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02 | 2023 INTERVIEW

ünstliche Intelligenz ist in aller Munde. Wo sehen Sie die größten Chancen, wo die größten Gefahren für den Wirtschaftsstandort und die Unternehmen?

Künstliche Intelligenz kann generell eine Vielzahl von positiven Effekten mit sich bringen, die quer über alle Branchen hinweg zum Tragen kommen. Zum Beispiel Effizienzsteigerungen, verbesserte Arbeitsabläufe oder vertiefte Datenanalysen, um genauere Vorhersagen treffen zu können, sei es in der Medizin, Energiepolitik oder Produktion. Diese Innovationen müssen wir fördern, damit unsere Unternehmen auch im europäischen Kontext wettbewerbsfähig bleiben. In den letzten Monaten sind wir Zeuginnen und Zeugen geworden, welche bedeutenden Fortschritte bei der Entwicklung generativer KI gemacht worden sind. Vor allem die Verwendung von großen Sprachmodellen zeigt bereits jetzt das enorme Potential von künstlichen Intelligenzen. Laut einer Studie verdoppelt sich die Leistungsfähigkeit von künstlichen Intelligenzen rund alle 3,5 Monate, daher werden die Sprachmodelle in Zukunft noch leistungsfähiger und vielseitiger werden. Nachdem KI in Zukunft in vielen Bereichen unseres täglichen Lebens eine wichtige Rolle spielen wird, gibt es auch Herausforderungen, die ihr Einsatz mit sich bringt. Zum Beispiel besteht das Risiko zur potenziellen Verbreitung von Fehlinformationen und missbräuchlicher Nutzung durch Dritte. Es wird immer schwieriger, sogenannte „Deep Fakes“ als solche zu erkennen. Um auch in Zukunft im Spitzenfeld mitzuspielen, müssen wir den hierzulande im internationalen Vergleich hohen digitalen Bildungsstand weiterhin hochhalten, aber zugleich auch die digitalen Grundkompetenzen weiter ausbauen, um für die zahlreichen neuen Geschäftsmodelle, die KI mit sich bringt, gewappnet zu sein.

Was entgegnen Sie Kritiker:innen, die sagen, Österreich nehme im internationalen Vergleich viel zu wenig Geld für seine KIStrategie in die Hand und verliere den Anschluss?

Die KI-Strategie umfasst unterschiedliche Politikbereiche und wird daher in den betreffenden Ministerien umgesetzt. Zum Beispiel hat allein das Klimaschutzministerium für das Jahr 2023 insgesamt rund 65 Mio. Euro zur Umsetzung der KI-Strategie investiert. Da KI eine breite generische Schlüsseltechnologie ist, wird diese nicht nur über explizite KI-Förderprogramme unterstützt, sondern findet in zahlreichen anderen, thematisch nicht direkt KI zugewiesenen, FTI-Maßnahmen Niederschlag. Allein die FFG, die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft, hat in den letzten zwei Jahren KI-relevante Förderprogramme in bedeutender Höhe abgewickelt.

Sie fordern von der EU mehr Tempo bei der Regulierung von

künstlicher Intelligenz. Woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass der EU-Artificial Intelligence Act – der regeln soll, was im Bereich KI erlaubt ist und was nicht – sich so verzögert?

Ja, wir müssen hier rasch vorgehen. Wir sind daher froh, dass nun auch die Europäische Kommission dies so sieht. Sie hat den Vorschlag zur Verordnung am 21. April 2021 dem Rat und dem Europäischen Parlament übermittelt. Auf Ratsebene haben die Verhandlungen sogleich intensiv begonnen. Aus diesem Grund waren wir in der Lage, noch im Vorjahr beim EU-Ministerrat für Telekommunikation am 6. Dezember eine Allgemeine Ausrichtung anzunehmen, die im Übrigen auch die neue Entwicklung der sogenannten „Allzweck-KI“ oder „general pupose AI“ berücksichtigt. Seither müssen wir auf den Standpunkt des Europäischen Parlaments mit dem Fortgang der weiteren Verhandlungen warten.

