WILLEM DAFOE, VOLLBLUTSCHAUSPIELER
Gäste im Oktober
Do 13. 10.
Uhr Zürcher Filmtalk zum Fantoche mit Ivana Kvesic´, Jane Mumford
Vorverkauf An der Kinokasse (geöffnet jeweils eine halbe Stunde vor Beginn der ersten Vorstellung) für jede beliebige Vorstellung dieses Monatsprogramms
Telefonische Reservation Nur zu Kassenöffnungszeiten unter der Nummer 044 242 04 11
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> 18.30
Inhalt Seite Editorial 1 WILLEM DAFOE, VOLLBLUTSCHAUSPIELER 2 RICHTIG LANG Heaven’s Gate 34 ZÜRCHER FILMTALK Wohin steuert Fantoche … 35 DOKFILM AM SONNTAG Mi país imaginario 36 KINDERKINO Der wilde Planet (La planète sauvage) 37 Impressum 40 Monatsübersicht 20 Übersicht nach Filmtiteln Heft-Rückseite
«Die Töff-Filme!» - ohne zu zögern, antwortet René Moser auf die Frage nach dem aussergewöhnlichsten Monatsprogramm, das er für das Kino Xenix programmiert hat. Es ist ein Filmprogramm mit einem typischen Moser-Titel: «Vier Räder sind zwei zu viel - eine Anthologie des Motorradfilms». Diese einzigartigen Überschriften werden wir genauso vermissen wie Mosers Filmreihen!
Genau zwanzig Jahre lang hat René Moser mit seinen präzis kuratierten Retrospektiven das Xenix-Programm mitgeprägt. Regelmässig ist er der Erste weit und breit, der ganz unterschiedlichen Talenten die Ehre erweist (Béatrice Dalle, Mickey Rourke, Ariane Labed), einen Schauspieler auch als Regisseur präsentiert (John Turturro), Filme schon mal aufgrund ihres Sound tracks aussucht oder dann Paaren gewidmete Programme zusammenstellt wie Gainsbourg & Bardot, Monica Bellucci und Vincent Cassel oder die Schwestern Rohrwacher.
Dabei stellt René Moser seinen eigenen Namen nie in den Vordergrund und nimmt verschmitzt schmunzelnd in Kauf, dass sein Werk der Filmspezialistin zugeordnet wird, die den einleitenden Essay zum Monatsprogramm geschrieben hat. Generell ist der ehemalige Buchhändler und Filmverleiher mit der VW-Gürtelschnalle ein eher diskreter Mensch, der am liebsten durch seine Filmprogramme mit dem Kinopublikum kommuniziert. Diesen Monat ver abschiedet er sich mit dem schrägen Vogel und Ausnahmeschauspieler Willem Dafoe. Denn nun zieht Moser mit seiner Norton aufs Land und macht sich auf zu neuen kreativen Ufern.
Wir danken René Moser für alles, wünschen ihm nur das Beste und hoffen, dass dem Xenix ein wenig von seiner Sorgfalt erhalten bleibt. Au revoir!
Das
EDITORIAL 1
Xenix-Team
WILLEM DAFOE, VOLLBLUTSCHAUSPIELER
Schlaglichter auf einen Arbeitswütigen
Wie Überblick erlangen angesichts eines solch umfangreichen und vielfäl tigen Werks? Wo die Schneisen schlagen durch ein derart weites Feld? Und womit anfangen? Mit den Künstlerporträts? Den Gangstern und Polizisten und Grauzonenbewohnern? Den existenziell Getriebenen, den Gescheiterten, den Sonderlingen? Den Hoffnungsvollen oder den Enttäuschten? Den Sinistren, Zwielichtigen, deren Agenda verdächtig und im Unklaren bleibt? Den wild entschlossenen Bösartigen, von denen es dann doch gar nicht so viele gibt? Oder jenen, die im hellen Licht des Tages aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen? Den Einfachen oder den Komplizierten? Nur um dann festzustellen, dass weder das eine noch das andere so richtig zutrifft und dass das vorder gründig Einfache nur ein besonders geschickter Schachzug ist, dem Kompli zierten Kontur zu verleihen?
