Programmheft Oper

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Richard Strauss

Semperoper Dresden   D a p h n e Richard Strauss

Daphne

Semperoper Dresden


Du schlichst dich ein ­ i n m e i n e n Tra u m … Du banntest mich an diese­Stelle, in deine Arme … Du gabst mir Angst …

Was blendet so? War es die Sonne? Nein, es war nicht die Sonne … Es war der Blitz!

Daphne

Daphne


Richard Strauss

Daphne Bukolische Tragödie in einem Aufzug op. 82 Text von Joseph Gregor U r a u f f ü h r u n g 1938 Dresden

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C a m i l l a N y l u n d (Daphne)


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A u s d e m P r o g r a m m h e f t v o n 1 9 3 8 (Urauff端hrung)


Handlung

Daphne, die Tochter von Peneios, verweigert sich dem kultischen Fest des Vaters. Sie fühlt sich fremd und hat Angst, Angst vor dem Rausch und der Zerstörungswut der Menschen. Ihr Vater und die jungen Männer des Ortes bedrängen sie. Auch ihr Jugendfreund Leukippos bedrängt sie. Gaea versucht, ihre Tochter Daphne in die Konventionen des Festes zu zwingen. Ängstlich zieht sich Daphne zurück. Ihre Freundinnen verführen Leukippos dazu, sich Daphne durch Täuschung wieder anzunähern. Peneios verkündet seine Vision einer neuen Gesellschaft, die den Göttern gleichgestellt ist. Während fanatischer Beschwörungen erscheint ein Fremder. Es ist Apollo, der sich inkognito unter das Volk gemischt hat. Er gesteht vor sich selbst, ein Lügner zu sein. Daphne erscheint und verfällt ihm. Als er sie vereinnahmen will, erkennt sie seinen Betrug. Das Fest beginnt. In tiefer Verbundenheit zieht es Daphne zu Leukippos hin. Apollo deckt Leukippos’ Täuschung auf und tötet ihn, da dieser sich ihm widersetzt. Daphne fühlt sich schuldig am Mord an Leukippos und weist Apollo, der Tod und Zerstörung brachte, zurück. Im Glauben an die Unzerstörbarkeit der Menschheit geht Daphne in den Tod.

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C a m i l l a N y l u n d (Daphne), E n s e m b l e


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C a m i l l a N y l u n d (Daphne), E n s e m b l e


Lieber Richard, ich hoffe sehr, dass Dich dieser Brief bei vorzüglicher Gesundheit und inmitten eines großzügigen Inspirationsflusses erreicht. Danke für die schönen Sommergrüße! Auf Ihren, sorry, Deinen Brief freue ich mich sehr – die neue Oper klingt ja spannend! Verzeihung, ich kann mich noch immer nicht daran gewöhnen, Dich mit „Du“ anzureden, genauso wie ich noch meine Schwierigkeiten habe, einen Brief nicht mit dem Wort „Ich“ einzuleiten. Ja, das ist wohl eine Sache des Stils, wie das Duzen selbst, eine Formalität, die ich seit meiner Kindheit immer bewundert habe. Ich erinnere mich, wie meine Großmutter in Haifa auf dem Carmelberg mit ihrer Nachbarin (auch eine deutsche Frau, die sich im Zweiten Weltkrieg in Israel angesiedelt hatte) über dreißig Jahre per „Sie“ war, obwohl eine enge Freundschaft zwischen den beiden Damen gewachsen war; beide Witwen, die beide das Glück und Unglück des letzten Jahrhunderts erlebt hatten und teilten. Einmal fragte ich, wieso sie per „Sie“ mit der Nachbarin sei. Sie erklärte, wie besonders das „Du“ ist, wie mein Großvater es nicht für angemessen hielt, Frau Prof. Dr. Edelweiß zu duzen aus respektvoller Erinnerung an Herrn Prof. Dr. Edelweiß, der lange tot war. Meinen Großvater habe ich nicht gekannt, aber ich erbte seine Partituren, unter anderem auch Deinen „Rosenkavalier“, Deine „Ariadne“, „Salome“ und „Daphne“, die er noch aus Berlin nach Israel mitschleppte – sicherlich teure Akquisitionen in Zeiten, bevor Kalmus oder Dover Deine Werke den Studentenmassen zugänglich machten. Als ich nach Deutschland kam, mit einem Koffer voller Partituren und einem schnell abgeguckten Wortschatz, fand ich die Deutschen in einer „Du-Krise“. Das Land war zerrissen zwischen dem Bedürfnis, ein amerikanisches „Du“ mit jedem zu genießen, und auf der anderen Seite der Pflicht, das „Sie“ zu verwenden. Genau die gleiche Zerrissenheit gab es in der Musik: eine Sehnsucht nach Emotion und Tonalität einerseits und andererseits große Schuldgefühle,­wenn jemand nicht nüchtern und strukturell komponieren mochte. An dem Tag, an dem Du mir das „Du“ angeboten hast, saß ich am Klavier und begleitete eine junge Sopranistin. Sie sang zwei Deiner Lieder – „Morgen“ und „Frühlingsfeier“. Ich war sehr jung


und in meinem Blut brannte noch die gerade absolvierte Pubertät. „Salome“ empfand ich als die Offenbarung und musikalische Verkörperung aller Leidenschaft und Erotik. Die Sopranistin, frisch aus der Hochschule, hieß Gisela. Sie hatte eine reine Stimme mit einem silbernen Timbre. Sie trug eine keusche Miene, leichte braune Haare, unter denen ihre blauen Augen mit großer Neugier und Entschlossenheit leuchteten. Nach langer Mühe hatten wir die „Frühlingsfeier“ einstudiert, und wir freuten uns beide darauf, Dir das Ergebnis in Garmisch zu präsentieren. Ich war zufrieden. Nicht nur, dass Gisela unter Deiner Ausstrahlung aufblühte, ich traf auch ziemlich viele von den Klaviertönen, und meine Hände zitterten weniger als sonst. Nach dieser schweren technischen Hürde konnte ich mich mit offener Seele Deinem „Morgen“ widmen. Nie zuvor hatte es so gut geklappt, nie war ich so nah daran gewesen, die tiefsinnige Traurigkeit mit meinen Fingern anzutasten. Es herrschte eine lange Stille in Deinem holzbedeckten Saal in Garmisch. Du erhobst Dich hinter Deinem schweren Schreibtisch – vorher hatte ich vergeblich darauf geschielt, um zu sehen, was Du gerade schreibst ... Neben dem Notenblatt mit der dicht geschriebenen Notenschrift sah ich den Abdruck Deines Ellenbogens auf dem Leder – in Deinem Mund hattest Du noch einen kalten Zigarrenstumpf­ und Du schienst etwas verlegen. Dann gratuliertest Du Gisela, hast sie gelobt und gesagt, wie Du Dich freust, dass eine neue Generation von jungen deutschen Sängerinnen kommt, die Deine Musik weiter bringen wird. Ein paar Vorschläge zur Diktion und Phrasierung hast Du auch gemacht. Dann wandtest Du Dich zu mir und murmeltest ein paar höfliche Floskeln über meinen Vortrag der „Frühlingsfeier“. Ich schaute in Deine weisen Augen und plötzlich­begriff ich mit Schrecken, dass Du gar nicht einverstanden warst mit meinem Klavierspiel; und nicht nur das, Du zaudertest mit Deinen Worten, um mich nicht zu verletzen. Ich dachte: Ich bin im Beisein eines der größten Komponisten aller Zeiten, und ich habe diesen Mann mit meiner Präsenz irritiert. „Wie heißen Sie noch mal?“, sagtest Du nach einer Weile. „Eytan.“ „Interessanter Name. Woher kommen Sie?“ „Israel.“ „Ist das wahr? Wie interessant. Welche Stadt?“ „Haifa.“