Die Abstimmungen in den beiden zuständigen Ausschüssen des Europäischen Parlaments (IMCO und LIBE) hat sich mehrfach verzögert und konnte nunmehr am 11. Mai erfolgen. Über diese Änderungsanträge zum Berichtsentwurf muss nun noch im Plenum des Europäischen Parlaments Mitte Juni abgestimmt werden. (*)

Anschließend können wir dann in Trilogverhandlungen treten. Wir hoffen jedenfalls auf einen Abschluss bis Jahresende, doch das ist ein sehr ambitioniertes Ziel.

Sie wollen in naher Zukunft eine eigene KI-Behörde für Österreich etablieren. Was sind die Ziele und Aufgaben dieser Behörde? Wie soll die KI-Behörde konkret mögliche Bedrohungen durch KI abwenden?

Der aktuell auf EU-Ebene noch in Verhandlung befindliche Artificial Intelligence Act sieht bestimmte zuständige nationale Behörden vor. Diese Behörden sollen in Zukunft die Prüfungen, Zertifizierungen und Kontrollen von KI-Anwendungen durchführen, bevor sie auf den Markt kommen. Beispielsweise indem man die Aussagen der KI auf Richtigkeit überprüft und eine Einschätzung der Inhalte vornimmt. Andererseits sind auch Aufgaben der Marktüberwachung vorgesehen, die von einer entsprechenden Behörde vollzogen werden müssen. Die konkreten Ziele, Aufgaben und Kompetenzen dieser Behörde müssen durch den finalen Gesetzestext des AI Acts definiert werden.

Kann KI aus Ihrer Sicht dazu beitragen, den Personalmangel in der sogenannten Wissensarbeit – wie sie auch die Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung ist – zu mildern?

Vor allem wird KI dabei helfen, Routineaufgaben zu automatisieren – beispielsweise auch bei der Erstellung von Rechnungen oder der Buchung von Belegen. Zudem können weiterentwickelte KI Programme uns helfen, die relevanten Prüfungs- und Kontrollfälle zu finden und uns auch hier Arbeit ersparen. Und nicht zuletzt kann eine selbstlernende Technologie unsere Chatbots

Fotocredit: BMF Andy Welzelr
K 7 (*) Das Interview wurde im Mai 2023 geführt 02 | 2023 INTERVIEW

weiter verbessern, um so die Fragen qualitätsvoller zu beantworten oder die passenden Informationen schneller bereitzustellen. Damit wird es Erleichterungen geben und man hat Zeit für andere Aufgaben.

Für die gerade im Bereich der Finanzverwaltung spezialisierten Aufgaben, wo besondere Erfahrung und fachliche Expertise verlangt sind, wird es aber selbstverständlich weiterhin unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen. Generell bin ich der festen Überzeugung, dass mehr Jobs geschaffen werden, als wegfallen.

Die Kommunikation zwischen Behörden und Bürger:innen bzw. deren Vertreter:innen bindet auf beiden Seiten Ressourcen. Sind hier konkrete Maßnahmen geplant, die den elektronischen Datenaustausch (z.B. bei Eingaben oder Akteneinsicht via FinanzOnline) noch weiter optimieren können?

Ja, wir betrachten solche Anwendungsfälle zum Beispiel im Zuge der nationalen Once Only Umsetzung und auch in Innovationsprojekten, wie beispielsweise Grants4Companies am Unternehmensserviceportal. Unser Ziel ist, das vorhandene Wissen in einer Form abzubilden, die von Maschinen interpretiert werden kann. Dadurch sind intelligente Auswertungen des vorhandenen Wissens möglich, wie zum Beispiel: Welche Förderungen passen für mich als Unternehmen oder als Bürgerin, Bürger? Neben der Umsetzung neuer innovativer Projekte betrachten wir auch die kontinuierliche Weiterentwicklung vorhandener,

Auch ein verbesserter Datenaustausch zwischen den einzelnen Behörden, die historisch unterschiedlichste IT-Systeme im Einsatz haben, könnte Arbeitseinsparungen bei allen Beteiligten bringen. Welche Schritte sind hier vorgesehen und wann kann man mit ersten Ergebnissen rechnen?