Beginnen wir also mit Willem Dafoes Gesicht. Ein Gesicht, das sich wie das Œuvre einer endlos faszinierenden Landschaft liest und das man nicht
Tommaso
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so schnell vergisst, ja eigentlich auch gar nicht mehr vergessen will: ausge prägte Backenknochen und ein gerader, breiter Mund, der flankiert wird von zwei Falten, die sich von der markanten Nase bis zum starken Kinn hinunter schwingen. Tief liegende blaue Augen, überwölbt von festen Brauen und einer hohen Stirn. Zu Beginn von Dafoes Karriere wohnte diesem Gesicht noch etwas Zartes, Feingliedriges inne, das in Verbindung mit dem drahtigen Körper, der damals etwas Tänzerisches und heute etwas Zähes ausdrückt(e), tatsächlich hübsch wirkte. Jedoch nie gängigen Schönheitsidealen entsprach. Mit den zunehmenden Jahren wurde daraus ein veritabler Charakterschädel, höchst angemessen für einen Schauspieler seines Kalibers. Dafoe ist ein über die Massen vielseitiger und wandlungsfähiger Vollblutmime mit unverkennbarer Physiognomie; man mag zwar sein Gesicht in Sekundenschnelle wiedererkennen, die Figur aber, der er es leiht, erschliesst sich alles andere als auf den ersten Blick – was zu einer ebenso faszinierenden wie paradoxen Situation führt: Während man noch dem einzigartigen Willem Dafoe beim Spielen zusieht und sich fragt, wie er es macht, da hat er sich in seiner Figur auch schon unsichtbar gemacht und stellt sie als ein weiteres Rätsel vor uns hin.
Um die 120 Titel listet Willem Dafoes Filmografie in der Internet Movie Database: Beleg kontinuierlicher und unermüdlicher Arbeit in kleinen wie grossen Rollen und von enormer Bandbreite; das Dokument einer beeindruckenden internationalen Karriere über vier Jahrzehnte. Die Einträge reichen von «2nd Phone Booth Youth» in The Hunger (Tony Scott, 1982/83) über «Max Schreck» in Shadow of the Vampire (E. Elias Merhige, 2000) und «He» in Antichrist (Lars von Trier, 2009) zu «Thomas Wake» in The Lighthouse (Robert Eggers, 2019), von Hintergrundgeräusch über Gastauftritt, Randfigur und Nebendarsteller bis zu Zentralgestirn, Arthouse wie Mainstream, Independent wie Blockbuster, in Europa und in den USA, auch in Tasmanien wurde er bereits gesichtet (The Hunter, Daniel Nettheim, 2011).
Man könnte meinen, Dafoe wäre ein Workaholic, mindestens ein Hansdampf in allen Gassen. In jedem Fall ist er einer, der sich in seiner Arbeit nicht festlegen lässt, der neugierig und risikolustig immer wieder anderes in Angriff nimmt und sodann an seinen Figuren Facetten zum Vorschein bringt, die zunächst nicht einmal zu ahnen waren. Man glaubt ihm die diabolischen Schurken und die beseelten Gutmenschen, die Fantasiegestalten und die biografischen Aneignungen; vor allem aber glaubt man ihm diejenigen im Mittelgrund, die Uneindeutigen, die nach dem Weg suchen. Jene, die keine erklärten Helden sind, sondern Männer, die sich dem Leben stellen, unsicher und angreif
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bar und nachdenklich. Wie der Videotechniker John Carpenter, der sich in Paul Schraders Auto Focus (2002) an einen mittelmässigen FernsehserienDarsteller heranwanzt und in dessen scheinbarer Übergriffigkeit bald tiefe Einsamkeit, Sehnsucht nach Freundschaft, möglicherweise auch verdrängte Homosexualität aufscheinen. Es ist eine schillernde, aufregende, vielschich tige Darbietung, die von Greg Kinnears zu seelischer Grausamkeit tendieren der Gegenfigur noch beflügelt wird.