„Hab’ davon gehört. Soll ganz schön sein, an der Nordküste, nicht wahr?“ „Ja. Es liegt sehr schön ...“ „Ein guter Bekannter von mir wohnte dort. Ist Ihnen Herr Prof. Dr. Edelweiß ein Begriff?“ „Erstaunlich, ja, doch. Er war der Nachbar meiner Großmutter.“ „Er war ein großer Mann, Edelweiß, ja. Klein ist die Welt, nicht wahr? Edelweiß hat Dresden im Oktober 1938 verlassen, einen Tag nach der Premiere von „Daphne“ an der Semperoper. Nach seiner Ankunft in Israel schickte er mir einen Brief mit seiner Kritik – er mochte die Musik sehr, aber fand „Daphne“ zu oratorienhaft – und einen Lorbeerzweig aus seiner Gartenhecke in Haifa. Der Brief erreichte mich leider erst nach dem Krieg und nachdem er schon verstorben war ...“ „Die Hecke kenne ich. Meine Großmutter hat davon immer etwas abgepflückt für den Sabbatbraten.“ Mit zwei Schritten gingst Du zum Bücherregal und öffnetest die Partitur von „Daphne“. „Hier.“ – Damit zeigtest Du uns ein getrocknetes Lorbeerblatt, das sich zwischen den Seiten versteckte. – „Die letzte Seite von ‚Daphne‘, gerade als sie zum Baum verwandelt wird.“ „Verwandlung ...“, sagte ich, „kann man nicht sagen, dass sie sich wie ein Faden durch Ihr Œuvre webt?“ „Absolut. Die Verwandlung eines Tons in einen anderen ist für mich der größte Zauber der Musik. In jedem meiner Stücke spielt Verwandlung die Hauptrolle.“ „Herr Strauss ... Ich habe nicht gut gespielt, oder? Ich merke, dass Sie nicht zufrieden sind.“ Du stöhntest vor Dich hin und setztest Dich in den Ledersessel, der schräg gegenüber des Klavieres stand. Du stöhntest leise und atmetest etwas Luft ein. Dann, zu meiner großen Überraschung, nahmst Du meine rechte Hand und drücktest sie fest. „Von heute an bin ich Richard.“ „R-Richard?“ „Du hast gut gespielt. „Frühlingsfeier“, vorzüglich. Aber leider „Morgen“ ... Weißt Du – meine Musik verträgt es nicht, verdoppelt zu werden. Ich gieße all meine Leidenschaft hinein. Wenn Du es genauso leidenschaftlich spielst, befinden wir uns in Konkurrenz.“ „Konkurrenz? Aber ich versuche nur, die vorhandenen Gefühle zu intensivieren und hervorzuheben.“


„Genau das ist das Problem. Meine Musik ist nur stark, wenn Du, der Interpret, eine gesunde Höflichkeit und Distanz ihr gegenüber bewahrst. Du kennst bestimmt Paare, bei denen die Frau permanent wiederholt, was der Mann gerade gesagt hat, als Verstärkung, und man wird irritiert von der papageienhaften Überbetonung. Und so hört man meine Musik zwei Mal: Einmal die Töne, die ich geschrieben habe und dann verdoppelt mit einer übertriebenen Interpreta­ tion. Du darfst nah an meine Musik kommen, aber das Geheimnis meiner Musik ist – egal wie viele wilde Töne ich schrieb, egal wie leidenschaftlich die Stimmung – Du darfst sie nie duzen. Meine Musik duldet nur das Siezen.“ Dann lachtest Du. „Und außerdem muss ich gestehen, ich schreibe viel zu viele Noten und viel zu viel Dynamik. Etwas weniger beim Interpreten kann ich immer gut gebrauchen. Genau wie diese Orchideen­– auch sie, tropisch wie sie sind, dulden kein Übergießen.“ Dann zeigtest Du zum Fensterbrett, wo ein Topf Meissner Porzellan eine prachtvolle Orchidee beherbergte. Damals verstand ich Deine Wörter nicht ganz, aber fühlte mich geehrt und war so verlegen, dass ich viele wesentliche Fragen nicht gefragt habe, auch nicht, wie Du dazu kamst, das tiefe „Es“ für Gaea zu schreiben, und ob Daphne wirklich als einzige Hauptrolle­in deinen Opern nicht erotisch motiviert ist ... Warum jetzt dieser ganze nostalgische Brief? Weil ich Dich eigentlich zu unserer allerersten Premiere in die Semperoper einladen möchte. Ich bin gerade nach Dresden – Deine Lieblingsopernstadt! – gezogen, und dachte, wie schön ist es, dass die neue Spielzeit mit Deiner „Daphne“ anfängt. Wir werden sie immer noch ganz allein spielen; trotz Deines ursprünglichen Planes, sie mit einem Ballett zu kombinieren, hat sich „Daphne“ doch im Alleingang durchgesetzt. Du schriebst mir neulich, Du seiest sehr beschäftigt mit Deiner neuen Grillparzer-Oper, aber falls Du Dich trotzdem losreißen kannst und eine Reise nach Dresden unternehmen möchtest, werde ich Dir gerne Deine alte Suite im Bellevue reservieren. Herzliche Grüße, Dein Eytan Dresden, September 2010


Daphne, Laurus, Lorbeer Auf dem Weg vom griechischen Tempe-Tal bis nach Dresden

Daphne, Laurus, Lorbeer – schreibt die deutsche Gourmetkritikerin Dr. Ursula Winnington in ihrer »Köchelei fürs Paradies« – ist seit dreitausend oder mehr Jahren ein »großes Küchengewürz«, mehr noch, »Daphne auf unseren Lippen garantiert uns eine Göttermahlzeit«. Wie nah sind sich hier doch Gastronomie und Mythologie: Apollo, ein Gourmet, der reihenweise Mädchen und Knaben vernaschte, will die Nymphe Daphne als Götterspeise. Daphne aber will nicht, sie flieht vor dem sie bedrängenden Gott und fleht erschöpft zu ihrem Vater Peneios, dass er ihre, den Apollo reizende Gestalt wandeln möge. Daraufhin erstarren ihre Glieder und sie verwandelt sich in einen immergrünen Lorbeerbaum. Welch Glück für die morgen- und abendländische Küche. Und welch Glück für die 400-jährige Geschichte der Oper, die sich in ihren Anfängen am Mythos der Daphne entzündete und die Figur in unterschiedlicher Gestalt vom griechischen Tempe-Tal über Florenz bis nach Dresden führte. Doch der Reihe nach. Am Anfang war Apollo, Sohn des Zeus. Er ist ein Allround-Talent unter den griechischen Göttern. Der erfolglos umworbenen Daphne stellt er sich in Ovids »Metamorphosen« folgendermaßen vor: »Durch mich wird Zukünftiges, Vergangenes und Gegenwärtiges offenbar, durch mich tönt harmonisch das Lied zu den Klängen der Saiten. Sicher trifft mein Pfeil … Meine Erfindung ist die Heilkunst, überall auf der Welt heiße ich Helfer, und auch die Kraft der Kräuter ist mir Untertan.« Apollo ist also der Gott der Weissagung. Er ist aber auch der Gott mit dem Bogen, der den Drachen Python erlegt, der seine Pfeile gegen die Giganten, die Kyklopen, die Söhne der Niobe, die Griechen vor Troja entsendet und selbst den gewaltigen Achilleus nicht verschont. Doch er, der Tod und Verderben bringt, kann zugleich heilen. Die Musik ist seine vierte Domäne, zudem versteht er sich auf den Mauerbau, dient als Hirt, hat Macht über Wölfe und Mäuse und wird als Phoibos, der Strahlende, mit dem Sonnengott gleichgesetzt. Aus Apollo haben die Römer und danach die gesamte abendländische Fantasie einen strahlenden Gott gemacht. In Wahrheit jedoch ist er ein Neurotiker, ein unglücklich Liebender, dem es zwar meist gelingt, sein Begehren zu befriedigen, aber wirkliche Liebe, nach der er sich sehnt, erfährt er nie. Eifersucht, schlechtes Gewissen, Seelenqualen, Rachsucht und Selbstvergessenheit leiten ihn; so auch in der Begegnung mit Daphne und Leukippos. So bekannt die Sage von Apollos Liebe zu Daphne auch ist, Details weichen immer wieder voneinander ab: Mal ist Daphne die Tochter des Heros Amyklas, des Ladon oder des durch das Tempe-Tal strömenden Flussgottes Peneios. Ihr Hilferuf vor der


