bedeutung gewonnen. Diese Marktübersicht gibt einen Einblick in die derzeit auf dem Markt erhältlichen Nebenprodukte sowie deren Produzenten. Laut einer Analyse von Data Bridge Market Research wird der Okara-Markt bis 2030 voraussichtlich einen Wert von 5,41 Milliarden US-Dollar erreichen. Im Jahr 2022 betrug der Wert bereits 3,72 Milliarden US-Dollar (9).
Die Kikkoman Soyfoods Company ist ein japanisches Unternehmen auf dem Okara-Markt, das das Nebenprodukt trocknet, zu Pulver mahlt
und als Rohstoffzutat vertreibt. Ihr Produkt, das „Kikkoman Soy Milk Okara Powder“, ist reich an Nährstoffen wie Ballaststoffen (38,1 g pro 100 g) und pflanzlichem Eiweiß (30,8 g pro 100 g). Das Okara wird als Mehlersatz verwendet, um glutenfreie Backwaren zu produzieren (10).
Renewal Mill, ein Unternehmen mit Sitz in Oakland, USA, bietet mit „Organic Okara Flour“ ein Okara-Mehl an, das allein oder in Kombination mit anderen Mehlen für glutenfreie Brote und Kleingebäcke verwendet werden kann. Eine halbe Tasse enthält nach Angaben des Unternehmens 20 g Ballaststoffe und 7 g Eiweiß (11).
Die Futur Naturprodukte GmbH mit Sitz in Frutingen, Schweiz, hat sich seit März 1998 auf
Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) legt den rechtlichen Rahmen für die Entsorgung und den Umgang mit Abfällen in Deutschland fest. Die grundlegenden Begriffe wie Abfall und Nebenprodukt werden in den Paragrafen 3 und 4 des KrWG definiert. Gemäß der EU-Abfallrahmenrichtlinie wird Abfall in Paragraf 3 als Materialien oder Substanzen definiert, die nicht mehr benötigt werden und deren Entsorgung erforderlich ist. Gemäß Paragraf 4 werden Nebenprodukte als Stoffmengen definiert, die während eines Produktionsprozesses entstehen und noch einen Nutzen oder Wert haben, sodass sie direkt weiterverwendet werden können. Es ist wichtig, zwischen Abfällen und Nebenprodukten zu unterscheiden, da Abfälle einer ordnungsgemäßen Entsorgungspflicht unterliegen, während Nebenprodukte als wirtschaftliche Ressourcen betrachtet und weiterverwendet werden können (14).
Abbildung 5: SWOT-Analyse des Recyclings von Reststoffen
Abbildung 6:
Pressrückstand von der Buchweizenmilchherstellung und handgemachte, glutenfreie Kekse aus BuchweizenOkara und Maismehl
die Herstellung von Sojabohnen-basierten Produkten spezialisiert, wie zum Beispiel Tofu und Okara. Nach Angaben des Unternehmens stammen die Sojabohnen ausschließlich aus der Schweiz. Bei der Herstellung werden keine Konservierungs- oder Zusatzstoffe verwendet. Das „Bio-Okara“ ist reich an Ballaststoffen (7,2 g pro 100 g) sowie vollwertigem Eiweiß (6,3 g pro 100 g), gut resorbierbarem Eisen und anderen Mineralien (siehe Tab. 1) und wird in 250-GrammPackungen verkauft (12).
Die So&Ja GmbH ist ein deutsches Unternehmen mit Sitz in Titz, Nordrhein-Westfalen. Hier entsteht „Bio-Okara“ aus Nicht-GVO-Sojabohnen und von kontrolliertem, ökologischem Landbau. Das Produkt hat einen Eiweißgehalt von 6 g pro 100 g und enthält keine weiteren Konservierungsstoffe. Es wird in Verpackungseinheiten von 250 g und 750 g angeboten (13).
Das Okara-Nebenprodukt sollte innerhalb von 2 bis maximal 7 Tagen nach Herstellung verwendet werden, da es eine kurze Haltbarkeit aufweist. Um eine langfristige Lagerung zu ermöglichen, wird das Produkt kühl transportiert und gelagert sowie in der Regel eingefroren. Der Gehalt an Nährstoffen kann je nach Verarbeitungstechnik (Trocknung, Extraktionsmethoden) variieren. Zum Beispiel kann der Proteingehalt von 30 g auf 6 g pro 100 g Produkt reduziert
werden. Der Kunde findet auf dem Markt die passende Okara-Variante für seinen Verwendungszweck. Okara ist vielseitig einsetzbar, ob zum Backen, zur Suppenherstellung oder für Low-Carb-Gerichte.
In Tabelle 2 werden verschiedene Reststoffe und Nebenprodukte aus der Lebensmittelverarbeitung präsentiert, die als Zutaten in Backwaren verwendet werden können. Sie stammen aus Quellen wie Amaranth, Buchweizen, Dinkel, Erbsen, Hafer, Mandel, Quinoa, Sojabohnen, Roggen und Weizen und sind eine nachhaltige Quelle für Proteine und Ballaststoffe mit all ihren ernährungsphysiologischen Vorteilen. Darüber hinaus tragen sie zur Verbesserung von Textur und Geschmack bei und bieten sowohl technologische als auch sensorische Vorteile in Produkten. Besonders bemerkenswert ist das Potenzial der Nebenströme aus der Soja-, Mandel-, Buchweizen- und Hafermilchherstellung für ihren Einsatz als funktionelle Zutaten in glutenfreien Backwaren.
Die Verwendung von Nebenprodukten birgt Herausforderungen wie verkürzte Haltbarkeitszeiten und unzureichende rechtliche Vorgaben, die ihre Nutzung beeinträchtigen könnten. Dennoch bieten die steigende Nachfrage nach nachhaltigen Inhaltsstoffen und kontinuierliche Innovationen Möglichkeiten für die Weiterentwicklung und Wiederverwendung dieser Ressourcen. Es bestehen Risiken in Bezug auf die Verfügbarkeit und Qualität dieser Reststoffe, die saisonalen Schwankungen unterliegen und Bedenken hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit aufwerfen können. Etablierte Hersteller, die bereits fertige Backzutaten anbieten, könnten auch mit den Nebenprodukten in Wettbewerb treten. Alle genannten Faktoren müssen bei der Integration von Nebenprodukten als Backzutat in die Backwarenproduktion sorgfältig berücksichtigt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Nebenprodukte aus der Herstellung pflanzlicher Milchalternativen ein großes Potenzial bieten – sowohl
Abbildung 7: Hafer-Schoko-ToffeeHerzen – für die Herstellung verwendet Fazer Hafer-Okara
Literaturverzeichnis
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Zhanar Sadyk, freie Fachjournalistin und Lebensmitteltechnologin, M. Sc. E-Mail: sadyk@food-editorial-solutions.de
aus Nachhaltigkeits- als auch aus gesundheitlicher Sicht –, als funktionelle Zutaten in Backwaren eingesetzt zu werden. Allerdings erfordert dieser Einsatz geeignete Verarbeitungsmethoden wie Trocknung und Mahlen, um die gewünschte Qualität und Funktionalität in Brot und Backwaren zu gewährleisten. +++
9. Global Okara Market – Industry Trends and Forecast to 2030. (2023, März). www. databridgemarketresearch.com. Abgerufen am 3. April 2024, von https://www.databridgemarketresearch. com/reports/global-okara-market
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BEISPIEL CHIAM
Das Projekt CHIAM* zielt darauf ab, eine klima-intelligente Lösung für nachhaltige Lebensmittelsysteme in Afrika zu entwickeln. Der Aufbau einer resilienten Wertschöpfungskette, bestehend aus Chia, Austernpilzen, Schweinemast und Biogas, trägt zur Diversifizierung, Verbesserung der Nachhaltigkeit, Kreislauffähigkeit und Widerstandsfähigkeit der afrikanischen Nahrungsmittelsysteme gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels bei.
+Die Einführung neuer und innovativer Technologien in die kenianische Lebensmittelwertschöpfungskette ist beabsichtigt und wird durch vier miteinander verknüpfte und multidisziplinäre Forschungs- und Technologieziele erreicht. Diese beinhalten die Züchtung und Verbreitung von hochproduktiven Chia-Pflanzen ( Salvia hispanica L. ), die sich an ein breites Spektrum von Wetterbedingungen wie Wasseroder Temperaturstress aufgrund des Klimawandels anpassen können. Die Witterungsflexibilität neuer Chia-Pflanzen fördert die ökologische Landwirtschaft und die Anpassung an klimatische Schwankungen mit dem ersten Ziel des Projektes, die Widerstandsfähigkeit zu verbessern und die Volatilität der Agrar- und Lebensmittelproduktion zu reduzieren. Dies steht im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2, 12, 13 und 15.
Ziel Nummer zwei ist die Verbesserung von Pilzanbautechnologien in Afrika zur Entwicklung von Produktionskonzepten für klima- und bodenunabhängige Produktionsverfahren. Austernpilze ( Pleurotus spp ) können zum einen auf einer Vielzahl von landwirtschaftlichen Nebenströmen wachsen und zum anderen unter geschlossenen und kontrollierten Gewächshausbedingungen
angebaut werden. Die Einbindung des Austernpilzanbaus in das afrikanische Landwirtschaftssystem erhöht die Fähigkeit, mehr Nahrungsmittel mit der Nutzung der eigenen landwirtschaftlichen Abfälle zu produzieren, und trägt gleichzeitig zu einer Lösung mit geringem Kohlenstoff-Fußabdruck des Nahrungsmittelsystems bei. Dieses zweite Ziel des Projektes trägt ebenso zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2, 12, 13 und 15 bei.
Das dritte Ziel des Projektes ist die Entwicklung neuartiger, mit Chia und Austernpilzen angereicherter lokaler Lebensmittel zur Linderung von Makro- und Mikronährstoffmängeln und zur Verbesserung der Ernährungssicherheit in Afrika. Untersuchungen der sozio-ökonomischen Auswirkungen der neuen Nahrungsmittel auf die regionalen Nahrungsmittelsysteme und Ernährungsbedürfnisse und -muster werden durchgeführt. Dies ist auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung 2 und 12 ausgerichtet. Zuletzt soll die Entwicklung und Demonstration des ganzheitlichen Ansatzes zur Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensmittelsicherheit und Ernährung dargelegt werden. Die beiden landwirtschaftlichen Aktivitäten werden miteinander verbunden, indem
*CHIAM steht für Integrated Chia and Oyster Mushroom System for Sustainable Food Value Chain in Africa
Abbildung 1: Kurzübersicht über das Projekt und die Ziele der Forschungsstelle UH [1–5]
+ Weniger ressourcenintensiv als Weizen
+ Hohe Anteile an a-Linolensäure1
+ Mineralien, Ballaststoffe, Lipide und Proteine2
+ Cash-cow
+ Nebenstromverwertung
+ Energiegewinnung
Austernpilze
Biogas Schweinezüchtung
+ Speisepilz
+ 42 % Protein je nach Kulturmedium und -bedingungen3,4
+ Hoher Ballaststoffanteil5
+ Substratvielfalt
+ Nebenstromverwertung
+ Cash-cow
+ Nebenstromverwertung
+ Fleischgewinnung
Ziele Part UH
Ernährungsphysiologisch wertvolle Grundnahrungsmittel für den kenianischen Markt
Anreicherung von Porridges & Brot mit gemahlenen Chiasamen und Austernpilzen
die Lignocellulose-haltigen Rückstände der ChiaPflanzen als Ausgangsmaterial für die Austernpilzzucht verwendet werden. Dieses Konzept wird in das breitere Netzwerk der landwirtschaftlichen Aktivitäten als Abfallmanagement und erneuerbare Energieproduktion eingebettet. Das verbrauchte Pilzsubstrat, das nach der Pilzernte übrig bleibt, wird aufgrund seines Proteingehalts (durch Pilzmyzelien) und seines Gehalts an vorverdauten Fasern in Schweinefütterungsversuchen eingesetzt. Anschließend wird der Schweinemist zur Produktion von Biogas verwendet, das zu umweltfreundlichem Kochen, zur Beleuchtung und Heizung dient. Um den Kreislauf zu schließen, werden die Biogas-Gärreste als Bio-Dünger getestet, um Nährstoffverluste zu vermeiden und die Bodenqualität zu verbessern.
Das übergeordnete Ziel dieser angewandten Forschung ist es, eine zirkuläre klima-intelligente Landwirtschaftsdemonstration ins Leben zu rufen, die in den gemischten Maisanbau eingefügt wird, um mehr Wissen darüber zu gewinnen, wie die Wechselwirkung zwischen Klimawandel und Nahrungsmittelsystemen gemildert werden
kann. Die Ergebnisse des Ziels werden den Zielen für nachhaltige Entwicklung 2, 7, 12, 13 und 15 dienen.
Die Aktivitäten zum Erreichen der Ziele des CHIAM-Projektes basieren auf einem multinationalen und interdisziplinären, nachfrageorientierten Ansatz, der eine Vielzahl von Stakeholdern (Kleinbauern und Bauernorganisationen, Futter-
Kenia: Dedan Kimathi University of Technology (DeKUT) and Keyrio Farm
Deutschland: Universität Hohenheim (UH)
Ungarn: Pilze-Nagy Ltd (Pilze) and Bay Zoltan Nonprofit Ltd for Applied Research (BZN)
Ägypten: Agricultural Research Center (ARC)
Marokko: University of Sultan Moulay Slimane (USMS)
Algerien: Centre de Recherche Scientifique et Technique sur les Régions Arides (CRSTRA)
mittelherstellerverbände und landwirtschaftliche Berater; sowie Forschungsorganisationen, Verbraucherorganisationen und die Öffentlichkeit) einbezieht. Dieser Ansatz wird von einem internationalen und branchenübergreifenden Konsortium aus Kenia, Deutschland, Marokko, Ägypten, Ungarn und Algerien umgesetzt. Diese Vielfalt von Partnern gewährleistet eine gute Kombination von Wissen und Erfahrung. Die Partner ergänzen sich gegenseitig und ihr Wissen sichert die Fähigkeit, die Projektziele zu erreichen.
In Abbildung 1 befindet sich eine Kurzübersicht über das Gesamtprojekt und die Ziele der Forschungsstelle Prozessanalytik und Getreidewissenschaft bzw. Lebensmittel pflanzlicher Herkunft an der Universität Hohenheim (UH). Die Arbeiten der UH bewegen sich in der oberen Hälfte des Kreislaufes.
Ziel des deutschen Projektbeitrages ist die Anreicherung von Grundnahrungsmitteln und deren Rezepturoptimierung mit Chia und Austernpilzen. Hierzu wurden traditionelle kenianische Porridges und Weizenbrot als Modelllebensmittel herangezogen, wobei Erstere nun näher diskutiert werden.
Die Herstellung von Porridge unterscheidet sich, ebenso wie dessen Name, von Region zu Region. Im Folgenden werden 4 typische Varianten aus der Literatur näher betrachtet (vgl. Tabelle 1). So wird in Variante 1 das Mehl schrittweise zu kochendem Wasser unter ständigem Erhitzen und Rühren zugegeben [6]. Der Koch- und Rührvorgang wird gestoppt, wenn das Maismehl durchgekocht ist. Es folgt ein Abkühlschritt bei Raumtemperatur. Bei Variante 2 wird der Kochund Rührvorgang gestoppt, wenn ein gleichmäßiges Produkt gebildet ist. Der Porridge wird dann 10 min bei mittlerer Hitze gehalten, anschließend wird die Pfanne mit einem Deckel abgedeckt und das Produkt bei mittlerer Hitze für 3 min ruhen gelassen. Anschließend werden 40 g in Glasauflaufformen gefüllt und mit Alufolie abgedeckt bei 50 °C warmgehalten [7]. Bei gleicher Rezeptur wurde in einer anderen Studie allerdings das Mehl in 95 °C heißem Wasser 20 min für gekocht. Proben zur Analyse wurden anschließend gefriergetrocknet und bis zur weiteren Analyse bei 4 °C gelagert. Für die dritte Zubereitungsvariante von Porridge wurde Wasser in einen Sufuria (Metalltopf) gegossen und auf mittlerer Flamme zum Kochen gebracht. Das
Abbildung 2: Hergestellter fester Porridge (oben), getrocknete Austernpilze (unten links) und Chiamehl (unten rechts), die für die Versuche verwendet wurden
Tabelle 1: Übersicht über 4 Standardrezepturen zur Ugali**-Herstellung
Mehl wurde langsam in das kochende Wasser gegeben und mit einem Kochlöffel zu einem dicken, klumpenfreien Brei verrührt. Die Analyse der Proben erfolgte warm (Variante 3, [8]). Bei Variante 4 wurde Mehl in kochendes Wasser geben und 15 min auf einem Gaskocher unter ständigem Rühren gekocht, anschließend wurden 30 g brauner Zucker zum Süßen zugegeben [9]. Bei letzterer Rezeptur handelt es sich um die flüssigere Variante, die Kleinkindern als Beikost serviert wird. Die Porridge Variante 1 wurde dann mit 20 g gefriergetrocknetem, gemahlenem Gemüse (Partikelgröße < 0,15 mm) angereichert, um den täglicher Bedarf an Nährstoffen (Vitamin A, Carotinoide und Ballaststoffe) besser abdecken zu können [6].
Bei der Beikost für Kleinkinder wurde eine Erhöhung des Proteingehaltes um 22,5 % erzielt durch die Zugabe von 50 % Austernpilzpulver [10].
Eine Erhöhung des Mineralstoffgehaltes und der Qualität des Aminosäureprofiles, vor allem durch einen hohen Anteil an Leucin (26,3 mg/g), konnte schon bei einer 15-%-Mischung erreicht werden [11]. Dies hatte allerdings auch eine Abnahme der funktionellen Eigenschaften zur Folge.
Neben Mais und Reis ist auch Maniok ein Grundnahrungsmittel in Sub-Sahara-Afrika. Im Durchschnitt machen Getreide – wie Mais, Reis und Weizen – sowie stärkehaltige Wurzeln wie Maniok, Süßkartoffeln und Kartoffeln fast zwei Drittel der täglichen Kalorienzufuhr aus [12].
Eine Mischung mit 25 % Chia erhöhte die Süße und Aromaintensität sowie die allgemeine Akzeptanz des Porridges gegenüber der Standardvariante, die nur aus Maniok hergestellt wurde [13].
Im Rahmen der Arbeiten am Projekt wurden nun 3 Arten von Porridge produziert. Ein „dünner“ Porridge basierend auf einer Rezeptur aus Sorghum und Perlhirse (1:1), die mit bis zu 50 % Austernpilzmehl substituiert wurde, ein dicker Porridge aus Maismehl, der bis zu 9 % mit ganzen Chiasamen und Mehl aus entfetteten Chiasamen hergestellt wurde, und ein Porridge basierend auf der Porridge-Variante 1, in dem Maismehl mit bis zu 9 % teilweise entfetteten gemahlenen Chiasamen sowie gemahlenen Austernpilzen ersetzt wurde.
Rohstoffe
Zunächst wurde die Vermahlung der Austernpilze (Austernpilze getrocknet Bio, Pilze Wohlrab, Langweid am Lech, Deutschland) optimiert. Die Vorverarbeitung zum Mahlen der Austernpilze erfolgte in der Bosch MUM5 (MUM58L20, Mixaufsatz/Zerkleinereraufsatz/Durchlaufschnitzler, Robert Bosch Hausgeräte GmbH, München, Deutschland). Das Mischen erfolgte im Kunststoffmixeraufsatz der Küchenmaschine für 30–40 Sekunden, beginnend mit 6–8 Sekunden bei minimaler Geschwindigkeit und allmählicher Erhöhung auf die fünfte Stufe für grobes Mahlen. Diese Vorverarbeitung dient dazu, den getrockneten Pilz so weit zu zerkleinern, dass er durch die Vibrationsrinne der Zentrifugalmühle passt. Die Feinvermahlung erfolgte anschließend mittels Zentrifugalmühle (ZM 200, Retsch Technology GmbH, Düsseldorf, Deutschland). Das verwendete Sieb beträgt 0,5 mm bei 8000 rpm, um Austernpilzmehl mit einheitlicher Partikelgröße herzustellen. Zur Porridgeherstellung wurden Maismehl (Maismehl weiß, Meraner Mühle, Lana, Italien) sowie Maismehl, Perlhirse sowie Sorghum direkt aus Kenia verwendet. Gemahlene
**Ugali ist die in der ostafrikanischen Sprache Swahili verwendete Bezeichnung für Porridge
Chiasamen wurden direkt (Chiamehl, teilentölt, Ölmühle Solling, Boffzen, Deutschland) bezogen und verwendet.
Die Austernpilzproduktion beim Projektpartner Pilze-Nagy Kft./Ltd. in Kecskemét ist in Abbildung 3 dargestellt.
Verkleisterungseigenschaften
Bei der Rohwarencharakterisierung mittels Rapid Visco Analyzer (RVA) handelt es sich um ein Standardverfahren der Getreidewissenschaft zur
Bestimmung der Verkleisterungseigenschaften von Mehlen und Stärken. Hier angewandt wurde der ICC-Standard 162 [14]. Abbildung 4 stellt die Ergebnisse der Bestimmung der Verkleisterungseigenschaften der festen Porridge-Rezepturen mittels Rapid Visco Analyzer (RVA) mit unterschiedlichen Substitutionsmengen, entsprechend dem Versuchsplan, an gemahlenen Chiasamen und Austernpilzen dar. Es ist deutlich ersichtlich, dass die Substitution des Maismehls mit steigendem Anteil Austernpilzen zu einer verringerten Viskosität führt. Höhere Mengen
Abbildung 3: Herstellung des Substrats (links), Substrat in der fürs Foto beleuchteten Produktionshalle (Mitte) und Austernpilze auf dem Substrat (rechts)
Abbildung 4: Ergebnisse der Bestimmung der Verkleisterungseigenschaften der Porridge-Rezepturen mittels Rapid Visco Analyzer mit unterschiedlichen Substitutionsmengen, entsprechend dem Versuchsplan, an gemahlenen Chiasamen und Austernpilzen. Dargestellt sind Mittelwerte mit Standardabweichungen von 5 Versuchen mit Ausnahme der Probe mit 6 % Chiasamen und 9 % Austernpilzen.
an Chiasamen hingegen wirken sich erhöhend auf die Viskositäten aus, wobei diese noch immer unter der des Standards M2 bleiben.
Der Effekt der steigenden Austernpilzkonzentrationen ist hingegen ohne Trend. Die Viskositäten sind aber generell geringer als die bei Maismehl. Ein Ausgleich der Effekte von Austernpilzenzymaktivität und dem Effekt der Quellung von gemahlenen Chiasamen wird vermutet.
Die Wirkung der Beimischung von ganzen Chiasamen (WCS) und entfettetem Chiasamenmehl (DCF) in Maisvollkornmehl für die Zubereitung von Porridge wird im Folgenden diskutiert [15]. Beide wurden mit einem Substitutionsanteil von 3 %, 6% und 9 % beigemischt, und die daraus resultierenden Behandlungen wurden einer Laboranalyse unterzogen.
Darüber hinaus wurden aus allen resultierenden Mehlformulierungen Proben hergestellt und die Akzeptanz der Verbraucher bewertet. Die Beimischung von DCF und WCS führte zu einer erhöhten Wasseraufnahmekapazität (zwischen 0,78 und 0,9 g/ml), Quellungsindex (zwischen 0,15 und 3,25 mL/g) und Quellvermögen (zwischen 2,46 und 5,74 g/g). WCS verringerte die
Schüttdichte und das Ölabsorptionsvermögen. DCF hingegen führte zu einer Erhöhung der Schüttdichte und des Ölabsorptionsvermögens. Sowohl DCF als auch WCS verringerten die Helligkeit (L*) der Produkte. Die ernährungsphysiologische Zusammensetzung reichte von 4,78 bis 7,46 % für Rohfett, 7,22 bis 9,16 % für Rohprotein und 1,74 bis 4,27 % für Rohfaser bzw. Ballaststoffe. Die erzielten Ergebnisse zeigen das Potenzial von Chiasamen als gutes Anreicherungsmittel für Maismehl, da sie im Vergleich zur Kontrolle zu ernährungsphysiologisch besseren Produkten (Rohasche, Rohprotein, Rohfett und Energiewert) führen. Die frisch zubereiteten Porridge-Proben waren im Allgemeinen für die Panelisten bis zu einer Substitution von 9 % WCS und 6 % DCF akzeptabel [15].
Des Weiteren wurden die Verkleisterungseigenschaften der Porridge-Rezepturen mit WCS und DCF verglichen (Abbildung 6) [16]. Die Erhöhung der Peak- und Endviskositäten kann auf die hohen Protein- und Ballaststoffgehalte der Chiasamen zurückgeführt werden. Das von Chiasamen gebildete Gel verhindert das Ausschwemmen von aufgesprungenen Stärkekörnern in den Schleim, der sich bei Kontakt mit Wasser bildet, und sorgt
damit auch für ein gutes Rückstellvermögen [17,18]. Das Rückstellvermögen ist die Fähigkeit der in der Paste vorhandenen Amylose, sich beim Abkühlen zu reassoziieren. Diese Fähigkeit hängt auch mit dem Lipidgehalt zusammen. Es passt also gut ins Bild, dass das teilentfettete Chiamehl ein schlechteres Rückstellvermögen aufweist. Es deutet zudem auf eine langsame Retrogradation und damit auf ein langsames Erstarren und weichere Produkte hin [16].
Aufgrund der übermäßigen Abhängigkeit von stärkehaltigen Grundnahrungsmitteln in Kenia sind Mikronährstoffmangel (MD) und ProteinEnergie-Mangelernährung (PEM) die größten ernährungsbedingten Probleme. Obwohl diese Nahrungsmittel eine geringe Nährstoffdichte aufweisen, werden sie immer noch als Hauptnahrungsmittel verwendet, insbesondere für die Herstellung von Brei. Ziel dieser Studie war es daher, ein mit Austernpilzen angereichertes Mischmehl aus Sorghum und Perlhirse zu entwickeln und dessen chemische und ernährungsphysiologische Eigenschaften sowie die Akzeptanz beim Verbraucher zu untersuchen. Sorghum
und Perlhirse wurden zunächst eingeweicht und dann in der Sonne getrocknet und anschließend zu Mehl gemahlen. Austernpilze wurden ebenfalls solar getrocknet und gemahlen. Anschließend wurden Austernpilze zu 10 %, 20 %, 30 %, 40 % und 50 % zu Sorghum-Perlhirse-Mischungen hinzugefügt, um die Mischmehle zu bilden. Die Nährstoffzusammensetzung der Proben wurde nach der Methode EC152/2009 bestimmt, für die Mineralstoff- bzw. Vitaminanalyse wurden die optische Emissionsspektroskopie mit induktiv gekoppeltem Plasma und die Ultra-PerformanceFlüssigkeitschromatographie/Ultraviolett-Spektroskopie/Massenspektrometrie verwendet. Außerdem wurde das Produkt auf seine Akzeptanz
Abbildung 5: Farbeffekte der Beimischung von ganzen Chiasamen (WCS) und teilentfettetem Chiamehl (DFC)
Abbildung 6: Ausgewählte Viskositäten der verschiedenen hergestellten Ugali-Proben (Porridge-Proben) mit ganzen Chiasamen (WCS) und teilentfettetem Chiamehl (DFC)
beim Verbraucher geprüft. Der Proteingehalt stieg von 11,2 % auf 19,7 %, und es gab signifikante Steigerungen bei den Ballaststoffen (2,7 % – 10,7 %) und der Asche (1,4 % – 5,8 %). Die Mineralstoffgehalte wurden ebenfalls verbessert für Kalzium (170,9 mg/100 g – 286,2 mg/100 g), Phosphor (700,7 mg/100 g – 2088 mg/100 g), Natrium (15,2 mg/100 g – 167,5 mg/100 g), Kalium (298,9 mg/100 g – 1833 mg/100 g), Magnesium (118,3 mg/100 g – 136,7 mg/100 g), Zink (2,8 mg/100 g – 4,2 mg/100 g) und Eisen (5,5 mg/100 g – 9,5 mg/100 g). Eine Verbesserung des Vitamingehalts wurde ebenfalls festgestellt. Die sensorische Analyse ergab eine gute Akzeptanz der Produkte aus den Mischmehlen, obwohl die Akzeptanz mit zunehmendem Anteil von Austernpilzen abnahm. Insbesondere das Mischmehl mit 50 % Austernpilzen war reich an den meisten Nährstoffen, wies aber die niedrigsten Werte für die sensorischen Eigenschaften auf. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Zusatz von Austernpilzen die allgemeine Nährstoffzusammensetzung lokaler Grundnahrungsmittel auf Getreidebasis erhöht, was auf eine mögliche Lösung für PEM und MD hinweist [19,20].
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Anreicherung von Grundnahrungsmitteln mit ernährungsphysiologisch wertvollen Zutaten, wie beispielsweise Chiasamen und/oder Austernpilzen, vorteilhaft sein kann im Sinne der ernährungsphysiologischen Qualität der Nahrungsmittel. Die sensorische Qualität der Lebensmittel ist nicht
außer Acht zu lassen und stellt das Projekt vor Herausforderungen, da höhere Substitutionsmengen sich negativ auf das Aussehen und die Textur des Produktes und somit die Produktqualität auswirken können.
Im Gesamtprojekt gibt es vielfältige Möglichkeiten der Zusammenarbeit, die sehr vital ist. Im Sinne der Ziele für Nachhaltige Entwicklung besteht auch über das Projekt hinaus die Bereitschaft und das Interesse der Zusammenarbeit. +++
Gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Gefördert über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Förderkennzeichen 2821ERA19C. Dieses Projekt wird mit Mitteln aus dem Horizont 2020 Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union (Vertrag Nr. GA 862555) kofinanziert.
Dr. Viktoria Zettel, Wiss. Mitarbeiterin am Fg. Pflanzlicher Lebensmittel am Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie der Universität Hohenheim mit starkem Interesse an nachhaltiger Entwicklung und weiteren Projekten dieser Art Kontakt: Viktoria.Zettel@uni-hohenheim.de
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Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource in jedem Wirtschaftssektor. Um sich als Betrieb glaubhaft und erfolgreich nachhaltiger aufzustellen, kommt es nicht nur darauf an, nachhaltig zu produzieren, sondern auch, das Personalmanagement nachhaltig auszurichten – ein
Aspekt, der angesichts des Arbeitskräfte- und Nachwuchsmangels für Unternehmen in der gesamten Breite des deutschen Mittelstands immer wichtiger wird.
+Nachhaltigkeit ist ein Begriff mit vielen Facetten und Handlungsfeldern. Zum einen geht es im Wesentlichen um die größte wirtschaftliche Herausforderung des Jahrhunderts, nämlich die Bewältigung des globalen Klimawandels. Zum anderen sind wir im Rahmen unserer wirtschaftlichen Aktivitäten zunehmend mit der Notwendigkeit konfrontiert, Ressourcen zu schonen und zu erhalten, um die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt zu begrenzen. Eine nachhaltige Lebensweise soll nicht nur unsere Lebensgrundlagen aufrechterhalten, sie soll auch ein besseres Leben insgesamt ermöglichen.
Ein besseres Leben wird aber erst möglich, wenn wir unsere Wertschöpfung und wirtschaftliche Prosperität auf nachhaltige Fundamente stellen. Das bedeutet auch die Schonung und den Schutz der wichtigsten Ressource einer jeden Wirtschaft: des Menschen. In Zeiten des Arbeitskräfte- und Nachwuchsmangels wird dies für Unternehmen in der gesamten Breite des deutschen Mittelstands immer wichtiger. Und mit der neuen Generation der Arbeitnehmer und der Verbraucher gewinnt Nachhaltigkeit an Bedeutung. Um sich als Betrieb glaubhaft und erfolg -
reich nachhaltiger aufzustellen, kommt es nicht nur darauf an, nachhaltig zu produzieren, sondern auch, das Personalmanagement nachhaltig auszurichten.
