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LITERARISCHE SEITEN

Schon gelesen?

Roman Ich bin nicht da

Lize Spit, S. Fischer, ISBN 978-3-10-397124-8, Gebunden, € 26

Eines Nachts kommt Simon wie ausgewechselt nach Hause, völlig überdreht, mit neuer Tätowierung, neuen Freunden, neuen Zukunftsplänen. Er schläft immer weniger und wird zunehmend paranoid. Eine manische Episode hat ihn, Leos große Liebe, fest im Griff. Als sie begreift, wozu Simon jetzt fähig ist, ist es vielleicht zu spät. Zu lange hat Leo alles für ihn aufs Spiel gesetzt. Nun bleiben ihr genau elf Minuten, um eine Tragödie zu verhindern, die nicht nur ihr Leben für immer verändern würde.

Erzählungen Nachmittage

Ferdinand von Schirach, Luchterhand, ISBN 978-3-630-87723-5, Gebunden, € 22

Ein Geniestreich. Punkt. Ferdinand von Schirach setzt wieder wohldosiert kein Wort zu viel ein. Es ist gerade die rechte Medizin für kurze Literaturinfusionen. Auch dieses Mal fließen in die Erzählungen autobiografische Szenen ein, vielleicht noch etwas mehr als sonst. Auch jetzt sind die Geschichten wieder spannend, traurig-schön, mal witzig, mal lakonisch und stets klug. Wie am Nachmittag für den Nachmittag geschrieben, kommen die Sätze ganz leicht daher und klingen angenehm schwer nach. Wundervoll.

Sachbuch Der Wert der Geschichte

Magnus Brechtken, Siedler, ISBN 978-38275-0130-1, Hardcover, € 20

Religion, das Bild der Frau, Politik, Nationalismus, Krieg und Wirtschaft – Magnus Brechtken, stellvertretender Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschichte, serviert hier die große Kelle für interessierte Zeitgenossen auf nur knapp 300 Seiten. Seine „Zehn Lektionen für die Gegenwart“ sind dabei komprimiert, klar, gut lesbar und erhellen tatsächlich viele der Phänomene und Entwicklungen, die gerade die Nachrichten dominieren.

Krimi Die Passage nach Maskat

Cay Rademacher, DuMont, ISBN 978-38321-8197-0, Hardcover, € 22

Spätsommer 1929. Der Ozeanliner „Champollion“ sticht aus Richtung Orient in See. Zu den illustren Passagieren gehören eine Tänzerin aus Berlin und ein mysteriöser römischer Anwalt, eine adelige englische Lady und ein nur scheinbar naiver amerikanischer Ingenieur, ein Schläger aus der Unterwelt – und Theodor Jung, traumatisierter Kriegsveteran und Fotoreporter der Berliner Illustrirten, der größten Zeitschrift Europas. Er soll eine Reportage über die Reise machen. Seine Frau Dora begleitet ihn. Als sie nach wenigen Tagen auf der Champollion spurlos verschwindet, wird die Reise für Theodor zum Albtraum –denn nicht nur die Familie Rosterg, auch die anderen Passagiere und Besatzungsmitglieder behaupten, Dora nie an Bord gesehen zu haben.

Die Topseller im Westen ...

Jeden Monat ermittelt der HAMBURGER KLÖNSCHNACk unter den hiesigen Buchhändlern die Top-Titel der Elbvororte.

BLANKENESE Kurt Heymann

„Ein Garten über der Elbe“, Marion Lagoda, C. Bertelsmann, € 22 WEDEL Kurt Heymann

„Zwischen heute und morgen“, Carmen Korn, Kindler, € 24 SCHENEFELD Kurt Heymann

„Nachmittage“, Ferdinand von Schirach, Luchterhand, € 22 BLANKENESE Kortes

„Jahre mit Martha“, Martin Kordic, S. Fischer Verlag, € 24 KLEIN-FLOTTBEK Thalia

„Über Menschen“, Juli Zeh, Luchterhand, € 22 OTHMARSCHEN Harder

„Eine Frage der Chemie“, Bonnie Garmus, Piper, € 22

Sachbuch Kugel ins Hirn

Klaus Scherer, Droemer Knaur, ISBN 978-3426-27891-8, Softcover, € 18

Das Internet ist voller Hass. Doch rechtsfrei ist dieser digitale Raum nicht. 2021 trat das Gesetz gegen Hasskriminalität im Internet in Kraft. Seitdem verfügen Justiz und Strafverfolger über Werkzeuge, um Hassredner zur Rechenschaft zu ziehen. Dank bester Zugänge begleitet NDR-Sonderreporter Klaus Scherer Fahnder, Verfassungsschützer und Ankläger im Einsatz. So führt diese fesselnde TrueCrime-Reportage sowohl in den Abgrund rechter Mobilmachung als auch darüber hinaus.

Für Sie entdeckt und gelesen ...

Roman Tage in Vitopia

Ulla Hahn, Penguin Random House, ISBN 978-3-328-

60268-2, Gebunden, € 24 Wendelin ist ein Eich hörnchen und lebt in seinem Habitat an der Alster mit seiner Liebsten. Ihre Nachbarn sind zwei gebildete Menschen, die den Eichhörnchen Literatur und Musik näherbringen. Wendelin fragt sich schon länger, warum die Menschen ihre Lebensgrundlage, den Planeten, zerstören. Und natürlich fragt sich Wendelin auch, warum die angebliche Krone der Schöpfung diese Macht über alle, auch ihn und alle anderen Lebewesen, ausübt. Hin und wieder stellt das Eichhörnchen die Errungenschaften der Menschen neben die der Eichhörnchen und kontert, dass der Homo Sapiens hier und da gewaltig hinter den Eichkätzchen hinterherhinkt. Wie Ulla Hahn dem Deutschlandfunk sagte, ermöglichte ihr die Erzählperspektive, „richtig vom Leder zu ziehen“. Und das tut sie zu allen schweren Themen unserer Zeit, wie dem Klimawandel, Krieg und Frieden, Gerechtigkeit, Inklusion, Rassismus und Gender-Skepsis. Dank eines Translators kann Wendelin bald mit den Menschen kommunizieren. Es beginnt ein Austausch zwischen Menschen und Tieren zu den zentralen Fragen des Hier und Jetzt. Zuweilen wirkt das alles etwas gewollt und überstrapaziert. Dennoch wird klar, warum Ulla Hahn zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen der Gegenwart zählt. Es ist ein hoffnungsvolles Buch, das nur umso trauriger wirkt, weil man hin und wieder über den Ton vergisst, dass es sich keineswegs um eine kindliche Geschichte handelt. MW