Verfolgung Apollos ergeht an Zeus, an Peneios oder an die Urmutter Gaea. Ovid schildert den Ursprung der Episode in seinen »Metamorphosen« als Streit zwischen Apollo und dem Liebesgott Eros: Eros, von Apollo wegen seiner kleinen Pfeile verhöhnt, schießt zwei Pfeile ab, einen scharfen goldenen auf Apollo und einen stumpfen bleiernen auf Daphne. Während Apollo in Liebe zu Daphne entbrennt, fürchtet sie sich in der Folge vor jedem Mann. Ein Jahrhundert nach Ovid brachte Plutarch in seiner Version den ebenfalls in Daphne verliebten Leukippos mit ins Spiel. Leukippos ist ein naiver, ehrlicher Mann, er tritt vor Daphne hin, öffnet sein Herz. Daphne aber weist auch ihn zurück. Da gibt Leukippos seine Ehrlichkeit auf, verkleidet sich als Frau, schminkt sein Gesicht und mischt sich unter die Freundinnen der Angebeteten. Doch mit einem Gott als Nebenbuhler ist nicht zu spaßen: Bei einem Bad im Ladon wird Leukippos demaskiert und getötet. An diese Episode schließt sich Daphnes Flucht und Verwandlung an. Der Lorbeer war Apollo seither heilig. Er schmückte sich selbst mit den immergrünen Blättern und beschloss, die Besten damit zu kränzen. – Aus der naturverbundenen Sagengestalt war der symbolische Lohn der Sieger geworden. Damit noch nicht genug. Daphne wurde auch zu einem beliebten Sujet der Künste. Man besang sie im Lied, stellte sie in der Pantomime als Fliehende dar sowie im Gemälde und in der Skulptur im Moment der Verwandlung. Schließlich fand sie vor 400 Jahren auch ihren Weg auf die Opernbühne, mehr noch, sie wurde zum Ursprung dieser damals völlig neuen Kunstgattung. Ein Vorläufer der Oper war die Pastorale, die das arkadische Milieu der Hirten und Nymphen mit den mythologischen Stoffen um Daphne und Apollo verknüpfte. Hinzu kamen die musikdramatischen Debatten und Experimente einiger Intellektueller, Musiker und Musikliebhaber in Florenz. Sie trafen sich unter dem Namen der »camerata fiorentina« im Haus des Grafen Bardi, beschäftigten sich mit der antiken Kultur und hatten zum Ziel, das antike Drama inklusive seiner engen Bindung zur Musik wieder aufleben zu lassen. Ganz nach dem Motto: Eine Neugeburt der Antike mit den Mitteln der Renaissance. Und so wurde im Karneval des Jahres 1598 im Haus des Florentiners Jacopo Corsi etwas aufgeführt, was zwar mit der antiken Tragödie, wie sich später herausstellte, nur wenig zu tun hatte, dafür aber als erste Opernvorstellung der Welt in die Geschichte einging. Der Untertitel des Produktes lautete »dramma per musica«, der eigentliche Werktitel »Dafne«. Ist auch die Musik des Komponisten Jacopo Peri verloren, so ist glücklicherweise das Textbuch von Ottavio Rinuccini nicht nur

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erhalten geblieben, sondern oftmals auch als Basis für weitere Opern herangezogen worden. Bald erschien dieser Stoff, der in Italien zu neuem Leben erblühte, auch auf deutschem Boden. Der schlesische Dichter Martin Opitz erstellte eine deutsche Übersetzung, zu der der Dresdner Kapellmeister Heinrich Schütz die Musik komponierte. Die Uraufführung dieser Fassung im Jahre 1627 auf Schloss Hartenfels bei Torgau war wohl die Geburtsstunde des deutschsprachigen Musiktheaters. Über 300 Jahre später gab sich auch Richard Strauss seinen Vorstellungen von Antike hin und schuf gemeinsam mit dem Wiener Theaterhistoriker Joseph Gregor »Daphne«, eine Bukolische Tragödie. Für Strauss muss der Gedanke, eine Oper zum ursprünglichen Opernstoff zu gestalten, reizvoll gewesen sein. Dennoch liegt die eigentliche Inspirationsquelle anderswo, Gregor ließ sich von einer Daphne-Apollo-Lithographie des französischen Romantikers Théodore Chassériau inspirieren. Nach vielen Diskussionen, einem regen und nicht immer schonenden Briefwechsel und drei verschiedenen Librettofassungen war es am 15. Oktober 1938 endlich so weit: Unter der musikalischen Leitung von Karl Böhm erklang »Daphne« als insgesamt neunte und zugleich letzte StraussUraufführung an der Sächsischen Staatsoper in Dresden. Nora Schmid


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Theaterzettel vom 15. Oktober 1938


»Sie sehen ja, wie ich es meine …« Aus dem Briefwechsel von Stefan Zweig, Joseph Gregor und Richard Strauss

Leider ist mir die freie und natürliche Form untersagt, Ihnen meine bescheidene Hilfe und meine volle Arbeitskraft dafür offen zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, Sie kennen und schätzen hier Joseph Gregor. Er ist für mein Empfinden der größte Kenner des Theaters. An dramaturgischer Kennerschaft ist ihm kaum jemand überlegen (Sie kennen ja seine »Geschichte des Theaters«). Nun ist Joseph Gregor einer meiner nächsten Freunde und ich könnte mit ihm Plan und Ausführung von Szene zu Szene auf das genaueste besprechen und würde mich selbstverständlichen niemals rühmen, ihn, einen alten und vertrauten Freund, bei seiner Arbeit beraten zu haben. Er ist auch als Person nach den strengsten Auslegungen der Zeit unanfechtbar, und ich glaube, daß in dieser Form er Ihnen der beste Mitarbeiter sein könnte und Sie zugleich wüßten, daß ich, an Sie durch Verehrung, an ihn durch Freundschaft verbunden, wirklich hingebungsvoll an seiner Arbeit teilnehmen könnte. Stefan Zweig an Richard Strauss, 26. April 1935 Mein Freund Dr. Zweig überbrachte mir die wahrhaft beglückende Nachricht, daß ich Hoffnung haben kann, für Sie zu arbeiten. Welche Gefühle mich bei diesem Augenblicke beherrschten, muß ich Ihnen nicht sagen, der meiner Verehrung so gewiß ist, einer Verbindung der Gedanken vom Meister zum Adepten, die niemand anderer als Hofmannsthal­geschlagen. Zweig machte mich also mit den verschiedenen in der Debatte stehenden Themen bekannt. Joseph Gregor an Richard Strauss, 3. Mai 1935 Du mußt Dir gewahr werden, daß zehn Verszeilen, die im Theater gesprochen etwa zwei Minuten dauern, in der Musik zumindest zehn Minuten erfordern. Vergiß nie, daß Götter im realen Theater und schon gar in der Oper doch nur geschminkte Schauspieler sind und nie zu jenen elementaren Erscheinungen werden, wie Du sie Dir dichterisch träumst – dichterisch allzu dichterisch für einen Operntext. Hier heißt es, und auch Hofmannsthal hat dies erfahren, sich etwas beugen unter das Joch der Realität. Stefan Zweig an Joseph Gregor, 15. Mai 1935