Nachhaltigkeit in der Arbeitswelt
Nachhaltigkeit in der Wirtschaft und Politik orientiert sich an der Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs). 1 Dieser umfassende Rahmen definiert Nachhaltigkeit als soziales, ökologisches und ökonomisches Phänomen und konkretisiert in 169 Maßnahmen die Schritte, die zu einer nachhaltigen Welt führen sollen.
Im Endeffekt zielt diese Agenda darauf ab, eine grundlegende Transformation unserer Lebens-, Produktions- und Arbeitsweisen herbeizuführen. Eine nachhaltige Welt soll demnach nicht nur schonender mit der Umwelt und dem Klima umgehen, sondern mehr soziale und menschliche Gerechtigkeit auf allen gesellschaftlichen Ebenen gewährleisten. Für die Arbeitswelt sind insbesondere die SDGs Hochwertige Bildung (SDG 4) und Geschlechtergleichheit (SDG 5), weniger Ungleichheiten insgesamt (SDG 10) sowie gute
¹ UNRIC – Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen. Ziele für nachhaltige Entwicklung, Online. URL: https://unric.org/de/17ziele/
Gesundheit (SDG 3) und der Aufbau einer resilienten Infrastruktur (SDG 9) relevant. Denn ohne diese Voraussetzungen können viele Menschen nicht oder nur bedingt einem Beruf nachgehen.
Für die unmittelbare Personalführung ist das Ziel menschenwürdige Arbeit und Wachstum (SDG 8) zentral. Dies hat eine besondere Relevanz für die Lebensmittelindustrie, denn die Lebensmittelherstellung und -verarbeitung schneidet bei diesem Aspekt im Vergleich aller Berufe in Deutschland am schlechtesten ab. Anhand von 11 Kriterien, die etwa Betriebskultur, Sinn der Arbeit, Arbeitsintensität und Arbeitszeit sowie Einkommen umfassen, erhalten Berufsfelder in diesem Sektor am häufigsten von Arbeitnehmern die Bewertung „schlecht“ – das zeigt der Gute-Arbeit-Index des Deutsche Gewerkschaftsbundes. 2
Das Arbeiten im Lebensmitteleinzelhandel ist im Vergleich zu anderen Berufen besonders durch körperliche Anforderungen gekennzeichnet, wie eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigt. 3 Demnach erledigen Lebensmittelverkäufer und sonstige Beschäftigte in diesem Bereich ihre Arbeit häufig im Stehen und mit den Händen, oft auch mit hohem Krafteinsatz und Geschicklichkeit sowie in schneller Abfolge. Die Studie zeigt zudem, dass Arbeitnehmer im Lebensmittelverkauf im Vergleich zu anderen Berufen in besonderem Maße monotonen Belastungen wie ständig wiederkehrenden Arbeitsvorgängen
und bis in alle Einzelheiten vorgeschriebenen Arbeitsdurchführungen ausgesetzt sind. Darüber hinaus bleibt Nachtarbeit weiterhin in vielen Bäckereien die Norm, um die Waren zu den frühen Stoßzeiten zu verkaufen. Zudem bleiben die Gehälter in der Branche unter dem Durchschnittsverdienst. 4
Diese Bedingungen machen es für Unternehmen zur Herausforderung, Nachwuchs zu finden. Laut aktuellen Zahlen des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks ist die Anzahl der Auszubildenden in den Bäckereibetrieben zwischen 2015 und 2022 von 18.811 auf 10.846 gesunken – ein Rückgang von über 40 % in nur sieben Jahren. 5 Dies liegt zumindest teilweise daran, dass die Anzahl der Betriebe im selben Zeitraum von 11.737 auf 9.607 (18 %) zurückgegangen ist. Gleichzeitig ist die Abbrecherquote sehr hoch und zeigt eindrücklich, dass viele Bäckereibetriebe deutliche Schwierigkeiten haben, junge Menschen vom Beruf zu überzeugen und auf Dauer zu halten: 2022 haben 43,2 % der Auszubildenden in diesem Sektor ihre Verträge vorzeitig gelöst. 6
Diese Herausforderungen machen erfinderisch. Bäckereien nutzen neue Möglichkeiten, um den Mangel an Personal abzufedern bzw. die Suche nach neuen Mitarbeitenden anzukurbeln. Eine Bäckerei installierte beispielsweise einen Verkaufsautomaten, in dem alle Waren, die nicht gekühlt werden müssen, gelagert und zum Kauf für Kunden direkt verfügbar sind. 7 Ein anderer Betreiber einer Bäckereikette bietet während -
2 Institut DGB-Index Gute Arbeit (2023). Jahresbericht 2023: Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung zum DGB-Index Gute Arbeit 2023, im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Berlin. URL: https://index-gute-arbeit.dgb.de/++co++5d56994c-6390-11ee-b880-001a4a160123
3 Lück M., Hünefeld Dr. L., Meilicke Dr. G. (2020). Systemrelevant und belastet – Arbeitsbedingungen im Lebensmitteleinzelhandel. Publikationsserie: „baua: Fakten“, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund.
4 Statistisches Bundesamt (2023). Verdienste nach Branchen und Berufen, Online. Stand 04.06.2024. URL: https://www.destatis.de/DE/Themen/ Arbeit/Verdienste/Verdienste-Branche-Berufe/_inhalt.html#236272. Vgl. Statistisches Bundesamt (2024). Durchschnittlicher Bruttojahresverdienst in der Lebensmittelindustrie in Deutschland in den Jahren 1996 bis 2023, Online. Stand 03.04.2024. URL: https://de.statista.com/statistik/ daten/studie/164972/umfrage/bruttojahresverdienst-in-der-nahrungsmittelindustrie-seit-2005/ 5 Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e.V. (2023). Aus- und Weiterbildung: Lehrlingszahlen in Deutschland von 2015 bis 2022, Online. Stand 31.12.2022. URL: https://www.baeckerhandwerk.de/baeckerhandwerk/zahlen-fakten/aus-und-weiterbildung/#:~:text=Die%20Zahl%20 der%20Ausbildungsst%C3%A4tten%20im,aus%20(Vorjahr%3A%203.020).
6 Bundesinstitut für Berufsbildung (2024). Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2024, 1. Auflage, S.158. URL: https://www.bibb.de/dokumente/ pdf/bibb-datenreport_2024_vorversion.pdf
dessen eine Prämie von 2.000 Euro für die Vermittlung einer qualifizierten Vollzeitkraft. 8 Dies könnte zumindest teilweise daran liegen, dass heute etwa ein Drittel der Angehörigen der jüngeren Generationen, also der Gen Z und Millennials, bereit sind, lieber arbeitslos als unglücklich im Job zu sein, wie Erhebungen des Personaldienstleisters Randstad zeigen.
Nicht nur Selbstbedienungsregale, auch künstliche Intelligenz wird genutzt. Sie hilft dabei, die benötigte Menge an Waren zu ermitteln – auch anhand von Wetterdaten –, einerseits um Verschwendung zu reduzieren, andererseits in Ermangelung qualifizierter Mitarbeiter, die händisch die Kapazitätsplanung übernehmen.9 Auch die Robotik unterstützt bei Arbeitsprozessen, vom Belegen des Backblechs über die Eingabe und Entnahme des Blechs aus dem Ofen bis hin zum Bestücken der Auslagen.10 Allerdings eignen sich diese Lösungen aufgrund der hohen VorabInvestitionskosten nur für größere Betriebe oder Bäckereiketten.
Die Technik ist aber nur ein Aspekt. Unmittelbaren Einfluss auf die Attraktivität eines Arbeitsplatzes hat vor allem ein anderer Faktor: Erhebungen von Randstad Deutschland zeigen, dass das Gehalt für die meisten Arbeitnehmer höchste Priorität im Beruf hat. Im Randstad Arbeitsbarometer 2024, einer repräsentativen Umfrage unter Beschäftigten im Alter zwischen 18 und 65 Jahren, gaben 93 % der Befragten an, dass das Gehalt für sie wichtig oder sehr wichtig im Berufsleben ist. Dieser Wert ist im Vergleich zu 2022 unverändert und belegte auch vor zwei Jahren den Spitzenplatz unter den verschiedenen Arbeitsbedingungen. Auch die Randstad Employer Branding Research (REBR) aus 2024 zeigt, dass an erster Stelle ein gutes Gehalt und Benefits den idealen Arbeitgeber ausmachen.
Gute Bezahlung ist also wesentlich für die Gewinnung von Mitarbeitern. Trotzdem sollten Bäckereibetriebe auch die Bedeutung anderer Faktoren nicht unterschätzen. Sowohl im REBR
7 Kehr, K. (22. Oktober 2023). Bäcker packt Brote ins Schließfach, Die BILD Online. URL: https://www.bild.de/regional/thueringen/thueringenaktuell/wegen-personalmangel-baecker-packt-brote-ins-schliessfach-85830868.bild.html
8 Redaktion (3. November 2023). Bäcker bietet „Kopfgeld“ für neue Mitarbeiter, t-online. URL: https://www.t-online.de/region/muenchen/ id_100273186/muenchen-baecker-bietet-kopfgeld-fuer-neue-mitarbeiter-wegen-personalmangel.html
9 Breitenstein, F. (17. September 2023). Wenn Künstliche Intelligenz die Brötchen zählt, Tagesschau Online. URL: https://www.tagesschau.de/ wirtschaft/digitales/kuenstliche-intelligenz-baecker-100.html
10 Redaktion (28. März 2023). Fanucs Bakisto: Roboter helfen in der Bäckerei, Automationspraxis Online. URL: https://automationspraxis. industrie.de/news/fanucs-bakisto-roboter-helfen-in-der-baeckerei/
als auch im Arbeitsbarometer nennen die Befragten eine angenehme Arbeitsatmosphäre, eine gute Work-Life-Balance und Urlaub als besonders wichtige Kriterien für ihre Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Vor dem Hintergrund des Arbeitskräftemangels braucht es über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehende proaktive Anstrengungen, um Arbeitnehmer zu gewinnen und zu halten – insbesondere in Bezug auf ein nachhaltiges Personalmanagement.
In vielerlei Hinsicht gehen viele Unternehmen bereits heute über die gesetzlichen Vorgaben hinaus und engagieren sich proaktiv für mehr Nachhaltigkeit in der Gesellschaft. Einer Studie des Stifterverbands zufolge stimmt indes mehr als die Hälfte der Unternehmen der Aussage zu, dass es nicht mehr reicht, nur Arbeitsplätze, Produkte und Dienstleistungen bereitzustellen, sondern dass sie sich zusätzlich für die Gesellschaft einsetzen sollten. Waren im Jahr 2018 durchschnittlich noch 46 % der Unternehmen in Deutschland dieser Meinung, stieg dieser Wert bereits im Jahr 2022 auf 57 %. 11
Nachhaltigkeit ist insbesondere in der Konsumgüter- und Handelsbranche geschäftsrelevant, denn Verbraucher richten ihr Konsumverhalten immer stärker auf Nachhaltigkeit aus. 12, 13 Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass durchschnittlich 52 % der Unternehmen in der Studie des Stifterverbands angeben, mit ihrem Engagement für Nachhaltigkeit den Ruf und die Positionierung ihres Unternehmens verbessern zu wollen, auch um dadurch die eige -
ne Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern und die Mitarbeiterbindung zu stärken. 14 Mit anderen Worten: Es gilt, das Personalmanagement nachhaltig auszurichten.
Das Personalmanagement umfasst ein breites Spektrum an Handlungsfeldern – von der Personalplanung, Personalbedarfsdeckung, Personalführung und Personalentwicklung bis hin zur Entgeltgestaltung und Personalverwaltung. 15 Insbesondere in kleineren Betrieben überschneiden sich diese Bereiche und häufig werden sie im Arbeitsalltag von einer personalverantwortlichen Führungskraft in Personalunion bearbeitet. Die strategische Personalarbeit wird durch den dynamischen Arbeitsalltag erschwert, denn die Inhaber der Betriebe kümmern sich dabei nicht nur um das Tagesgeschäft, sondern gleichzeitig auch um die Führung und Koordinierung der Mitarbeiter.
Diese besondere Herausforderung ist zugleich aber eine große Chance, sich intensiv mit den einzelnen Arbeitnehmern im Betrieb zu beschäftigen. Und gute Führungskräfte zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie ein offenes Auge, Ohr und Herz für das, was ihre Mitarbeitenden bewegt, haben. 16 Aber nicht nur: Nachhaltigkeit bedeutet auch, das Langfristige im Blick zu behalten. Das gilt sowohl für die Schonung von Ressourcen als auch die Entwicklung des eigenen Betriebs – insbesondere im Bereich des Personals. Allerdings vernachlässigen viele Betriebe die strategische Personalplanung und
11 KLenssen, J-J., Gerber, L. S., Kononykhina, O., Geyik., M., (2022). Die Zukunft Gemeinsam Gestalten – Monitor Unternehmensengagement 2022. Hrsg.: Bertelsmann Stiftung und Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V., Berlin, S.10-11. URL: https://www.ziviz.de/sites/ziv/files/monitor_unternehmensengagement_2022.pdf
12 Bundschuh, M., Dresp, M., Emunds, P., (2018). Nachhaltigkeit lohnt sich –Gesellschaft und Unternehmen. Strategy Research, Landesbank Baden-Württemberg, Stuttgart. Online-Zusammenfassung: https://www.lbbw.de/artikelseite/maerkte-verstehen/warum-nachhaltige-unternehmenerfolgreicher-sind_7az2nfam2_d.html
13 Amerland, A., (2022). Konsumenten fordern mehr ESG-Engagement. Springer Professional, Online. URL: https://www.springerprofessional.de/ unternehmensstrategie/nachhaltigkeit/konsumenten-fordern-mehr-esg-engagement/20347680
14 Siehe Fußnote 10.
15 Für einen Überblick: CBS International Business School (2022). Was ist Personalmanagement? Definition, Beispiele, Ziele & Aufgaben. Online. URL: https://www.cbs.de/blog/was-ist-personalmanagement-definition/ siehe auch: Berthel, J., Becker, F. G., (2010). Personalmanagement. 9. Auflage. Stuttgart, S. 211 ff. Stock-Homburg, R., (2010). Personalmanagement. 2. Auflage. Wiesbaden, S. 99 ff.
16 Randstad Deutschland (2022). Agiles Führen, Online. URL: https://www.randstad.de/hr-portal/unternehmensfuehrung/agiles-fuehren/
verhalten sich reaktiv. Dies hat Folgen, denn wer mit Personalabgängen nicht rechnet und die Lage am Markt nicht kennt, kann schnell ohne die notwendigen Mitarbeiter dastehen. Und zwar über Monate, wenn nicht über Jahre hinweg.
Die gute Nachricht: In diesem Prozess sind Bäckereien nicht auf sich allein gestellt. Es gibt auf dem deutschen Markt verschiedene Personaldienstleister wie Randstad, deren Kerngeschäft die Abdeckung des Personalbedarfs in Unternehmen ist. Dabei stellen sie nicht nur den Personalbedarf ihrer Kunden sicher, sondern beraten sie auch strategisch und zukunftsgerichtet, sodass Betriebe auch auf lange Sicht Bewerber finden und sie als Mitarbeiter gewinnen und halten können. Die Grundlage hierfür bilden u. a. Daten, mit denen sich der Markt analysieren und sogar prognostizieren lässt. Ob ohne oder in Zusammenarbeit mit einem externen Partner: Entscheidend ist, dass Bäckereien über die Zukunft ihres Personals proaktiv nachdenken und die Bedarfsplanung bereits heute angehen.
Besonders wichtig in diesem Zusammenhang sind die Themen Diversität und Chancengleichheit. In Zeiten eines anhaltenden Fachkräftemangels können es sich Unternehmen nicht leisten, auf Bewährtes zu setzen und den klassischen Weg zu gehen. Das heißt, sie sollten ihren Blick auch auf Gruppen wie Quereinsteiger, ältere Menschen oder Zeitarbeiter richten und proaktiv auf diese zugehen. Mitarbeiter ohne vorhandene Erfahrung in Bäckereien werden in der Regel ausgebildet werden müssen, doch angesichts der Lage am Arbeitsmarkt sind junge Leute, die früh das Handwerk erlernen und lange Zeit dem Betrieb erhalten bleiben, sehr rar. Deshalb gilt es, den Blick zu erweitern und den Einstieg für alle Arbeitssuchenden zu erleichtern.
Teams empathisch führen und mit Wertesystem punkten
Vor diesem Hintergrund gibt es einen Bereich, in dem Bäckereien ansetzen und ihr Personalmanagement nachhaltig ausrichten können; mit ihren Werten, auf Neudeutsch: „Purpose“. 59 %
aller Befragten des Randstad Arbeitsbarometers geben dies als wichtiges Kriterium für einen Job an. Unter jungen Arbeitnehmern sind es noch mehr: 65 % der Gen Z sowie 61 % der Millennials. Auch die Haltung des Arbeitgebers zu Umweltthemen ist für mehr als die Hälfte der Gen Z (51 %) und Millennials (54 %) wichtig. Für die Betriebe bedeutet diese Einstellung der neuen Generationen eine Notwendigkeit, sich mit den eigenen Werten auseinanderzusetzen und – bei Bedarf – neu auszurichten, vor allem gezielt hin zu mehr Nachhaltigkeit, die auch eine neue und nachhaltige Personalpolitik umfasst.
Sich die Zeit zu nehmen, um die Ziele, Motivation und die persönlichen Werte ihrer Mitarbeiter zu verstehen, macht eine gute und nachhaltige Personalführung aus. Dabei gilt es, die Mitarbeiter als Menschen umfassend in den Blick zu nehmen. Das ist leichter gesagt als getan. Der Anfang ist aber, ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie gesehen, gehört und verstanden werden. Wer Teams im täglichen Geschäft gut betreuen, begleiten und steuern will, setzt nicht mehr auf Kontrolle, sondern auf Koordination. Wichtig ist, die komplexen persönlichen Zusammenhänge der Belegschaft, die als Erkenntnisse im persönlichen Austausch gewonnen werden, zu überblicken und in eine passende Struktur zu überführen. Sie begleiten ihre Mitarbeitenden als Mentoren bei ihrer Entwicklung und schaffen als Vermittler ein vertrauensvolles und nachhaltig produktives Arbeitsklima.
Mentoring ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt guter Personalführung. Beim Mentoring handelt es sich um eine Partnerschaft zwischen einem Mentor und dem Mentee, mit dem Ziel, Wissen und Erfahrung weiterzugeben – und hiervon profitieren beide Seiten. Die neuen Arbeitnehmer können sich in diesem Rahmen beruflich und persönlich weiterentwickeln, während das Unternehmen sicherstellt, dass Fähigkeiten, Erfahrung und Arbeitsweisen dem Betrieb erhalten bleiben. Für den Mentee ist es ebenfalls wichtig, dass er in schwierigen Situationen Unterstützung auf einer emotionalen Ebene erfährt. So können neue Mitarbeitende Herausforderungen
selbstbewusster meistern und an ihnen tatsächlich wachsen.
Bei der Gestaltung des Arbeitsklimas sollten Bäckereien auch die Bedeutung von psychischer Gesundheit nicht unterschätzen. Dieses Thema ist in vielen deutschen Unternehmen leider nach wie vor tabu. Aber Vertuschen und Verdrängen hilft nicht, wenn es für heutige Arbeitnehmer so wichtig ist. Laut dem Randstad Arbeitsbarometer 2024 sind Unterstützungsangebote zum Erhalt der eigenen psychischen Gesundheit für 85 % der Arbeitnehmer wichtig oder sehr wichtig. Bäckereibetriebe können das mentale Wohlergehen ihrer Beschäftigten fördern, indem sie sich auf Feedback einlassen und empfangene Kritik in Veränderung umwandeln. Dies ist nicht nur die Grundlage von gegenseitigem Respekt, sondern wichtige Voraussetzung für das Gefühl von Teilhabe und Zugehörigkeit – Bedingungen, die langfristig sicherstellen, dass die eigenen Mitarbeiter glücklich und motiviert sind.
Wenn Führungskräfte im Bäckereibetrieb diese Aspekte nachhaltiger Führung berücksichtigen, stellen sie sich für langfristigen Erfolg auf. Und Bäckereien haben einen besonderen Vorteil, was Mitarbeiter angeht: Die Führungskräfte kommen tagtäglich in direkte Berührung mit den Menschen, die sie führen. Somit können sie nachhaltige Führung direkt umsetzen. Und das ist eine riesige Chance, sich schnell und wirksam als empathischer Arbeitgeber zu positionieren, der zuhört und dadurch so weit wie möglich immer den Ansprüchen der Belegschaft entge -
genkommt. Mit einer menschlichen Art könnten also besonders Bäckereibetriebe bei (potenziellen) Bewerbern punkten und nicht nur als moderner Arbeitgeber auftreten, sondern als einer, der Nachhaltigkeit als ganzheitliches Phänomen begreift. Das erfordert von Führungskräften auch die Fähigkeit, Veränderungen mit Mut, Weitsicht und Flexibilität zu begegnen und sich auf Neues einzulassen.
Die trifft auch auf einen Faktor zu, der Arbeitnehmern besonders wichtig ist: Flexibilität. Arbeitszeitflexibilität ist für 75 % der Befragten im Randstad Arbeitsbarometer 2024 entweder sehr wichtig oder wichtig im Beruf. Auch die Arbeitsortflexibilität gilt für mehr als die Hälfte (57 %) der Arbeitnehmer als wichtiger Aspekt der Arbeit, und Bäckereibetriebe haben auch in diesem Bereich Möglichkeiten, da es gute Beispiele gibt, wie Inhaber ihren Spielraum sinnvoll nutzen und ihren Mitarbeitern mehr Flexibilität ermöglichen. Eine Bäckerei hat sich beispielsweise für eine spätere Öffnungszeit entschieden. 17 Der Grund lag darin, sich als Arbeitgeber attraktiver zu machen für junge Menschen, die heute nicht unbedingt bereit sind, die harte Nachtarbeit, die in vielen Bäckereien bis heute die Norm ist, mitzutragen. Auch die körperliche Gesundheit war dabei ein Faktor. Eine andere Bäckerei hat den Ablauf zur Entlastung der Belegschaft umgestellt: Dort werden die Teige bereits am Vortag vorbereitet und frisch gehalten, was einen späteren Start in den Arbeitstag ermöglicht. Solche Modelle zeigen Erfolg und tragen messbar zur Attraktivität der Betriebe für Nachwuchskräfte bei. 18 Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung solcher Maßnahmen im Sinne einer nachhaltigeren Personalführung ist die strategische Planung.
Checkliste – so setzen Sie Ihre Strategie der nachhaltigen Personalführung um Nachhaltige Personalführung wirkt – auf mehreren Ebenen. Denn eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Personalführung schafft die Grundlagen nicht nur für Mitarbeitergewinnung und -bindung, sondern auch für ein engagiertes und qualifiziertes Team, das wiederum in der
Lage ist, nachhaltige Produktionspraktiken umzusetzen. Doch wie gehen Betriebe die Umsetzung ihrer nachhaltigen Führung konkret an? Was müssen Inhaber tun, um selbst als nachhaltige Führungskraft zu agieren? Mit dieser Anleitung nehmen Sie die wichtigsten Schritte, um Ihr Personalmanagement auf nachhaltige Fundamente zu stellen:
Schritt 1: Denken Sie Nachhaltigkeit ganzheitlich! Prüfen Sie, in welchen Bereichen sich Handlungspunkte für nachhaltige Maßnahmen bieten, und richten Sie Ihr Geschäftsmodell daraufhin aus. Wer heute mit der Umsetzung beginnt, hat langfristig einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Schritt 2: Starten Sie regelmäßige Feedbackrunden. Diese könnten auf monatlicher Basis stattfinden. Welche neuen Ideen und Möglichkeiten gibt es, um das Engagement für Nachhaltigkeit auszuweiten? Machen Sie Ihre Mitarbeiter zu Innovatoren und Botschaftern für Nachhaltigkeit!
Schritt 3: Digitalisieren Sie Ihr Personalmanagement! Dank digitaler Planungstools gewinnen Betriebe einen besseren Einblick in die Arbeitsund Personalprozesse, um etwa den Personalbedarf zu planen, Schichten zu koordinieren oder in Umfragen die Mitarbeiterstimmung zu erfassen.
Schritt 4: Seien Sie offen für neue Ideen und Prozesse! Mitarbeiter, die proaktiv zur Entwicklung des Geschäfts mit Ideen und Initiativen beitragen, fühlen sich ihrem Betrieb stärker verbunden und sind dadurch noch stärker motiviert, sich für dessen weiteren Erfolg einzusetzen.
Schritt 5: Fördern Sie Eigenverantwortung! Nachhaltige Personalführung bedeutet auch, Mitarbeiter zur Mitverantwortung zu ermutigen und sie zu befähigen, ihren Job bestmöglich auszuüben.
Für Führungskräfte wiederum gilt es, das nachhaltige Personalmanagement vorzuleben und den Wandel von Arbeitsweise und -kultur aktiv voranzutreiben.
Verantwortung für das Wohlergehen des Menschen ist wesentlicher Aspekt der Nachhaltigkeit – das müssen alle Unternehmen berücksichtigen, wenn sie langfristig attraktive Arbeitgeber sein und dabei ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden wollen. Der wesentliche Erfolgsfaktor ist, Offenheit für Neues zu zeigen, sich mit der Belegschaft auf menschlicher Ebene auszutauschen und sie am Erfolg eines Betriebs teilhaben zu lassen. Und gerade das Traditionshandwerk der Bäckereien lebt von der persönlichen Nähe der Menschen hinter und vor dem Verkaufstresen. Als wesentlicher Teil der deutschen Brotkultur und Backkultur verkaufen Bäckereibetriebe genau das: ein Stück ihrer ganz eigenen Kultur, die die Mitarbeiter entscheidend mitprägen. Ein nachhaltiges Personalmanagement trägt als wichtige Komponente des nachhaltigen Geschäftsmodells so zum langfristigen Bestand von Bäckereien, ihres Handwerks und ihrer Tradition bei. +++
Nicolas Brackmann, Director Group Sales und Key Account Management bei Randstad Deutschland
17 KGolab, S. (18. Juli 2022). Eine Backstube zum Reinschauen, Deutschlandfunk Kultur, Online. URL: https://www.deutschlandfunkkultur.de/ backerei-handwerk-nachwuchs-fehlt-100.html 18 Eberl, J. (16. Oktober 2023). Mehr Bäcker-Nachwuchs durch andere Arbeitszeiten?, Tagesschau, Online. URL: https://www.tagesschau.de/ wirtschaft/arbeitsmarkt/baecker-arbeitszeit-fachkraeftemangel-100.html
Green Branding ist eine Herausforderung, auch für die Backbranche. Für eine glaubhafte grüne Markenführung müssen Bäckereien umfassende und ganzheitliche Maßnahmen in allen Unternehmensbereichen ergreifen.
+1. Kennzeichnung des Green Branding Green Branding, auch bekannt als grüne Markenführung, bezieht sich auf den Prozess, bei dem eine Unternehmens- oder Produktmarke nachhaltig gestaltet und im Markt als nachhaltig positioniert wird. Eine erfolgreiche (Neu-)Ausrichtung der Markenführung und des Marketings insgesamt erfordert, dass zahlreiche Prozesse innerhalb des Unternehmens auf Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Green Branding darf daher nicht allein im Marketing beginnen. Der Aufbau einer „grünen Marke“ setzt umfassende Maßnahmen in allen Unternehmensbereichen voraus und basiert auf einer nachhaltigen Unternehmensführung. Die Gesamtheit der Ziele und Maßnahmen münden dann in einer grünen Markenführung. Werbung und Promotion-Maßnahmen dienen dann dazu, die Nachhaltigkeitsinitiativen
nach innen und außen zu vermitteln. Green Marketing und Green Branding sind folglich das Sahnehäubchen auf einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Unternehmensführung (vgl. Abb. 1). Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Maßnahmen des Unternehmens als Greenwashing entlarvt werden.
Für jedes Unternehmen stellt sich die Frage, wie es die Anforderungen des Triple-Bottom-LineKonzepts umsetzen kann (vgl. Abb. 2; vertiefend Kreutzer 2023, S. 3–6). Dieses Konzept zielt darauf ab, gleichzeitig eine ökologische Nachhaltigkeit (Planet), eine soziale Nachhaltigkeit (People) und eine ökonomische Nachhaltigkeit (Profit) anzustreben. Die Erreichung dieser Ziele erfordert von den Unternehmen, das eigene Geschäftsmodell gesamthaft auf Nachhaltigkeit auszurichten.
Abb. 1: Green Marketing und Green Branding
Gemeinschaft, Bildung, Gerechtigkeit, soziale Ressourcen, Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität
tragbar
Natürliche Ressourcen, Wasser- und Luftqualität, Energieeinsparung und Landnutzung
Ergebnisse der wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmern gleichberechtigt nachhaltig lebensfähig
2. Handlungsfelder des Green Branding in der Backbranche
Die erfolgreiche Umsetzung von Green Branding in der Backbranche erfordert ein umfassendes und integriertes Konzept. Jede Entscheidung und jeder Prozess innerhalb des Unternehmens müssen auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein, um eine glaubwürdige grüne Marke zu etablieren. Hier sind die wichtigsten Schritte und Handlungsfelder, die betrachtet werden müssen.
2.1 Nachhaltige Beschaffung und Produktion
Ein zentraler Aspekt des Green Branding in der Backbranche ist die nachhaltige Beschaffung und Produktion. Bäckereien können hierzu bei der Auswahl ihrer Rohstoffe einen starken Fokus auf regionale und biologische Zutaten legen. Durch die Bevorzugung lokaler
Lieferanten können Transportwege minimiert und die lokale Wirtschaft unterstützt werden. Gleichzeitig tragen bio-zertifizierte Rohstoffe und fair gehandelte Produkte dazu bei, die Umweltbelastung durch konventionelle Landwirtschaft zu reduzieren und den Menschen in den Lieferketten ein besseres Leben zu ermöglichen.
Im Produktionsprozess selbst sollte vor allem die Energie- und Ressourceneffizienz in den Blick genommen werden. Der Einsatz moderner, energieeffizienter Maschinen und Technologien kann den Energieverbrauch beim Backprozess erheblich senken. Außerdem kann geprüft werden, ob durch eine Umstellung auf erneuerbare Energien – wie Solar- oder Windkraft – der CO 2-Fußabdruck reduziert werden kann. Hierzu
können auch Photovoltaik-Anlagen auf dem eigenen Gebäude beitragen.
Zusätzlich sollten Systeme zur Wassereinsparung und -wiederverwendung eingesetzt werden, um den Wasserverbrauch zu reduzieren. Ein effektives Abfallmanagement ist ebenfalls wichtig. Durch die Minimierung von Produktionsabfällen und die Einführung von Recycling- und Kompostierungsprogrammen können Bäckereien ihre Umweltbelastung weiter verringern.
Hier sind folglich u. a. die folgenden Fragen zu beantworten:
+ Welche Rohstoffe werden aktuell eingesetzt und wie nachhaltig wurden diese gewonnen?
+ Werden recycelte Materialien in Produkten und Verpackungen verwendet, um den Verbrauch von Primärrohstoffen zu verringern?
+ Konnten Ressourcen bereits eingespart und schädliche Emissionen im Herstellungsprozess reduziert werden?
+ Wie schnell können weitere Optimierungspotenziale in der Herstellung ausgeschöpft werden?
+ Werden die Mitarbeiter entlang der ganzen Lieferkette „fair“ entlohnt?
+ Handeln die Lieferanten verantwortungbewusst?
+ Wurden bereits in der Logistik Ressourcen einspart und welche Potenziale gilt es noch zu heben?
+ Gelingt eine nachhaltige Entsorgung von Verpackungen nach dem Gebrauch?
+ Liegt ein effizientes Energie- und WasserManagement vor?
+ Wird ein effektives Abfallmanagement betrieben?
