HINTERGRUND
Weihbischof Franz Lackner ist ein Spätberufener
„Zu Gott is mir nix eingefallen“ Aus St. Anna am Aigen stammend, einer Gegend, die gerne auch als das „Steirische Betlehem“ bezeichnet wird, hat er nach dem Pflichtschulbesuch in Bad Radkersburg die Ausbildung zum Elektriker gemacht.
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ies war die Zeit, in der er, wie er sagt, „den Glauben verloren“ hat. Aber nicht, weil er sich gegen Gott entschieden hat, sondern weil dafür einfach keine Zeit übrig geblieben zu sein schien. Der Tag war arbeitsmäßig ausgefüllt, in so manchen Nächten waren die jungen Burschen unterwegs. Am Sonntagvormittag blieb dann auch für’s Kirchengehen keine Zeit, denn „schließlich mussten wir auch einmal ausschlafen“, schmunzelt der Weihbischof. „Wir sind fünf Kinder, und in einem sehr armen Umfeld aufgewachsen. Das zeigt sich mitunter darin, dass wir alle fünf in einem Zimmer geschlafen haben. Sonntags in der Früh kam die Mutter und sagte: Buam steht’s auf! Buam geht’s in’d’Kirch’n!‘ Wir haben uns bestenfalls umgedreht. Dann kam der Vater, aber auch er vermochte uns nicht aus dem Bett zu kriegen. Ich rechne es meinen Eltern sehr hoch an, dass sie auf uns keinen Druck ausgeübt haben.“ Weihbischof Lackner hat nicht nur unter der materiellen Armut sehr gelitten, sondern auch unter der Hilflosigkeit der Eltern dieser gegenüber. Auf dem kleinen Anwesen gab es zwei Kühe, diese waren das ganze Auskommen. Die Lackner’s lebten im typisch oststeirischen Kleinbauerngebiet nahe des Eisernen Vorhangs, wirtschaftlich gesehen ein Depressionsgebiet. „Mein Vater wäre heuer hundert Jahre alt geworden“, erzählt der Weihbischof. Leider hat er den Übergang von der klein strukturierten Bauernfamilie in die Arbeitswelt nicht geschafft. Er ist nicht auf den Bau gegangen, sondern Kleinkeuschler geblieben.“ Arm sein ist grundsätzlich nichts Schlechtes und auch keine Schande, aber im Kontext von Hilflosigkeit äußerst schwer ertragbar. Bereits als
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Weibischof Franz Lackner tritt mit 23 Jahren ins Priesterseminar in Horn ein. In seiner Jugend: „Da war kein Platz mehr für Gott.“
Bub hat sich der Steirische Weihbischof darüber viele Gedanken gemacht. „Wir waren in einem Zwiespalt: irgendwie erschien uns das Schicksal fast Gott-gegeben; so getrauten wir uns nicht alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Unsere Welt war zwar nicht gefühlsarm, jedoch im Ausdruck haben wir uns sehr schwer getan. Das Gesicht der Armut, das sich tief in mir eingegraben hat, war die Sprachlosigkeit. Später, als Franziskaner habe ich gerne das Armutsgelübde abgelegt. Armut hat dort einen religiösen Tiefensinn bekommen. Ich schämte mich nicht mehr, sagen zu müssen: Ich habe kein Geld, ich kann bei etwas nicht mittun, das Geld kostet.
So ist schon früh in meinem Leben das Fragen wachgeworden. Beharrlich stellte ich Fragen, oft blieben sie unbeantwortbar. Aus heutiger Sicht betrachtet habe ich, wie der Dichter Rainer Maria Rilke es sagt, zu lernen begonnen: Lebe die Frage‘.“ „Ich habe als Kind zuhause viel Gutes über Gott gehört und den Glauben in der Familie und Pfarre als etwas Lebensdienliches erfahren dürfen. Und trotzdem habe ich das Viele in den Jahren der Jugend „verloren“ und vergessen. Ja, ich habe Gott verloren‘. Auf diesen Mangel wurde ich als Jugendlicher – ich war so um die 18 Jahre alt – durch eine Frage auf offener Straße aufmerksam gemacht. Heute denke ich, es war ein Zeuge Jehova, der mich angesprochen und nach Gott gefragt hat. Dieser Mann fragte mich: „Was denkst du über Gott?“ Ich hätte gerne mit ihm diskutiert und wollte mich auch auf dieses Gespräch einlassen, aber mir fiel zu dieser Frage einfach nichts ein. Ich erinnere mich noch an meine Antwort; nach einigem Zögern musste ich eingestehen: Darüber kann ich dir nichts sagen. Da ist mir zum ersten Mal doch etwas bitter aufgestoßen und bewusst geworden, dass ich etwas, was ich zuvor als schön, als hilfreich und meinem Leben dienlich erlebt habe, verloren hatte.“ „In meinem Leben gibt’s große Brüche“, so Franz Lackner. So ging er zum Bundesheer und dort für die Uno nach Zypern. „Es gab genügend Zeit, um über das Leben und den Sinn des Seins nachzudenken. Auch Angst war bei diesem Einsatz dabei.“ In der Unterkunft las er oft aus der Bibel. Und da löste Matthäus 11, 28 die Weichenstellung für sei späteres Leben aus. „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich werde euch Ruhe verschaffen.“ Dieser Satz ließ ihn nicht mehr los. Ein Priester, den fragte, was er nun tun solle, meinte: „Eigentlich gar nichts. Gib‘ Gott in deinem Leben eine Chance.“ Und das tat der heutige Weihbischof mit seinem Gelübde zum Priester. „Und ich denke, die jungen Leute heute – ich unterrichte ja, eine gute Frage zu stellen, ist ja die halbe Antwort. Da heißt es ja in einem berühmten Dichterwort: Lebe die Frage. Und der Glaube – das ist ja auch die GeKLIPP Dezember 2011