Daphne halte ich für einen absoluten Glücksfall. Ehe ich mehr kannte als den Titel, war mein Instinkt stark dagegen. Ich hielt alles Mythologische für zu abstrakt in unserer unbelehrten Welt und fürchtete einen Text, ähnlich den altitalienischen Opern. Aber was Du da gemacht hast, ist wahrhaftig moderne Musik, da ist alles darin, die richtige Verteilung der Stimmen, Kunst und Natur, scharf akzentuiert die Charaktere (von denen besonders der leicht humoristisch gefärbte und in seiner Biederkeit rührende Penejos etwas ganz Neues darstellt), da ist Landschaft und der Aufruhr der Elemente, Tanz und Pantomime, die obere göttliche und die untere irdische Welt. Und wie herrlich die Möglichkeiten für den Meister! Die stampfenden Pferde, die Marschmusik, die Reigen und schließlich die verklärende Atmosphäre des Wunders, das ist wirklich für die besonders koloristische Art seiner Kunst gedacht und auch rein räumlich richtig ausgewogen, ein Einakter, aber abendfüllend, gleich lang oder vielleicht etwas länger als Elektra. Ich würde mich wundern, wenn er mit seinem erstaunlichen dramatischen Kunstverständnis nicht davon entzückt wäre, zumal es ja auch dichterisch vollkommen gelungen ist, jedes Wort schwingend und auch musikalisch anregend. Stefan Zweig an Joseph Gregor, 3. September 1935 Meine flüchtigen, durchaus nicht endgültigen und absolut maßgeblichen Correkturen sollen Ihnen nur andeuten, was ich noch verbessert haben möchte: Mehr Gleichmaß im Versbau, möglichstes Vermeiden weiblicher Endsilben, Vermeidung der kleinen, meist überflüssigen Füllwörter, Verwendung von Nebensätzen, die mit indem und während etc. beginnen – Sie sehen ja, wie ich es meine – ich deklamiere mir Alles, wie es am besten zu componieren wäre. Halten Sie sich aber bitte nicht streng an meine Textierung! Verbessern Sie selbst nach dem von mir angedeuteten Schema! Richard Strauss an Joseph Gregor, 13. Januar 1936

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Briefe und die angeblich gestrichene Daphne heute erhalten! Aber mein Lieber – da fehlt es noch weit zu einem brauchbaren Operntext – das ist Alles noch um die Hälfte zu lang. Bedenken Sie: Elsas Traum, eine 3 Seiten des Klavierauszuges lange Arie = 12 Zeilen! des Königs Gebet = 12 Zeilen etc. Sie selbst berauschen sich immer noch zu viel an Ihren eigenen Versen, von denen in der Oper das Publikum kaum den fünften Teil versteht und sich sofort gelangweilt abwendet, wenn es in Musik getauchte »Gedanken« fressen soll, statt schöne Cantilenen zu hören, denen gerade nur das Notwendigste an Text unterlegt ist, was unmittelbar zur Handlung gehört. Streichen Sie also außerdem­noch, was irgend geht. Brauche ich dann beim Componieren wirklich etwas mehr Text, nehme ich ihn mir aus dem jetzigen Exemplar! Richard Strauss an Joseph Gregor, 4. März 1936 Über die sehr heikle Figur des Leukippos in Mädchenkleidern – an sich schon sehr peinlich – haben wir viel nachgedacht. Die Verkleidung darf nur eine ganz nebensächliche­, vorübergehende Rolle spielen, schon deßwegen, weil der allwissende Gott dieselbe sofort durchschauen muß. Richard Strauss an Joseph Gregor, 9. März 1936 Ein Gespräch mit Clemens Krauss hatte ergeben, daß der als Mädchen verkleidete Leukippos nicht geändert werden darf. Die Verwandlung in die Dionysosmaske ist zwar vielleicht theatralisch wirksamer, aber Apollo als Gott müßte ihn doch sofort erkennen. Natürlich darf Leukippos als Mädchen kein Wort sprechen, da ihn dann doch alle, nicht zuletzt Daphne augenblicklich erraten würden. Richard Strauss an Joseph Gregor, 1. April 1936


Es ist ein völliges Nacheinander, keine Spur von irgendeiner Schürzung des dramatischen Knotens, es fehlt vollständig eine große Auseinandersetzung zwischen Apollo, Leukippos und Daphne, in der Daphne ihre jungfräuliche Stellung beiden gegenüber ausdrücklich darlegt: Verehrung für den Gott, den sie ahnt, schwesterliche Liebe zum Freunde ihrer Jugend. Dies müßte eine Kleistsche Scene werden, dunkel und geheimniß-schwül. Nichts darf hinter der Scene geschehn, auch nicht der Mord des Leukippos – die Katastrophe viel elementarer. Richard Strauss an Joseph Gregor, 25. September 1935 Apollo vergeht sich gegen seine Gottheit, indem er mit dionysischen Gefühlen sich Daphne naht, die diese Untreue im Kuss fühlt und den unreinen Gott als reines Instinktund Naturwesen ablehnt, wenn sie in schwankendem Gefühle ihn zwar ahnt, aber doch nicht voll erkennen kann. Apollo muß also nach diesem Abenteuer, bevor er wieder in seinen Sonnenwagen zurückkehrt, auch in sich eine Läuterung vollziehn, die darin ihren dramatischen Gipfel hat, daß er in Leukippos das dionysische Element in sich selbst tötet. Das Symbol für die eigene Läuterung wäre die Erlösung der Daphne durch Verwandlung in den Lorbeer! Richard Strauss an Joseph Gregor, 9. März 1936 Wir sind übereingekommen, daß nach Apollos Abgesang außer Daphne kein menschliches Wesen mehr auf der Bühne erscheinen darf, kein Peneios, keine Solostimmen – kein Chor – kurz kein Oratorium: alles wäre eine Abschwächung. Bei den letzten Gesängen Apollos erhebt sich Daphne, ihn staunend anblickend, langsam von Leukippos Leiche und als Apollo abgegangen ist, will sie ihm folgen, bleibt aber nach wenigen Schritten plötzlich wie angewurzelt stehen und nun vollzieht sich – im Mondlicht, aber vollkommen sichtbar, an ihr langsam das Wunder der Verwandlung nur mit Orchester allein! Höchstens daß Daphne während der Verwandlung noch einige Worte spricht, die dann in Stammeln übergehen und wortlose Melodie! Vielleicht auch nicht! Allenfalls ganz am Schluß: wenn der Baum vollendet steht, daß sie ohne Worte – nur Naturlaut noch 8 Takte das Lorbeermotiv singt! Richard Strauss an Joseph Gregor, 12. Mai 1937

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Probengespr채ch des Inszenierungsteams mit Richard Strauss, Oktober 1938