Die Antworten auf diese und weitere Fragen liefern die informatorische Grundlage für Green Branding.
2.2 Nachhaltigkeit im Angebots-Portfolio
Nachhaltigkeit muss auch im Angebots-Portfolio einer Bäckerei deutlich sichtbar sein. Dies beginnt bei der Produktentwicklung. Hier können bspw. umweltfreundliche Verpackungen ver -
wendet werden. Recycelbare oder kompostierbare Verpackungsmaterialien sind eine gute Wahl, um den Abfall zu reduzieren und die Umwelt zu schonen. Darüber hinaus sollten die Rezepturen auf natürlichen und nachhaltigen Zutaten basieren, um den Kunden gesunde und umweltfreundliche Produkte anzubieten.
Transparenz spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Bäckerei sollte die Herkunft und Nachhaltigkeit ihrer Produkte klar kennzeichnen, um das Vertrauen der Kunden zu stärken. Durch transparente Produktinformationen können Kunden nachvollziehen, welche Schritte das Unternehmen unternommen hat, um die Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Dieses sind wichtige Maßnahmen auf dem Weg zu einem Green Branding.
Ein wichtiger Schritt zur Nachhaltigkeit besteht auch darin, nicht möglichst alle Produkte bis Ladenschluss vorrätig halten zu wollen. Kann heute einem Kunden nicht zugemutet werden, dass bestimmte Backwaren kurz vor Ladenschluss nicht mehr im Angebot sind? Ein Argument wäre, dass dann nicht so viele Waren vernichtet oder an Tafeln abgegeben werden müssen, die diese Lebensmittel an Bedürftige abgeben.
Hier sind folglich u. a. die folgenden Fragen zu beantworten:
+ Werden umweltfreudliche Verpackungen eingesetzt?
+ In welchem Umfang werden natürliche, ggf. nachhaltige erzeugte Zutaten eingesetzt?
+ Werden nachhaltige Elemente transparent ausgewiesen?
+ Werden Restbestände an verderblichen Waren konsequent vermieden?
+ Erfolgt eine Zusammenarbeit mit Tafeln?
+ Werden verderbliche Waren – vor dem Verfall – noch einer Nutzung zugeführt?
2.3 Nachhaltigkeit im Betriebsablauf Ein weiterer wichtiger Aspekt beim Aufbau einer grünen Marke ist auch das Engagement der eigenen Mitarbeiter. Regelmäßige Schulungen in nachhaltigen Praktiken und Umweltbewusstsein können dazu beitragen, dass alle Mitar-
Abb. 3: Beispiele für Nudges
beiter an einem Strang ziehen. So können die Mitarbeiter in die Initiativen zur Entwicklung einer nachhaltigen Unternehmensführung eingebunden werden. Hierdurch können die Mitarbeiter ihre eigenen Ideen in den Prozess einbringen und es wird eine Kultur der Nachhaltigkeit im gesamten Unternehmen gefördert.
Hier sind folglich u. a. die folgenden Fragen zu beantworten:
+ Wie umfassend werden die Mitarbeiter in die Reise Richtung Nachhaltigkeit eingebunden?
+ Welche Ideen der Mitarbeiter können in den Prozess integriert werden?
+ Wie regelmäßig wird Richtung Mitarbeiter über erzielte Ergebnisse berichtet?
2.4 Nachhaltigkeit in der Logistik und im Vertrieb
Auch in der Logistik und im Vertrieb können nachhaltige Praktiken umgesetzt werden. Die Optimierung der Lieferketten kann dazu beitragen, Transportwege zu verkürzen und den CO 2-Ausstoß zu reduzieren. Es ist sinnvoll, mit
Logistikunternehmen zusammenzuarbeiten, die ebenfalls nachhaltige Praktiken anwenden, um die Umweltbelastung weiter zu minimieren. Werden beim Vertrieb lokale Märkte bevorzugt, kann der ökologischen Fußabdruck weiter verringert werden.
Hier sind folglich u. a. die folgenden Fragen zu beantworten:
+ Werden die Fahrten regelmäßig routenoptimiert?
+ Können Fahrten vermieden werden?
+ Werden Fahrzeuge eingesetzt, die regenerative Energien verwenden?
+ Werden recycelbare Versandverpackungen eingesetzt?
+ Liegt ein Fokus auf den lokalen Markt vor?
2.5 Einbindung von Kunden und Partnerschaften
Kunden können über informative Kampagnen und Mitmachaktionen in die Nachhaltigkeitsstrategie einbezogen werden. Hierdurch können Kunden ggf. sogar stärker an die Unternehmen
gebunden werden. Eine effektive Methode, um Kunden für einen nachhaltigeren Kauf oder ein gesünderes Verhalten zu motivieren, ist Nudging (vgl. Thaler und Sunstein, 2010; Grunwald und Schwill 2022, S. 92–95). Beispiele für solche Nudges finden sich in Abb. 3.
Nudging bedeutet so viel wie „Anstoßen“. Hierdurch wird versucht, Kunden zu Verhaltensänderungen zu ermutigen, ohne Zwang auszuüben, Verbote zu verhängen oder wirtschaftliche Anreize zu setzen. Die angesprochenen Personen haben somit nach wie vor die Wahlfreiheit, weil sie auf die Nudges nicht reagieren müssen. Verbote oder Gebote sowie die Verwendung von ökonomischen Anreizen gehören folglich nicht zum Nudging.
Nudges sollen Individuen nur „anschubsen”, damit diese eine – aus Sicht einer bestimmten Perspektive definierte – „bessere“ Entscheidung treffen. Zur Verhaltensänderung soll allein die Bereitstellung weiterer Informationen beitragen. Idealerweise gelingt eine Lust-orientierte „grüne“ Kommunikation, die Lust auf Nachhaltigkeit vermittelt – bspw. durch das „gute Gefühl“, ein nachhaltiges Produkt erworben zu haben.
Wenn Unternehmen Partnerschaften mit Umweltorganisationen und anderen nachhaltigen Marken eingehen, kann die eigene Glaubwürdigkeit erhöht und gemeinsame Ziele können leichter erreicht werden. Durch eine solche Zusammenarbeit können Bäckereien von den Erfahrungen und dem Wissen anderer profitieren und ihre eigenen Nachhaltigkeitspraktiken weiter verbessern.
Hier sind folglich u. a. die folgenden Fragen zu beantworten:
+ Wird Nudging eingesetzt, um die Kunden zu einem nachhaltigeren Einkauf zu motivieren?
+ Welche Nudges sind besonders erfolgreich?
+ Kann eine Zusammenarbeit mit Umweltorganisationen die eigene Nachhaltigkeitsreise unterstützen?
+ Was kann von anderen nachhaltigen Marken gelernt werden?
für Green Marketing und Green Branding
Eine glaubwürdige grüne Marke erfordert eine authentische und transparente Kommunikation. Es ist wichtig, auf irreführende Aussagen und Greenwashing zu verzichten.
Beim Greenwashing behaupten Unternehmen, dass ihre Angebote oder ihr Geschäftsmodell nachhaltiger seien, als sie es tatsächlich sind. Hierbei handelt es sich um eine Form der irreführenden Werbung, die schon nach § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verboten ist. Durch diese irreführende Werbung wird versucht, ein grünes Image zu schaffen und von den tatsächlichen Folgen der eigenen Geschäftstätigkeiten abzulenken. Auf die nachfolgenden Formen des Greenwashing sollten deshalb alle Unternehmen heute schon verzichten (vgl. auch Grimm und Malschinger, 2021):
+ Grüne Teilleistungen
Ein Angebot wird als „grün“ positioniert, obwohl nur einzelne Eigenschaften umweltfreundlich sind. Aufgrund dieser „grünen“ Teilleistungen soll gleichsam das gesamte Angebot oder sogar das ganze Unternehmen „ergrünen“.
+ Nachhaltigkeit wird nicht belegt
Hier werden in der Kommunikation Aussagen zur Nachhaltigkeit getroffen, die nicht belegt werden. Motto: „Frech behauptet ist halb bewiesen!“
+ Schwammige Aussagen
In der Kommunikation werden unklare Begriffe wie „fair“, „nachhaltig“, „regional“ und „klimaneutral“ verwendet, die teilweise nicht rechtlich geschützt sind und/oder eine Nachhaltigkeit nur vorgaukeln, ohne Belege anzuführen.
+ Inhaltsleere Labels
Unternehmen setzen teilweise selbst gestaltete Labels ein, die „Nachhaltigkeit“ suggerieren, ohne durch konkrete Maßnahmen oder durch Prüfungen Dritter unterlegt zu sein.
+ Irrelevante Aussagen
Hier werden Aussagen getroffen, die zwar wahr sind, aber im Hinblick auf eine Nachhaltigkeit keine Substanz aufweisen. Beispiel: „kontrollierter Vertragsanbau“ auf einer Verpackung von Bahlsen-Keksen.
+ Unwahrheiten
Hier werden in der Kommunikation Aussagen getroffen, die schlicht falsch sind und daher als Lüge bezeichnet werden müssen.
Die Notwendigkeit zum Verzicht auf solche Maß nahmen resultiert weiterhin aus der europäischen Empowering Consumers Directive, die seit dem 26. März 2024 in
Beispiel aus der Praxis: Bäckerei Soetebier aus Winsen/Luhe verfolgt eine grüne Markenstrategie
Kraft ist – aber weithin wenig bekannt ist. Diese Regelung muss bis zum 1. Quartal 2026 von den EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Diese Richtlinie verbietet folgende Praktiken: + allgemeine Umweltaussagen (wie „umwelt freundlich“, „grün“, „klimafreundlich“, „bio basiert“), ohne einen konkret überprüfbaren grundsätzlich produkt-/dienstleistungsbezo gene Werbung mit Kompensationsprojekten
Buchholz
Seevetal
Menken Hoff in Ohlendorf Dinkel
Hamburg
Hof Rehwinkel in Stelle Weizen
Familie Stüven in Hanstedt Blaubeeren
SOETELAN D
Hof Isernhagen in Nindorf Weizen, Roggen und Dinkel
Obsthof Sander in Hoopte Frisches Gemüse & Obst
Stelle
Gläserne Backstube in Scharmbeck
Winse n
Winsen Borstel
Luhdorf
Hof Benecke in Scharmbeck Weizen und Roggen
Milch, Frischkäse, Quark
Das Isermann-Buffet in Kirchgellersen Wurst & Fleisch
Salzhausen
Elbetal
Stadtwerke Winsen liefern uns Öko-Strom, Gas und Wasser. Den Windpark Scharmbeck sehen wir von unserer Backstube aus!
Hof Sasse in Sangenstedt bringt uns regelmäßig frische Eier
Lüneburg
Lüneburg-Nord
Ni edersachse n
Lüneburger Heide
Hof Brammert-Schröder in Eyendorf Weizen & Dinkel
Hof Lühr in Rolfsen Weizen
Oldendorfer Mühle Hier wird unser Getreide zu Mehl und Schrot verarbeitet
Philipp Rund aus Oldendorf Kürbiskerne
Lüneburg-Uni Lüneburg
Hof Hartmann in Rettmer Dinkel, Roggen und Weizen
+ Werbung mit künftigen Umweltleistungen, ohne einen detaillierten und realistischen Umsetzungsplan, der regelmäßig von einem unabhängigen externen Sachverständigen überprüft wird
+ Nachhaltigkeitssiegel mit ökologischen und/ oder sozialen Merkmalen, die nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder nicht von staatlicher Stelle festgesetzt wurden
Die zurzeit (Stand Juni 2024) noch im europäischen Gesetzgebungsprozess diskutierte Green Claims Directive soll Folgendes regeln:
+ Begründung anhand eines Kriterienkatalogs
+ Kommunikation von Umweltzeichen sowie von spezifizierten Umweltaussagen – die offline oder online verfügbar sein muss
Beide Inhalte müssen im Vorfeld von einer akkreditierten unabhängigen Stelle bzw. einem Zertifizierungssystem bescheinigt werden. Entsprechende Verstöße sollen vorrangig behördlich geahndet werden.
Warum sollte sich die Backbranche schon heute mit diesen Regelungen beschäftigen? Wer in den nächsten Monaten Aufträge zum Druck von Broschüren oder Tüten erteilt, deren Einsatz bis in Jahr 2026 hinaus reichen könnte, sollte genau wissen, welche Aussagen in Zukunft nicht mehr erlaubt sein werden – damit diese Druckerzeugnisse nicht später vernichtet werden müssen. Außerdem ist es schon heute sinnvoll, den eige -
nen Auftritt – online wie offline – auf in Zukunft nicht mehr (ohne Beweisführung) zulässige Aussagen hin zu überprüfen. Ein solches Vorgehen ist zielführender als Hauruck-Aktionen kurz vor dem Stichtag. Schließlich sind dann Kontrollmechanismen und Sanktionen bei Verstößen zu erwarten, um Greenwashing effektiv zu bekämpfen.
Um Green Branding in der Backbranche glaubwürdig umzusetzen, müssen Bäckereien umfassende und ganzheitliche Maßnahmen in allen Unternehmensbereichen ergreifen, von der nachhaltigen Beschaffung und Produktion über ressourceneffiziente Betriebsabläufe und umweltfreundliche Logistik bis hin zu authentischer Kommunikation. Jede Entscheidung und jeder Prozess sollten auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein. Nur so können Bäckereien eine echte grüne Marke aufbauen, das Vertrauen ihrer Kunden gewinnen und Kunden langfristig an sich binden.
Prof. Dr. Ralf T. Kreutzer ist emeritierter Professor der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin. Bevorzugte Forschungsgebiete: Marketing, Internationales/Strategisches Marketing, Dialog- und Online-Marketing, Digitaler Darwinismus, Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz, Nachhaltige Unternehmensführung
Literatur
- Gebhardt, J./Leiendecker, J./Lienke, G./Meier, F., Vorschlag der EU-Kommission für eine Green Claims-Richtlinie, in: ESG – Zeitschrift für nachhaltige Unternehmensführung, 5/2023, S. 130–134
- Grunwald, G./Schwill, J., Nachhaltigkeitsmarketing. Stuttgart: Schäffer Poeschel, 2022
- Grimm, A./Malschinger, A. (2021). Green Marketing 4.0. Ein Marketing-Guide für Green Davids und Greening Goliaths. Wiesbaden: Springer Gabler
- Kreutzer, R., Der Weg zur nachhaltigen Unternehmensführung, Wiesbaden: Springer Gabler, 2023
Eine futuristische Denkweise ist der Schlüssel, um den täglichen Informationsfluss zu verarbeiten und sinnvoll zu nutzen. Grenzenlose Neugier ist eine Voraussetzung, um sich entwickelnde Phänomene zu verstehen und nützliche Erkenntnisse zu gewinnen. In der Bäckereibranche gibt es rasante Entwicklungen, die sich um neue Technologien drehen.
+Wie können wir in diesen sich schnell verändernden Zeiten die Ereignisse um uns herum verstehen, und was sie für die Zukunft unserer Branche und unserer Unternehmen bedeuten? Wir werden täglich mit einer Informationslawine aus verschiedenen Quellen konfrontiert, darunter Zeitungen, Podcasts, Zeitschriften, Branchennewsletter, Konferenzen und mehr. Daraus ergibt sich eine schwindelerregende Anzahl von Entwicklungen, die unsere Unternehmen betreffen. Und in der heutigen Welt stehen die neuen Technologien ganz oben auf der Liste.
Meiner Meinung nach ist eine spezielle Denkweise erforderlich, um diese sich schnell verändernden Zeiten zu verstehen, im angelsächsischen Sprachgebrauch nennt man sie „futuristisch“. Leider ist ein „Futurist“ kein Wahrsager, der in eine Kristallkugel schauen und DIE Zukunft vorhersagen kann. Aber er schaut sich die vielen Technologie- und Verbrauchertrends in der Lebensmittel- und Landwirtschaft an, um das zu erfassen, was „Futuristen“ ‚alternative Zukünfte‘ nennen –alternative Möglichkeiten, wie die langfristige Zukunft aussehen könnte. Aber warum macht man sich überhaupt die Mühe, alternative Zukünfte zu erforschen? Die Antwort ist einfach: Wir erforschen die Zukunft, damit wir heute die bestmöglichen Entscheidungen treffen können.
Denn wir wissen, dass die Entscheidungen von heute unser zukünftiges Handeln einschränken. Indem wir verstehen, was die Zukunft bringen könnte, können wir in die Gegenwart zurückrechnen, um unsere Entscheidungen zu optimieren und den Wettbewerbsvorteil unseres Unternehmens zu maximieren. Mit anderen Worten: Wir treffen proaktive Entscheidungen in der Gegenwart, sodass die Zukunft für uns und in unserem Sinne geschieht, anstatt reaktive Entscheidungen zu treffen, bei denen uns die Zukunft lediglich widerfährt.
„Ich glaube, wir leben in der aufregendsten Zeit in der Lebensmittel- und Agrarindustrie, die ich seit über 30 Jahren begleite. Und das Tempo des Wandels wird nie langsamer sein als heute.“
Um herauszufinden, welche alternative Zukunft Realität wird, verfolgen wir Ereignisse und Trends und sehen, auf welche dieser Zukünfte sie hinweisen. Wir suchen nach Signalen des Wandels, nach etwas, das für die Bestimmung einer möglichen Zukunft von Bedeutung ist. Von besonderem Interesse sind die „schwachen Signale“, die Vorboten von Trends, die in eine bestimmte Richtung weisen.
Abbildung 1:
Exponentielles vs. lineares Denken
Der Weg in die Zukunft
Aber woher weiß man angesichts unserer Informationslawine, welchen Trends, Ereignissen, Signalen und schwachen Signalen man folgen muss, um alternative Zukunftsperspektiven zu erkennen? Was wir brauchen, ist ein Fahrplan, etwas, das uns durch das Labyrinth führt, das durch all die Informationen entsteht, die sich um uns herum anhäufen.
Ich habe festgestellt, dass der beste Fahrplan für die Zukunft von Lebensmitteln und Landwirtschaft auf dem Verständnis von Technologien beruht. Warum Technologien? Weil man nicht über das Prinzip „Lebensmittel vom Acker bis auf den Teller“ sprechen kann, ohne über Technologie zu reden. Früher war die Lebensmittelindustrie im Vergleich zu Branchen wie der Elektronikindustrie ein technologisches Stiefkind, aber das ist vorbei. Technologie ist jetzt überall in Lebensmitteln zu finden. Deshalb glaube ich, dass wir die aufregendste Zeit in der Lebensmittel- und Agrarindustrie seit den mehr als 30 Jahren erleben, in denen ich die Branche schon begleite. Und das Tempo des Wandels wird niemals langsamer sein als heute.
Aber das war nicht immer so. Vor etwa sechs Jahren, im Jahr 2017, bemerkte ich zum ersten Mal eine Beschleunigung des Wandels. Wie die meisten Geschäftsleute las ich meine Newsletter
und stellte fest, dass Technologien, die ich zuvor nicht kannte, in der Branche ankamen und dass andere Technologien und Verbrauchertrends sich viel schneller weiterentwickelten, als ich es für möglich gehalten hatte. Also grub ich tiefer, und je tiefer ich grub, desto mehr faszinierte mich das Thema. Nach sechs Jahren Forschung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir uns dem Schnittpunkt von fünf exponentiellen Lebensmitteltechnologien nähern, die von drei Beschleunigungsfaktoren angetrieben werden und die Zukunft der Lebensmittelherstellung in den nächsten Jahrzehnten bestimmen werden.
Aus diesem Grund basiert meine Roadmap zum Verständnis der Zukunft der Lebensmittel auf dem Verständnis von Technologien.
Das Geschäft ist so vorhersagbar!
Das ist nicht das, was ich erwartet habe!
Wohin die Entwicklung tatsächlich führt
Exponentieller Schockfaktor
Erwartete Entwicklung des Unternehmens
Was sind also die Technologien in meinem Fahrplan? Es handelt sich um alternative Proteine, zelluläre Landwirtschaft [darunter versteht man den Prozess der Erzeugung tierischer Lebensmittel und Rohstoffe durch Zellkulturen, d. Red.], die Genomik [systematische Analyse des vollständigen Genoms bzw. aller aktiven Gene, d. Red.], die Erforschung der Zusammensetzung und Veränderung der verschiedenen Mikrobiome und die synthetische Biologie [Entwurf, Nachbau oder Veränderung von biologischen Systemen, d. Red.]. Diese wiederum werden von drei Beschleunigertechnologien angetrieben: Künstliche Intelligenz (KI), Quantencomputer und Sensortechnik. Dies sind die Technologien, die uns zu unserer TECHXponential™-Lebensmittelzukunft führen werden.
Um das klarzustellen: Ich will damit nicht sagen, dass die derzeitige Pflanzen- und Tierzucht verschwinden wird; das ist bei Weitem nicht der Fall. Vielmehr werden diese fünf anderen Technologien einen weitaus größeren Einfluss auf die Zukunft von Lebensmitteln und Landwirtschaft haben.
Unsere TECHXponential-Lebensmittelzukunft Unsere TECHXponential™-Lebensmittelzukunft basiert auf zwei Schlüsselfaktoren. Der erste Schlüsselfaktor ist die Tatsache, dass Lebensmittel
heute untrennbar mit Technologie verbunden sind. Das zweite Schlüsselfaktor baut auf dem ersten auf. Es ist die exponentielle Entwicklung der Technologien.
Das Verständnis dieses exponentiellen Fortschritts ist sehr wichtig, denn wir Menschen sind von Natur aus lineare Wesen. Eine Stunde ist eine Stunde, eine Woche ist eine Woche, und ein Jahr ist ein Jahr. Manchmal haben wir das Gefühl, dass die Zeit schneller oder langsamer vergeht, aber das stimmt nicht. Der Mensch ist linear, aber die Technologie schreitet exponentiell voran.
Aus dieser Perspektive kann man sagen, dass es gefährlich ist, in einer exponentiellen Welt linear zu denken. Denn genau das passiert. In Abbildung 1 sehen wir eine typische Führungskraft, die über die Zukunft ihres Unternehmens nachdenkt und projiziert, wie sie sich die Zukunft vorstellt. Doch das exponentielle statt des linearen Wachstums führt zu einem ganz anderen Ergebnis. Dies ist unser exponentieller Schockfaktor und der Grund, warum exponentielles Denken in der heutigen, sich schnell verändernden Welt so wichtig ist.
Wohin führen uns also diese Konzepte? Nun, Lebensmittel sind heute Technologien, die sich exponentiell weiterentwickeln. Die Zukunft der Lebensmittel ist TECHXponential™.
Für jede Branche und jedes Unternehmen liegt der Schlüssel zur Entfesselung der Zukunft in der Auswahl der richtigen Trends, Ereignisse und schwachen Signale, denen man folgen kann. Die Untersuchung der TECHXponential™-Technologien liefert uns die Informationen, die wir brauchen, um die Zukunft der Backwarenindustrie zu erkennen. Die drei einflussreichsten Technologien sind die zelluläre Landwirtschaft, das Mikrobiom und die synthetische Biologie.
Um zu verstehen, wie sie sich auf die Backwarenindustrie auswirken könnten, werden wir kurz einige Beispiele für jede dieser Technologien untersuchen.
Bei der zellulären Landwirtschaft werden einfach Zellen von Pflanzen gezüchtet und nicht die ganze Pflanze. Ich gehe davon aus, dass viele Menschen, die diesen Artikel lesen, Schokolade mögen, aber was nicht so bekannt ist, ist, dass dieses gesamte Produktsegment bedroht ist. In Westafrika sinken die Kakaoerträge aufgrund des Klimawandels, von Pflanzenkrankheiten, sinkenden Bestäubungsraten und Arbeitskräftemangel. Erschwerend kommt hinzu, dass der Anbau von Kakaopflanzen für Schokolade zur Abholzung der Wälder beitragen kann. Was können wir also tun, wenn wir weiterhin Schokolade genießen
Abbildung 2: Forschung zum Mikrobiom. Anzahl der dazu erschienen Publikationen pro Jahr
wollen? Um uns aus dem Schokoladendilemma zu helfen, züchtet ein Unternehmen namens California Cultured Kakaopflanzenzellen in Tanks, um daraus Zutaten für Schokolade herzustellen. Derzeit werden Tausende von Geschmacksstoffkombinationen nachgebildet – das ist der eigentliche Vorteil der pflanzlichen Zellkulturen. Das Geschmacksprofil des Endproduktes kann komplexer sein, als es bei vielen der derzeitigen Single-Note-Aromen der Fall ist. Außerdem enthalten diese Präparate aus der zellulären Landwirtschaft viele der bioaktiven Moleküle der Pflanze, die zur menschlichen Gesundheit und zum Wohlbefinden beitragen. Für die Herstellung ihrer Produkte werden keine Anbauflächen und nur wenig Süßwasser benötigt.
Wir können alle wieder aufatmen!
Mehrere Unternehmen, wie das israelische Unternehmen Wilk und das US-amerikanische Unternehmen Biomilq, entwickeln Technologien zur Herstellung von Milch, die nicht von Säugetieren stammt. Im Wesentlichen nehmen sie Stammzellen aus der Milch, züchten sie zu Miniaturmilchdrüsen und lassen Milch in großen Edelstahlfermentern wachsen. Sie können dies für jedes Säugetier tun, einschließlich Kühe und Menschen. Auch diese Unternehmen benötigen kein Ackerland und verbrauchen viel weniger Süßwasser für die Herstellung ihrer Produkte als ihre konventionellen tierischen Gegenstücke.
Das Mikrobiom
Einer der jüngsten und wichtigsten Fortschritte in der Ernährung ist die Erforschung des Mikrobioms.
Wie Sie aus dem Diagramm in Abbildung 2 ersehen können, ist das Mikrobiom ein sehr neues Forschungs- und Interessengebiet. Tatsächlich hat die Forschung in diesem Bereich erst seit den frühen 2010er-Jahren richtig Fahrt aufgenommen.
Diese Forschung hat unter anderem gezeigt, dass die Anwesenheit oder Abwesenheit bestimmter Mikroorganismen unser Wohlbefinden beeinflussen kann. Diese Mikroorganismen tun dies, indem sie Stoffwechselprodukte produzieren, die über die Gehirn-Darm-Achse wirken, einschließlich des Vagusnervs, der vom Darm zum Gehirn verläuft und eine wichtige Rolle bei Dingen wie Stimmungsregulierung, Herzfrequenz, Verdauung und sogar Immunität spielt. Unser Darm hat so viele Neuronen wie das Gehirn einer Katze und wurde unfreundlich als das „Gehirn in unserem Hintern“ bezeichnet. Bauchgefühle sind also vielleicht bedeutender, als wir denken.
Diese Forschungen zeigen uns, dass wir alle sehr, sehr unterschiedlich auf unsere Nahrung reagieren. Ein Beispiel dafür ist die vom WeizmannInstitut in Israel durchgeführte Forschung über die Reaktion des Blutzuckers auf Nahrung. Diese Blutzuckerreaktion ist sehr wichtig, denn sie kann ein Indikator für einen späteren Diabetes sein. Das bedeutet, dass wir häufige starke Blutzuckerspitzen in unserer Nahrung vermeiden sollten. Das Diagramm in Abbildung 3 stammt aus einer Untersuchung des Weizmann-Instituts in Israel, bei der die Forscher mehreren Menschen genau dasselbe Nahrungsmittel – in diesem Fall einen Keks oder eine Banane – gaben und ihre Blutzuckerreaktion überprüften. Das obere Diagramm zeigt, dass der Keks den Blutzuckerspiegel einiger Menschen in die Höhe trieb, die Banane dagegen nicht, was man erwarten würde. Die zweite Abbildung zeigt das Ergebnis der anderen Probanden. Bei ihnen wurde ein Anstieg des Blutzuckerspiegels nach dem Verzehr einer Banane registriert, während der Keks Source: PubMed
nicht die gleiche Wirkung hatte. So viel zum gesunden Menschenverstand. Das WeizmannInstitut hat dann diese Blutzuckerreaktionen mit dem Mikrobiom der Personen korreliert. Daraus entstand ein Unternehmen namens Day Two, das auf der Grundlage dieser Daten eine Smartphone-App entwickelt hat, die anhand der Analyse des individuellen Mikrobioms beurteilen kann, wie gut eine Mahlzeit für einen geeignet ist.
Diese Forschung hat auch gezeigt, dass wir ohne unser Mikrobiom nur einen Bruchteil des Nährwerts aller Lebensmittel, die wir essen, nutzen könnten. Die Förderung eines gesunden Mikrobioms ist daher ein wichtiger Schwerpunkt vieler Arbeiten im Bereich Mikrobiom. Einige Beispiele dafür, was wir tun können, um unser Mikrobiom zu verbessern, sind Präbiotika, Probiotika, Postbiotika und Synbiotika [Kombination aus Prä- und Probiotika, d. Red.].
Postbiotika sind einer der interessantesten Bereiche, denn wir sehen, dass selbst tote Zellen und ihre Stoffwechselprodukte einen positiven Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben können. Viele dieser Präparate sind auch hitzestabil, eine wichtige Eigenschaft für die Backwarenindustrie.
All diese Forschungen zeigen die enormen Auswirkungen, die unser Mikrobiom auf unsere Gesundheit, unsere Ernährung und sogar unser psychisches Wohlbefinden hat, und machen deutlich, wie individuell unser Mikrobiom ist. Die PREDICT-Studie im Vereinigten Königreich hat gezeigt, dass bei Einzelpersonen nur etwa 35 % ihres Mikrobioms übereinstimmen und dass selbst Zwillinge nur 37 % ihres Mikrobioms gemeinsam haben.
Viele der Inhaltsstoffe, die wir heute verwenden, sind das Ergebnis chemischer Synthese, häufig aus Erdöl. Wenn die Nutzung fossiler Brennstoffe zurückgeht, wird auch die Verfügbarkeit dieser Rohstoffe für viele dieser Inhaltsstoffe abnehmen. Die Tierhaltung liefert viele andere benötigte
Zeit (min)
Kekse
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Rohstoffe, aber wir haben die Grenzen für eine nachhaltige Produktion auf dieser Welt erreicht, wenn nicht sogar überschritten. Was wir brauchen, sind nachhaltigere, weniger umweltschädliche Methoden zur Herstellung unserer Lebensmittelzutaten, und die biologische Synthese ist eine Antwort darauf.
Das Start-up-Unternehmen Michroma verändert Fadenpilze gentechnisch, um Farb- und Aromastoffe für Lebensmittel herzustellen. Das Hauptunterscheidungsmerkmal solcher Lebensmittelfarbstoffe ist, dass sie stabiler sind als die derzeit verfügbaren natürlichen Alternativen. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist, dass ihre Produkte den üblichen Verfahren wie Pasteurisierung und Extrusion standhalten können.
Eine weitere Technologie ist das Molecular Farming von Pflanzen. Dabei wird das Gen für ein Produkt, das wir herstellen wollen, in eine Pflanze eingebaut, die Pflanze gezüchtet, die
Bananen
Kekse
Abbildung 3: Analyse der Blutzuckerreaktion auf Lebensmittelii
„In der Landwirtschaft und der Lebensmittelbranche, einschließlich der Bäckereien, stehen exponentielle Veränderungen an. Ich wette, dass die Supermärkte im Jahr 2030 und darüber hinaus Backwaren und Zutaten anbieten werden, die wir noch nie zuvor gesehen haben. Es werden Produkte verfügbar sein, die heute erst in der Fantasie einiger weniger Start-up-Gründer existieren.“
gewünschte Verbindung extrahiert und zur Herstellung eines Endprodukts verwendet. Das israelische Unternehmen Pigmentum nutzt diese Technologie, um Inhaltsstoffe wie Vanille und Lebensmittelfarben in Salat anzubauen. In ähnlicher Weise nutzt Elo Life Systems Wassermelonen, um eine Verbindung namens Magrosid V zu erzeugen, die 300-mal süßer als Zucker ist und keine Kalorien hat.