Dafoe bezeichnet sich selbst als einen «Abenteurer», der, wenn es um die Auswahl seiner Rollen geht, «geradezu manisch nach neuen Herausforderungen» sucht und am liebsten mit «starken Filmemacher-Persönlichkeiten» zusammenarbeitet. Und so wimmelt es in seinem Werk denn auch von Namen bedeutender Regisseure – William Friedkin, Martin Scorsese, David Cronenberg, Werner Herzog, um nur einige wenige zu nennen -, deren Arbeiten Dafoe ein je nach Rolle grosses oder kleines, in jedem Fall aber ein Glanzlicht aufgesetzt hat.
Geboren wurde Willem Dafoe am 22. Juli 1955 als siebtes von acht Kindern einer Krankenschwester und eines Chirurgen in Appleton, Wisconsin. Er begeisterte sich bereits als Heranwachsender für das Theater, brach das Studium der Theaterwissenschaft allerdings rasch wieder ab und ging in die Praxis. Zunächst mit der experimentellen Gruppe Theatre X in Milwaukee, dann, nachdem er 1976 nach New York übersiedelt war, bei der für das Gegenwartstheater legendär einflussreichen The Wooster Group, zu deren Grün dungsmitgliedern er zählt. Mit der Leiterin des Ensembles, Elizabeth LeCompte, verband ihn eine langjährige Beziehung, der der gemeinsame Sohn Jack (geboren 1982) entstammt; seit 2005 ist Dafoe mit der italienischen Filmregisseurin, Drehbuchautorin und Schauspielerin Giada Colagrande verheiratet. Er besitzt die US-amerikanische und die italienische Staatsbürgerschaft und lebt in Los Angeles, New York und Rom.
Ein Reflex dieser aktuellen Lebensumstände lässt sich in Tommaso (2019) sehen, Dafoes bereits fünfter Zusammenarbeit mit Abel Ferrara. In der Rolle des künstlerisch tätigen Mannes, der, bereits etwas jenseits der Lebensmitte, den Mut fasst, sich radikal neu zu orientieren, erzählt Dafoe ebenso von sich selbst, wie er seinem Regisseur als Alter Ego dient – hatte Ferrara doch endlich den wilden Zeiten Adieu gesagt, war nach Rom gezogen, hatte eine Familie gegründet und war Vater geworden. Ein faszinierendes Vexier spiel, in dem die Wirklichkeit der Produktionsebene in die Handlung einfliesst, bis die Fiktion ihren Halt verliert und der Wahrheit Platz macht.
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Seit er 1980 von Michael Cimino wegen zu lauten Lachens vom Set des aus dem Ruder gelaufenen Wahnwitz-Projekts Heaven’s Gate gefeuert worden ist, arbeitet Dafoe kontinuierlich für das Kino. Seine erste Oscarnominie rung erhält er 1987 für den um Menschlichkeit im Unmenschlichen bemühten Sergeant Elias in Oliver Stones Vietnam-Film Platoon . Die nächste folgt 2001, weil er in der meta-filmischen Vergnüglichkeit Shadow of the Vampire den Mann, der in F. W. Murnaus Nosferatu (1922) den Nosferatu spielte, als einen spielt, der möglicherweise tatsächlich Nosferatu war. Um einiges geerdeter fällt der Motelmanager Bobby in Sean Bakers Randständigen-Drama The Florida Project aus, für den er 2018 die dritte Nominierung erhält. Mühelos fügt Dafoe sich hier in ein Ensemble aus Debütantinnen, Unbekannten und Laien ein, ohne es zu dominieren. Einmal folgt ihm die Kamera ein Stück des Wegs, sie sitzt ihm sozusagen im Nacken, und man sieht, wie auf seinen Schultern die Mühsal seiner Tage lastet: seine