»Ein einziges Musikwunder« Richard Strauss’ »Daphne«

»Unsere Staatsoper erlebte am Sonnabend einen der seltensten Tage ihrer Geschichte. Superlative reichen nicht aus, das Ereignis zu kennzeichnen«, schrieb der »Dresdner Anzeiger« am 17. Oktober 1938 nach der Uraufführung von Richard Strauss’ Oper »Daphne«. Den Zeitungen ist weiterhin zu entnehmen, dass Strauss-Fans aus allen Himmelsrichtungen zu diesem Ereignis des »musikalischen Olympiers« angereist waren: Ein Sprachenpotpourri aus Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch, Schwedisch und vielem mehr hallte durchs Rundfoyer. Zudem scharten sich Rundfunkhörer in ganz Europa zuhause um ihre Empfangsgeräte, um gespannt die Übertragung aus der Semperoper zu verfolgen. Der gefeierten Uraufführung ging jedoch ein diskussionsreicher und keineswegs konfliktfreier Entstehungsprozess voraus. Als sich Strauss im Sommer 1935 erstmals mit der neuen Oper auseinandersetzte, war er 71 Jahre alt. Seine Erfolge mit »Salome«, »Elektra«, »Rosenkavalier«, »Ariadne auf Naxos« und »Arabella« lagen bereits hinter ihm. Strauss war auf der Suche nach einem kongenialen Textdichter, denn die kulturpolitische Stimmung, mit der das Nazi-Regime die Einführung der »Nürnberger Rassengesetze« für September 1935 vorbereitete, erlaubte nicht länger eine Zusammenarbeit mit Stefan Zweig. Bereits bei der Uraufführung ihrer gemeinsamen Oper »Die schweigsame Frau« im Juni 1935 in Dresden war es zum öffentlichen Eklat gekommen. Strauss hatte auf der Nennung Zweigs auf dem Besetzungszettel insistiert. Hitler und Goebbels sagten daraufhin ihr Kommen ab. Und Strauss trat als Präsident der Reichsmusikkammer zurück. Stefan Zweig, der Strauss weiterhin seine anonyme Mitarbeit zusicherte, empfahl dem Komponisten den Wiener Theaterhistoriker Joseph Gregor als »Ersatzlibrettisten«. Die Zusammenarbeit zwischen Komponist und Librettist gestaltete sich jedoch äußerst schwierig. Unter den vier gemeinsamen Werken von Strauss und Gregor ist »Daphne« das einzige Libretto, das einzig auf Gregors Entwürfen basiert. »Friedenstag« und »Capriccio« gehen auf Entwürfe Zweigs zurück, »Die Liebe der Danae« fußt auf einem Entwurf von Hugo von Hofmannsthal. Noch bis September 1935 arbeitete Zweig entscheidend bei der dramaturgischen Konzeption der »Daphne« mit, danach wurden Veränderungen allerdings allein zwischen Gregor und Strauss diskutiert. Die ursprüngliche Konzeption einer Doppeluraufführung der beiden Opern »Friedenstag« und »Daphne« platzte aufgrund zeitlicher Verzögerungen, die durch die umfangreiche Umarbeitung des »Daphne«-Librettos entstand. Strauss gab sich erst mit der dritten

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Textfassung zufrieden, zuvor bemängelte er, dass »alles geschrieben und nicht auf der Bühne gesehen sei«. Mehr noch, Gregor musste sich von Strauss beschimpfen lassen, er schreibe einen »schlecht imitierten Homer-Jargon« und »Weltanschauungsbanalitäten«, wogegen Gregor sich zu Wehr setzte, aber Strauss erwiderte: »Auch die Säge des Chirurgen schmerzt, wenn sie ohne Narkose arbeitet …« Gregor zeigte sich freilich für weitere Änderungen bereit, konnte aber in der Zusammenarbeit nie die Gelassenheit finden, die Zweig ihm empfohlen hatte: »Von Richard Strauss erwarte nichts, dann kommt man am besten mit ihm aus.« Ist Strauss der Komponist, dem kein Libretto genügte? Im Falle der »Daphne« jedenfalls kam er da an, wo er vielleicht hingehört: bei nichts als Musik. In einem dichten und beziehungsreichen Motivgeflecht offenbaren sich in dieser Musik Tiefen, die man im Text ab und an vermisst. Lyrische Gesangslinien, durchbrochen von dramatischen Akzenten, wechseln mit symphonischen Passagen in äußerst kunstvoller, farbenreicher Instrumentation. Die im Libretto beschriebene Natur wird mit tonmalerischen Mitteln dargestellt. So hört man beispielsweise bei Daphnes Verwandlung am Schluss der Oper den Wind durch Glissandi in den Harfen und den ersten Violinen durch die Blätter streichen (»Wind … spiele mit mir!«), bevor Flöten bei »Selige Vögel, wohnet in mir …« den Vogelsgesang imitieren. Auch an kolorierenden Elementen mangelt es nicht, so etwa dröhnen die Hufe im Orchester bei Apollos Worten »mit stampfenden Hufen die Steine zerspellend«. Doch Strauss’ Musik ist nicht bloß eine tonmalerische Umsetzung des Bühnengeschehens. Der Einsatz der Leitmotive ist komplex, oft sind sie mit mehreren Assoziationen belegt und zeigen so die inneren Gegensätze und Brüche der Figuren auf. Was die Stimmen anbelangt, so hatte Strauss erwogen, den Leukippos mit einer Frauenstimme zu besetzen. Schließlich vertonte er aber Apollo und Leukippos als Tenorpartien, die sich durch ihren Charakter stark unterscheiden: Apollo – Heldentenor, Leukippos – lyrischer Tenor. Strauss differenzierte die Rollen weiterhin durch die Orchesterbesetzung: Leukippos ist die Flöte als solistisches Attribut zugeordnet, Holzbläser und Streicher dominieren seine Szenen. Als Kontrast dazu ist Apollos Auftreten hingegen meistens mit der Tuttibesetzung gekoppelt. Die Motive der Götter in der Oper – Apollo, Dionysos, Zeus sowie Peneios’ Visionen – sind, ob sie nun tatsächlich in Erscheinung treten oder nur erwähnt werden, durch Dreiklangsmelodik, einen blockartigen akkordischen Satz und die Blechbläser als Klangfarbe gekennzeichnet.


Durch verschiedene Leitmotive wird auch zwischen Apollo, dem Gott, und Apollo, der Sonne, differenziert. Dies ist insbesondere in Bezug auf Daphnes Liebe zur Sonne und ihre Ablehnung der Liebe Apollos von Bedeutung. Interessanterweise erklingt für die Gewalt, die Daphne in den Verführungen angetan wird, und ihre spätere Verwandlung ein und dasselbe Motiv. Hier untergräbt der orchestrale Schluss der Oper die im Libretto angelegte Idylle. Strauss stellt Daphnes Verwandlung in einem dichten kontrapunktischen Orchestergewebe dar, dessen Motivgeflecht die auf der Szene zu sehende Verwandlung nicht realistisch koloriert, sondern vielmehr die Idee der Verwandlung selbst musikalisiert. In gespannter Erwartung einer szenischen und musikalischen Umsetzung notierte der Komponist an dieser Stelle an den Rand des Librettos: »Szenenkünstler und Beleuchter müssen sich hier aber gehörig anstrengen.« Bei der Uraufführung am 15. Oktober 1938 ist dies wohl auch gelungen: Am Pult der Sächsischen Staatskapelle stand Karl Böhm. Ihm hatte Richard Strauss die Oper »Daphne« gewidmet. Margarete Teschemacher war Daphne, Martin Kremer Leukippos, Torsten Ralf Apollo, Helene Jung Gaea und Sven Nilsson Peneios. Max Hofmüller setzte die Bukolische Tragödie in Szene, Adolf Mahnke entwarf das Bühnenbild und Leonhard Fanto kreierte die Kostüme. Bereits während der Premierenfeier im Bellevue erreichten Richard Strauss Telegramme von Freunden aus Rom, Paris und London, die dem Komponisten voller Enthusiasmus zu seinem neuesten Werk gratulierten. Und der »Dresdner Anzeiger« titelte zwei Tage später: »Daphne – ein einziges Musikwunder«. Nora Schmid

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Assoziative Zeittafel

1933 Beginn der Nazi-Diktatur in Deutschland / Öffentliche Bücherverbrennungen u.a. auf dem Dresdner Wettiner Platz / »Arabella« von Richard Strauss wird in Dresden uraufgeführt / Richard Strauss wird Präsident der Reichsmusikkammer 1934

Verleihung des Adlerschild des Deutschen Reiches an Richard Strauss / Der Dichter Stefan Zweig emigriert nach London

1935

Uraufführung »Die schweigsame Frau« in Dresden / Hitler und Goebbels sagen ihr Kommen ab / Strauss wird zur Demission als Präsident der Reichsmusikkammer gezwungen / Beginn der Arbeit an »Daphne« / »Nürnberger Gesetze« / Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht

1936

Die 11. Olympischen Spiele werden in Berlin mit der »Olympischen Hymne« von Strauss eröffnet / Der Komponist erhält die Goldmedaille der Royal Philharmonic Society

1937

Der erste Häftlingstransport trifft im Konzentrationslager Buchenwald ein

1938

Uraufführung von »Friedenstag« in München und »Daphne« in Dresden / Reichskristallnacht / Die Synagoge in Dresden brennt

1939

Hitlers »Prophezeiung« vor dem Großdeutschen Reichstag über »die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa« / Beginn des 2. Weltkrieges / Euthanasie-Befehl Hitlers / Salzburger Festspiele werden mit dem »Rosenkavalier« eröffnet

1940

Die Neufassung von »Guntram« wird in Weimar aufgeführt / Der Bildhauer Arno Breker gestaltet das Relief »Apoll und Daphne«

1941

Polizeiverordnung zur Einführung des Judensterns in Deutschland / Emigrationsverbot­für Juden / Beginn der Deportationen deutscher Juden aus dem Deutschen Reich


1942

Wannsee-Konferenz mit Beschluss zur »Endlösung der europäischen Judenfrage« / Beginn der Belagerung von Stalingrad / Flugschriftenaktionen der »Weißen Rose« / Stefan Zweig begeht in Brasilien Selbstmord / Uraufführung von »Capriccio« in München

1943

Sophie Scholl wird am 22. Februar im Alter von 21 Jahren hingerichtet / Strauss wird die Ausreise in die Schweiz verboten / Goebbels’ Aufruf zum »Totalen Krieg«

1944

Generalprobe von »Die Liebe der Danae« in Salzburg; die Uraufführung wird wegen des »Totalen Kriegs« abgesagt / Aufruf Hitlers zum »deutschen Volkssturm«­/ Befehl Himmlers zur Zerstörung der Ausschwitz-Krematorien / Am 13. August letzte öffentliche Aufführung in der Semperoper vor der Zerstörung 1945 / Landung alliierter Truppen in der Normandie / Richard Strauss wird in der »Gottbegnadeten-Liste« Hitlers unter die drei wichtigsten, »unersetzlichen« Musiker des Reiches aufgenommen und somit – bis zum Volkssturm-Aufruf im Dezember – vom Kriegsdienst befreit

1945

Bombenangriff auf Dresden / Ende des 2. Weltkriegs / Die Villa von Strauss in Garmisch-Partenkirchen wird von amerikanischen Soldaten besetzt

1948

Wegen seiner Präsidentschaft in der Reichsmusikkammer wurde Strauss nach dem Entnazifizierungsgesetz automatisch als Hauptschuldiger eingestuft, im Jahre 1948 jedoch als »nicht belastet« freigesprochen / Uraufführung der »Metamorphosen« bei den Salzburger Festspielen / Komposition der »Vier letzten Lieder«

1949

Richard Strauss stirbt am 8. September im Alter von 85 Jahren in GarmischPartenkirchen

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Brief von Sophie Scholl an ihre Freundin Lisa Remppis vom 10. Oktober 1942


… Jetzt freue ich mich wieder an den letzten Strahlen der Sonne, ich staune über die unerhörte Schönheit alles dessen, was nicht der Mensch geschaffen hat. Die roten Dahlien am w e i ß e n G a r t e n t o r, d i e h o h e n e r n s t e n Ta n n e n u n d d i e zitternden goldbehangenen Birken mit ihren jetzt leuchtenden Stämmen vor all dem grünen und rostfarbenen Laubwerk, die goldene Sonne, die die leuchtende Farbenkraft eines jeden einzelnen Dinges noch erhöht, anstatt, wie die glühende Sommersonne, alles, was sich neben ihr noch regen will, zu erdrücken. Alles ist so zum Staunen schön, dass ich noch nicht weiß, was für ein Gefühl mein sprachloses Herz dafür entfalten soll, denn für eine reine Freude daran ist es noch nicht reif genug, es staunt und begnügt sich mit entzücktem Staunen. – Ist es nicht auch Rätsels genug, und wenn man den Grund dafür nicht weiß, beinahe furchterregend, dass alles so s c h ö n i s t ? Tro t z d e s S c h re c k l i c h e n , d a s g e s c h i e h t . I n m e i n e bloße Freude an allem Schönen hat sich etwas großes Unbek a n n t e s g e d rä n g t , e i n e A h n u n g n ä m l i c h v o n s e i n e m S c h ö p f e r, den die unschuldigen erschaffenen Kreaturen mit ihrer Schönheit preisen. – Deshalb eigentlich kann nur der Mensch hässlich sein, weil er den freien Willen hat, sich von diesem Lobgesang abzusondern. Und jetzt könnte man oftmals meinen, er brächte es fertig, diesen Gesang zu überbrüllen mit Kanonendonner und Fluchen und Lästern. Doch dies ist mir im letzten Frühling aufgegangen, er kann es nicht … Sophie Scholl


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Sophie Scholl, 1940/41


Fragen nach den Menschen Erich Fried

Und wurde die Liebe gelehrt? Ja, aber schlecht und heimlich. Und wurde der Tod gelehrt? Ja, aber nur zum Teil. Wieso zum Teil? Es wurde nur T旦ten gelehrt, gelehrt und ge端bt, und das Sterben totgeschwiegen. Und wurde der Hass gelehrt? Ja. Gelehrt und gesch端rt, aber nur auf den, der Feind genannt wurde, und nicht auf das eigene Ungl端ck. Und was taten sie mit ihrem Leben? Fast alle nur das, was zu erwarten war, nach einer solchen Lehrzeit.


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Ensemble


G e o r g Z e p p e n f e l d (Peneios), E n s e m b l e


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Ensemble


G a l a E l H a d i d i (Zweite Magd), L a d i s l a v E l g r (Leukippos), R o m y P e t r i c k (Erste Magd)


Vo m Tra u m z u m A l p t ra u m Aus einem Gespräch mit dem Regisseur Torsten Fischer

Die Oper »Daphne« entstand in Jahren politischer Entgeistigung. In diesem Zusammenhang wurde dem Komponisten Richard Strauss oft vorgeworfen, er habe sich mit »Daphne« von der Realität abgewandt und sei in eine Idylle geflüchtet. Die Oper beginnt absolut naturidyllisch und führt die Zuhörer in einen unglaublich verzaubernden Klang. Aber nicht ohne sofort durch olympiaähnliche Fanfaren oder durch Tumulte in Form von Unruhe und Dissonanz immer wieder die Frage aufzudrängen: Handelt es sich in dieser »Bukolischen Tragödie«, wie sie genannt wird, wirklich um Schafe, Schäfer und Fischer, oder handelt es sich um Menschen, die gejagt werden, um Soldaten, die rekrutiert werden, um Jugend, die verführt wird, um Männer, die die Frauen jagen? Strauss hat eine berührende, verstörende, böse, beeindruckende, tolle und erschütternde Musik geschrieben, die in einer Weise die Vision des Schreckens schon beinhaltet. Es ist eine Oper, die in Wort und Klang mit Angst spielt und einen in die Pflicht nimmt, den Umstand der Entstehungszeit zu bedenken. Bei uns eröffnet ein Brief von Sophie Scholl den Abend. Wenn man sich in die Zeit zurückversetzt, stellt sich die Frage: Wer war Daphne? Oder: Wer war eine Daphne? Da gibt es tausende, zehntausende. Wir sind dann auf Sophie Scholl gestoßen, die im Prinzip zunächst gar nichts mit Daphne zu tun hat. Der Brief aber, den wir ausgesucht haben, ist, als hätte Daphne ihn geschrieben; er ist fast so, als hätte Stefan Zweig ihn geschrieben. Wenn man die Biografie von Sophie Scholl verfolgt und ihre Briefe liest, gibt es plötzlich überraschende Berührungspunkte: Sophie Scholl war als Kind aktiv in der Hitlerjugend, als Jugendliche löste sie sich aus der Verführung des Regimes und reifte zu einer großen Widerstandskämpferin heran, die alles versucht hat, um diesen Wahnsinn zu stoppen, dem sie dann selbst zum Opfer fiel. Auf einigen Fotos sieht man Sophie, die in der Natur Halt sucht. Da schließt sich dann ein Kreis. Auch Daphne ist nicht einfach eine Anbeterin von Blumen, Blättern und Bäumen, sondern benutzt vielmehr eine verschlüsselte Sprache, um die Menschheit zu verstehen, deren Untergang und Zerstörung sie fürchtet und aufhalten will. Diesen Aspekt zwischen Sophie Scholl und Daphne haben wir versucht zu kombinieren. Daraus ist ein Leitfaden geworden, der den Weg durch die Oper und zurück in diese schreckliche deutsche Tragödie lenkt.