Ein wichtiger Beitrag dieser Unternehmen besteht darin, dass sie nachhaltige Rohstoffe verwenden und nicht etwa petrochemische Stoffe.
Was bedeutet das?
Die meisten dieser Technologien zeichnen sich dadurch aus, dass sie weniger Ressourcen, einschließlich Ackerland und Süßwasser, verbrauchen und weniger Umweltverschmutzung wie Treibhausgasemissionen oder den Abfluss von überschüssigen Nährstoffen verursachen. Dies bedeutet, dass uns eine Vielzahl von Technologieanwendungen zur Verfügung steht, um nachhaltigere Produkte herzustellen.
Wer sind die Verbraucher im Jahr 2030 und darüber hinaus?
Aber was werden die Verbraucher von diesen Technologien halten? Denn es spielt keine Rolle, wie gut eine Technologie ist, wenn niemand das Produkt kaufen wird. Und wer sind die Verbraucher, über die wir nachdenken sollten?
Alle reden von den Millennials oder der Generation Z. Aber wenn wir die Zukunft bis 2030, 2040 und darüber hinaus im Auge haben, müssen wir uns mit der Generation nach der Generation Z befassen: der Generation Alpha. Im Jahr 2024 wird es 2 Milliarden Gen Alphas auf der Welt geben, die größte Generation, die der Planet je gesehen hat. Sie werden fast 25 % der Weltbevölkerung ausmachen.
Und wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Generationen wie die Generation Z und vor allem die kommende Generation Alpha nicht nur Digital Natives, sondern Technology Natives sind. Sie sind mit Privatunternehmen aufgewachsen, die Raketen in den Weltraum schießen, mit
mRNA-Impfstoffen, Drohnen, tanzenden Robotern von Boston Dynamics und – wahrscheinlich noch zu ihren Lebzeiten – mit einer Kolonie auf dem Mars! Sie werden die technologisch versierteste Generation sein, die es je gegeben hat, denn sie haben keine andere Realität gekannt. Und Untersuchungen über die Generation Z zeigen, dass sie wahrscheinlich ein viel höheres Maß an Technologie bei der Herstellung ihrer Lebensmittel akzeptieren wird als andere Generationen. Eine Studieiii ergab, dass 77 % der Generation Z Lebensmittel probieren würden, die mithilfe von Technologie hergestellt wurden, gegenüber 67 % der Millennials, während die Generationen X und Boomer mit 58 % gleichauf liegen. Stellen Sie sich vor, wie Gen Alpha den Einsatz von Technologie in ihren Lebensmitteln sehen wird. Höchstwahrscheinlich wird sie den Einsatz von Technologie bei der Herstellung von Lebensmitteln noch mehr akzeptieren, und mit zunehmendem Alter werden ihre Werte die langfristige Zukunft von Lebensmitteln und Landwirtschaft bestimmen.
Aber was werden diese Verbraucher wollen?
Ich glaube, was Verbraucher der Generation Z und vor allem der Generation Alpha in Zukunft wünschen, ist eine Personalisierung. Schon heute ist die Personalisierung allgegenwärtig, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Wenn Sie einen Video- oder Audio-Streaming-Dienst nutzen, erhalten Sie E-Mails oder Nachrichten auf Ihrem Bildschirm, die besagen, dass Sie diesen Film gesehen haben und dass Ihnen jener Film gefallen könnte; dass Sie diesen Song mögen und dass Ihnen jener Song gefallen könnte. Selbst unsere Google-Suchen sind personalisiert, und wenn Sie Amazon oder eBay nutzen, erhalten Sie ständig personalisierte Angebote. Einige sind zweifelsohne besser personalisiert als andere. Die Personalisierung ist bereits in allen Bereichen unseres Lebens angekommen, und auch das Essen wird sich diesem Trend nicht entziehen können.
Aufgrund der Personalisierung will der Verbraucher der Zukunft mehr als nur schmackhafte
Nahrung, er will Produkte, die gut für seine Gesundheit und seinen Lebensstil sind. Die Zeiten, in denen Lebensmittel ausschließlich nach Tageszeiten – Frühstück, Mittagessen, Abendessen und Snacks – eingeteilt wurden, sind vorbei. Darüber hinaus wollen die Verbraucher jetzt anlassbezogene Lebensmittel. Mit anderen Worten: Was ich morgen vor meinem Treffen mit einem potenziellen neuen Kunden frühstücken möchte, ist etwas, das mir hilft, gute Leistungen zu erbringen – ganz anders als das, was ich nächste Woche von meinem Frühstück erwarte, das mir helfen soll, mich im Urlaub in St. Tropez zu entspannen.
Verbraucher und die drei Beschleuniger Aber woher sollen die Verbraucher wissen, welche Personalisierung sie wünschen und ob eine Personalisierung ihrer Ernährung oder Veränderungen in ihrem Mikrobiom für sie von Vorteil sind? Hier kommen unsere drei Beschleunigertechnologien ins Spiel. Erstens können die Verbraucher dank Sensoren in Form von BioWearables [tragbare Messgeräte wie Uhren, Fitnessbänder o. Ä., d. Red.] sehen, ob eine Veränderung ihres Mikrobioms zu einer positiven Veränderung der Verstoffwechselung ihrer Le -
bensmittel und ihrer persönlichen Ernährung führt. Derzeit sind die meisten Sensoren wie Smartwatches usw. recht sperrig und können nur eine begrenzte Anzahl von Stoffwechselprodukten wie Glukose, Laktat und Ketone erfassen. In Zukunft werden wir jedoch in der Lage sein, eine breite Palette von Stoffwechselprodukten zu analysieren, und zwar mit Sensoren, die in die Kleidung integriert sind oder als Tätowierungen oder semipermanente oder permanente Implantate funktionieren.
Aber eine große Bandbreite und Menge an Daten nützt nichts, wenn man sie nicht analysieren kann. Und genau hier kommt die KI ins Spiel. Sie ist in der Lage, die Daten zu analysieren und Ihnen genau zu sagen, wie sich Ihr Stoffwechsel verändert hat, seit Sie Ihre Ernährung oder Ihr Mikrobiom verändert haben, und ob diese Veränderung vorteilhaft ist oder nicht.
Ein deutliches Signal, wohin dies in der längerfristigen Zukunft von 2030–2040 führen könnte, kommt von den virtuellen physiologischen Zwillingen Harvey und Harvetta. Dabei handelt es sich um digitale Zwillinge, männlich und weiblich, die 80.000 biochemische Reaktionen, 26 Organe,
sechs Blutgruppen und das Mikrobiom modellieren, um vorherzusagen, wie sich Lebensmittel auf uns auswirken werden. Der Einsatz einer solchen KI würde es uns ermöglichen, die Auswirkungen eines Lebensmittels auf uns und unser Mikrobiom vorherzusagen und dies dann mit dem tatsächlichen Ergebnis anhand unserer BioWearables zu vergleichen. Anschließend können wir die KI durch maschinelles Lernen so abstimmen, dass wir unsere eigene individuelle Ernährung optimieren können.
Dies ist ein Beispiel dafür, wo unsere dritte Beschleunigertechnologie, das Quantencomputing, zum Einsatz kommt. Die Datenmenge, die von Harvey und Harvetta analysiert werden muss, übersteigt selbst die Supercomputer in unseren Hosentaschen, unsere Smartphones, bei Weitem. Um für die Verbraucher wirklich nützlich zu sein, müssen ihre Sensordaten in Echtzeit verarbeitet werden. Höchstwahrscheinlich werden nur Quantencomputer über die nötige Rechenleistung verfügen, um dies zu erreichen.
Es ist also die Beschleunigung durch diese drei Technologien – KI, Quantencomputer und Sensoren –, die eine sinnvolle Personalisierung für
die Verbraucher in den kommenden Jahrzehnten möglich machen wird. Jeder von uns wird eine persönliche „KI-Hülle“ besitzen, die uns umgibt und mit unserem Körper nach innen und mit der Welt nach außen interagiert.
Für die Verbraucher wird dies jedoch nicht dazu führen, dass unsere KI zur „Lebensmittelpolizei“ wird. Vielmehr wird es um Ausgewogenheit gehen. Unsere KI wird unsere Kreditkarten nicht ablehnen, wenn wir versuchen, Backwaren zu kaufen. Es wird immer noch einen Platz für Genuss geben, und hoffentlich für bewussten Genuss, wenn die Lebensmittel den Bedürfnissen der Verbraucher nach mehr als nur schmackhafter Nahrung entsprechen. Unsere Gesundheit wird in einer Weise von uns abhängen, wie wir es noch nie zuvor gesehen haben.
Tatsächlich ist die erste persönliche KI bereits da. Der AI Pin wurde erstmals 2023 vorgestellt und ist seit April dieses Jahres erhältlich. Imran Chaudhri, Mitbegründer von Humane, zeigte während eines TED-Vortrags der KI einen Milchriegel und fragte sie: „Kann ich das essen?“ Die KI antwortete: „Ein Milchriegel enthält Kakaobutter, bei Ihrer Intoleranz sollten Sie ihn vielleicht
meiden.“ Als er sagte, er würde ihn trotzdem essen, antwortete die KI mit „Guten Appetit“!
Mit dem Aufkommen von generativer KI wie ChatGPT ist das Thema KI für jedes Lebensmittelunternehmen ein großes Thema. In vielerlei Hinsicht wird sich KI auf Lebensmittelunternehmen genauso auswirken wie auf jedes andere Unternehmen, indem sie die Logistik, den Kundenservice und viele andere Kernfunktionen optimiert. Aber besonders zum Tragen kommt KI bei der Entwicklung neuer Produkte (NPD). Der große Vorteil der KI liegt hier darin, dass sie Daten über Inhaltsstoffe und Verarbeitungsprozesse sowie deren Kombinationen berücksichtigen kann, die der menschliche Verstand nicht erfassen kann. Und wenn sie sich irrt, kann sie lernen und sich durch Erfahrung verbessern. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist das von AB InBev herausgebrachte Beck‘s Autonomous Bieriv, bei dem die KI eingesetzt wurde, um die Rezeptur zu erstellen, nachdem offenbar Millionen von Rezepturkombinationen in Betracht gezogen wurden.
Aber AB InBev ist nicht allein; es gibt eine ständig wachsende Zahl von Unternehmen, die KI für eine Vielzahl von NPD-Zwecken einsetzen. Dazu gehört das chilenische Unternehmen NotCo mit seiner Giuseppe-KI für die Entwicklung pflanzenbasierter Produktev. Auf der Grundlage ihrer KI haben sie Kohl- und Ananasbestandteile in ihre NotMilk und Pfirsichpulver in ihr NotChicken integriert, um ihre tierischen Gegenstücke besser zu imitieren. Mars hat sich mit dem KI-Unternehmen PIPA LLCvi zusammengetan, um neue pflanzliche Inhaltsstoffe zu finden, und McCormick & Company ist eine Partnerschaft mit IBM zur Bewertung von Inhaltsstoffen eingegangenvii
ChatGPT wurde sogar von der Schweizer Firma Vivi Kola AG mit ihrem neuen Produkt VIVI Nova für NPD verwendet. Sie wollten ein veganes Getränk entwickeln, das Zutaten mit bekannten gesundheitlichen Vorteilen enthält. Also versuchten sie, AI als ihr NPD-Team einzusetzen. Sie baten ChatGPT um eine geeignete Rezeptur, die aus Wasser, Limettensaft, Haskap-Beerensaft,
Ingwersaft, Zichorienwurzelpulver und Rohrzucker bestand. Vermutlich haben sie die Rezeptur so lange verfeinert, bis sie zufrieden waren. Dann baten sie ChatGPT, einen Namen mit vier Buchstaben für das Produkt vorzuschlagen, und es kam Vivi Nova heraus. Schließlich brauchten sie noch ein Etikett, das sie mithilfe der KI-gestützten Midjourney und dem 3D-Erstellungstool Unreal Engine entwarfen. Sie behaupten, dass dies alles nur zwei Tage gedauert hat, was, wenn es stimmt, ziemlich bemerkenswert ist und wahrscheinlich eher die Ausnahme als die Regel darstellt. Aber es zeigt das Potenzial der KI, die Entwicklung neuer Produkte zu beschleunigen. Möglicherweise stehen uns viele neue Lebensmittelerlebnisse bevor.
Wird das zukünftige NPD-Team des Herstellers ein KI-gesteuerter Roboter sein? Wahrscheinlich nicht in absehbarer Zeit, aber die Integration von KI in Ihren NPD-Prozess wird bald unverzichtbar werden. Diejenigen, die KI nicht früh genug einführen, könnten sich in einem verlorenen NPDWettrüsten mit denjenigen wiederfinden, die KI einsetzen.
Selbst wenn die künstliche Intelligenz die Menschheit vernichten sollte, werden wir in der Zwischenzeit wohl einige schmackhafte Produkte genießen können!
Wohin mit dem Backen?
Ich glaube, dass die bedeutendste technologische Chance für die Backindustrie das Mikrobiom ist. Die Auswirkungen des Mikrobioms auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden sind kaum zu überschätzen. Angesichts der Bedeutung der biotischen Produkte, die mit unseren Lebensmitteln interagieren, könnte dies ein wichtiger Teil des Angebots sein.
In der Alkoholindustrie beispielsweise spricht Molson Coors gezielt Menschen an, die Probiotika in ihren Seltersgetränken wünschen. Und der Inhaltsstoffriese ADM arbeitet an der Einbeziehung von Postbiotika in seine Inhaltsstoffe und an der Frage, wie diese in Lebensmittelprodukte eingebracht werden können.
Für Bäckereibetriebe liegt die Chance darin, Wege zu finden, ihren Produkten einen mikrobiom-basierten Gesundheitsnutzen zu verleihen. AI NPD könnte aus all den oben genannten Gründen genau die richtige Lösung für dieses Problem sein.
Eine weitere Möglichkeit für die Bäckereibranche, zur Nachhaltigkeit ihrer Produkte beizutragen, besteht darin, mit diesen Technologien hergestellte Zutaten zu übernehmen. Dies wird ihre Scope-3-Emissionen erheblich reduzieren und die Verbraucher der Gen Z und Gen Alpha ansprechen.
Die Zukunft
Wir haben viel behandelt, aber das Wichtigste bei all diesen Technologien ist, dass es sich um Science-Fakten und nicht um Science-Fiction handelt. Einige Technologien sind bereits auf dem Markt, bei anderen wird es noch Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte oder länger dauern, bis sie sich durchsetzen, aber sie sind alle schon jetzt da.
Und die Technologie wird nicht verschwinden.
In der Lebensmittel- und Agrarindustrie, einschließlich der Backwarenherstellung, stehen exponentielle Veränderungen bevor. Ich wette, dass es in den Supermärkten des Jahres 2030 und darüber hinaus Backwaren und Zutaten geben wird, die wir noch nie gesehen haben. Es wird Produkte geben, die heute erst in der Vorstellung einiger weniger Start-up-Gründer existieren.
Und wenn wir uns eine TECHXponential-Mentalität zu eigen machen, brauchen wir keine Angst vor Veränderungen oder der Zukunft zu haben.
Sie gibt uns die Mittel und einen Fahrplan an die Hand, um das Labyrinth des exponentiellen Wandels zu verstehen und uns darin zurechtzufinden.
Die Verbraucher verändern sich, die Technologien verändern sich, und für die Bäckereibranche bieten sich enorme Möglichkeiten, an der Spitze des Wandels zu stehen und den vollen Nutzen aus diesen exponentiell fortschreitenden Trends zu ziehen. +++
References
i PubMed database, accessed 15 June 2023
ii Adapted from; Zeevi et al, Cell Volume 163, Issue 5, P1079-1094, November 19, 2015
iii Ketchum Inc; Food Tech Consumer Perception study, 2019
iv Food Dive AB InBev’s Beck’s makes ‘futuristic’ beer using artificial intelligence, April 13, 2023
Tony Hunter , Future of Food Consulting Tony Hunter ist strategischer Zukunfts-Berater, Lebensmittelwissenschaftler, Vortragender und Autor, der sich auf die Zukunft von Lebensmitteln und Landwirtschaft spezialisiert hat. Er spricht weltweit über die Technologie- und Verbrauchertrends, die den sich schnell verändernden Lebensmittel- und Agrarsektor prägen. Er berät globale Lebensmittelunternehmen sowie Risikokapitalgeber und die vier größten globalen Beratungsunternehmen zu diesen Trends und ihren Auswirkungen auf die Branche. Seine besondere Kombination aus wissenschaftlichen Qualifikationen, Geschäftserfahrung und detaillierten Kenntnissen der Lebensmitteltechnologien ermöglicht es ihm, eine einzigartige Perspektive auf die Zukunft der Lebensmittel zu bieten.
v https://notco.com/us/about/giuseppe
vi Nutraingredients USA; Mars partners with AI firm on ingredient discovery project, May 3, 2022
vii The Spoon; McCormick and IBM are Using AI to Develop Better-Tasting Spices, February 4, 2019
Neue Konzepte und Entwicklungen für mehr Nachhaltigkeit
+AMF Bakery Systems stellt sich die Bäckerei der Zukunft als eine völlig autonome Produktionsstätte vor, in der das Licht ausgeschaltet bleiben kann. Mit der Verwirklichung dieses Ziels einer „Lights-out“-Bäckerei will das Unternehmen der Markel Food Group die Herstellung besserer Lebensmittel – vom Prozess bis zum Endergebnis – und ein besseres Leben der Menschen unterstützen.
Nachhaltige Industrieöfen sind der Schlüssel Achtsame technologische Innovationen wurden entwickelt, um die Effizienz des Backens zu verbessern und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Der Multibake ® VITA-Tunnelofen von AMF Den Boer, der mit Wasserstoff betrieben wird, ist ein Spiegelbild dieser Denkweise. Beim Backen mit grünem Wasserstoff entstehen keine CO 2-Emissionen. Die einzigen Nebenprodukte sind Wasser und Dampf, die im Backprozess verwendet werden. AMF hat sich zum Ziel gesetzt, den Nachhaltigkeitsanforderungen von morgen gerecht zu werden, und einen Ofen entwickelt und auch gebaut, der mit patentierten wasserstoffbetriebenen Brennern arbeitet. Das branchenweit erste Konzept ist in verschiedenen Konfigurationen erhältlich: Roste für Bleche und Formen, Gitterbänder für Herdprodukte und Steinplatten für Pizza, Fladenbrot und eine Vielzahl an Brotsorten
sind möglich. Die maßgeschneiderten Konfigurationen basieren auf der Art der Produkte, den aktuellen und den erwarteten Produktionsraten. Dies ist die Zukunft des nachhaltigen Backens mit sauberer und erschwinglicher Energie und einem CO 2-neutralen Verfahren.
Auf diesem Weg sind die Hybridöfen von Den Boer alle wasserstofftauglich und können leicht umgerüstet werden, da die Industrie die Versorgung mit grünem Wasserstoff rasch an die neue Technologie anpasst.
Für industrielle Bäckereien, die auf grüne Energie umsteigen wollen, ist das Backen mit Strom eine nachhaltige Alternative zum Einsatz fossiler Brennstoffe. Dies bedeutet nicht nur eine bessere
Tel.: +31 183 626 252
E-Mail: sales@amfbakery.com
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Prozesssteuerung bzw. höhere Energieeffizienz, sondern ist auch ein umweltfreundlicher Prozess, der gleichbleibende Ergebnisse liefert. Diese Lösung ist nicht auf neue Öfen beschränkt, auch bestehende AMF-Anlagen können auf den Strombetrieb umgerüstet werden. So können industrielle Bäckereien einen großen Schritt auf ihrem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit gehen, da sie sich von teuren, endlichen und umweltschädlichen Energiequellen lösen können. Kompatible Öfen können mit elektrischen Heizelementen, neuen Kontrollsystemen und Temperatursensoren ausgestattet werden.
verbessern die Nachhaltigkeit
Die leistungsstarke Technologie, die in den AMFÖfen steckt, wird bei der Feinabstimmung der Backprozesse durch die digitale Technologie AMF Sustainable Oven Service (SOS) unterstützt: Alle Ofenfunktionen werden überwacht: Temperatur, Luftstrom, Belegung und Energieverbrauch werden nachverfolgt und die Daten aufgezeichnet. Der SOS verwendet fortschrittliche Sensoren, die die Leistung des Ofens kontinuierlich überwachen und die Daten mit der AMF Bakery Intelligence Cloud verbinden, um Prozessoptimierungen in Echtzeit zu ermöglichen. Anhand dieser Daten werden Verbesserungen in der Backeffizienz, der Wärmeverteilung oder der Produktqualität ermöglicht. Gasverbrauch und Emissionen lassen sich um bis zu 20 % reduzieren.
Die nächste Generation der Backofensteuerung von AMF nutzt künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen, um Backöfen wirklich autonom zu machen. Sie tun dies mithilfe eines digitalen Zwillings des physischen Ofens, der Simulationen mit verschiedenen Parametereinstellungen durchführt. Ist das gewünschte Ergebnis perfekt, können die Einstellungen automatisch vom digitalen Zwilling auf den Ofen übertragen werden, während die KI den Prozess innerhalb der festgelegten Parameter steuert. Das bedeutet auch, dass sich die Leistung im Laufe der Zeit verbessert, da die Maschine lernt und Muster erkennt.
Bei der Suche nach Verbesserungen im Bereich Nachhaltigkeit ist der Ofen der beste Ansatzpunkt. Upgrades entlang der gesamten Produktionslinie können ebenfalls einen großen Beitrag zu diesem Ziel leisten. Die von AMF entwickelten flexiblen Bun- und Brötchenlinien beispielsweise erzielen qualitativ hochwertige Produkte mit Lösungen, die vollautomatisch, sicher und einfach zu bedienen sind und durch eine vollständige Prozesskontrolle zur Senkung der Betriebskosten beitragen.
Mit dieser Hochgeschwindigkeitslinie können weiche Produkte wie Hamburgerbuns und verschiedene Brötchen mit einer Kapazität von bis
Über den Sustainable Oven Service (SOS) werden alle Ofenfunktionen überwacht und Daten über Temperatur, Luftstrom, Belegung und Energieverbrauch aufgezeichnet
zu 96.000 Stück pro Stunde hergestellt werden. Die Linie umfasst einen vollautomatischen Gärraum zur Optimierung der Teigentwicklung, einen Open-Frame-Mischer, einen FLEX-Extrusionsteiler, einen Accupan-Hochgeschwindigkeitsteigformer, einen Baketech-Durchlaufgärschrank, einen Baketech-Mehretagenofen, einen Den Boer-Entkapsler, einen Vesta-Spiralkühler, einen RoboterBlechestapler mit einem patentierten End-of-ArmWerkzeug für eine schonende Handhabung, Großverpackungspacker, ein Versaloader (Roboterlader mit einem patentierten Portal-Roboterarm), einen Korbstapler/Entstapler von unten nach oben sowie Fördersysteme für den Transport durch die gesamte Linie. Dank der Verbesserungen in Sachen Hygiene erfüllt die Anlage nicht nur die höchsten Hygieneanforderungen, sondern trägt auch zur Nachhaltigkeit und zur Verbesserung der Gesamtbetriebszeit der Anlage bei. Die Linie wurde so konzipiert, dass die Betriebskosten durch präzise Prozesssteuerung gesenkt werden. Um einen reibungslosen, kontinuierlichen Produktionsfluss zu gewährleisten, kommt AMF Connect™ zum Einsatz. Die Lösung stellt die optimale Leistung der Anlage sicher, indem sie mit Echtzeitdaten arbeitet. Sie verbessert die Kommunikation zwischen den Anlagenteilen und die Kontrolle über den gesamten Produktionsprozess. Die digitale Transformation industrieller Bäckereien wird durch integrierte Steuerungen wie AMF Connect™ ermöglicht.
Die Perfektionierung des Backprozesses wird durch einen detaillierten, pixelgenauen Blick auf das große Ganze ermöglicht. In einer industriellen Bäckerei bedeutet dies, effiziente, einfach zu bedienende und intelligente Technologie zu entwickeln und den Betrieb ganzer Systeme zu koordinieren. Auf diese Weise liefert AMF nicht nur einzelne Maschinen oder komplexe Anlagen, sondern komplette, schlüsselfertige Linien und wird somit zum Systemintegrator. AMF trägt so zum Aufbau einer effizienten, nachhaltigen und zuverlässigen Bäckerei bei. „Wir nennen es Bakery Intelligence“, erklärt der Regional Marketing Manager Lex Van Houten, „Bäckerei-Intelligenz“.
Die Webanwendung AMFConnect TM liefert über ihre intelligente Dashboard-Funktion präzise, auf die jeweilige Bäckerei zugeschnittene Empfehlungen zur Belegungsoptimierung, zur Verfügbarkeit des Ofens und zu den Backbedingungen. Wichtig ist, dass auch eine Ökoeffizienz-Analyse erstellt wird, die sogar Auskunft über den optimalen Ressourcenverbrauch pro gebackenem Stück geben kann. AMFConnect™ fasst alle Daten zusammen und zeigt auf, wo Effizienzverbesserungen möglich sind, wie Food Waste reduziert und die Produktqualität und Prozesskonstanz verbessert werden können.
Die intelligenten Lösungen von AMFConnect™ dienen der Verbindung (über die AMFNexGen™ die Komponentendiagnose und Laufzeitinformationen bereitstellt – die Grundlage für zukünftige Konnektivität), der Überwachung (über den AMFLineGuardian™, der alle AMFNexGen™Bäckereianlagen in Echtzeit überwacht) und
der Berichterstattung (über den AMFProductionGuardian™, er erstellt eine Historie der Betriebsabläufe und liefert vorausschauende Warnungen. Zudem ist er in der Lage, die Maschinen zu steuern).
Die Vision von AMF einer „Lights-out“-Bäckerei der Zukunft beinhaltet einen autonomen Betrieb mit minimalen Ausfallzeiten, wenig bis gar keinen Spielraum für Fehler, CO2-Neutralität, einen minimalen Bedarf an Bedienereingriffen oder Interventionen jeglicher Art und minimalen Food Waste. Intelligente Bäckereilösungen sind die Werkzeuge, um all diese Punkte zu erfüllen.
Für diese To-do-Liste beobachtete das Unternehmen, welche Nachhaltigkeitstrends in Bäckereien auf dem Vormarsch sind:
+ Senkung des Energieverbrauchs und der Emissionswerte
+ Einführung von Anlagen und Maschinen mit Hygienefeatures der neuesten Generation
+ Steigerung der Produktionseffizienz
+ Nutzung neuer Energiequellen – auch Wasserstoff
+ Minimierung des Transportbedarfs in der Anlage
+ Verwaltung von Teigresten
+ Minimierung des Wasserverbrauchs
+ Einbindung digitaler Werkzeuge und intelligenter Technologien
Den Weg der Nachhaltigkeit
Die Nachhaltigkeitsvision von AMF Bakery Systems beschränkt sich nicht auf die Zukunft der Bäckereien. Sie umfasst auch eigene Verpflichtungen. Dazu gehören die Verringerung des CO 2-Ausstoßes, die effiziente Nutzung von Energie, Optimierung der Lebensdauer der Anlagen und die Entwicklung von Anlagen, die weniger Wasser und Energie verbrauchen. Bis
2050 wird AMF ausschließlich erneuerbare Energien verwenden. „Wir glauben, dass alle Menschen saubere, erschwingliche Energie verdienen. Um den Übergang zu einem erneuerbaren Energiesystem zu beschleunigen, hat sich die AMF verpflichtet, in erneuerbare Energie zu investieren, energieeffiziente Praktiken zu bevorzugen und saubere Energietechnologien und -infrastrukturen einzuführen. Wir werden unseren Verbrauch an nicht erneuerbarem Strom in unseren Betrieben bis 2030 um 30 % reduzieren“, betont das Unternehmen. AMF erfasst den Energieverbrauch in allen Einrichtungen, um Fortschritte zu messen. Die Förderung einer besseren Arbeitsumgebung für die Mitarbeiter ist ebenfalls eine Priorität, ebenso wie die Reduktion des Abwasseraufkommens. Bis 2030, das hat sich das Unternehmen zum Ziel gesetzt, soll das Abwasseraufkommen um 30 % reduziert werden.
AMF fokussiert sich für die eigenen Fortschritte für mehr Nachhaltigkeit auf drei Bereiche:
+ Die Produkte: „Grüne Lösungen“ fördern die effiziente Nutzung von Ressourcen, ihre Betriebskosten werden durch IoT-Funktionen ausgeglichen, die die Lebensdauer der Maschinen verlängern, und es werden alternative Materialien verwendet
+ Die Umwelt: Minimierung von CO 2-Fußabdruck, Energieverbrauch, Wasserverbrauch und Abfall
+ Soziales Engagement: Förderung der nächsten Generation von Arbeitskräften, soziale Investitionen und gemeinnützige Aktivitäten –der Gedanke hinter der Nachhaltigkeitsstrategie ist, kontinuierliche Verbesserungen zu erzielen. Dazu ist Erfindungsreichtum bei der Produktentwicklung der Schlüssel, und die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes, der den Mitarbeitern Unterstützung bietet, hat Priorität. +++
+Seit 1964 kreiert der Backgrundstoffhersteller backaldrin Ideen für Brot und Gebäck. Doch all diese Ideen können nicht ohne den wichtigsten Rohstoff umgesetzt werden: das Getreide. Damit dieses auch in Zukunft in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht, ist eine intakte Natur sowie Ressourcenschonung unabdingbar. backaldrin hat das erkannt und bemüht sich seit Jahrzehnten darum, die Nachhaltigkeit des Unternehmens weiter zu verbessern.
Das Familienunternehmen hat seinen Hauptsitz in Asten, Oberösterreich, wo es seit fast 60 Jahren hochwertige Backgrundstoffe entwickelt. Durch den Original Kornspitz ® erlangte das Unternehmen auch internationale Bekanntheit. Heute ist backaldrin in über 100 Ländern weltweit tätig.
Das Familienunternehmen setzt in seiner Tätigkeit für die weltweite Backbranche dabei ganz auf Innovation und Qualität aus der Region.
Es ist kein Geheimnis, dass die weltweiten Ressourcen knapper werden; umso wichtiger ist es
deshalb, nachhaltiger zu wirtschaften. Denn will man eine gute Zukunft für Kinder und Enkelkinder, so müssen jetzige Generationen schon an die Generationen von morgen denken. „Als Backgrundstoffhersteller arbeiten wir täglich mit Naturprodukten, da ist es für uns eine Selbstver-
Kornspitzstraße 1 4481 Asten, Österreich
Tel.: +43 7224 8821 0
E-Mail: info@backaldrin.com
Website: www.backaldrin.com
Tel.: +43 7224 8821 400
E-Mail: empfang@paneum.at
Website: www.paneum.at
„Als Backgrundstoffhersteller arbeiten wir täglich mit Naturprodukten, da ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, Verantwortung für Umwelt und Natur zu übernehmen.“
Peter Augendopler, Eigentümer backaldrin und Kornspitz-Erfinder
ständlichkeit, Verantwortung für Umwelt und Natur zu übernehmen“, macht backaldrin-Eigentümer und Kornspitz-Erfinder Peter Augendopler seinen Standpunkt dazu klar.
Gutes aus der Heimat
Und diese Verantwortung beginnt bereits bei der Beschaffung der Rohstoffe. Um lange Transportwege bestmöglich zu vermeiden, gilt bei backaldrin deshalb stets der Grundsatz: Ist etwas in Österreich in ausreichender Menge und Qualität verfügbar, wird auch hierzulande gekauft und auf heimische kleinstrukturierte Landwirtschaft zurückgegriffen. Diese Regionalität gelingt durch langfristige Partnerschaften mit Lieferanten und Betrieben. So stammen beim Flaggschiff des Hauses, dem Original Kornspitz®, etwa 90 % der Zutaten sowie über 80 % aller verarbeiteten Getreideprodukte aus Österreich.
Lässt der Rohstoff eine heimische Beschaffung nicht zu, wird nach nachhaltigen Lösungen gesucht. So bezieht das Unternehmen etwa Kakao
auch von Rainforest-Alliance-zertifizierten Farmen.