Zeugenschaft alltäglichen Elends und die Vergeblichkeit seiner Versuche, es wenigstens zu lindern. Dass es Dafoe gelingt, dies mit dem Rücken zur Kamera zu vermitteln, beweist die bedeutende Kunst dieses Schauspielers. Wie freilich auch Vincent van Gogh, den er in Julian Schnabels At Eternity’s Gate weniger spielt, als dass er sich in ihn verbohrt, und der im Jahr darauf mit der vierten Oscarnomi nierung geehrt wird. Wohl noch selten wurde einem das Tragische der van Gogh’schen Künstlerexistenz mit derartiger Dringlichkeit als die Folge einer Berufung nahegebracht und die Schroffheit des Mannes als Ringen um Ausdruck einer Wahrnehmung der Welt so verständlich. Inzwischen ist Willem Dafoe 67 und damit in jenem Alter, in dem einer Preise für sein Lebenswerk erhält; vermutlich kann er bald schon ein zweites Regal eröffnen – in das, so es denn mit rechten Dingen zugeht, auch der kleine goldene Mann noch hineinfinden wird. Alexandra Seitz
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The Loveless
Kathryn Bigelow / Monty Montgomery, USA 1981/82; 84' E/d (35 mm bzw. Digital HD, Farbe) Mit Willem Dafoe, Robert Gordon, Marin Kanter, J. Don Ferguson, Phillip Kimbrough, Tina L’Hotsky, Lawrence Matarese, Danny Rosen, Ken Call, Jane Berman
Biker-Fetisch – von Kathryn Bigelow äusserst kunstvoll in Szene gesetzt und von Willem Dafoe geradezu archetypisch verkörpert. Irgendwo in Georgia, gegen Ende der Fünfzigerjahre: Vance (Willem Dafoe in seiner ersten Hauptrolle direkt nach dem Leinwanddebüt in Michael Ciminos Heaven’s Gate) wartet bei einem einsamen Diner auf die Mitglieder seiner Biker-Clique, mit denen er nach Florida zu den Rennen von Daytona fahren will. Wegen einer Motorradpanne treffen Davis, Hurley, Debbie, La Ville und Ricky mit Verspätung ein, und die Gruppe sieht sich gezwungen, einen längeren Zwischenhalt im Ort einzulegen, um Hurleys Maschine zu reparieren. Ein Garagist stellt nach anfänglichem Zögern seine Werkstatt zur Verfügung, und während sich Hurley an die Arbeit macht, schlagen seine Kumpels mit Herumlungern die Zeit tot. So lernt Vance an der Tankstelle Telena (Marin Kanter) kennen, die ebenso desillusionierte wie überbehütete sechzehnjährige Tochter des Lokalmatadors Tarver. In seiner schwarzen Lederkluft wirkt Vance auf die junge Frau wie der Erlöser von einem fremden Stern und sitzt deshalb schon bald am Steuer ihrer Corvette – für eine gemein same Spritzfahrt, die im Motelzimmer und schliesslich in einer Katastrophe endet.
Kathryn Bigelow stellte mit ihrem Langfilm-Regieerstling eindrücklich ihre Leiden schaft fürs Kino sowie ihre handwerkliche Präzision unter Beweis und schuf einen faszinierenden, stark stilisierten Neo-Noir, der längst Kultstatus geniesst. Unaufgeregte Kameraeinstellungen fangen dabei jedes noch so kleine Detail (beispielsweise des typischen Fünfzigerjahre-Diners) ein und tragen bei zum suggestiven Rhythmus einer Pro vinztragödie, die von Lethargie und Monotonie sowie der Musik von John Lurie und Rockabilly-Legende Robert Gordon geprägt ist.
Am Freitag und am Samstag kommt jeweils eine rare Filmkopie zum Einsatz, für die wir eigens deutsche Untertitel angefertigt haben.