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Daphne will zu Beginn der Oper etwas Unmögliches: Sie will, dass die Sonne nicht untergeht. Sie will nicht, dass Nacht wird, sie will nicht, dass Nacht über der Welt wird, sie will nicht, dass die Menschheit im Dunkeln versinkt. Sie will Licht in Form von Wahrheit. Der Weg von Apollo zur Sonne ist nicht weit. Ich erinnere an den ganzen Apollo-Wahn in Nazi-Deutschland, an die »Schwarze Sonne«, die wie die Nacht leuchtet, an die Verflechtung von Esoterik, Mythologie und Rassismus im Dritten Reich. Sonne im Sinne von lebensbringend und wahrheitsliebend ist in ihrer Glut auch etwas, was Feuer, Waffen und eine böse Macht der Zerstörung symbolisiert. Interessanterweise ist eine der Übersetzungen des Namens Apollo »der Zerstörer«. Und seltsamerweise musste ich bei den Proben oft an das verbrannte Dresden denken, das in diesen Metaphern von Sonne und einem Möchtegern-Gott, der dem Volk sagt, »Seht in mir die Sonne«, dann aber durch sein Handeln Zerstörung und Vernichtung bringt, immer wieder assoziativ aufleuchtet. Daphne ist zunächst von Apollo fasziniert, später erkennt sie die Gefahr, die von ihm ausgeht, wenn sie singt: »Es war nicht die Sonne – es war der Blitz!« Kennt Apollo nicht auch Momente des Zweifelns? Es gibt gegen Ende einen interessanten Satz von Apollo, der mich sehr berührt: »Sind wir noch Götter oder längst schon beschattet von menschlichen Herzen oder längst schon ausgelöscht von solcher Einheit? Götter! Brüder im hohen Olympos! Seht den schuldvollen, elenden Bruder: Getötet hab ich …« – Apollo weiß also, was er tut. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob es ihm leid tut, vielleicht für sich selbst am meisten. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass dann am Ende der Satz kommt: »Gib sie mir wieder, doch nicht als Mensch mehr.« Hier hat man als Regisseur die Wahl: Entweder man geht den Kitsch mit, dass es schön ist, dass eine Frau in einen Baum verwandelt wird, oder man sieht darin ganz klar den Mord, so wie ich.


Daphnes Vater Peneios fühlt sich von Visionen geleitet. Peneios ist fasziniert von einer aufkommenden Idee. Er steigert sich in einen Wahn und kann dabei weder von seiner Frau noch von seiner Tochter aufgehalten werden. In meiner Interpretation fällt er am Ende dem zum Opfer, was er als Idee selbst heraufbeschworen hat. Seine Frau Gaea ist in der Mythologie die Mutter Erde, zugleich ist sie die Mutter von Daphne. Gaea ist eingebunden in die Konventionen der Zeit: Sie ist die Frau des Vaters, die Mutter der Tochter und die Gastgeberin des Festes. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes immer darauf bedacht, alles zu erden, zu schlichten. Daran geht sie auch kaputt, da sie nicht stoppt, was sie stoppen müsste, sondern beschönigt und verharmlost, was sie eigentlich weiß. Sie ist in der Anlage absolut die Mutter von Daphne. Doch Daphne ist couragierter und emanzipierter, sie widmet sich ganz einer Sache und bezahlt dafür einen hohen Preis, den Preis der Einsamkeit. Als zentrale Figur kommt Leukippos hinzu. Er ist Daphnes Kindheitsfreund, gesteht ihr ehrlich und offen seine Liebe und geht trotzdem eine Täuschung ein, um ihr nahe zu sein. Leukippos ist mit Sicherheit Daphnes einzige große und wahre Liebe, die nicht zur Geltung kommen kann, weil die Zeit dafür nicht reif ist. Daphne will sich keinem Zwang unterordnen, sie will sich am Fest der Paarung nicht für jemanden entscheiden müssen. Doch Leukippos ist alles Schöne, an das sie sich erinnert: Er ist ihr Freund in der Kindheit, er ist das Kindliche in ihr, das Unbeschwerte. Daphne ist politisch reifer als Leukippos, doch er ist auf ihren Spuren, weil er sie versteht, leider aber zu sehr bedrängt und damit die Beziehung in einem zentralen Punkt der Geschichte stört. Schließlich muss er mit ansehen, wie Daphne für kurze Zeit der Faszination Apollos verfällt, weil dieser sich über Lügen und Zitate der Daphne, wie sie sagt, in ihre Träume schleicht.

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Träume werden im Libretto auffallend oft angesprochen. Ist »Daphne« ein Traumspiel? Jede Oper ist ein Traumspiel, diese insbesondere. Nicht jede Oper ist zugleich ein Alptraum, diese schon. In der Oper sagt Daphne zu Apollo »Du schlichst dich ein in meinen Traum, du gabst mir Angst«, das heißt, es ist ein böser Akt, sich in einen Traum zu schleichen. Gaea wiederum sagt zu Peneios: »Versuche sie nicht, ewiger Träumer, freu dich des Wirkens vereint mit der Erde bescheiden und friedlich«, das heißt, wenn er friedlich sein soll, dann sind die Träume nicht friedlich. Träume sind in dieser Oper immer etwas Verbotenes, Gefährliches, etwas Menschenzerstörerisches. In diesem Zusammenhang verstehe ich, warum Daphne Angst hat, dass die Menschen die Erde zertrampeln, die Bäume zerreißen, die Quelle trüben. Es ist ein Volk in einem bösen Aufbruch in eine perfide Wirklichkeit, in der Verwirklichung böser Hierarchien und Siegesfeiern. Letztlich ist es auch die Zerstörung einer dionysischen Welt, wenn man dem Libretto hier folgen möchte. Nach der Prüderie der Jahrhundertwende, nach dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik war anscheinend eine Zeit angebrochen, wo größenwahnsinnige Träume zum Unglück führten. Man träumte sich zurück ins antike Griechenland, ins Alte Rom und wollte eine neue Welt gründen – Germania – und dafür missbrauchte man die alten Kulturen zu einem Alptraum. Das Gespräch führte Nora Schmid


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G e o r g Z e p p e n f e l d (Peneios), C a m i l l a N y l u n d (Daphne)


C h r i s t a M a y e r (Gaea), G e o r g Z e p p e n f e l d (Peneios), E n s e m b l e


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R o b e r t D e a n S m i t h (Apollo), L a d i s l a v E l g r (Leukippos), C a m i l l a N y l u n d (Daphne), E n s e m b l e


C a m i l l a N y l u n d (Daphne), R o b e r t D e a n S m i t h (Apollo)


An die Nachgeborenen Bertolt Brecht, 1939

I Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten! Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende Hat die furchtbare Nachricht Nur noch nicht empfangen. Was sind das für Zeiten, wo Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt! Der dort ruhig über die Straße geht Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde Die in Not sind? Es ist wahr: Ich verdiene nur noch meinen Unterhalt Aber glaubt mir: das ist nur ein Zufall. Nichts Von dem, was ich tue, berechtigt mich dazu, mich sattzuessen. Zufällig bin ich verschont. (Wenn mein Glück aussetzt, bin ich verloren.) Man sagt mir: Iss und trink du! Sei froh, dass du hast! Aber wie kann ich essen und trinken, wenn Ich dem Hungernden entreiße, was ich esse, und Mein Glas Wasser einem Verdursteten fehlt? Und doch esse und trinke ich. Ich wäre gerne auch weise. In den alten Büchern steht, was weise ist: Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit Ohne Furcht verbringen Auch ohne Gewalt auskommen Böses mit Gutem vergelten Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen Gilt für weise. Alles das kann ich nicht: Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!