Bei Palmöl wird wiederum bestmöglich auf eine RSPO-Zertifizierung geachtet. Kontrolliert und begutachtet wird der Einsatz dieser Rohstoffe regelmäßig von unabhängigen Stellen. So ist
„Bei backaldrin legen wir großen Wert auf Nachhaltigkeit und möchten uns stets verbessern. Darum hat die Bewertung und Auszeichnung durch EcoVadis für uns einen großen Stellenwert.“
der Betrieb seit vielen Jahren erfolgreich nach BIO, RSPO und auch AMA-Richtlinien zertifiziert. Zudem ist backaldrin Member of Sedex, einer Datenplattform für Transparenz im Nachhaltigkeitsengagement von Unternehmen.
backaldrin ist seit Jahren mehrfach von unterschiedlichen Kontrollstellen zertifiziert. 2024 erfolgte dann ein historischer Meilenstein: Mit der Bronze-Medaille von EcoVadis, dem weltweit größten und zuverlässigsten Anbieter von Nachhaltigkeitsrankings, gelang bei der erstmaligen Teilnahme eine hervorragende Bewertung. In der Gesamtbewertung befindet sich backaldrin in den oberen 35 % aller bewerteten Unternehmen sowie in den oberen 15 % der von EcoVadis beurteilten Unternehmen in der Branche „Herstellung von sonstigen Nahrungsmitteln“. In den Kategorien „Umwelt“ (obere 16 %) und „Nachhaltige Beschaffung“ (obere 13 %) wurden Spitzenleistungen erbracht.
„Als Unternehmen sind wir uns unserer Verantwortung bewusst. Bei backaldrin legen wir großen Wert auf Nachhaltigkeit und möchten uns stets verbessern. Darum hat diese Bewertung und Auszeichnung für uns einen großen Stellenwert. Eine nachhaltige Zukunft beginnt immer
mit dem nächsten Schritt“, so backaldrin-CEO Harald Deller.
zu
Eine Chance, die Nachhaltigkeit weiter zu steigern, sieht das Unternehmen auch in der digitalen Transformation, denn Digitalisierung kann zur Ressourcenschonung maßgeblich beitragen, wie eine Kooperation mit dem Münchner Start-up Delicious Data zeigt. Um den Müllbergen von Lebensmitteln – darunter auch Brot und Gebäck – etwas entgegenzuwirken, setzt Delicious Data künstliche Intelligenz ein. Mithilfe exakterer Absatzprognosen, bei denen auch externe Faktoren wie Wetter und Feiertage miteinfließen,
wissen Bäcker und Bäckerinnen genau, wann wie viel Brot benötigt wird.
Überproduktionen, die schlussendlich dann vielleicht in die Tonne wandern, sollen damit vermieden werden – ein wichtiger Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Das Konzept der Kreislaufwirtschaft ist es, den Wert von Rohstoffen möglichst lange im Umlauf zu halten – wie etwa durch Recycling – und dabei möglichst wenig Umweltbelastungen zu erzeugen. Vor allem in Bezug auf die Reduzierung von Abfall schlummert hier großes Potenzial, das auch backaldrin nutzt.
Bei über 800 Produkten, die das Unternehmen mittlerweile entwickelt und produziert, müssen die Rohre, durch die die Backgrundstoffe im Unternehmen transportiert werden, regelmäßig mit Mehl gereinigt werden, um die Reinheit der verschiedenen Produkte zu garantieren. Seit Jänner 2023 wird dieses „Reinigungsmehl“ nun an die Firma REPLOID Value Solutions GmbH in Wels gesendet, wo das ausrangierte Mehl von backaldrin zu Futtermittelsubstrat verarbeitet und anschließend verfüttert wird.
Genial sozial
Gefragt ist Nachhaltigkeit jedoch nicht nur im Sinne von Ökologie und Ökonomie, sondern auch der soziale Aspekt muss berücksichtigt werden. Seit Jahren engagiert sich backaldrin deshalb für Entwicklungsarbeit in Afrika. Im
Wolfgang Mayer, Unternehmenssprecher backaldrin
backaldrin ist ein weltweit tätiges Unternehmen mit einer sehr festen lokalen und regionalen Verankerung. Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung gegenüber Kunden, Menschen und Natur. Alle leben wir im gleichen Lebensraum und jede einzelne Person hat die Möglichkeit, mit ihrem Handeln einen Baustein für eine nachhaltige Lebensweise zu setzen. Wir wollen in allen Bereichen des Unternehmens dieses Bewusstsein stärken und haben viele Projekte in der Umsetzung für eine nachhaltige Zukunft. Wir wollen „Zukunft leben“.
Jahr 2012 war backaldrin einer der Mitgründer der „Angel Bakery“ mitten im größten Slum Kenias und sorgte für die komplette Ausstattung, Ausbildung und technische Unterstützung. Mehr als 30 Menschen konnten dort bereits eine Ausbildung zum Bäcker abschließen. „Neben der Bäckerei umfasst das Projekt auch ein ‚Social and Health Care‘-Zentrum sowie zwei Schulen mit knapp 1.000 Schülern, die von der ‚Angel Bakery‘ täglich mit Brot und Gebäck versorgt werden. Denn Bildung und Nahrung sind der Schlüssel zu Veränderung und einer Verbesserung der Lebensumstände“, so Peter Augendopler jun., der dieses backaldrin-CSRProjekt begleitet. +++
+Im dynamischen Bereich des industriellen Backens, in dem Flexibilität und fortschrittliche Produktionstechnologie entscheidend sind, ist BAKON ein führender Anbieter innovativer Lösungen für das Dressieren, Ultraschallschneiden, Sprühen, Glasieren und Dekorieren. Wir wissen um die heutigen Herausforderungen bedingt durch den Arbeitskräftemangel und die steigende Nachfrage nach größeren Produktionskapazitäten.
BAKON ist ein zuverlässiger Experte für industrielle Produktionsprozesse. Bei uns geht es nicht nur um die Maschine, sondern auch um die Entwicklung echter Lösungen, die von Standardsystemen bis hin zu vollständig an Kundenan -
forderungen angepasste Produktionslinien reichen, die zur Automatisierung von Prozessen wie Dressieren, Sprühen, Ultraschallschneiden, Glasieren und Dekorieren entwickelt wurden. Unser Ziel ist es, unseren Kunden dabei zu helfen, komplexe Prozesse zu vereinfachen und ihnen wertvolle Zeit und Ressourcen einzusparen.
Bei der Effizienz allein hören wir aber lange noch nicht auf. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Komponenten und Materialien, die in unseren Lösungen verwendet werden, den höchsten Lebensmittelsicherheitsstandards entsprechen.
Die BAKON Gearwheel-Dressiermaschine ist unsere Antwort auf komplexe Herausforderungen.
Innovation and Experience Center
Amundsenweg 29a 4462 GP Goes, Niederlande
Produktionssitz
Stanleyweg 1 4462 GN Goes, Niederlande
Tel.: +31 113 244 330
E-Mail: info@bakon.com
Website: www.bakon.com
Diese auf Vielseitigkeit, Zuverlässigkeit und Benutzerfreundlichkeit ausgelegte Maschine erfüllt die höchsten Standards zur Gewährleistung der Sicherheit bei der Bedienung und entspricht den EU-Lebensmittelvorschriften. Damit ist sie zukunftssicher.
Ob als eigenständige Lösung oder integriert in eine Produktionslinie, die BAKON-Dressiermaschine passt sich nahtlos an aktuelle und zukünftige Produktionsanforderungen an. Ihr modulares Design macht sie einsetzbar für eine breite Palette an Anwendungen, wie das Auftragen von Teigen und Massen in Form von Punkten bis hin zu langen Formen, von gedrehten bis hin zu drahtgeschnittenen Formen und von flüssigen bis zu starren Massen. Dabei können sowohl gekühlte als auch erhitzte Produkte verarbeitet werden. Mit dieser Technologie kann eine umfassende Produktpalette hergestellt werden, wie Rouladen, dressierte Gebäcke, Kekse, Cookies, Cupcakes und Muffins bis hin zu Blechkuchen, Biskuitböden und völlig neuen, originellen Kreationen oder Kombinationen in diesen Produktsegmenten.
Die Gearwheel-Dressiermaschine wird mit einer neuen, speziellen Software geliefert, die so konzipiert wurde, dass sie benutzerfreundlich ist und eine unkomplizierte Bedienung ermöglicht. Auf diese Weise bietet das System vom ersten Tag an eine unmittelbare Investitionsrendite, indem sie die Produkthandhabung optimiert. Die Maschine
steigert nicht nur die Produktivität, sondern reduziert auch Food Waste und erhöht die Effizienz der Produktionsprozesse.
Dank des umfassenden BAKON-Rezepturprogramms, das ein einfaches Speichern und den Abruf der Produkteinstellungen ermöglicht, ist der Wechsel zwischen verschiedenen Produkten binnen kurzer Zeit möglich. Weil zahlreiche Rezepturen gespeichert werden können, können Sie flexibel auf die Anforderungen des Marktes reagieren.
Intelligentere Systeme für eine kontinuierliche Produktion
BAKON REDCONTROL ist ein innovatives Betriebssystem, das die Benutzerfreundlichkeit und Effizienz Ihrer neuen Industrielösung steigert und einen neuen Standard in der Produktivitätsoptimierung setzt.
Entdecken Sie die Zukunft mit RedControl RedControl verändert die Art und Weise, wie Anwender mit unseren Industrielösungen interagieren. Es zeichnet sich durch ein intuitives, prozessorientiertes Design aus, das den Benutzer mit Leichtigkeit durch komplexe Aufgaben führt. Das System bietet einen Rezepturassistenten mit visuellen Hilfen, der es dem Benutzer ermöglicht, zu vorherigen Schritten zurückzukehren, ohne dass Daten verloren gehen. Die übersichtliche, konsistente Benutzeroberfläche liefert wichtige Informationen in klarer Form, wobei personalisierte Echtzeitdaten auf einem übersichtlichen, anpassbaren Dashboard angezeigt werden. Dieses Dashboard bietet den Benutzern einen schnellen Zugriff auf bevorzugte Funktionen und Statistiken und gewährleistet die fließende Kontrolle über einzelne Maschinen und ganze Produktionslinien.
Über RedControl sind die Benutzer immer mit der Anlage verbunden und erhalten an kritischen Stellen präzise Benachrichtigungen und Anleitungen in visueller Form. Die fortschrittliche Analytik des Systems liefert einen Einblick in die Produktionsmengen und die Maschinenleistung, während Fernwartungsmöglichkeiten einen zeitnahen Service versprechen, der Ausfallzeiten minimiert und die Effizienz maximiert.
Die wichtigsten Merkmale von RedControl:
+ Mühelose Navigation: Eine intuitive Schnittstelle, die auf Einfachheit und Leichtigkeit ausgelegt ist.
+ Einheitliches Design: Ein nahtloses Erscheinungsbild, das in alle neuen Maschinen implementiert wird.
+ Visueller Rezeptur-Assistent: Ein visuell geführtes System für eine einfache Rezeptverwaltung.
+ Personalisiertes Dashboard: Passen Sie Ihr Dashboard an Ihre Arbeitsabläufe an.
+ Vollständige Kontrolle: Überwachen Sie einzelne Maschinen und ganze Produktionslinien mit Leichtigkeit.
+ Schritt-für-Schritt-Anleitung: Sie werden durch einfache, klare Anweisungen durch komplexe Aufgaben navigiert.
+ Klare Visualisierung: Ein übersichtliches Display, das die wichtigsten Maschineneinstellungen auf einen Blick anzeigt.
+ Intelligente Navigation: Intuitive Bedienelemente für einen effizienten Betrieb.
+ Präzise Warnungen: Bleiben Sie durch klare, zeitnahe Benachrichtigungen gut informiert.
+ Schnelle Lernkurve: Reduzieren Sie die Einarbeitungszeit durch benutzerfreundliche Funktionen.
+ Proaktive Wartung: Planen und führen Sie Wartungsarbeiten mit minimaler Unterbrechung durch.
RedControl bietet eine ebenso schöne wie funktionale Benutzererfahrung. Das übersichtliche, anpassbare Dashboard ermöglicht den Benutzern die einfache Eingabe von Parametern und die Überwachung von Schlüsselkennzahlen. Die konsistente Platzierung der Schaltflächen und die klaren Symbole gewährleisten einen reibungslosen, logischen Arbeitsablauf, unterstützt durch visuelle Hilfsmittel, die komplexe Prozesse vereinfachen.
Jedes Detail ist so konzipiert, dass die Benutzer informiert sind und die Kontrolle behalten, sodass sich ein nahtloses Benutzererlebnis entwickelt, das die Produktivität und Effizienz mit jedem Schritt steigert.
Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit: mehr als nur Komponenten
Bei der Herstellung von Lebensmitteln ist die sorgfältige Reinigung der Maschinen eine der wichtigsten Aufgaben. Bei BAKON konstruieren
wir nicht nur Maschinen, sondern auch Sauberkeit. Unser Hauptaugenmerk während der Konstruktion liegt darauf, dass sich unsere Maschinen so leicht wie möglich reinigen lassen.
Zeit ist ein wertvolles Gut in der Lebensmittelherstellung, und wir wissen das. Deshalb bemühen wir uns, den Reinigungsprozess schneller und effizienter zu gestalten. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Wasser und den Einsatz von Reinigungsmitteln.
Viele unserer Maschinenteile, die direkt mit den Lebensmitteln in Berührung kommen, sind spülmaschinenfest, sodass der Reinigungsprozess nach der Demontage noch einfacher wird.
Lebensmittelsicherheit ist nicht nur eine Anforderung, sondern eine Verpflichtung. Da sie ein wachsendes gesellschaftliches Anliegen ist, wird von Lebensmittelherstellern erwartet, dass sie sich an immer strengere Standards bei Produktionsprozessen und Materialien halten. Bei BAKON stellen wir sicher, dass alle unsere Maschinen diese Lebensmittelsicherheitsstandards erfüllen und sogar übertreffen.
Unser Team aus Ingenieuren ist mit allen aktuellen Vorschriften und Normen bestens vertraut. Alle Materialien und Komponenten, die in BAKONMaschinen verwendet werden, sind nach EC1935/2004 zertifiziert. Mit BAKON investieren Sie nicht nur in eine Maschine, sondern in eine zukunftssichere Lösung, die Ihnen hilft, die sich entwickelnden Anforderungen und Vorschriften der Lebensmittelindustrie mühelos zu erfüllen.
+Ein Vakuum mag ein Raum ohne Materie sein, aber die Vorteile des Vakuumkühlens und des Vakuumbackens sind für Bäckereien, die ihren Kunden einen besseren Service bieten und gleichzeitig auf ihre Produktionsweise achten wollen, durchaus sinnvoll. Die Vorteile der Technologie sind vielfältig, angefangen bei der Qualität der Backwaren, ihrer Haltbarkeit, dem Komfort in der Produktion bis hin zu erheblichen Energieeinsparungen bzw. einer viel besseren CO 2-Bilanz.
Die Vakuumkonditionierung
Die Vakuumkonditionierung bietet Handwerksbäckern zahlreiche Vorteile, um ihre Kunden zu halten und neue zu gewinnen, angefangen bei der verbesserten Produktqualität. Die Backwaren bleiben länger frisch und knusprig, haben ein besseres Aussehen sowie eine stabile Form und Struktur. Dank dieser überlegenen Produkteigenschaften können die Fachgeschäfte fertige Pro -
dukte aus dem Backbetrieb beziehen, anstatt sie im Laden zu backen, was wertvolle Zeit einspart. Außerdem können mit dieser Technik größere Chargen sicher hergestellt werden, vorgebacken oder verzehrfertig, da sie nicht so schnell altbacken werden wie Ware, die nach traditioneller Methode gebacken werden. Die volle Auslastung des Ofens bedeutet einen minimalen Energieverbrauch sowie weniger Rüstund Reinigungsvorgänge.
„Unsere cetravac-Anlage läuft seit
Jahren zu unserer vollsten Zufriedenheit und wie so oft im Leben fragen wir uns:
Was taten wir früher, um solche
Qualitäten zu erreichen? Einfache
Antwort: Wir hatten sie einfach nicht.“
Reinhard Honeder, Naturbackstube, Engerwitzdorf/Österreich
Vakuumkonditionierung: platzsparend mit Hubtür, exklusiv nur bei cetravac
Außerdem sind kaum mehr Nachtschichten nötig, ein Workflow-Vorteil, den alle Mitarbeiter zu schätzen wissen. Bei konsequenter Anwendung der Vakuumkonditionierung lassen sich je nach Produktgruppe 15 % bis über 50 % an Backenergie und damit CO 2-Emissionen einsparen. Konstantes Backen mit voller Kapazität eliminiert Schwankungen und senkt damit die Wahrscheinlichkeit von Produktionsfehlern. Mit anderen Worten, im Ergebnis kommt es zu weniger Produktund Energieverschwendung und zu weniger Stress für die Mitarbeiter.
cetravac AG bakeXperts AG
Kesselbachstrasse 40
9450 Altstätten, Schweiz
Tel.: + 41 71 520 7550
E-Mail: contact@cetravac.ch
Die Vakuumkühlung ist ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren: Bei der Anwendung des Vakuums verdampft das im Produkt enthaltene Wasser bei einer niedrigeren Temperatur als die üblichen ca. 100 °C, wodurch das Produkt im Vergleich zu anderen Kühlmethoden wesentlich schneller und gleichmäßiger abkühlt. Energieeinsparungen werden nicht nur durch die kürzeren Zeiten erzielt, sondern auch, weil es sich um ein produktbezogenes Verfahren handelt: Nur wasserhaltige Materialien – also die Backwaren – werden davon beeinflusst; es wird keine Energie für das Abkühlen von Backblechen oder Wagen verschwendet. Darüber hinaus stabilisiert ein schneller Abkühlungsprozess die Struktur der frischen Ware, sodass 15–50 % kürzere
Vakuumbacken: der UDO-Ofen
Der patentierte Unter-Druck-Ofen (kurz: UDO) backt gefrorene, gekühlte oder bei Umgebungstemperaturen gelagerte, vor- oder fertiggebackene Produkte unter Vakuum, indem er die in den Poren des Produkts befindliche Luft entfernt und das Produkt in Sekundenschnelle mit Dampf erhitzt. Die Vakuumkühlung in den nachfolgenden Sekunden stabilisiert die Struktur des Produkts und sorgt für die gewünschte Rösche. Der UDO-Vakuumofen bietet zahlreiche einzigartige Vorteile:
+ Die Backzeit ist um 30–50 % kürzer als bei herkömmlichen Backmethoden, und zwar für jedes Ausgangsstadium – ob gefroren, gekühlt, bei Raumtemperatur gelagert oder vorgebacken. Die Einsparungen an Strom, CO 2-Emissionen und Arbeitsaufwand für das Personal gestalten sich entsprechend.
+ Zudem können andere Prozesse wie das Garen und Auftauen entfallen, was Zeit und Mühe spart.
+ Doppeltes Backen: Das patentierte Verfahren zur Rückverkleisterung von Stärke ermöglicht die Wiederherstellung der Eigenschaften von frisch gebackenen Produkten, wodurch die Verschwendung von Lebensmitteln und Rohstoffen sowie der damit verbundene Energieund Zeitaufwand minimiert werden.
Backzeiten möglich sind, mit entsprechender Energieeinsparung. Auf diese Weise erhalten die Produkte bessere Eigenschaften als die traditionell gebackenen und gekühlten. Besonders empfindliche Produkte wie Croissants, Plundergebäck, aber auch alle anderen Produkte, bei denen die Knusprigkeit als Frischeaspekt eine große Rolle spielt, erfahren durch die Vakuumkonditionierung die größte Verbesserung und Beständigkeit. Ein schnelles Abkühlen bedeutet auch, dass das mikrobielle Entwicklungsfenster drastisch verkleinert wird. Vakuumgekühlte Teiglinge können gelagert und transportiert werden, ohne dass eine Kühl-/ Frosterumgebung erforderlich ist – was zu weiteren, erheblichen Energieeinsparungen führt.
+ Normalerweise werden bis zu 20 % der täglich hergestellten Brote und Brötchen „entsorgt“. Mit dem UDO können bis zu 70 % dieser Abfälle vermieden werden.
+ Außerdem kann jederzeit, also bis Ladenschluss, eine breite Produktpalette zur Verfügung stehen, denn nicht verkaufte Produkte können am nächsten Tag erneut gebacken werden und erhalten so ihre backfrischen Eigenschaften zurück.
+ Die Vorbereitungszeit vor der Ladenöffnung ist um 30–50 % kürzer, da die Schritte des Auftauens und Gärens vollständig entfallen können und die Zeit zum Backen dieser Erstbeschickung 20–40 % kürzer ist.
+ Der letzte Schritt, die Vakuumkühlung, perfektioniert das Aussehen, das Volumen und die Textur der Produkte und sorgt für längere Frische.
+ Der Gewichtsverlust des gefrorenen Teiglings während des Backens ist im Vergleich zu herkömmlichen Öfen deutlich geringer, das kann Teigeinwaage sparen.
+ Längere Haltbarkeit: Vor- oder doppelt gebackene Produkte können erheblich länger haltbar sein, da der Dampf in alle Poren eindringt und die Rückverkleisterung der Stärke auslöst.
+ Witterungs- und saisonbedingte Produktschwankungen werden eliminiert.
Versandbereit:
Rack-UDO für 15 Backbleche mit Einschießwagen
Vorteil
Um 30 % und mehr verkürzte Backzeit
Reduzierter Stromverbrauch bzw.
CO 2- Emissionen
Perfekte Qualität, lange Frischhaltung
Geringerer Backverlust, weniger Teigeinwaage
Food Waste wird, dank der UDO-Doppelbackmethode, halbiert oder sogar noch weiter reduziert.
Schneiden und Verpacken in nur
Minuten nach dem Backen und nicht nach Stunden
+ Vorgebackene Produkte können in großen Chargen vorproduziert werden und müssen vor dem Fertigbacken, das weniger als 10 Minuten dauert, nicht tagelang eingefroren werden. Dadurch können erhebliche Energie- und Betriebskosteneinsparungen erzielt werden, bei Neubauten auch Investitionen.
+ Die Produktion mit voller Kapazität reduziert auch die Vorbereitungszeiten und den Reinigungsbedarf, was die Rentabilität der Produktion erhöht.
+ Brote können sofort nach dem Backen in Scheiben geschnitten und verpackt werden.
„Die Einschätzung des Tagesbedarfs an frischen Backwaren ist, trotz Einsatz verschiedener Software-Tools zur Reduktion von Food Waste, ein oft schwieriges Unterfangen. Mit dem UDO kann
Begründung
20 bis 40 % der Backzeiten werden, produktabhängig, durch den Vakuumofen UDO eingespart. Dementsprechend fällt pro Tag und Filiale bis zu eine Arbeitsstunde weniger Zeit zum Backen und Befüllen der Regale an und tagsüber steigt die Qualität des Verkaufs wegen des stressfreieren Arbeitsklimas.
Im gleichen Rahmen sinken Stromverbrauch und CO2-Emissionen. Schon bei 8 bis 10 Filialen kommt man schnell auf mehrere zehntausend € Einsparung und damit auf einen attraktiven ROI.
Durch die den Backprozess abschließende Vakuumkühlphase bekommen die Produkte ein perfektes Aussehen ohne Setzfalten, mit vollem Volumen, langanhaltender Rösche und höchster Frischhaltung.
Durch den teigschonenden Vakuumbackprozess gerade bei Tiefkühlteiglingen sind die Gewichtsverluste beim Backen deutlich geringer als in herkömmlichen Backöfen. Um das gleiche Endgewicht zu erzielen, können 5 bis 10 % Teigeinwaage und die entsprechende Rohstoffmenge eingespart werden.
Bei diesem patentierten und einzigartigen Doppelbackprozess wird schlagartig Dampf in jede Pore des z. B. schon einmal gebackenen Brotes eingebracht, dieser Dampf aktiviert die Wiederverkleisterung der Stärke, eliminiert den Backverlust und stellt die Frische wieder her. So wird Brot von gestern wieder wie das von heute. Funktioniert fantastisch bei Halbbackprodukten.
In nur 3 bis 6 Minuten werden Backwaren (Schnittbrot, Toast, …) abgekühlt, damit schnittfest und gleichzeitig ideal für das Verpacken. Das sorgt für hohe Schimmelresistenz, eine saftige Krume und größtmögliche Frische.
das Brot ganz oder teilweise im Voraus gebacken werden, und dann jeden Tag frisch und nach Bedarf im Vakuumofen. Der Brotvorrat muss nicht einmal gekühlt werden und kann direkt bei Raumtemperatur einige Tage lang gelagert werden. Die Krume ist frisch und die Kruste ist knusprig. Der Wassergehalt des Brotes nach dem Endbacken entspricht dem des fertig gebackenen Brotes“, betont Prof. em. Dr. Dr. e. h. Friedrich Meuser von der TU Berlin: „Der Ofen ist sensationell.“ Der UDO wurde dafür im Rahmen der südback 2022 ausgezeichnet
Für die Bäckerei Grobe GmbH & Co KG in Dortmund mit ihren 64 Fachgeschäften liegt der unmittelbare Nutzen vor allem in der Verbesserung der Verfügbarkeit von Schnittbrot,
die dadurch möglich ist, dass die Produkte fast sofort abgekühlt werden und sofort geschnitten werden können. Die Energieeinsparungen, multipliziert mit 64 Geschäften, sind ebenfalls erheblich. „80 % unseres Brotes wird in Scheiben geschnitten verkauft. Verfügbarkeit ist wichtig“, unterstreicht Jürgen Hinkelmann , Inhaber der Bäckerei.
Café Engelke betreibt 28 Fachgeschäfte in Hildesheim. Nach dem Test des UDO-Backofens war Inhaber Markus Engelke überzeugt und kaufte die Technik für den täglichen Einsatz: „Die Vorteile in Bezug auf Qualität, Frischhaltung, schnelle Reaktion auf unerwartete Nachfrage und 30 bis 40 % weniger Energieverbrauch haben uns voll überzeugt“, sagt er. +++
Am Anfang stand eine Idee, die sich aus den beeindruckenden Ergebnissen der Vakuumkühlung von Weißbrot in Industrie-Bäckereien vor allem in England und den USA ergab. Die anfängliche Nutzung bestand darin, die Zeit vom Backen bis zum Schneiden der Brote zu verkürzen. Aufgrund mangelnder bezahlbarer Komponenten und der noch nicht vorhandenen heute üblichen SPS-Steuerungen hat sich diese Technologie aber damals nicht durchgesetzt. Erst Ende der 90er Jahre hat der cetravac-Gründer Adolf Cermak die Idee auf Anraten eines befreundeten Bäckerei-Wissenschaftlers wieder aufgegriffen, die Vakuum-Unterbruchbackmethode zum Patent angemeldet und sich dann voll auf das Abenteuer „Backmethode der Zukunft“ eingelassen. Die Präsentation der ersten praxisnahen Vakuumanlage fand auf der iba 2000 statt. Das Konzept erwies sich sehr schnell als bahnbrechende Möglichkeit für effizientes und nachhaltiges Backen und Kühlen, der Erfolg aber ließ auf sich warten. Erst rund zehn Jahre später – Jahre, in denen zwar einige Anlagen verkauft werden konnten, von Durchbruch aber keine Rede sein konnte – hat das Unternehmen Vakuumkonditionierung Fahrt aufgenommen. Heute ist der Spezialist für Vakuumkühlung, cetravac, Marktführer im Segment Handwerksbäckereien und möchte genau da auch bleiben.
Für das Backen von morgen
Das Schwesterunternehmen von cetravac, bakeXperts, wurde im Jahr 2013 ebenfalls von Cermak gegründet. Ursprünglich ein Unternehmen für Bäckerei-Engineering, hat sich BakeXperts nun auf das Vakuumbacken und den dazugehörigen Vakuumofen spezialisiert. Auch der UDO ist auf eine Anregung eines Bäcker-Freundes zurückzuführen: „Kannst du mir nicht einen Ladenbackofen bauen, mit dem man auch vakuumkühlen kann?“ Der Ofen war schnell gebaut, er konnte backen, vakuumkühlen, aber noch viel mehr, und das war nicht beabsichtigt. Das umwerfend Neue war, dass mit diesem Vakuumbackofen die schon retrogradierte Stärke wieder rückverkleistert werden konnte und dass damit Effekte erzielt werden können, von denen man vor einigen Jahren nicht einmal zu träumen gewagt hätte.
Die ersten Prototypen sind seit einigen Monaten im Einsatz und der Startschuss für die erste Serie ist gerade verklungen. Zusätzlich zu den Vakuumlösungen selbst werden auch Schulungen und Seminare für kleine Gruppen oder einzelne Unternehmen organisiert, um die Theorie zu präsentieren und das Vakuumkühlen und -backen zu demonstrieren.
VORTEIG
+Nachhaltigkeit und Gesundheit sind heute zwei der wichtigsten Themen. Sie haben großen Einfluss auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung und damit auch auf die Backwarenindustrie. Nachhaltigkeit in der Bäckereibranche manifestiert sich typischerweise in einer verantwortungsvollen Beschaffung von Rohstoffen und Verpackungsmaterialien an jedem Punkt der Lieferkette. Darüber hinaus tragen auch die Optimierung der Herstellungsprozesse als auch die Reintegration von Restteig und -backwaren ein enormes Potenzial im Hinblick auf eine nachhaltigere Produktion, sowohl ökonomisch als auch ökologisch. Für Verbraucher spielt die gesundheitsfördernde Reduktion von Zutaten wie Salz, Fett und Zucker eine wichtige Rolle. Aber auch die „natürlichere Ernährung“ wird immer wichtiger und so rücken Clean Label, Vollkorn- und Sauerteigprodukte in den Vordergrund.
Dieser Artikel zeigt auf, welche Ziele sich im Hinblick auf die Themen Clean Label und Nachhaltigkeit in der Produktion erreichen lassen und wie der Einsatz von Vor- und Sauerteig Lebensmittel gesünder machen kann und welche Vorteile sich dabei noch ergeben.
Rezirkulation
Auch heute noch werden Tonnen von unverkauftem Brot und Teigresten weggeworfen. Dabei kann es sich wirtschaftlich lohnen, hochwertige
„Abfallprodukte“ wieder in den Prozess und die Produkte zurückzuführen, z. B. durch die Wiederverwendung von Restteig oder Restbrot.
Hier gibt es grundsätzlich zwei Methoden. Zum einen die bloße Zerkleinerung des Restbrotes in einer geeigneten Maschine und anschließender Anreicherung mit Wasser zu einem Slurry , welcher dann dem Hauptteig zugeführt wird. Zum anderen die Fermentation, bei der ein aromatischer Sauerteig entsteht. Bei der sogenannten „Weizenbrotfermentation“ bzw. „Roggenbrotfermentation“ kann unverkauftes und unverkäufliches Brot recycelt und vollständig neu fermentiert werden, indem das Brot in speziellen Maschinen geschnitten und eine Fermentationskultur hinzugefügt wird. So wird das Brot vollständig in einen aromatischen Sauerteig umgewandelt, der dann bis zu einer Woche ohne Kühlung gelagert werden kann. Bereits ein kleiner Prozentsatz des fermentierten Brots, der dem Brotteig zugesetzt wird, optimiert die Hydratation des Mehls, bereichert den Geschmack des fertigen Brots und verlängert seine Frische sowie seine Lagerstabilität im Gefrierschrank.
Am Tie 23
49086 Osnabrück, Deutschland
Tel.: +49 541 33104 0
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Bei Produkten, die aus Teigen ausgestochen werden, wie z. B. Pizzaböden, fällt eine große Menge an Teigresten an. Das „Abfallprodukt“ kann in Brotmischern oder speziellen Tanks mit schnell drehenden Werkzeugen verarbeitet werden, um auch wie im Falle der Brotrezirkulation zunächst einen Slurry zu erzeugen. Je nach Konsistenz des Teigs und der verwendeten Ausrüstung entspricht die benötigte Wassermenge dem Gewicht des zurückgegebenen Teigs, ggf. sogar etwas weniger.