Do 29. 9. > 18.00 Uhr (Digital HD)
Fr 30. 9. > 20.00 Uhr (35 mm)
Sa 1. 10. > 20.30 Uhr (35 mm)
So 2. 10. > 20.30 Uhr (Digital HD)
Streets of Fire
Walter Hill, USA 1984; 93' E/df (35 mm, Farbe) Mit Michael Paré, Diane Lane, Rick Moranis, Amy Madigan, Willem Dafoe, Deborah Van Valkenburgh, Richard Lawson, Bill Paxton, Lee Ving
Dass Willem Dafoe Motorrad fahren kann, wissen wir seit The Loveless, und dass Diane Lane nicht zur Sängerin taugt, seit Ladies and Gentlemen, the Fabulous Stains. Als Raven Shaddock (Willem Dafoe), der Anführer der Bombers, mit seiner Motorrad gang ein Konzert der Rocksängerin Ellen Aim (Diane Lane) stürmt, um die ebenso attrak tive wie erfolgreiche Musikerin zu entführen, kann deren farbloser Freund und Manager
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Billy Fish nur tatenlos zusehen. Er ist ein wortgewandtes Weichei – ganz im Gegensatz zum einzelgängerischen Tom Cody (Michael Paré), der zur Stelle ist, als er von der Ge fangennahme seiner ehemaligen Geliebten erfährt. Ohne zu zögern, nimmt Tom Billys Angebot von 10 000 Dollar für Ellens Befreiung an und holt die Gekidnappte in einer riskanten Aktion, bei der er von der ehemaligen Soldatin McCoy unterstützt wird, aus Shaddocks streng bewachtem Hauptquartier. McCoy bringt Ellen in Sicherheit, während Tom den rasenden Rockern auf einer geklauten Harley entkommt. Shaddock kann die empfindliche Schmach zwar nicht ungeschehen machen, fordert aber Tom zum Duell heraus, um wenigstens seine Ehre zu retten.
Die meisterhaft durchgestylte Rock-’n’-Roll-Fabel Streets of Fire, die als unterkühlter Grossstadtwestern daherkommt, besticht trotz simplem Plot – schöne Rocksängerin wird von Bikern entführt und vom coolen Helden wieder befreit – mit ihrer vollendeten Form. Seine eigenwillige Mischung aus Western, Actionballade und Musikfilm verleiht Walter Hills legendärem Streifen einen unwiderstehlichen Reiz, wobei sich der Mythos des klassischen Western mit jenem der Popkultur vermischt. Ein sinnliches Spektakel, das einen Teil seiner Faszination den als Stilelement eingesetzten Musikstücken verdankt.
Do 29. 9. > 20.00 Uhr
Fr 30. 9. > 18.00 Uhr
Sa 1. 10. / So 2. 10. > 18.30 Uhr
New Rose Hotel
Abel Ferrara, USA 1998; 93' OV (Digital HD, Farbe) Mit Christopher Walken, Willem Dafoe, Asia Argento, Annabella Sciorra, John Lurie, Kimmy Suzuki, Miou, Yoshitaka Amano, Gretchen Mol, Ryuichi Sakamoto
Ein japanischer Genetiker steht kurz vor einer sensationellen wissenschaftlichen Entdeckung, die Unsummen wert ist. Asia Argento soll dafür sorgen, dass er für die richtigen Leute arbeitet.
Tokio in der nahen Zukunft: Die beiden Grosskonzerne Maas und Hosaka liefern sich einen erbitterten Wettkampf um die talentiertesten Wissenschaftler der Welt. Fox (Chris topher Walken) und X (Willem Dafoe) verdienen tüchtig mit, indem sie den beiden Kon kurrenten mit ihrem Headhunter / Kidnapping-Unternehmen die hellsten Köpfe abjagen.
Hiroshi ist einer dieser Köpfe, für welche die Prämien hoch genug sind, um die beiden Headhunter sämtliche moralischen Bedenken über Bord werfen zu lassen. Man heuert eine Prostituierte (Asia Argento) genau nach Hiroshis Beuteschema an, stellt ihr mit X einen erfahrenen Manipulations-Coach zur Seite und setzt sie auf Hiroshi an, um das einsame Genie zum riskanten Jobwechsel zu bewegen. Doch das Begehren hält sich nicht ans Drehbuch, und die Dinge laufen aus dem Ruder.