Für den verbesserten Datenaustausch stellt die Digitalisierungssektion mit ihrer Once Only Plattform den Digital Austria Data Exchange (dadeX) bereit. Dieses System sorgt als Datendrehscheibe dafür, dass bereits in der Verwaltung vorhandene Daten wiederverwendet werden können. Der dadeX ist seit Mitte 2020 im produktiven Einsatz und entlastet mit seinen bereits angebundenen Registern eine ganze Reihe an Anwendungsfällen und Behördengängen. Bis Ende 2023 ist geplant, dass insgesamt 21 Register der Verwaltung über den dadeX verfügbar sind. Einige konkrete Use Cases, welche schon konkreten Nutzen und Entlastung stiften und so den Wirtschaftsstandort fördern, sind Folgende:

Vereinfachung der Gewerbeanmeldung –

Bei der Anmeldung eines Gewerbes mussten bislang manuelle Prüfschritte zur Unbescholtenheit durch manuelle Nachschau in diversen Registern erfolgen. Dieser Schritt wurde nun mit Hilfe des dadeX automatisiert, was eine enorme Arbeitsersparnis auf Behördenseite und eine Verkürzung der Durchlaufzeit des Gesamtprozesses bedeutet. Familienlastenausgleichsfonds – Hier entfällt für Familien mit schulpflichtigen Kindern, ebenfalls durch den Einsatz des dadeX, die Vorlage von Nachweisen für den Weiterbezug der

Fotocredit: BMF | Andy Welzelr
„Auf technologischen Fortschritt soll von staatlicher Seite nicht sogleich mit neuen Steuern reagiert werden.“
STAATSSEKRETÄR
FLORIAN TURSKY MSC. MBA

vorausgeschickt werden, dass das Steuerrecht nicht in einem Konkurrenzverhältnis zu innovativen Neuerungen im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Implementierung stehen sollte – auf technologischen Fortschritt soll von staatlicher Seite nicht sogleich mit neuen Steuern reagiert werden. Durch eine Maschinensteuer würden beispielsweise maschinenintensive Betriebe zusätzlich zum Faktor Arbeit belastet werden, was zu einem Wettbewerbsnachteil führen würde. Insbesondere innovative Wirtschaftszweige hätten dadurch international einen Nachteil, wodurch Innovation verhindert werden würde. Eine solche Maßnahme würde die langjährigen Bemühungen Österreichs, im Bereich Forschung und Entwicklung Spitzenreiter zu sein, konterkarieren. Gleichzeitig steht fest, dass die digitale Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft eine stete Evaluierung des geltenden Abgabensystems erfordert und gegebenenfalls mit neuen Konzepten tradierte Grundsätze in Frage zu stellen sind. Dies ist bereits vielfach geschehen bzw. findet derzeit statt.

Zum Beispiel?

Beispielsweise ermöglichen es digitale Geschäftsmodelle multinationalen Unternehmen ohne physischer Präsenz in einem Markt erhebliche Wertschöpfungseffekte zu erzielen. Eine

wirtschaftliche Tätigkeit dieser Art wird von der steuerrechtlichen Anknüpfung am „klassischen“ Betriebsstättenbegriff nicht ausreichend erfasst, wodurch große „Multis“ im Hinblick auf den Ort der Besteuerung fallweise auch unerwünschte Verschiebungen bzw. Gewinnoptimierungen betreiben konnten. Nun gelang mit der Einigung der EU-Mitgliedstaaten auf die Annahme des OECD-Konzepts „Pillar II“ betreffend die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung in Gestalt einer EURichtlinie ein wichtiger Durchbruch in diesem – sinnvoll nur auf internationaler Ebene zu adressierenden – Bereich.

Ein anderes Beispiel ist die vor allem im Zuge der COVID-19-Pandemie verbreitete Inanspruchnahme von Homeoffice, die – als Teil eines modernen und flexiblen Arbeitens – auch weiterhin in vielen Unternehmen praktiziert wird. Auch hier hat der Gesetzgeber neue steuerliche Homeoffice-Regelungen vorgesehen, um den geänderten Umständen gerecht werden zu können. Abschließend wird unterstrichen, dass mit Mitteln des Steuerrechts Forschung und Entwicklung vor allem gefördert werden sollen und Innovation und Kreativität nicht durch eine Fiskalpolitik „ausgebremst“ werden soll, gleichzeitig die digitale Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft aber eine stete Evaluierung des geltenden Abgabensystems erfordert.

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