In Anlehnung an den Brotfermentationsprozess können Teigreste mit einem Muttersauerteig vermischt und kurzzeitig fermentiert werden. Dies ermöglicht eine Lagerzeit von bis zu drei Tagen, je nach pH-Wert und gewählter Temperatur.
Die beschriebenen Prozesse erlauben es Lebensmittelherstellern, 20 bis 25 % des gesamten Teiggewichts aus fermentierten Teig- und Brotresten wiederzuverwenden. Auch der Einsatz eines fermentierten Vorteigs in der Produktion von Croissants ist möglich und wird von immer mehr Bäckereien mit einem Anteil von etwa 7 % mildem Sauerteig eingesetzt. Dadurch wird der Buttergeschmack der Croissants spürbar angereichert.
Diese nachhaltiger geführte Produktion lässt sich mit entsprechend effizienten Knetprozessen kombinieren und somit noch effizienter gestalten, um etwa Produktionszeiten zu verkürzen oder die Menge an produzierter Ware zu erhö -
DIOSNA Brotfermentation
Nach der Reifezeit ist das Brot fermentiert und kann ≤ 1 Woche lang ohne Kühlung als Sauerteig verwendet werden.
hen. Die DIOSNA Wendelkneter beispielsweise ermöglichen eine sehr effiziente Misch- und Energiebilanz, was zu kurzen Knetzeiten, niedrigeren Teigtemperaturen und höherer Wasseraufnahme in den Teig führt. Hier sei erwähnt, dass die hohe Kneteffizienz neben der Knetkraft vor allem durch sich entgegengesetzt drehende Werkzeuge ermöglicht wird. Dies bedeutet trotz hoher Effizienz eine exzellente Teigqualität.
Was kann mit Vorteig erreicht werden?
Clean Label ist ein Begriff, der viele Interpretationen zulässt. Früher stand er einfach für den Verzicht auf bestimmte Inhaltsstoffe, von denen einige mit E-Nummern deklariert wurden oder nach „Chemikalien“ klangen. Heute wird der Begriff Clean Label häufig verwendet, wenn die Liste der Zutaten so reduziert wird, dass die Zusammensetzung aus Sicht des Verbrauchers einfach und klar erscheint. Bestimmte Zutaten fördern den Verzicht auf Backmittel, indem sie das Glutennetzwerk stärken (Cystein, Ascorbinsäure, Vitalgluten usw.), die Wasseraufnahme durch Quellmittel und die Wirkung von Enzymen fördern und so die gewünschte Teigstruktur gewährleisten. Unter anderem werden Backmittel und Konservierungsstoffe verwendet für:
+ Teigstabilität für die mechanische Verarbeitung
+ Haltbarkeit/Frische
+ Haltbarkeit/Schimmelschutz
+ Gebäckstruktur
+ Gebäckstruktur nach dem Gefrierprozess
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Dem wachsenden Clean Label-Trend kann sowohl durch ein wachsendes Angebot an Clean Label-Backzutaten als auch durch den Einsatz vielseitiger (Vor-)Teigtechnologien begegnet werden. Dies bietet Teigherstellern viele Optionen.
Denn Sauerteig bringt viele Vorteile mit sich wie z. B. eine längere Haltbarkeit und Frische sowie ein natürlicher Schimmelschutz . Auch können viele Clean Label-Anforderungen durch den Einsatz von Vor- und Sauerteigen erfüllt werden, wie z. B. die Reduzierung von Konservierungsstoffen. Die Verwendung von Starterkulturen sichert eine gleichmäßige und geschmackvolle Qualität. Die Starterkulturen von DIOSNA „DIOStart ®“ decken ein großes Spektrum ab. Ob 1-, 2- oder 3-stufig, Weizen, Roggen, Dinkel, ob stark, mild, fruchtig u. v. m., DIOSNA bietet ein großes Repertoire.
Neben den aufgezeigten Vorteilen lassen sich dadurch auch Zutaten wie Salz, Zucker und Fett reduzieren.
Wie sich Vorteig auf eine gesunde Ernährung auswirkt
Salz ist eine wichtige Zutat bei der Backwarenherstellung und seine Reduzierung kann sich negativ auf die Qualität auswirken. Die benötigte Salzmenge kann jedoch durch die Verwendung von Sauerteig verringert werden, da die Fermentierung zu einer deutlichen Verbesserung des Geschmacks durch die Verstärkung des Aromas beiträgt. So schreiben Codină et al. (2021) 1 in
ihrem Review „Strategies for Reducing Sodium Intake in Bakery Products, a Review“ , dass Brot, welches Milchsäurebakterien (LAB) aus fermentierten Weizenkeimen enthielt, im Vergleich zu einem Kontrollbrot salziger schmeckte. Der salzige Geschmack würde als kombinierter Effekt von Säuerung und Proteolyse angesehen. Durch die Zugabe eines Sauerteigs aus mit Glutamat fermentiertem Roggenmalz, in dem sich Bakterien der Art Lactobacillus reuteri ansammeln, könne der Salzgehalt des Brotes möglicherweise von 1,5 auf 1 % (im Vergleich zu Mehl) gesenkt werden, wobei der Geschmack und andere qualitätsentscheidende Eigenschaften erhalten blieben. Sauerteig verbessere die Wahrnehmung des Salzgeschmacks und bringe eine zusätzliche Aufnahme von Aromastoffen.
Die Gruppe berichtet weiter, dass die Verwendung von Meersalz darüber hinaus eine Reduzierung um bis zu 1,39 % möglich mache. Auf diese Weise ließe sich der Natriumgehalt von Brot um 22 % senken ( Codină, G.G. et al., 2021; Review) 1
Auch die Reduktion von Zucker ist eine Herausforderung, insbesondere bei Backwaren, da er mit allen Zutaten erheblich interagiert. Diese Wechselwirkungen führen zu einer Erhöhung der Verkleisterungstemperatur, einer Verzögerung in der Entwicklung des Glutennetzwerks, einer Erhöhung oder Verringerung der Hefeaktivität in Abhängigkeit von der Zuckerkonzentration sowie zu einer Verstärkung der Emulgierung. Bei der Betrachtung der molekularen Wechsel -
wirkungen auf die Produktqualitätsmerkmale verschiedener Arten von Backwaren trägt Zucker auch zu Bräunungsreaktionen und zur Verlängerung der mikrobiellen Haltbarkeit bei (Sahin et al., 2019) 2
Eine Möglichkeit, den Zuckerzusatz, jedoch nicht die Süße zu reduzieren, ist, Verfahren anzuwenden, die das Aroma verbessern und durch natürliche Reaktionen Süße entstehen lassen.
Das DIOSNA AromaStück ® zum Beispiel ist ein thermisch hergestellter Vorteig, der Mehle, Schrote und Saaten quellen lässt und sie enzymatisch aufschließt. Aus Stärke wird hier Maltose gebildet, Faserbestandteile werden aufgeschlossen, die Quellung wird optimiert und das Aroma der Backwaren wird verbessert. Durch Kombination von Mehl, Schrot oder Saaten mit einer speziellen Starterkultur (DIOStart ® Aroma) in einem Getreidekocher ist das AromaStück ® gebrauchsfertig.
Aber nicht nur die Zugabe von Zucker kann reduziert werden. Das Verfahren erlaubt auch einen reduzierten Einsatz von Fett, wie etwa das Briocherezept zeigt.
Das AromaStück ® kann auch mit mikroorganismengetriebenen Sauerteigen kombiniert und alle sich daraus ergebenden Vorteile (längere Haltbarkeit, mehr Frische, Schimmelschutz, Reduktion verschiedener Zutaten, besseres Aroma etc.) können genutzt werden.
Vorteige und AromaStück® können in DIOSNA Vorteiganlagen und Kochern hergestellt werden.
Fazit
Nachhaltigkeit und Gesundheit sind zwei der wichtigsten Themen in der heutigen Welt. Eine
Investition in nachhaltigeres, ökologisches Handeln kann ökonomische (langfristig) und gesundheitliche Vorteile (kurzfristig) mit sich bringen. Verfahrensbezogene Lösungen bieten hier die Wiedereinbringung von Restteigen und Restgebäcken sowie die Reduzierung von Backmitteln und Zutaten durch den Einsatz von Vorteigtechnologien. Vorteigtechnologien erlauben es, den Clean Label-Ansatz zu verfolgen und natürlichere, gesündere Backwaren herzustellen, die dennoch eine längere Haltbarkeit und Frische aufweisen. Es gibt eine Vielzahl von Hebeln, die uns zur Verfügung stehen, um dem Bedarf der Konsumenten und dem unseres Planeten besser zu entsprechen. +++
1 Codină, G.G.; Voinea, A.; Dabija, A. Strategies for Reducing Sodium Intake in Bakery Products, a Review. Appl. Sci. 2021, 11, 3093. https://doi.org/10.3390/app11073093
2 Aylin W. Sahin, Emanuele Zannini, Aidan Coffey, Elke K. Arendt, Sugar reduction in bakery products: Current strategies and sourdough technology as a potential novel approach, Food Research International, Volume 126, 2019, 108583, ISSN 0963-9969, https://doi.org/10.1016/j. foodres.2019.108583
Die neue IMPRESSA bread von FRITSCH und die Vorzüge der Digitalisierung
+Die Verarbeitung großer Produktionsmengen im Dauereinsatz stellt höchste Ansprüche an industrielle Brotlinien. Deshalb arbeiten die Ingenieure, Teigspezialisten und Softwareentwickler bei FRITSCH laufend daran, die Produktionslinien zu verbessern. Mit der neuen IMPRESSA bread, die auf der iba 2023 in München zum ersten Mal vorgestellt wurde, ist ihnen ein großer Wurf gelungen. Die für die industrielle Brotherstellung eines breiten Produktionsspektrums konzipierte Anlage ist jetzt deutlich kompakter als ihre Vorgängerin. Dank der offenen Bauweise arbeitet sie zudem hygienischer und ist einfacher zu reinigen. Großzügige Schwenkeinheiten und entnehmbare Module sorgen für eine optimale Zugänglichkeit. Der modulare Aufbau der IMPRESSA bread ermöglicht es Herstellern, die Anlage in kürzester Zeit werkzeugfrei umzurüsten. So können sie unterschiedlichste rustikale Gebäcke wie Baguette, Ciabatta oder Brötchen in höchster Qualität produzieren – und die ist für FRITSCH das Maß aller Dinge. Smart Services, das heißt digitale Lösungen wie die Smart Production Insights (SPI) sowie der neu entwickelte Watchdog zur Antriebsüberwachung, helfen dabei, die wichtigsten Leistungsdaten der IMPRESSA bread in Echtzeit zu überwachen. Das ermöglicht es den Nutzern, die Linie vorausschauend zu warten, um Anlagenstillstände zu vermeiden.
Alle Bauteile sind leicht zugänglich Platz ist in jeder Produktionshalle ein begrenzender Faktor. „Deshalb war ein kompaktes Design für die neue IMPRESSA bread von Anfang an ein Fokusthema für die Entwicklung. Mit der neuen Linie sind wir jetzt deutlich kürzer als zuvor, und dies bei gleicher Leistung“, sagt Fred Dorner, Leiter der Forschung & Entwicklung bei FRITSCH. Das Handling der Anlage wurde ebenfalls neu konzipiert. „Man muss nur einen Deckel hochklappen, um etwa beim Baguettewickler auf die inneren Bauteile zugreifen zu können“, erläutert Dorner. Eine weitere konstruktive Überarbeitung erfuhr das Handhabungskonzept der einfachen Längsschneideinrichtung: Die Walze ist nun durch Öffnen der Haube zugänglich. Wird die Haube über einen bestimmten Punkt hinaus angehoben, wird die Schneidwalze entspannt und kann leicht gewechselt werden. Das beschleunigt sowohl Produktwechsel als
FRITSCH Bakery Technologies GmbH & Co. KG
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97348 Markt Einersheim, Deutschland
Tel.: +49 93 26 83 0
E-Mail: mail@fritsch-group.com
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auch Reinigungsarbeiten und reduziert Anlagenstillstände.
Ein möglichst geringer Einsatz von Trennmitteln trägt ebenfalls dazu bei. Öl steigert dabei nicht nur den Reinigungsaufwand und somit auch die Stillstandzeiten während der Produktwechsel, sondern wirkt sich auch negativ auf das Backergebnis und damit auf die Produktqualität aus. Hier leistet der FRITSCH Soft Dough Sheeter (SDS), ein speziell für weiche Teige entwickelter Teigbandformer, einen wichtigen Beitrag. Denn mithilfe hochklappender Bänder bemehlt er das Teigband von allen Seiten, weshalb beim weiteren Ausrollprozess des Teigbandes auf den Einsatz von Öl verzichtet werden kann. Ein Sensor überwacht den Füllstand des Teiges über dem Trichter. Fällt dieser unter ein bestimmtes Niveau, wird über ein Förderband neuer Teig nachgefördert. „Das erlaubt eine größere Präzision und gleichmäßige Gewichtsverteilung bei der Teigbandherstellung“, erklärt Michael Gier, Leiter der FRITSCH World of Bakery. Anschließend wird der Teig durch den Soft Dough Roller schonend ausgerollt. Dank eines speziellen Systems auf Basis der bewährten Satellitenkopftechnik entsteht frei von Scherkräften und Trennmitteln ein höchst gleichmäßiges und an den Seiten äußerst definiertes Teigband. Dadurch kann der Restteig im weiteren Prozess auf ein Minimum reduziert werden. Dieser Prozess hat sich bereits bei der PROGRESSA bread etabliert und wird nun auf den industriellen Prozess übertragen. Je nach Teig -
banddicke kann in vielen Fällen auf einen herkömmlichen Satellitenkopf verzichtet werden.
Durch den modularen Aufbau der IMPRESSA bread können durch den einfachen Austausch einzelner Baugruppen sehr unterschiedliche Produkte hergestellt werden, ohne dass die Anlage verlängert werden muss. So kann beispielsweise der Baguettewickler schnell und einfach gegen das neu entwickelte Twistmodul DTU getauscht werden. So lassen sich etwa getwistete Brötchen, die bislang manuelle Prozesse erforderten, nun automatisiert in hohen Stückzahlen produzieren.
Es sind aber nicht nur die einzelnen Arbeitsprozesse auf der IMPRESSA bread, die für mehr Nachhaltigkeit sorgen. Dank der Zusammenarbeit mit den Experten von MULTIVAC konnten viele Details verbessert werden, die dazu beitragen, dass die Maschine schnell und werkzeugfrei zerlegt und gereinigt werden kann.
„MULTIVAC hat für die Reinigung seiner Anlagen strenge Normen entwickelt, die auch in die Entwicklung der IMPRESSA bread eingeflossen sind“, sagt Fred Dorner. Wie bereits bei der PROGRESSA bread umgesetzt, kann auch bei der Industrielinie der Förderbandtisch des Soft Dough Sheeters mit wenigen Handgriffen aus der Linie entnommen und mit einem Hochdruckreiniger gereinigt werden. Durch die fahrbare Ausführung des Soft Dough Rollers auf einem C-Gestell kann auch diese Komponente schnell und einfach in die Waschhalle gefahren und gründlich abgespritzt werden.
Zum hygienischen Design einzelner Bauteile gehört natürlich auch der konsequente Einsatz glatter Flächen, wasserdichter Abdeckungen an Gewinden und abgerundeter Ecken, in denen sich kein Schmutz festsetzen kann. Hochklappbare Messerkanten, wie beispielsweise am Einlauftisch des Kalibrierkopfs, sorgen auch an engen Stellen für eine gute Zugänglichkeit. Neu an der Linie sind auch die Antriebe. An den sogenannten „Omega-Antrieben“ lässt sich das Band in Sekundenschnelle komplett entspannen, sodass auch unter den Bändern schnell und einfach gereinigt werden kann.
All das führt dazu, dass die Reinigung der verschiedenen Module der Anlage schneller und mit weniger Reinigungsmitteln durchgeführt
werden kann. So steht die IMPRESSA bread schneller wieder für die Produktion zur Verfügung. Und geringere Ausfallzeiten für die Entnahme und Reinigung von Bauteilen tragen zu mehr Anlageneffizienz und damit zu mehr Nachhaltigkeit bei.
Genau an diesem Punkt setzen auch die digitalen Lösungen von FRITSCH an. Ziel ist es, durch die Sammlung von Daten ein Höchstmaß an Transparenz bei der Produktion sowie dem jeweiligen Zustand der IMPRESSA bread zu erreichen und vorausschauend Handlungsempfehlungen zu geben, bevor eine Komponente möglicherweise ausfällt. Dafür haben die Experten um Wolfgang Stegmaier, Projektleiter für die digitale Entwicklung bei FRITSCH, im ersten Schritt die Smart Production Insights (SPI) entwickelt. Mit diesem Smart Service haben Produktions- oder Schichtleiter über ein übersichtliches Dashboard einen Echtzeit-Einblick in die wichtigsten Leistungsdaten der Linie. Auch Ausfallzeiten durch kleinere Störungen werden übersichtlich erfasst, sodass schnell und einfach Maßnahmen zur Vermeidung eingeleitet werden können. „Durch die kontinuierliche Erfassung von Daten und die Visualisierung von Key Performance Indikatoren in Echtzeit können deutliche Verbesserungen bei der Gesamtanlageneffektivität erzielt werden“, erklärt Wolfgang Stegmaier.
Denn im Rahmen der Smart Production Insights werden auch kleinere Störungen, die während der Produktion immer mal wieder auftreten, aufgezeichnet und im Dashboard dargestellt. Bisher war es den Produktionsverantwortlichen oft nicht möglich, darauf zu reagieren, weil diese kurzen Störungen schlicht nicht erfasst wurden. „Oft sind es ja nur kurze Störungen, die die Produktion für ein paar Sekunden unterbrechen.
Wenn dies jedoch über eine gesamte Schicht hinweg öfters auftritt, summiert sich das am Ende eben zu einem ungeplanten Produktionsausfall“, erläutert Stegmaier das Problem der industriellen Hersteller. „Aus den jetzt durch die SPI zur Verfügung stehenden Daten können unsere Kunden die Störungsursachen genau ermitteln und geeignete Maßnahmen einleiten, um solche ungeplanten Anlagenstillstände zu vermeiden“, so der Datenspezialist. Es ist ein wenig wie bei der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Die SPI geben wertvolle Hinweise darauf, wo die Nadel zu finden ist.
Mit dem „Watchdog“ hat die Konzernmutter MULTIVAC darüber hinaus einen neuen Service zur vorausschauenden Wartung entwickelt. Als Teil der MULTIVAC Gruppe profitiert FRITSCH in diesem Bereich von der Erfahrung aus unterschiedlichen Branchen und setzt den neuen Service bei seinen IMPRESSA Linien ein. Der Watchdog überwacht die Antriebe der gesamten
Linie. „Dazu werden unter anderem der Motorstrom und die Temperatur an jedem Antrieb gemessen und fortlaufend analysiert“, beschreibt Stegmaier die Vorgehensweise des neuen Services. Je nach Produkt, das auf der Anlage gerade hergestellt wird, verfügen die Techniker von FRITSCH über Erfahrungswerte für die Auslastung der Antriebe. Diese Werte haben sie in die Entwicklung des Watchdogs eingebracht. „Wenn die Antriebe bei einem bestimmten Rezept nur mit Teillast betrieben werden, dann soll die Warnung nicht erst erfolgen, wenn die Maximalleistung erreicht oder sogar überschritten wird“, erläutert Stegmaier. Sobald der durch Algorithmen errechnete Wert eine festgelegte Abweichung zum definierten Soll-Wert erreicht, wird eine Warnung an einen definierten Personenkreis versendet und dieser kann entsprechend reagieren, ehe die Antriebeinheit Schaden nimmt oder sogar ganz ausfällt. Werte zu messen und Daten zu sammeln ist aber nur die eine Seite der Digitalisierung. Zum echten Kundenvorteil wird sie erst, wenn mit einer vorausschauenden Wartung ungeplante Ausfallzeiten vermieden werden können. Zum Beispiel, weil Ersatzteile, die die Kunden üblicherweise nicht auf Vorrat halten, rechtzeitig bestellt und bei der planmäßigen Wartung und Reparatur eingesetzt werden können. +++
Nachhaltige Backstube
Bäckereibetriebe jeder Größe stehen derzeit vor Herausforderungen, wenn es um Nachhaltigkeit und Effizienz geht. Diese bieten aber auch Potenziale, um den eigenen Betrieb für die Zukunft umzugestalten und Einsparungen zu erzielen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in innovativer Technik.
Nachhaltigkeit als Verpflichtung
Der Bäckereimaschinenbauer König arbeitet mit Hochdruck an den Themen Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Ressourcenschonung, um Bäckereien zu unterstützen. In diesem Jahr wurde ein vorbereitendes Nachhaltigkeitsprojekt zusammen mit der Technischen Universität Graz gestartet, das darauf abzielt, eine CO 2-Bilanz für die gesamte König Gruppe zu erstellen und die CO 2Belastung nachhaltig zu reduzieren.
Das Projekt hat die Evaluierung der Verbräuche und Ausstöße zum Ziel und ist ein wichtiger Schritt, um mit den gewonnenen Erkenntnissen den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern und die Verantwortung gegenüber der Umwelt verstärkt wahrzunehmen.
Aktuell hat die König Gruppe bereits Maßnahmen zur Minimierung des ökologischen Fußabdruckes gesetzt: vermehrte Nutzung von
Öko-Strom, Förderung von Elektromobilitätslösungen, Wärmerückgewinnung für die Warmwasseraufbereitung zur Minimierung des Gasverbrauchs oder Einsatz von effizienteren Transformatoren, um die Nutzung von ökologisch generiertem Strom noch weiter zu intensivieren. König ist ein Full-Service-Hersteller mit einer hohen Fertigungstiefe. Die meisten Teile werden innerhalb der König Gruppe in Kombination mit einem lokalen Netzwerk von Zulieferern produziert. Das macht die Produktion flexibel, nachhaltig und sorgt für einen geringeren CO 2Fußabdruck.
Brötchenproduktion so effizient und ressourcenschonend wie nie zuvor König unterstützt Bäckereien weltweit mit modernster Bäckereitechnik in ihrer ressourcenschonenden, effizienten und auch CO 2 -optimierten Produktion.
König Maschinen GmbH
Stattegger Straße 80 8045 Graz, Österreich
Tel.: +43 316 6901 0
E-Mail: info@koenig-rex.com
Website: www.koenig-rex.com
Die Brötchenanlage KGV EC mit dem Industrie Rex V AW EC Teigteiler und Rundwirker ist die Brötchenanlage der Zukunft und die nächste Generation der Entwicklungen der letzten Jahre in Bezug auf Leistung, vereinfachte Reinigung und Zugänglichkeit. Sie ist die leistungsstärkste Anlage, die König bisher in der innovativen „Easy Clean“-Serie gebaut hat. Die Anlage ist in verschiedenen Arbeitsbreiten erhältlich und verfügt über eine Stundenleistung von bis zu 44.000 gestanzten Teiglingen, wie zum Beispiel Kaisersemmeln. Zudem erweist sich die KGV EC als besonders nachhaltig, da durch das Easy Clean Design und das gewichtsgenaue Arbeitsprinzip der Anlage langfristig Rohstoffe eingespart und Arbeitsressourcen optimiert werden können. Auch die robuste und langlebige Bauweise der Anlage leistet einen positiven Beitrag zur Nachhaltigkeit.
Dank des modularen Aufbaus kann der Kunde die Konfiguration nach seinen Bedürfnissen bestimmen: Die KGV EC bietet eine unbegrenzte Produktvielfalt von Schnittbrötchen, Rosenbrötchen, Brezelbrötchen bis hin zu Hamburger- oder Hot-Dog-Brötchen.
Effizienz in der Prozesskette und im Energieverbrauch
König hat unlängst eine innovative Prozesskombination auf den Markt gebracht: den Stikkenofen Roto Passat SE im „Save Energy“-Design und das Vakuumkühlsystem QualityVac. Die Kombination des Back- und Kühlprozesses er möglicht eine verbesserte Produktqualität, eine schnellere Verarbeitung der Backwaren, eine Optimierung der Prozessleistungen wie kürzere Back- und Prozesszeiten, einen idealen Einsatz der Ressourcen und eine Reduzierung der Ener giekosten.
Ein heißer Stikkenwagen wird direkt aus dem Ofen in die Vakuumkammer gefahren, der Druck wird mittels einer Vakuumpumpe abgesenkt und infolge des sinken den Druckes verdampft Wasser.
Dieser Vorgang kühlt und stabilisiert Brote, Brötchen, Gebäck und Kuchen
innerhalb weniger Minuten für den sofortigen Gebrauch.
Der Roto Passat SE Stikkenofen im „Save Energy“Design bietet Energieeinsparungen bei der Beheizung mit Strom, Öl oder Gas sowie eine deutliche Reduzierung der CO 2 -Emissionen gegenüber anderen Stikkenöfen. Ein 2-stufiger Brenner, ein Abgastemperaturfühler, eine stufenlose Dampfklappensteuerung und der innovative Gegenstromwärmetauscher sorgen für eine hervorragende Energiebilanz.
Der Roto Passat SE bietet eine völlig intuitive Steuerung, die für optimale Bedienbarkeit, höhere Effizienz und intelligente Vernetzung
+Kwik Lok hat seinen nachhaltigen Ansatz „Weniger ist mehr“ auf seine Verschlusslösungen übertragen: Der Enviro-Lok ist ein neuer Polypropylen-Beutelverschluss (der sich in die Familie der Kwik Lok-Verschlüsse einreiht), der dafür sorgt, dass Produkte sicher und frisch bleiben. Gleichzeitig bietet er ein besseres Recyclingpotenzial. Der Verschluss wurde entwickelt, um zwei unterschiedliche und wichtige Aufgaben zu erfüllen: besser für den Planeten und für die Bäckereien zu sein. Denn er bietet zuverlässig die gleiche Festigkeit wie alle Kwik Lok-Lösungen, bringt aber zusätzliche Vorteile mit: Der neue Enviro-Lok benötigt 34 % weniger Kunststoff als der Standardverschluss von Kwik Lok, 67 % weniger Wasser und er verursacht 44 % weniger Kohlenstoffemissionen. Außerdem muss für den umweltfreundlichen Lok keine neue Ausrüstung angeschafft werden, da er mit den vorhandenen Kwik Lok-Maschinen verarbeitet werden kann.
Darüber hinaus kann der Enviro-Lok mit neuen ultraschallverschweißten Etiketten versehen werden, die für die Kennzeichnung und zur Rückverfolgbarkeit verwendet werden. Diese Etiketten bestehen aus demselben Material wie der Enviro-Lok und werden mithilfe der Ultraschallschweißtechnik hergestellt, durch die der Einsatz klebriger Klebstoffe ersetzt werden kann. Dadurch wird der Enviro-Lok noch recyclingfreundlicher, da alle seine Elemente aus einer einzigen Kunststoffart, nämlich Polypropylen, bestehen. Er reiht sich ein in eine Familie von
Kwik Lok Corporation
P.O. Box 9548
Yakima, WA, USA 98909
Toll Free (US & Canada): (800) 688-5945
Tel.: +1 509 248 4770
E-Mail: info@kwiklok.com
Website: www.kwiklok.com
Konzepten, Lösungen und Materialien, die zu Nachhaltigkeit beitragen können. Dazu gehören der Fibre-Lok, ein kürzlich auf den Markt gebrachter recycelbarer Lok, der zu 100 % aus recycelten Fasern besteht, und der Eco-Lok, ein Verschluss, der aus einem Biopolymer auf Pflanzenbasis hergestellt wird.
Ein umfassender Blick auf die Nachhaltigkeit
Kwik Lok erforscht eingehend Nachhaltigkeitsaussagen und die entsprechenden Nachweise auf den verschiedenen Märkten, eine Priorität, die sich auch in der Produktentwicklung bei Kwik Lok widerspiegelt. Ein Blick über das Material selbst hinaus kann die Bedeutung weitergehender Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit ans Licht bringen. So sind kompostierbare Materialien zwar eine potenzielle Verpackungslösung, können aber auf der Mülldeponie landen, wenn es in der Stadt oder dem Gebiet keine geeignete Kompostierungsinfrastruktur gibt, sodass die Vorteile des Materials nicht voll zum Tragen kommen.
Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, bei den Bemühungen um Nachhaltigkeit reale, quantifizierbare Ergebnisse zu entwickeln und zu unterstützen. Ein Blick auf die vor- und nach -
34% 67% 44%
WENIGER WENIGER WENIGER
PLASTIK WASSER KOHLENSTOFF
Ein neuer Polypropylen-Beutelverschluss, der dafür sorgt, dass Produkte sicher und frisch bleiben, und der gleichzeitig ein besseres Recyclingpotenzial bietet. Natürlich erhalten Sie immer noch die gleiche Stärke und Zuverlässigkeit, die mit dem Namen Kwik Lok einhergeht, nur mit einem kleineren Fußabdruck (natürlich in Form von Kohlenstoff). Und das ist nicht nur gut für den Profit, sondern auch für den Planeten.
gelagerte Ebene mit einer Lebenszyklusanalyse vermittelt ein umfassenderes Bild über den Kohlenstoff- und den Wasser-Fußabdruck, die bei der Herstellung, dem Transport und der Entsorgung eines Produkts entstehen. In Gegenden, in denen die Recycling-Infrastruktur gut ausgebaut ist, kann die Verwendung von Kunststoff einen geringeren Kohlenstoff-Fußabdruck mitbringen als die Nutzung kunststofffreier Alternativen.
Auch die Qualität der Materialien ist Gegenstand weiterer Untersuchungen. Wenn man die Materialeigenschaften berücksichtigt, ist die Verwendung von Kunststoffen möglicherweise nicht die schlechteste Lösung. Im Gegenteil: Kunststoffe sind sehr wirksam bei der Verringerung des Verpackungsbedarfs und dem Erhalt der Produkteigenschaften, was zur Reduktion von Food Waste beiträgt.
Ein weiterer Punkt, der aus mehreren Blickwinkeln betrachtet werden sollte, ist die Angabe „biologisch abbaubar“. Biologisch abbaubare Materialien werden zwar durch Bakterien in ihre natürlichen Bestandteile zerlegt, doch kann dieser Vorgang je nach Material bis zu 200 Jahre oder länger dauern. Zertifizierte kompostierbare Verpackungen hingegen sind so konzipiert,
dass sie innerhalb weniger Wochen biologisch abbaubar sind und die Kriterien offizieller Normen erfüllen.
Von der Materialwissenschaft zur praktischen Innovation
Kwik Lok unternimmt umfangreiche Forschungsarbeiten, um die Branche beim „Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft durch Innovation“ zu unterstützen, so der CEO des Unternehmens, Don Carrell. Die umfangreichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in dieser Richtung werden von Viktoria Pakhnyuk, Sustainable Product Development Managerin, beaufsichtigt. Sie leitet mehrere Projekte in der Forschung und Entwicklung umweltbewusster Beutelverschlüsse, was von der Idee über alle Entwicklungsstufen bis hin zur Produkteinführung reicht.
Es ist eine Teamleistung aller Abteilungen zusammen, von Vertrieb und Technik bis hin zu Produktion und Marketing. Mit einer wachsenden Sammlung von Produktoptionen legt Kwik Lok einen Prozess mit spezifischen Meilensteinen fest, wenn eine neue Lösung entwickelt wird. Die Variablen, die ein Lok zur nachhaltigsten Version für ein bestimmtes Szenario machen, werden sorgfältig abgewogen. Das Konzept wird verfeinert, indem die Anforderungen des Zielmarktes definiert und die verfügbaren Materialoptionen untersucht werden. Kundenpräferenzen und Vorschriften sowie Liefer- und Betriebskosten
sind ebenfalls Teil dieser Gleichung. In Frankreich gibt es zum Beispiel viele Möglichkeiten zur Kompostierung, sodass sich für diesen Markt ein kompostierbares Produkt anbietet. Auf anderen Märkten werden hingegen bestimmte Kunststoffarten bevorzugt, für die Recyclingmöglichkeiten vorhanden sind. Beispielsweise wurden in UK verschiedene Kunststoffarten mithilfe eines farbcodierten Systems definiert.