Mit New Rose Hotel, einer Low-Budget-Adaption (die Drehbuchidee stammt von Zoë Lund) der gleichnamigen Kurzgeschichte von Cyberpunk-Ikone William Gibson, hat Abel Ferrara einen seiner umstrittensten Filme realisiert. Darin unterläuft der Regisseur mit geradezu subversiver Konsequenz verschiedene Grundregeln des (filmischen) Ge schichtenerzählens: Die eigentlichen Handlungen finden – bis auf eine Miniorgie – aus-
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New Rose Hotel
Streets of Fire
The Life Aquatic with Steve Zissou
The Loveless
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serhalb des Bildes statt, und während der letzten zwanzig Minuten werden in scheinbar unmotivierten Rückblenden Szenen der vorangegangenen siebzig Minuten wiederholt. Ein schillerndes Stück Kino, irgendwo zwischen tranceartigem Science-Fiction-Thriller und Altherrenfantasie, raffiniertem Versteckspiel und plumper Verführung, billigem Genreverschnitt und bestechendem Stimmungsbild, das noch heute für Irritation sorgt.
Fr 30. 9. > 22.00 Uhr
Sa 1. 10. > 22.30 Uhr
The Life Aquatic with Steve Zissou
Wes Anderson, USA 2004; 118' E/d (Digital HD, Farbe, Scope) Mit Bill Murray, Owen Wilson, Cate Blanchett, Anjelica Huston, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Michael Gambon, Bud Cort, Seu Jorge, Noah Baumbach
Eine verspielte, sentimentale Komödie voller wundersam skurriler Geschichten, die bisher unbekannte Wesenszüge des legendären Jacques-Yves Cousteau aufzeigt. Der in die Jahre gekommene Ozeanograf und Skipper Steve Zissou (Bill Murray) ist nicht zu beneiden. Sein langjähriger Partner wurde von einem Jaguarhai gefressen, seine Ehe steckt in einer gröberen Krise, und sein Ruf als meisterlicher Meeresfilmer hat schwer gelitten. Doch damit nicht genug: Mit Ned Plimpton (Owen Wilson) taucht ein Flieger auf, der sich als sein unehelicher Sohn ausgibt. Nichtsdestotrotz verbindet Zissou sein müh sam zustande gekommenes neues Projekt mit einem Rachefeldzug gegen besagten Jaguarhai und macht sich auf zu fantastischen Seeabenteuern. Das Team Zissou unter stützt ihn dabei vorbehaltlos: Klaus Daimler, der verlässliche Seemann, Maschinist und Exbusfahrer, 40, klug, gelassen, deutsch (von Willem Dafoe in einer seiner wenigen ko mödiantischen Rollen verkörpert – dank deutschen Vorfahren tatsächlich mit deutschem Akzent), die raubeinige Ehefrau Eleanor (Anjelica Huston), das neue «Familienmitglied» Ned oder der auf Portugiesisch David-Bowie-Lieder intonierende Pelé dos Santos. Als Anspielung auf Jacques Cousteau stecken sie in blauen Polyester-Overalls und tragen rote Wollmützen. Dokumentiert wird die Expedition von der hochschwangeren Reporterin Jane (Cate Blanchett).
Die zahlreichen Gadgets, die das Forschungsschiff «Belafonte» zu bieten hat, sind nichts im Vergleich zu den unbekannten Spezies, mit denen Wes Anderson die Meere bevölkert – allen voran der verschrobene Steve Zissou.
Sa 1. 10. / So 2. 10. > 16.15 Uhr
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Animal Factory
Steve Buscemi, USA 1999/2000; 94' E/e (Digital HD, Farbe) Mit Willem Dafoe, Edward Furlong, Danny Trejo, Mark Boone Jr., Seymour Cassel, Mickey Rourke, Tom Arnold, John Heard, Steve Buscemi, Edward Bunker
Ohne die Protektion durch den vom Gefängnispersonal wie von den Mitgefangenen respektierten Langzeithäftling («This is my prison. Everybody knows that.») wäre der neu eingelieferte Drogendelinquent verloren. Der einundzwanzigjährige Ron Decker, ein zierlicher Jugendlicher aus gutem Haus, wird wegen Drogenbesitzes sowie kleiner Dealereien zu einer Haftstrafe in St. Quentin verur teilt. Der Gefängnisalltag – tätliche Angriffe und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung – macht ihm zu schaffen; er kennt die Spielregeln nicht, befindet sich, wie er selber sagt, nicht in seinem Element. Doch schon bald nimmt ihn der hartgesottene Sträfling Earl Copen unter die Fittiche, lehrt ihn, dass man in St. Quentin nur mit guten Freunden überleben kann, und versucht ihn von den üblichen Gewalttätigkeiten fernzuhalten. Co pen sitzt schon seit achtzehn Jahren und hat während dieser Zeit seine eigenen Spielregeln aufgestellt. Er verschafft Ron einen besseren Arbeitsplatz, ändert für ihn Berichte und unternimmt alles, damit der exponierte Junge fristgerecht entlassen wird. Doch als Ron nach einem Racheakt zu weiteren fünf Jahren Haft verurteilt wird, arbeitet Copen für sie beide einen ebenso einfachen wie genialen Fluchtplan aus.
