Klipp November/Dezember 2021

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HINTERGRUND

„Der Koloss“ von Graßnitzberg Nachbarn befürchten exklusive Zweitwohnsitze – ohne Nutzen für Gemeinde

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ein Steirer, der nicht um die Idylle und Orte im steirischen Weinland weiß. Dazu gehört auch die Gegend um Graßnitzberg, das zur slowenischen Grenze hin liegt. Und logischerweise nimmt die Begehrlichkeit der Menschen zu, sich in dieser Idylle eine „Bleibe“ zu schaffen, sozusagen einen Platz an der Sonne. Große Projekte, wie die Domäne Wolf, die des gebürtigen Münchner Investors Hans Kilger und andere beschäftigen die Menschen und Medien im Weinland. Ferien- und Zweitwohnsitze, wie auch in der Tourismusregion Schladming (siehe KLIPP-Ausgabe September), die heftige Konflikte auslösen.

Jene, die diese Idylle und damit auch ihre persönliche Ruhe bewahren wollen, wehren sich gegen Immobilieninvestoren, die daran verdienen möchten. Die größte Hürde dabei sollten der Bürgermeister und der örtliche Gemeinderat sein. Ihre stärkste Waffe: Die Bewahrung des Ortsbildes mit Hilfe der Raumplanung regeln. In Graßnitzberg scheint das nicht der Fall. Das malerische Ortsbild des Weinortes werde durch den „Koloss“ zerstört, so die Nachbarn und Kritiker. Darunter auch die Grünen in Straß. Es handelt sich um eine weitläufige Wohnanlage, exklusiv, mit acht großzügigen Wohneinheiten, drei Swimmingpools, einer Tiefgarage samt Nebengebäuden, Hausverwaltung und Weinkeller. Anfang Oktober genehmigte der Bürgermeister in einer Bauverhandlung

das Projekt – ohne Bedenken. Verursacher der Aufregung – oft ist das der Grund – ist ein Einheimischer, der ein geerbtes Grundstück „vergolden“ will. Natürlich zulässig, verständlich und frei nach dem Motto: „Wer am meisten bietet, der kriegt es.“ Nicht jedoch zur Freude der Anrainer. Bei der Bauverhandlung Anfang Oktober bestätigt der örtliche Sachverständige für die Raumplanung (und Ortsbildschutz), dass gegen das Projekt des Bauwerbers (die Pichler Wohnraum GmbH aus Gralla) nichts einzuwenden sei. Auch die anderen Gutachter (geotechnisch, lufttechnisch und schalltechnisch) sagen ja dazu. Selbst die Überschreitung der Bebauungsdichte ist kein Hindernis. Die betroffenen Nachbarn sehen das nicht so. Für sie passt der Bau-Koloss nicht ins Ortsbild. Um dieses zu schützen, dazu seien der Bürgermeister und die Gemeinde verpflichtet, so ihr Einwand. Ein von ihnen beauftragter Sachverständiger hält fest, dass dort, wo der Koloss auf einer Hügelkuppe am Graßnitzberg entstehen soll, sich eine lockere Einfamilienhaus- bzw. Bauernhofbebauung befindet. Es sind vorwiegend Häuser mit ausgebautem Dachgeschoss, die zum Leitbild der Baukultur im südsteirischen Weinland gehören. Die geplante exklusive Wohnanlage sei hingegen ein völliger Fremdkörper, mit Tiefgarage und einer Höhe von elf Metern, einem Weinkeller, einer eigenen Hausverwaltung für die acht Wohnein-

Eine Idylle, wie man sie im Weinland erwartet ...

heiten. Es deutet vieles auf eine Zweitwohnsitz-Ferienanlage hin. Und die Erbauer-Gruppe verneint das. Die Gegner: Welcher Bewohner von Graßnitzberg kann oder will sich die rund 400.000 Euro teuren Wohneinheiten als Hauptwohnsitz leisten? Daher gebe es auch keinen Nutzen für die Gemeinde, sagen sie. Nachbar Johann Schantl, übrigens ein Verwandter des Grundverkäufers („der Großvater würde sich im Grabe umdrehen“), beauftragte einen Ortsbild-Sachverständigen. Dieser in seinem Gutachten: Das geplante Bauvorhaben stehe im direkten Widerspruch zum Straßen-, Orts- und Landschaftsbild des Ortsteils Graßnitzberg. Die vermeintliche „Modernität“ des auf Stützen geplanten Baus erinnere eher an ein Flughafengebäude und stehe in völligem Gegensatz zur örtlichen Charakteristik. Der Wein-Ort Graßnitzberg gehört seit der Fusion zur Gemeinde Straß. Bürgermeister Reinhold Höflechner hat sein Büro jenseits der Mur „im Tal“. Er, auch Obmann des Naturparks Südsteiermark, ausweichend: Da der verantwortliche

Sachverständige für die Raumplanung der Gemeinde keine Bedenken gegen das Vorhaben habe, habe er als Bürgermeister gar keine Möglichkeit, es abzulehnen. Es spiele daher keine Rolle, was er persönlich vom Projekt halte. Der Grazer Rechtsanwalt und Hochschulprofessor Georg Eisenberger: „Ob etwas dem Ortsbild entspricht oder nicht, ist eine reine Sachverständigen-Frage. Es gibt kein Nachbarrecht auf ein bestimmtes Ortsbild.“ Nun geht es in die zweite Runde. Die Anrainer und Nachbarn erheben Einspruch beim Landesverwaltungsgerichtshof wegen der von ihnen aufgezeigten Fehler, Mängel in der Baugenehmigung. Sie bleiben dabei: „So wie gebaut werden soll, sieht es nach Zweitwohnsitzen aus. Auch die intensive Bodenversiegelung am Grundstück drückt das aus“, sagen sie. Es steht ein kostspieliger Rechtsweg bevor für die Anrainer. Das allein dokumentiert die Ernsthaftigkeit ihres Engagements. Die künftigen Erbauer tun sich leicht. Sie schlagen die Kosten dafür einfach auf die künftigen Wohnungseigentümer drauf.

Plan: Architekt Dipl-Ing. Johann Wahlhütter

Errichtung einer Wohnanlage mit 8 Wohneinheiten, einer Tiefgarage mit 16 PKW Abstellplätzen, 2 Besucherparkplätze im Freien, einer Mülleinhausung sowie Geländeveränderungen in Graßnitzbergstraße 97, 8472 Straß in Steiermark

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... soll durch exklusive Wohnanlage mit elf Meter Höhe, Weinkeller und Tiefgarage ersetzt werden.

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