Technische Aspekte im Zusammenhang mit den Entwicklungs- und Produktionsprozessen werden ebenfalls untersucht, um sicherzustellen, dass sich die neuen, nachhaltigen Lösungen bei der Anbringung an den Beuteln und während ihrer gesamten Nutzung wie das Pendant aus Kunststoff verhalten. Ein wichtiges Kriterium ist, dass die Loks auf den bestehenden Beutelverschließmaschinen von Kwik Lok in der Backbranche verarbeitet werden können und ein etwaiger Austausch dieser Geräte vermieden wird.
Die Teamarbeit in diesem Prozess ist nicht auf interne Ressourcen beschränkt. Kwik Lok geht Partnerschaften ein, um Lösungen zu perfektionieren, ein wichtiger Schritt bei der Kombination von wissenschaftlichem und industriellem Know-how. Bei der Entwicklung neuer Produkte werden Materialtypen und -mischungen für die Anwendung des Beutelverschlusses entwickelt und analysiert. Bei den Tests werden beispielsweise die mechanischen und schmelztechnischen Eigenschaften der Materialien geprüft. Es muss das richtige Gleichgewicht gefunden werden, damit sich die Loks auf dem Band leicht voneinander trennen lassen, ohne dass einzelne Loks brechen. Auch müssen spezifische Nutzungsanforderungen berücksichtigt werden, wie Temperatur und Feuchtigkeit bei der Anwendung und den Lagerbedingungen.
Kwik Lok muss sich auch der Herausforderung stellen, die neuen Materialien mit den etablierten Herstellungsverfahren im Unternehmen in Einklang zu bringen. Sobald die Labortests erfolgreich waren, werden größere Chargen in der Produktion getestet, wobei das übliche Herstellungsverfahren nachgebildet wird, gefolgt von einer weiteren Optimierung.
Die Arbeit an der Verbesserung der Nachhaltigkeit von Verpackungslösungen und allen damit verbundenen Prozessen beginnt bei Kwik Lok mit einer klaren Einteilung des Konzepts in drei separate Aspekte:
1. Ausgangsmaterial – Materialquelle und -zusammensetzung (z. B. erdölbasiert, biobasiert, recycelte Bestandteile)
2. Verarbeitung – Inputs und Outputs der Rohstoffproduktion und Produktherstellung (Energieverbrauch, Wasserbedarf, CO 2-Fußabdruck usw.)
3. End-of-Life – der Verbleib des Produkts, nachdem es seinen vorgesehenen Zweck erfüllt hat (Deponie/Verbrennung, Recycling oder Kompostierung). Biobasierte Materialien sind eine interessante Option für die Entwicklung neuer Produkte in der Zukunft, da ihre Kosten wahrscheinlich sinken werden, wenn sie in größerem Umfang verfügbar sind und die Vorgaben deren Verwendung unterstützen.
Die Herausforderung und der Schlüssel zu neuen Entwicklungen liegen darin, ein Gleichgewicht zwischen den drei Prioritäten herzustellen. Aus diesem Grund ist es schwierig zu sagen, welche Materialien „besser“ als andere sind – die Antworten werden je nach den gewählten Prioritäten variieren. Durch die Berücksichtigung von Faktoren wie Materialart, Verarbeitung und geografische Lage kann eine Lebenszyklusanalyse die Umweltauswirkungen verschiedener Verpackungsoptionen quantitativ vergleichen. Es handelt sich um einen iterativen Prozess, der anhand neuer Informationen verbessert wird, sobald sie verfügbar sind.
Wie bei vielen anderen Unternehmen ist die Kohlenstoffemission auch bei Kwik Lok der wichtigste Nachhaltigkeitsindikator. Andere Einflussfaktoren können der Verbrauch fossiler Brennstoffe, der Wasserverbrauch und die Wasserverschmutzung sein. Es sei darauf hingewiesen, dass Nachhaltigkeit nicht zwangsläufig bedeutet, auf Kunststoff komplett zu verzichten, da er immer noch die bessere Option sein kann, je nachdem, ob er die funktionalen Anforderungen erfüllt und welche Umweltkenn -
zahlen verglichen werden. Das Vorhandensein einer geeigneten Abfallinfrastruktur ist ein entscheidender Faktor, um sicherzustellen, dass am Ende des Lebenszyklus eines Beutels eine Kreislaufwirtschaft unterstützt wird. Auch die Art des Beutels, für den der Verschluss verwendet wird, spielt eine Rolle – wenn es sich um Kunststoff handelt, ist es sinnvoll, die Loks aus ähnlichem Material zu wählen, während zu einer Papiertüte besser ein faserbasierter Lok passen würde.
„Nachhaltigkeit ist sinnvolle Arbeit, die sich auf einen ungewissen Weg in die Zukunft einstellt. Wir können nur gemeinsam dorthin gelangen, indem wir Partnerschaften aufbauen. Wir werden immer mit Integrität vorweggehen, der Wissenschaft folgen, von anderen Menschen lernen und auf den Erfahrungen der anderen aufbauen, um die nächstbeste Lösung zu finden – um dann über Generationen hinweg weiterzumachen.“
Kimberly Paxton-Hagner, Miteigentümerin und Vorstandsvorsitzende, Kwik Lok
Sobald ein Produkt entwickelt ist, sollten seine Eigenschaften erläutert werden. Auf diese Weise wird das Produkt besser verstanden und es wirft keinen unerwünschten „Greenwashing“-Schatten. Auf diese Weise gewinnen die Produkt-Claims an Gewicht und sind schwerer anfechtbar. Die Heimkompostierbarkeit des Fibre-Lok Premium zum Beispiel wurde nach strengen Laborstandards getestet und zertifiziert. Kwik Lok achtet auch auf die Terminologie im Bereich Nachhaltigkeit, die ständig verändert und verfeinert wird, um möglichst klare Aussagen zu treffen.
Ein Mehr an Nachhaltigkeit ist eher ein gewundener Pfad als ein ausgetretener Weg. Standardisierte Transparenz wird auf lange Sicht eine entscheidende Rolle bei Fortschritten in Sachen Nachhaltigkeit, Recycling, Prozessen und im Bewusstsein sowie bei Produktinnovationen spielen. +++
+ENERGIE EFFIZIENZ
Einströmende Frischluft
Rauchgasentwicklung
VERLUSTE
Förderband
Wände
Backen des Produkts Teigerwärmung Verdampfung von Wasser Heißdampf-Absaugung
AufheizUnterstützung
Die Branche musste sich immer wieder Neuem anpassen und bedeutenden Herausforderungen stellen, wie der Weiterentwicklung der Produktqualität und der Steigerung der industriellen Leistungsfähigkeit bei gleichzeitiger Integration eines Nachhaltigkeitskonzepts. Immer deutlicher zeigt sich, dass Unternehmen, die den Bäckerei- und Konditoreisektor in Synergie mit sozialer und ökologischer Verantwortung voranbringen wollen, ihre Arbeitsweise überdenken und neu erfinden müssen.
MECATHERM, einer der weltweit führenden Hersteller von Ausrüstungen und automatisierten Produktionslinien für die industrielle Bäckerei-, Konditorei- und Patisserieproduktion, hat einen strukturierten Ansatz für soziale und ökologische Verantwortung entwickelt, der vor allem die Unterstützung seiner Kunden bei deren eigenen Anstrengungen hin zu einer nachhaltigen Entwicklung beinhaltet.
Für Raymond Nogael, Präsident von MECATHERM und CEO von TMG, der Holdinggesellschaft von MECATHERM, erweist sich dieses Streben nach Nachhaltigkeit als große Herausforderung. „Wir
bei MECATHERM haben uns verpflichtet, unsere Bemühungen in den Bereichen, in denen wir einen positiven Einfluss ausüben können, fortzusetzen und zu beschleunigen, mit besonderem Augenmerk auf Maßnahmen, um die Energiewende zu schaffen, und zur Reduktion der Treibhausgasemissionen. Wir arbeiten aktiv daran, unsere Anlagen weiterzuentwickeln und auf die Erwartungen des Marktes zu reagieren, wobei wir bei unserem Entwicklungsansatz die ökologische und soziale Verantwortung berücksichtigen. Wir sind fest entschlossen, zu den Akteuren der Energiewende zu gehören und so stark wie möglich zur Reduktion der Emissionen unseres eigenen Unternehmens und der unserer Kunden beizutragen.“
Route du Maréchal de Lattre de Tassigny 67130 Barembach, Frankreich
Tel.: +33 388 47 43 00
E-Mail: info@mecatherm.fr Website: www.mecatherm.fr
Der Nachhaltigkeitsansatz von MECATHERM ist konkret – nämlich das Unternehmen zu werden, das Großbäckereien durch drei Bereiche in ihrem Engagement nachhaltiger macht: vorbildlich bei der Energiewende und der Kreislaufwirtschaft zu sein, Sicherheit und persönliche Entfaltungsmöglichkeit für die Mitarbeiter zu schaffen und schließlich sich als aktiver Partner im Nachhaltigkeitsansatz der Kunden in der gesamten Wertschöpfungskette zu etablieren. Um die Wirksamkeit seiner Maßnahmen zu gewährleisten, hat MECATHERM einen strukturierten und organisierten Prozess eingeführt, in dem die Maßnahmen priorisiert werden. Da das Unternehmen sich der Bedeutung der Energiewende bewusst ist, arbeitet es an Lösungen zur Optimierung der Energieeffizienz seiner Kunden, sowohl auf der Ebene der Öfen als auch auf der Ebene der Produktionslinien. Ziel ist es, die Effizienz zu verbessern und gleichzeitig den CO 2-Fußabdruck zu verringern – und das alles unter Beibehaltung der Produktqualität und einer hohen industriellen Leistungsfähigkeit. Um diesen Ansatz in einer starken Unternehmenskultur zu verankern, ist es auch entscheidend, alle Mitarbeiter beim Thema Nachhaltigkeit mitzunehmen. „Wir wollen allen unseren Teams zeigen, wie sie in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen tagtäglich auf diese Ziele hinarbeiten können. Diese Bewusstseinsbildung wird unsere Bemühungen um Transparenz verstärken und gleichzeitig alle unsere Mitarbeiter befähigen. Der Mensch steht im Mittelpunkt unseres Handelns, daher ist es unerlässlich, zusätzliche Maßnahmen für die Sicherheit und die berufliche Entfaltungsmöglichkeit jedes Einzelnen zu identifizieren“, erklärt Raymond Nogael.
Um an der Energieeffizienz zu arbeiten, ist es wichtig, zu verstehen, wo die Energie verbleibt. Bei einem Ofen wird der Energieverbrauch während des Backvorgangs, der energieintensivsten Phase, immer aufgeteilt in Nutzenergie (Produkt, Träger), Verlustenergie (Wände, Band, Rauch) und Energie im Zusammenhang mit der
Nutzung des Ofens (z. B. Luftstrommanagement). Ein Teil der Nutzenergie wird für die Erwärmung der „Ladung“, d. h. des Teigs und der Backbleche, verwendet. Dieser Teil ist fix und verändert sich nicht, unabhängig von der verwendeten Ofentechnik (für das gleiche Produkt, das auf dem gleichen Backblech gebacken wird). Für jeden unserer Kunden ist es unser Ziel, dass diese Nutzenergie so nah wie möglich am Gesamtenergieverbrauch beim Backen heranreicht. Während des Backvorgangs kann Wärmeenergie durch die Ofenwände, den Transport und die Rauchgasentwicklung verloren gehen. Die Energieverluste variieren je nach Ofenkonstruktion, der vom Kunden verwendeten Heiztechnologie und der Energiequelle.
Es gibt viele Möglichkeiten, Energieverluste zu minimieren: durch die Ausführung der Wände, die Ausgestaltung des Transports und die Nutzung des entstehenden Rauchgases. Zudem lassen sich Energieverluste während des Backens durch die Nutzung des Konvektionsbackmodus begrenzen.
Um die Verluste im Zusammenhang mit den Ofenwänden zu minimieren, optimiert MECATHERM die Isolierung und kann sogar sehr kompakte Öfen vorschlagen. „Wir schenken der Wärmedämmung besondere Aufmerksamkeit. Die richtige Dimensionierung und der Einbau von Isolierschichten zur Vermeidung von Wärmebrücken sind Grundvoraussetzungen für die Konstruktion eines Ofens. Die Isolierleistung kann leicht mit
ENERGIE EFFIZIENZ
VERGLEICH DER ENERGIEVERLUSTE DURCH OFENWÄNDE
FALLSTUDIE IN ZAHLEN
Backfläche
Oberfläche des Gehäuses** Stündl. Energieverluste durch die Ofenwände
*Vergleich der Energieverluste durch Ofenwände **Berechnungen bei gleichen Backbedingungen, gleicher Isolierleistung des Ofens, gleichen Umgebungstemperaturen im Gebäude
Foto oben: Der neue M-RT-Former eignet sich für hochhydratisierte
Teige und garantiert dank einer dem handwerklichen Verfahren ähnlichen Formgebung qualitativ hochwertige Brote.
Fotos unten: Kuchen und Buns, gebacken im neuen Vertikalofen M-VT
einer Wärmebildkamera überprüft werden. Die Wahl des Ofentyps ist entscheidend für die Gewährleistung minimaler Energieverluste.
Vertikalöfen, die kompaktesten Öfen am Markt für Großbäckereien, haben beispielsweise eine geringere Oberfläche, was die Energieverluste erheblich reduziert“, erklärt Marie Laisne, Marketing-Managerin bei MECATHERM.
Um diesen Punkt zu veranschaulichen, vergleichen wir die Energieverluste durch die Wände bei einem Tunnelofen mit denen eines Vertikalofens. Schätzungen zeigen, dass sich in dieser Hinsicht die Energieverluste beim Backen in
Vertikalöfen im Vergleich zu Tunnelöfen um mehr als 80 % reduzieren lassen, und zwar bei gleicher Backfläche, unter gleichen Backbedingungen (Temperatur im Produktionsraum, Backtemperatur) und unter Berücksichtigung der gleichen Wärmedämmung.
Um Energieverluste, die sich bedingt durch das Förderband ergeben, zu reduzieren, kann man auf drei Parameter einwirken:
+ Verringerung der thermischen Trägheit durch die Wahl des richtigen Materials und seiner Masse
+ Verringerung der Energieverluste an den Einund Auslässen des Ofens durch Reduktion der Fläche und Optimierung der Wärmedämmung in diesen Bereichen
+ Verringerung der Verluste bei der Rückführung des Förderbandes durch eine gute Wärmedämmung im unteren Teil des Ofens
Ein Vertikalofen zum Beispiel minimiert die Energieverluste während des Transports dank seiner optimalen Wärmedämmung und der geringeren, mit der Umgebung in Kontakt stehenden Oberfläche. Der FTM-Ofen ist mit einem leichten, feinmaschigen Förderband ausgestattet, das sehr wenig Energie speichert und die thermische Trägheit reduziert. Der M-TA-Ofen reduziert den Wärmeverlust auf dem Rückweg des Förderbandes dank der guten Wärmedämmung im unteren Teil des Ofens.
Um schließlich den Energieverlust durch eine Rauchgasentwicklung zu reduzieren, sind eine niedrige Backtemperatur, eine optimierte Heizleistung und die Rückführung der Wärmeträgerflüssigkeit entscheidend. Hier kann man sich auf mehrere Parameter konzentrieren: den Backmodus (die Konvektion ermöglicht das Backen bei niedrigeren Temperaturen, wodurch weniger Rauchgas entsteht), die Heiztechnologie (ein Kreislauf zur Rückführung der Wärmeträgerflüssigkeit minimiert die Rauchgasentwicklung) und die Heizquelle (die Umstellung auf eine hybride Gas-/Elektroheizung oder eine 100%ige Elektroheizung kann die Rauchgasentwicklung reduzieren oder sogar ganz verhindern). MECATHERM bietet mehrere Lösungen für alle diese Parameter.
Der Kunde steht im Mittelpunkt
Für MECATHERM ist es wichtig, bei der Energiewende mit gutem Beispiel voranzugehen und den Kunden zu helfen, weniger Energie zu verbrauchen, und zwar über den gesamten Lebenszyklus ihrer Anlagen hinweg. „In unserer Klimabilanz werden die Treibhausgasemissionen hauptsächlich während der Nutzung der Anlagen (98 %) bei unseren Kunden erfasst. Um wirksame Fortschritte zu erzielen, müssen wir einen globalen Ansatz mit allen Akteuren der Branche verfolgen. Und wie? Indem wir auf der Ebene einer kompletten Anlage weiterdenken und Innovationen vorantreiben“, sagt Raymond Nogael.
Wenn Innovation auf Verantwortung trifft
Mit über 900 weltweit installierten automatisierten Produktionslinien kann sich MECATHERM auf sein Fachwissen verlassen und bietet einen echten Mehrwert bei der Unterstützung von Kunden, die ihre Überlegungen auf eine ganze Produktionslinie ausdehnen wollen. Für Raymond Nogael ist es wichtig, die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen, um sie bei ihren eigenen Nachhaltigkeitskonzepten umfassend zu unterstützen. Dies basiert auf einem konkreten Austausch mit den Kunden, um die am besten geeignete Lösung vorzuschlagen. Wenn es um nachhaltige Entwicklung geht, sind die Qualität der Produkte und die industrielle Leistung entscheidend für die Definition der Bedürfnisse. „Wir haben schon immer verstanden, dass die Energieeffizienz für unsere Kunden entscheidend ist, um die Herausforderungen von morgen zu meistern. Deshalb stellen wir unsere Experten in den Dienst unserer Kunden, um sie in ihrem Denkprozess zu unterstützen, sie zu beraten und sie für die verschiedenen Möglichkeiten zur Optimierung und Reduktion ihres Energieverbrauchs zu sensibilisieren“, erklärt er.
Zu den neuesten Innovationen von MECATHERM zur Förderung der Nachhaltigkeit, die auf der iba 2023 vorgestellt wurden, gehören u. a.:
Der neue Vertikalofen M-VT: Er bietet Energieeffizienz und optimierte Betriebskosten. Dieser Vertikalofen wurde speziell für das Backen einer
breiten Palette an Produkten entwickelt, von krustenbetontem Brot bis hin zu Patisserie, Gebäck und weichen Brotsorten. Er garantiert ein hohes Maß an industrieller Leistung und Produktqualität bei gleichzeitiger Reduzierung des Energieverbrauchs. Seine Konnektivität ermöglicht die Datenerfassung und -verarbeitung, die Erstellung eines Leistungsberichts und/oder die Überwachung des Energieverbrauchs, und er erleichtert die tägliche Nutzung und Wartung durch integrierte digitale Tools.
Der neue M-RT-Former: Ihn zeichnen u. a. eine einfache Bedienbarkeit und sein Bedienkomfort aus. Der „M-RT“ ermöglicht das Formen von Teigen mit verschiedenen Hydratationsverhältnissen bei einer breiten Palette an möglichen Formaten und Gewichten. Dieser neue Former garantiert die Herstellung von qualitativ hochwertigem Brot dank eines Formgebungsverfahrens, das der handwerklichen Methode nahe kommt. Diese Anlage erfüllt auch die Anforderungen der Kunden an industrielle Leistungsfähigkeit und nachhaltige Entwicklung, indem sie die Gleichmäßigkeit und Homogenität der Produkte garantiert, Produktverluste reduziert und die Bedienung vereinfacht.
Auf der Ebene der Produktionslinien hat MECATHERM verschiedene Innovationen entwickelt, die seinen Kunden helfen, den Energieverbrauch zu senken. Dazu gehören: eine Energierückgewinnungslösung, die auf der Ebene des Ofens installiert wird, um Energie in der Produktionslinie wiederzuverwerten, ein neues System zur automatischen Verwaltung der Ofenhygrometrie und ein „intelligentes Kühlsystem“, um den Energieverbrauch während der Kühlphase zu senken.
Durch seine konkreten Maßnahmen für mehr Energieeffizienz will das Unternehmen in Bereichen tätig werden, in denen es einen positiven Einfluss nehmen kann, nicht nur in Fragen der Energieeffizienz, sondern auch, was die Kreislaufwirtschaft und Weiterentwicklung auf sozialer Ebene anbelangt. +++
+Nachhaltigkeit und ein Plus an Effizienz in der Teigverarbeitung – für Rademaker hängt das eine mit dem anderen zusammen.
Dabei setzt das Unternehmen unterschiedliche
Hebel in Bewegung:
+ langlebige, qualitativ hochwertige Maschinen und Anlagen
+ hygienisches, durchdachtes Maschinendesign
+ reduzierten Energieverbrauch
+ mehr Automatisierung
+ hohe Endproduktqualitäten
+ weniger Restteig, weniger Ausschussprodukte
+ Digitalisierung
„Rademaker ist für seine nachhaltigen Maschinen am Markt bekannt“, sagt Henri in 't Veld, Head of Product Management im Unternehmen. Er zählt auf: „Erstens ist die Lebensdauer unserer Maschinen und Anlagen im Vergleich signifikant länger, weshalb der ökologische Fußabdruck entsprechend kleiner ist. Zudem sind die Wartungskosten und die Kosten für Er-
satz- und Verschleißteile gegenüber Referenzen im Maschinenbau geringer. In der Konsequenz stehen Rademaker-Maschinen viel seltener still und arbeiten somit effizienter. Das trägt zu einem besseren CO 2-Fußabdruck unserer Kunden bei.“
Mit der Reduktion beim Energieverbrauch beschäftigt sich Rademaker seit Jahren. Schon 2018 hat das Unternehmen durch den Einsatz einer energieeffizienteren Motorengeneration (IE4-Motoren) einen großen Schritt in Richtung Energieeinsparung vorgelegt und eine Redukti -
Ernst-Abbe-Straße 16 56070 Koblenz, Deutschland
Tel.: +49 261 98 8371 20
E-Mail: info@rademaker-deutschland.de Website: www.rademaker.com
on um 30 % erreicht. Gleichzeitig wurde die Motorleistung überdacht und optimiert, was auch hier Energie einspart.
Weitere wichtige Ansätze, die sich positiv auf die CO 2-Bilanz von Bäckereien auswirken, sieht das Unternehmen in der Vermeidung von Food Waste und einer hohen Produkt- und Produktionsqualität. Henri in 't Veld: „Ein wichtiges Prinzip beim Design der Rademaker-Maschinen ist die Reduzierung von Teigabfällen und der Fokus auf die Produktion einer möglichst hohen Endproduktqualität. Beides hat einen erheblichen Einfluss auf die CO 2-Bilanz. Beim Einsatz von Rademaker-Maschinen ist die Menge an Teigabfällen und vor allem die der Ausschussprodukte extrem gering.“
Die Reinigungsfähigkeit ist ein weiterer Pluspunkt für mehr Nachhaltigkeit. „Maschinen, die leichter zu reinigen sind, führen nicht nur zu weniger Stillstandzeiten, sie verursachen auch weniger Abwasser“, weiß Henry in 't Veld. „Rademaker-Maschinen sind in dieser Hinsicht optimal designet.“
Durch Digitalisierung kann die Leistung und der Energieverbrauch der Maschinen nicht nur überwacht, sondern auch optimiert werden. Digitalisierung trägt darüber hinaus in hohem Maße zur
Reduzierung manueller Eingriffe in einen Prozess bei und damit zur Reduktion des benötigten Personaleinsatzes. Auch das wirkt sich wiederum positiv auf die CO 2-Bilanz aus.
Bei allen Neuentwicklungen fließen die Ansatzpunkte für mehr Nachhaltigkeit wie weniger Restteig, weniger Ausschuss, weniger Energieverbrauch, dafür mehr Effizienz, Automatisierung und Leistung in die Entwicklungsarbeit bei Rademaker mit ein. Henri in 't Veld: „Unsere neue Laminier-Einheit ermöglicht es beispielsweise, dass im Vergleich zum Vorgängermodell bis zu 50 % weniger Restteig anfällt, wobei das Vorgängermodell zu diesem Zeitpunkt bereits Marktführer war. Außerdem konnten wir die Gewichtsgenauigkeit der Endprodukte, z. B. bei Croissants, Feingebäcken oder Brot und Brötchen, in den vergangenen Jahren nochmals stark verbessern und die Automatisierung vorantreiben. In allen unseren Maschinen lassen sich die neuesten energieeffizienten IE4-Motoren einsetzen. Außerdem lassen sich die Linien heute deutlich leichter und schneller reinigen.“ Die Entwicklungsziele kommen nicht von ungefähr, Rademaker orientiert sich dabei eng an den Vorgaben und Erwartungen, die die Bäckereien in Sachen Nachhaltigkeit an das Unternehmen richten.
Foto links: Per Laserscanning wird beim neuen RademakerLaminator das Volumen des Teigbandes erfasst. Foto rechts: Abgerundete Kanten und schräge Flächen erleichtern die Reinigung.
Stichwort Langlebigkeit: Bestehende, ältere Rademaker-Linien können nachgerüstet und durch neue Elektronik und Software auf ein höheres Niveau gebracht werden. „Manchmal“, so Henri in 't Veld, „lässt sich ihre Nutzungsdauer auf diese Weise verdoppeln.“ Auch das, sagt er, habe einen enorm positiven Effekt auf die CO 2 -Bilanz. Gleichzeitig prüft der Maschinen -
bauer, ob ein Upgrade hinsichtlich der Gesamtbetriebskosten, der „total cost of owner-ship“, sinnvoll ist.
Es geht auch ohne Restteig
Die Radini-Spezialbrot- und Brötchenlinie ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich Endprodukte nahezu ohne anfallenden Restteig herstellen
The Women’s Bakery hat ihren Sitz in Ruanda im Osten Afrikas. Ihre Mission: Frauen in Ruanda durch das Backen von Brot eine Chance auf Bildung und Selbstbestimmung geben. Die Mitarbeiterinnen in den drei Bäckereien backen mit lokalen Zutaten nahrhafte Brote zu erschwinglichen Preisen für die lokale Gemeinschaft. The Women’s Bakery versorgt heute täglich über 20.400 ruandische Schulkinder mit vergünstigtem, nahrhaftem Brot. Rademaker unterstützt das soziale Unternehmen, finanziell, aber auch durch Schulungen, bei der Produktentwicklung und der Beschaffung von Zutaten oder Equipment.
lassen. Die neue Teigbandlinie für Brot und Brötchen ist für vorgegarte Teige mit hoher TA ausgelegt. Durch das Umschließen des Teigbands in Kombination mit einer intelligenten Steuerungen wird ein Band mit einem gleichmäßigen Volumen erzeugt. So lassen sich bis zu 100 % des Teigbands nutzen. Eine offene Bauweise, mobile Anlagenteile, runde Kanten und glatte Oberflächen garantieren die einfache und schnelle Reinigung der Linie.
Wie sich Digitalisierung positiv auf das Thema Nachhaltigkeit auswirkt, dafür ist der neue Rademaker-Laminator ein gutes Beispiel. Per Laserscanning werden wichtige Daten wie das Volumen des Teigbandes, des einzelnen Teiglings oder dessen Position erfasst. Die Daten können live angezeigt werden. Nach detaillierter Analyse werden die Ergebnisse im weiteren Verlauf in einem Dashboard dargestellt. Weil das Monitoring-System wichtige Leistungsdaten liefert, lassen sich Prozesse kurzfristig anpassen. Dies führt zu einer deutlich höheren Produktqualität und damit zu weniger Food Waste und geringeren Kosten. Zudem ist die Kommunikation mit RAPPS angelegt.
RAPPS (Rademaker Active Product Positioning System) ist eine Produktpositionierungslösung für die automatisierte Herstellung gebogener Croissants. Das System sorgt dafür, dass die
Teiglinge der Biege- und Klemmeinheit in perfekter Positionierung zugeführt werden. Dazu kommuniziert die Lösung mit dem beschriebenen Monitoring-System, welches die Teiglinge scannt. RAPPS sorgt dafür, dass die Teiglinge perfekt gebogen werden können. Dadurch wird die Produktqualität deutlich erhöht, was zu einer Reduktion der Produktionskosten und zu weniger Lebensmittelverschwendung führt.
Verantwortungsbewusst:
Nachhaltigkeit im Unternehmen
Was das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen selbst angelangt, hier hat sich Rademaker schon 2018 ein „Corporate Responsibility Programme“ auf die Fahne geschrieben und vier Grundprinzipien festgelegt: 1. verantwortungsbewusste Produkte, 2. verantwortungsbewusste Wertschöpfungsketten, 3. verantwortungsbewusstes Handeln und 4. eine verantwortungsbewusste Unternehmenskultur. Im nächsten Schritt plant der Maschinenbauer, künftig gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (EU) 2022/2464 (CSRD) bzw. den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) über die eigene unternehmerische Nachhaltigkeit zu berichten.
„Rademaker versteht sich als verantwortungsbewusster Partner für die Backbranche“
Rademaker versteht sich als verantwortungsbewusster Partner für die Backbranche und arbeitet unablässig daran: Abfall und den CO 2 -Fußabdruck zu reduzieren, einen zirkulären Gerätelebenszyklus zu etablieren und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das den Mitarbeitern – der wichtigsten Ressource des Unternehmens – vielfältige persönliche Entfaltungsmöglichkeit bietet. Was dem Unternehmen über dies hinaus wichtig ist, ist soziales Engagement. Rademaker: „Wir sind stolzer Partner und Sponsor von The Women’s Bakery.“ +++
+Das internationale Bäckereimaschinenbauunternehmen mit Sitz in den Niederlanden hat seine Vision für die Zukunft vorgestellt: „Food without Footprint“, Lebensmittel ohne CO2-Fußabdruck. Bis 2030 wird Royal Kaak Bäckereilinien anbieten, die die Herstellung von Brot ohne Footprint ermöglichen. Etwas anderes zu tun, wäre zu kurz gedacht, ist sich Royal Kaak sicher, um drohende, unumkehrbare Veränderungen im Leben, wie wir es kennen, abzuwenden. Ziel ist es, Ideen und die Mittel zu deren Umsetzung zu entwickeln, Ideen, die auf Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit basieren, um letztendlich eine Lebensmittelherstellung ohne CO 2-Fußabdruck zu ermöglichen.
„Wir als Unternehmen sind fest davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit die Richtung ist, die wir einschlagen müssen, für uns, für unsere Kunden und die Kunden unserer Kunden“, unterstreicht Aart-Jan Hartman, CCO Royal Kaak.
Der Bedarf an Ideen und Strukturen, um auf diesem klaren Nachhaltigkeitsziel aufzubauen,
Strategien zu koordinieren und zu organisieren, ist der Grund, weshalb 2023 eine neue Abteilung gebildet wurde, die von einem neuen Business Manager geleitet wird: Rutger Drost. Das neue Nachhaltigkeitsbüro befasst sich mit allen Aspekten der Nachhaltigkeit – von Ideen zu Weiterentwicklungen für bestehende Märkte bis hin zur Stärkung eigener Weiterentwicklungen. Das Konzept „From silo to truck“ (Vom Silo zum Lkw) hat eine strategische Agenda erhalten, die das Ziel „Food without Footprint“ in den Fokus der Technik rückt.