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II In die Städte kam ich zur Zeit der Unordnung Als da Hunger herrschte. Unter die Menschen kam ich zu der Zeit des Aufruhrs Und ich empörte mich mit ihnen. So verging meine Zeit Die auf Erden mir gegeben war. Mein Essen aß ich zwischen den Schlachten Schlafen legte ich mich unter die Mörder Der Liebe pflegte ich achtlos Und die Natur sah ich ohne Geduld. So verging meine Zeit Die auf Erden mir gegeben war. Die Straßen führten in den Sumpf zu meiner Zeit. Die Sprache verriet mich dem Schlächter. Ich vermochte nur wenig. Aber die Herrschenden Saßen ohne mich sicherer, das hoffte ich. So verging meine Zeit Die auf Erden mir gegeben war. Die Kräfte waren gering. Das Ziel Lag in großer Ferne Es war deutlich sichtbar, wenn auch für mich Kaum zu erreichen. So verging meine Zeit Die auf Erden mir gegeben war.


III Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut In der wir untergegangen sind Gedenkt Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht Auch der finsteren Zeit Der ihr entronnen seid. Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder wechselnd Durch die Kriege der Klassen, verzweifelt Wenn da nur Unrecht war und keine Empörung. Dabei wissen wir doch: Auch der Hass gegen die Niedrigkeit Verzerrt die Züge. Auch der Zorn über das Unrecht Macht die Stimme heiser. Ach, wir Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit Konnten selber nicht freundlich sein. Ihr aber, wenn es soweit sein wird Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist Gedenkt unsrer Mit Nachsicht.

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Synopsis

Daphne, daughter of Peneios, refuses to take part in her father’s ritual celebration. She feels like a stranger and is afraid, afraid of the intoxicated state of the people and their destructiveness. Her father and the local young men, including her childhood friend Leukippos, pressurise her. Gaea tries to force her daughter Daphne to comply with the conventions of the celebration. Frightened, Daphne leaves. Her girlfriends encourage Leukippos to approach Daphne again by disguising himself. Peneios proclaims his vision of a new society where gods and men are equal. During frenetic incantations, a stranger appears. It is the god Apollo who has come down to earth disguised. He is a self-confessed liar. Daphne appears and falls for him. When he is about to claim her for his own, she recognises his deceit. The celebration begins. Her deep affinity to Leukippos draws Daphne to him. Apollo exposes Leukippos’ trickery and kills him because Leukippos defies him. Daphne feels that she is guilty of Leukippos’ murder and rejects Apollo who has brought death and destruction. Believing that humanity is indestructible, Daphne goes to her death.


Résumé de l'action

Daphné, fille de Peneios, refuse de participer à la fête cultuelle de son père. Elle s’y sent étrangère et a peur, peur de l’ivresse et de la folie destructrice des hommes. Son père et les jeunes hommes du village la pressent d’y participer. Leukippos, son ami d’enfance, s’est lui aussi joint à eux. Gaea tente de forcer sa fille Daphné à accepter les conventions de la fête. Apeurée, Daphné se retire. Ses amies parviennent à convaincre Leukippos de s’approcher à nouveau de Daphné sous une autre apparence. Peneios expose sa vision d’une société nouvelle, égale en tout à celle des Dieux. Un étranger apparaît au milieu de ces incantations fanatiques. Il s’agit d’Apollon qui s’est mêlé incognito à la foule. Il s’avoue à lui-même être un menteur. Daphné apparaît et succombe à son charme. Lorsqu’il veut la faire sienne, elle reconnaît sa tromperie. La fête commence. Daphné est très fortement attirée par Leukippos. Apollon dévoile la supercherie de Leukippos et le tue lorsque ce dernier lui résiste. Daphné se sent responsable du meurtre de Leukippos et repousse Apollon, messager de mort et de destruction. Croyant en l’indestructibilité de l’être humain, Daphné meurt.

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Impressum

H e r a u s g e b e r Sächsische Staatsoper Dresden

E r i c h F r i e d Am Rand unserer Lebenszeit. Verlag

I n t e n d a n t i n Dr. Ulrike Hessler

Klaus Wagenbach, 2000. B e r t o l t B r e c h t Svendborger Gedichte.

P r e m i e r e Samstag 02. Oktober 2010

Suhrkamp Verlag, 1979. Englische und französische Übersetzung der

M u s i k a l i s c h e L e i t u n g Omer Meir Wellber

Handlung: Fremdspracheninstitut Dresden.

I n s z e n i e r u n g Torsten Fischer B ü h n e n b i l d Herbert Schäfer M a l e r e i Vasilis Triantafillopoulos

Bildnachweise

K o s t ü m e Andreas Janczyk

Fotos der Klavierhauptprobe am 22. September 2010

C h o r Pablo Assante

© Matthias Creutziger

L i c h t Fabio Antoci

Titelbild: Detail aus dem Relief »Apoll und Daphne«

D r a m a t u r g i e Nora Schmid

von Arno Breker, 1940. S. 3 & 4 Programmheft der Uraufführung von »Daphne« von 1938. Historisches Archiv der Sächsischen Staatsoper Dresden.

R e d a k t i o n Nora Schmid

S. 15 Theaterzettel vom 15. Oktober 1938.

R e d a k t i o n e l l e M i t a r b e i t Anne Gerber

Historisches Archiv der Sächsischen Staatsoper

D r u c k Druckhaus Dresden

Dresden.

G e s t a l t u n g Fons Hickmann m23

S. 20 Probengespräch des Inszenierungsteams mit Richard Strauss, Oktober 1938. Historisches Archiv

Te x t n a c h w e i s e

der Sächsischen Staatsoper Dresden.

Die Texte von Eytan Pessen und Nora Schmid sowie

S. 26 & 27 Brief von Sophie Scholl an Lisa Remppis.

das Gespräch mit Torsten Fischer entstanden für

Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, Archiv,

dieses Heft.

ED 474 / 70.

J o s e p h G r e g o r Daphne. Bukolische Tragödie in

S. 29 Sophie Scholl, um 1940 /41. Aufnahme Beatrice

einem Aufzug op. 82. Verlag Dr. Richard Strauss,

Boeninger. Privatbesitz Susanne Zeller-Hirzel,

1994.

Stuttgart.

J u l i a L i e b s c h e r ( H g . ) Richard Strauss und das Musiktheater. Veröffentlichungen der

Urheber, die nicht rechtzeitig erreicht werden

Richard-Strauss-Gesellschaft, Bd. 19. Henschel

konnten, werden wegen nachträglicher Rechtsab­

Verlag, 2005.

geltung um Nachricht gebeten.


Du schlichst dich ein ­ i n m e i n e n Tra u m … Du banntest mich an diese­Stelle, in deine Arme … Du gabst mir Angst …

Was blendet so? War es die Sonne? Nein, es war nicht die Sonne … Es war der Blitz!

Daphne

Daphne


Richard Strauss

Semperoper Dresden   D a p h n e Richard Strauss

Daphne

Semperoper Dresden


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