Der überwiegende Teil der CO2-Emissionen durch Bäckereimaschinen fällt während der Nutzungs -
Kaak
Varsseveldseweg 20a 7061 GA Terborg, Niederlande
Tel.: +31 315 339 111
E-Mail: info@kaak.com
Website: www.kaak.com
Solutions for your bakery
dauer der Anlagen an, wenn sie in den Bäckereien im Einsatz sind. Kaak arbeitet daher mit seinen Kunden in allen Produktionsbereichen zusammen, um vor allem Wege zur Steigerung der Energieeffizienz zu finden. Die Lösungen reichen von der Optimierung der Prozessparameter oder Maschineneinstellungen über die Nachrüstung traditioneller, gasbeheizter Öfen bis zur Umwandlung in Hybridanlagen, die z. B. von den Vorteilen der Energieversorgung mit Strom profitieren können. Der Oven Scan Service kann konkrete, einfache Wege aufzeigen, um den Energieverbrauch und die CO 2-Bilanz in diesem Prozess zu senken.
Der CO2-Fußabdruck: niedrig, niedriger, am niedrigsten
Nur wenn gar nichts produziert wird, entsteht in dem Moment kein Ausschuss. Um den Fußabdruck einer Anlage intern und für Kunden zu minimieren, nimmt Kaak auch die AusschussQuellen genau unter die Lupe. Für die eigene Produktion bedeutet dies, dass nach Möglichkeiten gesucht wird, Metallreste zu minimieren.
„Wir als Unternehmen sind fest davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit die Richtung ist, die wir einschlagen müssen, für uns, für unsere Kunden und die Kunden unserer Kunden – den Lebensmittelhandel.“
Eine einfache Möglichkeit, dies zu erreichen, ist der 3D-Metalldruck, der viele Vorteile mit sich bringt: Er macht Metallreste überflüssig, die normalerweise beim Schneiden, Biegen, Schweißen oder Verschrauben von Stahl anfallen, und vermeidet teure, zeitaufwendige und CO 2-verursachende Transporte. „Wir sind gerade dabei, mehrere Maschinenteile in 3D zu drucken, da die Drucktechnologie sprunghaft voranschreitet“, erklärt Hartman. Kaak geht davon aus, dass man in Zukunft Druckaufträge von den Niederlanden aus an Kunden am anderen Ende der Welt senden wird, sodass dort vor Ort Maschinenteile gedruckt werden können. „Langfristiges Ziel ist es, so viel wie möglich im jeweiligen Land für das Land zu produzieren“, unterstreicht Hartman.
CCO
Dies wird zunehmend dadurch verstärkt, dass auch der Service für das Equipment vor Ort verfügbar ist.
Die 3D-Drucktechnologie schafft darüber hinaus Möglichkeiten für neue Innovationen, wie die Herstellung poröser Metallmaterialien. Ein großartiges Beispiel ist das von Kaak entwickelte poröse Messer (siehe Bild auf Seite 184), das komplett saubere Schnitte ermöglicht, ohne dass Teigreste am Messer zurückbleiben.
Auch die Wassernutzung steht ganz oben auf der Prioritätenliste der Nachhaltigkeitsabteilung von Kaak – eine möglicherweise bald wieder knappe und teure natürliche Ressource. Wasser ist eine wichtige Zutat für Brot, und gute Wasserqualität ist für Bäckereien entscheidend. Mit dem Klimawandel wird „Wasserstress“ zu einem immer wichtigeren Thema. Royal Kaak hilft Bäckereien, ihren Wasserverbrauch im Backprozess zu reduzieren, und bietet verschiedene innovative Lösungen für eine Reinigung von Backblechen ohne Wasser an.
Respekt, Anpassungsfähigkeit und Engagement
Die Motivation, Nachhaltigkeit eine Priorität im Unternehmen einzuräumen, ist einfach: Es hat mit Respekt gegenüber den Menschen und dem Planeten zu tun, mit Anpassungsfähigkeit in einer Welt, in der der Wandel die einzige Konstante ist, und mit Engagement, glaubt Kaak. Diese Grundwerte bilden den moralischen Kompass, an dem sich die Kaak-Mitarbeiter auf allen Ebenen bei ihren täglichen Entscheidungen orientieren können. Rutger Drost unterstreicht: „Um erfolgreich zu sein, müssen sich Unternehmen – so auch Kaak – an alle Veränderungen anpassen, die sich in einem immer schnelleren Tempo vollziehen, und im Einklang mit dem Trend ‚Food without Footprint‘ eine völlig neue Art verfolgen, Geschäfte zu machen. Die Tatsache, dass 3D-Druck-Maschinenkomponenten auf der ganzen Welt hergestellt werden können und das Equipment nicht mehr von einem einzigen Standort aus verschickt wird, ist ein Teil dieses neuen Bildes, wie die Zukunft aussehen wird.“ Darüber hinaus stellt die Einbindung der Abteilung sicher, dass die kreativen Köpfe und das Fachwissen, die für die Weiterentwicklung von Unternehmen erforderlich sind, an Bord sind und in einem unterstützenden Umfeld gedeihen. Kaak fördert den Ideenaustausch zwischen seinem gesamten Team von 800 Mitarbeitern. Der Austausch ist eine Notwendigkeit, um neue Arbeitsweisen, neue Ideen und neue Lösungen zu finden und zu entwickeln. Zu diesem Zweck hat jeder Mitarbeiter Zugang zu einer speziellen Plattform, die als Vision Board dient, auf der sie ihre Gedanken zur Verwirklichung von „Lebensmitteln ohne CO 2-Fußabdruck“ veröffentlichen und sich gegenseitig inspirieren können.
„Wir sind als Unternehmen in der einzigartigen Lage, Lösungen vom Silo bis zum Lkw zu liefern und die gesamte Prozesskette in einer Bäckerei zu verstehen. Wir können Innovationen entwickeln, indem wir den gesamten Prozess ganzheitlich betrachten, anstatt nur einen einzelnen Schritt zu verbessern, der vielleicht sogar dem gesamten Prozess schadet. Hier kommt die Einbeziehung aller Spezialisten in unserem Team
ins Spiel“, erklärt Drost. Da der Bäckereiprozess immer datengesteuerter wird, können intelligente Werkzeuge und Dienstleistungen dazu beitragen, die gesamte Verarbeitung sowie die Planung und Terminierung verschiedener Rezepturen in der Produktion zu optimieren.
Die Anforderungen der Branche ändern sich bereits, angefangen bei den Erwartungen an eine einzelne Maschine bis hin zu Anforderungen an den gesamten Prozess. Beim Gespräch über einen Ofen beispielsweise haben sich die Schwerpunkte bereits von den Spezifikationen in Bezug auf Länge, Breite und Produktsortimente in Richtung Energieart und -management, besondere Vorteile von Strom im Vergleich zu Gas sowie Möglichkeiten, Solarmodule einzubeziehen, verlagert. „Die hitzigsten Diskussionen drehen sich derzeit um die Auswirkungen auf den Energieverbrauch und nicht um die Art des Ofens“, beobachtet Hartman. Eine effiziente Hybridlösung setzt voraus, dass verschiedene Energiequellen flexibel genutzt werden können: Tagsüber können Sonnenkollektoren und nachts entweder eine Batterie oder Ökostrom die Anlage versorgen. Gas würde immer noch ein Sicherheitsnetz darstellen.
Um ein Gleichgewicht zwischen langfristigen, großen Schritten zur Verbesserung der Nachhaltigkeit und kleinen Veränderungen zu schaffen, unterstützt Kaak seine Kunden bei der Optimierung ihres Energieverbrauchs in bestehenden Anlagen. „Gleichzeitig betreiben wir beträchtliche Forschungsanstrengungen im Bereich der erneuerbaren Energien, einschließlich der Energiespeichermöglichkeiten und möglicher Anlagenkonfigurationen. Wir untersuchen, wie wir die Arbeitsweise in Bäckereien zum Besseren verändern können“, erklärt Drost. In Verbindung mit den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft ist die intelligente Energienutzung ein Schlüssel zu „Food without Footprint“.
Zeit spielt in Bäckereien eine wichtige Rolle. Zeit ist ein Faktor, der Prozessoptimierungen verhindern kann. Wenn die Produktionszeiten
bei gleichbleibender Produktqualität reduziert werden können, lassen sich erhebliche Einsparungen erzielen. Änderungen im Backprozess sollten sich auf CO2-Auswirkungen konzentrieren. Die Schlüsselfrage lautet: „Können wir die Rezeptur unseres Verfahrens so anpassen, dass wir unseren CO 2-Fußabdruck verringern und CO 2neutral sein können?“ Das Ziel von Kaak ist es, bis 2030 Produktionslinien mit Netto-Null-Emissionen zu haben. Zu diesem Zweck arbeitet das Unternehmen bereits an mehreren Initiativen.
Das Kaak-Nachhaltigkeitsbüro hat seine Tätigkeit damit begonnen, die Auswirkungen des Unternehmensziels „Food without Footprint“ zu verfeinern und seinen Plan auf dieses Ziel auszurichten. Seitdem wurden zahlreiche Aktivitäten mit Kunden gestartet, bei denen der Energieverbrauch reduziert und Innovationen entwickelt wurden. Dies ist der Beginn spannender und notwendiger Gespräche über die Zukunft, die sich mit jeder Herausforderung eingehend befassen werden. Royal Kaak ist der festen Überzeugung, dass Lebensmittel ohne Footprint möglich sind, wenn dieses Ziel von den verschiedenen Interessengruppen entlang der Wertschöpfungskette der Bäckerei gemeinsam angegangen wird. +++
Verhoeven Bakery Equipment Family
Parallelweg 13, 5349 AD, Oss, Niederlande
Tel.: +31 412 63 05 45
E-Mail: info@verhoevenfamily.com Website: www.verhoevenfamily.com
+„Machen Sie, wenn möglich, eine Kehrtwende.“ Wahrscheinlich assoziieren Sie diese Vorgabe mit der Navigation in Ihrem Auto, die Ihnen freundlich erklärt, dass Sie den falschen Weg eingeschlagen haben und die Entfernung zu Ihrem endgültigen Ziel immer größer statt kleiner wird. Den richtigen Weg finden Sie in umgekehrter Richtung. Die Logistik in der Bäckerei scheint meist übersichtlicher zu sein als die Wege, die Sie mit dem Auto zurücklegen, trotz möglicher Produktvielfalt und trotz teils komplizierter Produktionsschritte und Infrastruktur. Dennoch gibt es nur eine Richtung: Während des Backprozesses werden die eingehenden Zutaten in die ausgehenden Endprodukte umgewandelt.
Da Nachhaltigkeit jedoch eines der Hauptthemen unserer modernen Gesellschaft ist, ist die Besorgnis über die enorme Lebensmittelverschwendung, insbesondere die Menge an Restbrot, die anfällt, mit einer großen Verantwortung verbunden, der wir uns stellen und die wir angehen müssen. Es ist Zeit für eine Kehrtwende: „Repeatloaf“ ist eine Initiative der Verhoeven Bakery Equipment Family. Ziel der Initiative ist es, Bäckern auf der ganzen Welt eine echte Kreislauflösung für Restbrot vorzustellen. Das
Brotüberschuss – Ziele
8-44 % ( ! ) der gesamten Produktion*
*variiert je nach Produktart und Region
Konzept wird auf der kommenden Messe südback in Stuttgart vom 26. bis 29. Oktober 2024 präsentiert.
Keine Zeit mehr zu verlieren
Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung –es müssen immer mehr Menschen ernährt werden –, einem Trend zu einer stärkeren Nachfrage nach Brot in Schwellenländern und Unsicherheit in den Lieferketten liegt es auf der Hand, dass die Versorgung mit Brot vor zahlreichen Herausforderungen steht und mit der Möglichkeit schwerwiegender Engpässe konfrontiert ist. Restbrot passt nicht in eine solche Umgebung. Restbrot entsteht durch Faktoren wie Überproduktion (aufgrund der Bedenken bzgl. leerer Regale) und eine kurze Haltbarkeitsdauer in einer Gesellschaft, die Ultrafrische erwartet.
Der globale Hunger verharrt nach einem starken Anstieg von 2019 bis 2021, gemessen an der Prävalenz von Unterernährung, drei Jahre in Folge auf nahezu demselben Niveau und betrifft im Jahr 2023 immer noch 9,1 % der Weltbevölkerung, verglichen mit 7,5 % im Jahr 2019. Die Produktion von Lebensmitteln, die später verloren oder verschwendet werden, erfordert eine
Wünschenswerte Ziele
Food Waste Vermeidung
Nahrung für den Menschen
Nahrung für Tiere
Chemikalien & Materialen
Fermentation
Kompostierung
Verbrennung
Entsorgung
Nicht wünschenswert (Moerman Leiter)
größere Landfläche, als sie China einnimmt. Und Brot hat die zweifelhafte Ehre, den größten Anteil an der Lebensmittelverschwendung auszumachen. Darüber hinaus trägt die Herstellung von Brot ganz erheblich zum CO 2-Ausstoß bei.
Laut „The International Journal of Life Cycle Assessment“ liegen die Ergebnisse des CO 2Fußabdrucks zwischen 977 und 1.244 g CO 2Äquivalent pro Laib Brot. Bevor wir Brot produzieren, benötigt der Getreideanbau erhebliche Wasser- und Energieressourcen. Um 1 kg Weizen zu produzieren, werden zwischen 900 und 2.000 l Wasser benötigt. Im weiteren Verlauf wird Energie benötigt, um den Weizen zu den Mühlen zu transportieren, die Körner zu vermahlen und das Mehl zu den Bäckereien zu transportieren.
Brot zu verschwenden bedeutet, immense Ressourcen zu vergeuden. Für die Herstellung von 1 kg Brot werden mehr als 1.500 l Wasser benötigt, und der Energieverbrauch für die Herstellung von 1 kg Teig wird (abhängig von den verwendeten Technologien) auf 1,3 bis 5,5 Megajoule geschätzt.
Recyceltes Brot trägt dazu bei, die gesamte durch die Herstellung von Brot bedingte Emission zu reduzieren, und sollte als Teil der Lösung ernst genommen werden.
Zu den 17 UN-SDGs (Sustainable Development Goals) gehört ein nachhaltiges Ziel, das nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster vorsieht (SDG12). Es ist ein festgelegtes Ziel, Lebensmittelverluste und -verschwendung auf Einzelhandelsund Verbraucherebene um 50 % zu reduzieren und Lebensmittelverluste entlang der Produktions- und Lieferketten bis 2030 zu reduzieren. Die EU hat sich bis 2030 zum Ziel gesetzt, die Lebensmittelverschwendung sowohl in der Industrie (um 10 %) als auch beim Verbraucher (um 30 %) zu reduzieren.
Innovation mit Wirkung auf globaler Ebene
Innovation ist ein wichtiger Schlüssel für eine nachhaltigere Zukunft, und der Bäckereimarkt kann in dieser sich verändernden Gesellschaft eine entscheidende Rolle spielen. Das ist die feste Überzeugung des niederländischen Unternehmens Verhoeven. Der Fokus auf Innovation kann ein enormes Potenzial für den internationalen Bäckereimarkt entfalten. Dies ist einer der Gründe, warum das Unternehmen kontinuierliche Anstrengungen in die Entwicklung und Einführung von Vakuumkühlung und Vakuumbacken auf den internationalen Bäckereimärkten investiert.
Den Backprozess nach Erreichen der Kerntemperatur im konventionellen Ofen in einer Vakuumumgebung fortzusetzen, bringt neben
wirtschaftlichen Vorteilen auch erhebliche nachhaltige Vorteile mit sich:
+ Die Backzeit und damit die Nutzung der Ofenkapazität kann um bis zu 40 % verkürzt werden, was zu einem geringeren Energieverbrauch und weniger CO 2-Emissionen führt.
+ Das Abkühlen des Produktes wird während des Backvorgangs im Vakuumraum ausgelöst.
Der auf Naturgesetzen basierende Prozess führt zu einer sofortigen Abkühlung. Statt Stunden anzudauern, verkürzt sich der Vorgang auf wenige Minuten. Dies schützt auch vor möglichen Kontaminationen. Binnen nur drei Minuten sind die meisten Produkte kühl genug, um verpackt werden zu können, was eine längere Haltbarkeit ermöglicht und Abfall vermeidet. +++
Das Unternehmen hat seine vielfältigen Fachkenntnisse und Erfahrungen auf dem internationalen Bäckereimarkt aufgebaut, da man Lösungen für Bäckereien auf der ganzen Welt ausarbeitet. Die Grundlage für den Erfolg der niederländischen Familie liegt in einem aufgeschlossenen Umgang mit den Herausforderungen, denen Kunden beim Aufbau neuer Produktionsanlagen gegenüberstehen. Dieser aufgeschlossene Ansatz führt zu teils überraschenden und innovativen Lösungen. Die Verhoeven Bakery Equipment Family – Teil der Verhoeven Family of Companies – ist Eigentümerin der Marken: BVT-Dough Processing Solutions, NewCap Industrial Handling Solutions, Vacuum Cooling and Baking Solutions und Bakepack End of Line Solutions. Seit 2020 sind diese vier Firmen in einem Unternehmen mit vier Marken vereint. Jede Marke hat ihre eigene Besonderheit, und zusammen bilden sie ein einzigartiges Angebot. Dies macht die Verhoeven Bakery Equipment Family zum Spezialisten für „Turnkey-Lösungen“ in industriellen Bäckereien weltweit.
Dr. Michael Euler, Geschäftsführer
WP-Kemper
+Dr. Michael Euler, Geschäftsführer der WP-Kemper GmbH, über die Möglichkeit, mit Nachhaltigkeit die betriebswirtschaftliche Effizienz zu steigern
b+b: Dr. Euler, die Nachhaltigkeitsrichtlinie der EU steht vor der Tür. Viele haben Angst vor dem bürokratischen Monster. Wie sehen Sie das?
Dr. Euler: Grundsätzlich ist zusätzliche Bürokratie gerade für ein mittelständisches Unternehmen nie gut. Der Stellenwert von Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft nimmt jedoch zweifelsfrei zu. Die Umsetzung von Nachhaltigkeitsaspekten in innovativen Maschinen ermöglicht somit eine positive Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb. Dabei ist es wichtig, dass Nachhaltigkeit gleichzeitig mit einer höheren Effizienz einhergeht, um so geringere Lebenszykluskosten zu erreichen. Nur so haben wir als deutscher Anlagenbauer die Möglichkeit, uns im internationalen Wettbewerb von der Konkurrenz abzuheben.
b+b: Das hört sich fast schon gelassen an. CO 2-Bilanz, Daten von den Vorstufen holen, Verpackungen sparen, Kreislaufwirtschaft fördern –was kostet das alles allein an Personaleinsatz?
Dr. Euler: WP-Kemper ist ein reines Engineeringund Montageunternehmen, weshalb unser eigener CO 2-Fußabdruck klein ist. Bei der Verpackung haben wir lieferantenseitig bereits überwiegend auf umlaufende Verpackungen umgestellt, und das nicht nur aus Gründen der Nachhaltigkeit, sondern aus betriebswirtschaftlichen Gründen – ein Beispiel für die Effizienzsteigerung, die ich meine. Schwieriger ist es, gute Daten von den Vorstufen zu bekommen. Große Zulieferanten haben aussagefähige Dokumentationen, auf die wir zurückgreifen können. Schwieriger wird es, die Infos von kleinen Partnern zu bekommen.
Aber es hilft nichts. Es ist ein wichtiger Punkt und ein großer Hebel, wenn es um mehr Nachhaltigkeit geht.
b+b: Nachhaltigkeit kann man aus zwei Perspektiven betrachten. Man kann der Frage nachgehen, wie nachhaltig WP-Kemper selber wirtschaftet, aber auch den Fokus darauf richten, wie Sie Ihren Kunden helfen, eine bessere Nachhaltigkeitsbilanz vorzulegen. Wie steht es um diesen zweiten Punkt bei WP-Kemper?
Dr. Euler: Wir haben dazu viele Themen auf der Agenda. Wir arbeiten kontinuierlich an einer Reduzierung des Energieverbrauches, und das nicht nur beim Antrieb, sondern insbesondere auch in der Verkettung von Anlagen. Das wurde in der Vergangenheit häufig zu wenig beachtet. Ein sehr wichtiger Punkt ist die Reduzierung von Produktverlusten. Da geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Lebensmittelverschwendung.
b+b: Überall ein wenig sparen – reicht das?
Dr. Euler: Nein, Nachhaltigkeit muss von Beginn an mitgedacht und über den gesamten, möglichst verlängerten Lebenszyklus betrachtet werden –wichtige Stichworte sind dabei werterhaltende Reparaturen, Retrofit, Re-Use und natürlich Kreislaufwirtschaft. Wir denken intensiv darüber nach, wie man Ressourcen länger effizient nutzen kann. Wir schaffen Mehrwert, indem wir unsere Anlagen noch modularer und wartungsfreundlicher machen und schon bei der Entwicklung einer Anlage daran denken, dass sie in fünf Jahren vielleicht für ein anderes Produkt eingesetzt werden soll, das beispielsweise einen zweiten Rundwirker in der Brötchenanlage erfordert. Solche Erweiterungen per Plug-and-play zu integrieren, trägt zu einer vernünftigen Verlängerung des Lebenszyklus bei.
b+b: Anlagen werden üblicherweise auf ein bestimmtes Leistungsspektrum und eine definierte
Auslastung konstruiert. Es gibt Anlagen für Handwerksbetriebe und industrielle Anlagen. Wenn Sie Langlebigkeit, Flexibilität in der Anwendung, Recyclingfähigkeit integrieren – werden die Anlagen dann so teuer wie Industriemaschinen?
Dr. Euler: Das ist eine Frage der Kosten-NutzenBetrachtung und sicherlich auch der Mentalität. Wer ausschließlich über die Höhe des Investments entscheidet, kommt zu anderen Ergebnissen als jemand, der zukunftsorientiert im Sinne der Nachhaltigkeit an die Sache herangeht oder über den ROI entscheidet. Es wird keine billigen Lösungen geben, wenn ich höhere Qualitäten für eine verlängerte Nutzungsdauer oder einen erweiterten Nutzungsgrad als Ziel vorgebe – es wird aber trotzdem sehr effiziente Lösungen geben. WP-Kemper bietet z. B. bereits heute beim Fettbacken ein Paket Effizienz, das den Energieverbrauch senkt. Ja, es kostet mehr Geld, aber der Aufschlag hat einen sehr guten ROI.
b+b: Vermeidbarer Energieverbrauch – ein interessantes Thema … Dr. Euler: Allerdings, und ein wichtiges Thema, egal ob passiv oder aktiv. Mit passiv meine ich beispielsweise die bessere Isolation bei Ofen, Fettbackanlage und Gärschranken. Eine effiziente Fußbodendämmung z. B. bringt deutliche Einsparungen, aber beim Neubau denkt kaum ein Architekt daran und in fertigen Bauten scheuen viele nachträgliche Arbeiten. Aktiv lässt sich Energieüberschuss für andere Prozessteile einsetzen. Die Abwärme einer Donut-Fettpfanne lässt sich prinzipiell in Gärschränken nutzen. Ich kenne viele weitere Beispiele. Noch findet man dafür in den Betrieben begrenztes Interesse, eher Leuchttürme, die sich frühzeitig kümmern. Dabei gibt es auch für kleinere Betriebe innovative Prozesstechnologie, die beispielsweise beim Betrieb von Brötchenanlagen nicht einfach alle Module weiterlaufen lässt, sondern gezielt die abschaltet, die gerade nicht im Einsatz sind –ein einfacher Ansatz für Ressourcenschonung und Energiesparen.
b+b: Bei der Nachhaltigkeit geht es ja häufig auch um Steuer- und Regelungstechnik. Woran arbeiten Sie da?
Von-Raumer-Str. 8–18
91550 Dinkelsbühl, Deutschland
Tel.: +49 9851 905-0
Fax: +49 9851 905-8346
E-Mail: info@wpbakerygroup.com
Website: www.wpbakerygroup.com
Lange Str. 8-10
33397 Rietberg, Deutschland
Tel.: +49 52 44 40 20
E-Mail: info@wp-kemper.de Website: www.wp-kemper.de
Industrieterrein 13
5981 NK Panningen, Niederlande
Tel.: +31 77 307 18 60
E-Mail: sales@wp-haton.com Website: www.wp-haton.com
Heinrich-Rieger-Str. 5
73430 Aalen, Deutschland
Tel.: +49 73 61 55 800
E-Mail: info@riehle.de Website: www.wp-riehle.de
Werner & Pfleiderer
Von-Raumer-Str. 8-18
91550 Dinkelsbühl, Deutschland
Tel.: +49 98 51 90 50
E-Mail: info@wp-l.de Website: www.wp-l.de
Pfleiderer
Frankfurter Str. 17
71732 Tamm, Deutschland
Tel.: +49 71 41 20 20
E-Mail: info@wpib.de Website: www.wpib.de
Die WP BAKERYGROUP ist der weltweit größte Hersteller von Maschinen und Anlagen für Bäckereibetriebe aller Größenordnungen.
Dr. Euler: Ganz aktuell haben wir gerade ein Patent für ein innovatives Regelungskonzept u. a. zur Vermeidung von Ausschuss angemeldet. Mithilfe bestehender und neuer Sensorik werden auch vorwärts gerichtete Regelkreise entlang des Produktionsprozesses aufgebaut. So lassen sich Anlagen effizient automatisieren und Produktverschwendung signifikant reduzieren.
Grundlage aller modernen Steuerungs- und Regelungskonzepte, mit und ohne KI, sind jedoch Daten. Zentrale Quelle und Senke aller relevanten Prozess- und Produktdaten ist bei uns das WP Digital Portal. Hier können unsere Kunden Produktions- und Serviceprozesse überwachen, analysieren und optimieren, wo immer gewünscht mit der Unterstützung von Werksexperten.
Ein Baustein im WP Digital Portal ist MixControl. Dieses Tool analysiert jeden Knetbatch und gibt dem Teigmacher eine Empfehlung zur Anpassung der Knetparameter, wenn angezeigt. Ziel ist es, durch die Kontrolle von Temperatur, Energieeintrag und weiteren Parametern dafür zu sorgen, dass die Teige weder über- noch unterknetet sind und keine Ausschussteige produziert werden. Unsere Vision ist es, die jeweils ermittelten Parameter des Teiges an nachfolgende Anlagen weiterzugeben, um diese im Vorfeld auf verän -
derte Teigqualitäten einzustellen – dies reduziert den Ausschuss auf der gesamten Linie.
b+b: Teigqualität ist ja nicht nur eine Frage der Knettechnik, sondern auch der Rohstoffqualitäten und die können ja durchaus variieren. Wie wollen Sie das einbeziehen?
Dr. Euler: Die Aussagefähigkeit der Knetanalyse von MixControl ist unabhängig von den eingesetzten Mehlqualitäten bzw. der jeweiligen Mehlernte. MixControl kann vielmehr helfen, die notwendigen Rezeptanpassungen bei veränderten Mehlen nahezu automatisch vorzunehmen. Dies haben wir letztes Jahr im Versuch mit einer deutschen Mühle verifiziert.
Das kann i. d. R. sogar ein ungelernter Mitarbeiter. Die gelieferten Kenngrößen und Funktionen erlauben dem Experten aber auch weitgehende, detaillierte Analysen – das System hat eine sehr gute Genauigkeit.
b+b: Was kommt als Nächstes?
Dr. Euler: Auf den nächsten Messen werden wir die digitale Erfassung von Daten der Teigbandanlage Pane zeigen und sie mit technologischem Wissen kombinieren. Dabei verfolgen wir jedes einzelne Brötchen durch die gesamte Anlage und können sagen, auf welchem Blech welcher Teig
liegt, und es auf diesem Weg durch Gär- und Ofenanlagen verfolgen. Wir erfassen, welche Parameter in den Anlagen aktiv waren und welche ungeplanten Einflüsse oder Standzeiten es gegeben hat. All diese Daten definieren die Qualität des Prozesses und des Produktes und können helfen, den Prozessdurchlauf zu optimieren und Ausschuss zu verringern.
b+b: Was Sie bislang schildern, dreht sich um die Optimierung einzelner Prozessschritte durch mehr Schlussfolgerungen aus mehr erfassten und korrelierten Daten. Was ist das mittel- oder auch langfristige Ziel – die bäckerlose Backfabrik?
Dr. Euler: Nein, nicht wirklich. Es gibt aber zwei Aspekte, die uns zum Handeln zwingen. Einer ist sicherlich die gegenwärtige Personalsituation in den Betrieben, die auch nicht mehr besser wird. Der zweite ist die Verbesserung der Nachhaltigkeit bei gleichzeitig verbesserter Wirtschaftlichkeit.
Eine Prozess-Regelung wie unsere hilft, eine gleichmäßige Teigqualität, optimale Prozessparameter und somit auch eine gleichmäßigere Produktqualität durch zum Teil automatisierte Prozesse zu erreichen. Im Klartext heißt das: eine bessere Produktivität bei verringertem Aufwand. Im Moment ist der sehende und fühlende Mensch in der Backstube an vielen Stellen der einzige „Regler“ im Prozess. Wir entwickeln Kamera- und Sensorlösungen, die analytisch und mithilfe von KI die sensorische Wahrnehmung des Menschen ersetzen oder absichern. Das zahlt erheblich auf das Nachhaltigkeitskonto ein und erhöht die Wirtschaftlichkeit von Anlagen.
b+b: Dazu müssten Sie aber erst einmal einen Überblick darüber haben, was an Maschinen in den Backstuben steht, was aus dem Haus WP kommt und wozu die Steuerungen dieser Anlagen eventuell einsetzbar sind, oder?
Dr. Euler: Das WP Digital Portal ist, wenn gewollt, ein Abbild der Backstube. Hier können der Bäcker und wir gemeinsam alle relevanten Daten, wie Schaltpläne, Wartungsanweisungen, Serviceberichte etc., zusammenführen und 24/7 verfügbar halten – sicher, stets aktuell und empfängerspezifisch.
Hier können der Bäcker und wir zudem direkt Informationen und Daten austauschen – im Servicefall und zur Prozessoptimierung, und zwar über den gesamten Produktlebenszyklus einer Maschine. Das bieten wir nicht nur für neue Maschinen und Anlagen an, sondern auch für die, die schon etwas älter sind. Der große Nutzen dieses Vorgehens ist, dass alle Daten an der Maschine verfügbar sind, auch nach einer umfangreichen Reparatur oder einem Retrofit oder einer Neu-Zusammenstellung einer Anlage. So entsteht eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Nachhaltigkeit über einen verlängerten Produktlebenszyklus.
b+b: Dazu gleich zwei Fragen: a) Wo sind die Daten gelagert und wer hat Zugriff, b) Wo liegt der Nutzen im betrieblichen Alltag?
Dr. Euler: a) Die Daten landen nicht in irgendeiner Cloud, sondern in der WP ConnectBox direkt an der Anlage. Sie gehören dem Kunden und der gibt frei, ob wir Zugriff haben.
b) Bei einem Problem löst der Bediener über einen SOS-Knopf direkt an der Maschine ein Service-Ticket aus – dieses enthält ein digitales Abbild des Maschinenzustandes. Wir tracken an einer Pane beispielsweise über 150 Datenpunkte. Der Werksservice kann so bereits mit der Meldung eines Problems durch den Bäcker auf Basis des digitalen Zwillings in die Fehleranalyse und die Erarbeitung der Lösung einsteigen. Dies stellt eine deutliche Beschleunigung der Serviceprozesse dar. Der Bäcker hat weniger Hektik und die Anlagenverfügbarkeit ist auch besser.
Darüber hinaus bieten wir Hilfe zur Selbsthilfe z. B. durch unseren Augmented Reality Support. Hiermit kann der Experte im Werk einen Techniker vor Ort schnell und gezielt anleiten, ein Problem selber zu richten – ohne große Wartezeiten, ohne lange Fahrtzeiten und somit ohne lange Ausfallzeiten einer Anlage. Sie sehen, auch das ist ein gutes Beispiel für die Symbiose von Effizienz und Nachhaltigkeit.
b+b: Dr. Euler, wir danken Ihnen für das Gespräch. +++
Hardcover-Edition:
ISBN 978-3-9824079-6-8, 1. Auflage 2024
PDF:
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