Das Leben auf begrenztem Raum hat Steve Buscemi schon bei seinem Regiedebüt Trees Lounge interessiert. In Animal Factory tauscht er den Tresen gegen die Zelle ein und wirft einen nüchternen Blick auf die Verhältnisse in amerikanischen Gefängnissen. Seine Verfilmung von Edward Bunkers autobiografischem Roman ist ein realistisches, um atmosphärisch genaue Schilderung bemühtes Knastdrama voller unverwechselbarer, ex zellent besetzter Charaktere – etwa Edward Furlong als Ron, Mickey Rourke als dessen queerer Zellengenosse, Willem Dafoe als Copen sowie Buscemi selbst in der Rolle des Gefängnisdirektors. Ein eindrücklicher Film mit einem genialen, von monotonen Rhyth men und bizarr-schönen Klängen geprägten Soundtrack von John Lurie.
Mo 3. 10. / Di 4. 10. > 18.00 Uhr
Mi 5. 10. > 20.00 Uhr
Light Sleeper
Paul Schrader, USA 1991/92; 103' E/d (Digital HD, Farbe) Mit Willem Dafoe, Susan Sarandon, Dana Delany, David Clennon, Mary Beth Hurt, Victor Garber, Jane Adams, Paul Jabara, Robert Cicchini, Sam Rockwell
«Das schönste Bild, das Hollywood von Willem Dafoe geschaffen hat, ist die Schlusssequenz von Light Sleeper: Als ehemaliger Drogendealer sitzt er im Gefängnis seiner Chefin Susan Sarandon gegenüber, zum Abschied küsst er ihre Hand, schliesst im Kuss seine Augen …» (Veronika Rall)
Der Exjunkie John LeTour, der sich in seiner Haut nicht wirklich wohlzufühlen scheint, arbeitet als Kurier für die ebenso schöne wie empathische Ann, die ihre New Yorker
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Luxuskundschaft seit Jahren diskret mit Stoff versorgt. Weil Ann plant, sich aus dem Drogengeschäft zurückzuziehen und stattdessen in die Kosmetikbranche zu wechseln, gerät John in eine schwere Lebenskrise. Als er eines Tages zufällig seine frühere Geliebte Marianne wiedersieht, beginnt in ihm die Hoffnung auf einen Neuanfang mit der Liebe seines Lebens zu keimen, und er unternimmt alles, um sie zurückzugewinnen. Doch nachdem er Marianne überraschend im Penthouse eines Kunden angetroffen hat, über schlagen sich die Ereignisse, und es kommt zu einer gnadenlosen Abrechnung im Milieu.
Light Sleeper ist ein spiritueller Psychothriller, der einmal mehr um die zentralen Themen des Taxi Driver-Drehbuchautors Paul Schrader – Sünde, Erlösung, Gnade – kreist. Bedächtig entwickelt der Regisseur seine Geschichte über einen Aussenseiter, der ver geblich hofft, mit seiner verflossenen Liebe ein neues Leben anfangen zu können, und der als verlorener Held so verzweifelt ist, dass er sich schliesslich erleichtert inhaftieren lässt. Ein atmosphärisch dichter Film, der wesentlich von der hervorragenden Kamera führung (Edward Lachman), der sorgfältigen Farbregie sowie Schraders Menschlichkeit geprägt ist.
Mo 3. 10. / Di 4. 10. > 20.00 Uhr
Mi 5. 10. > 18.00 Uhr
Mississippi Burning
Alan Parker, USA 1988; 126' E/df (35 mm, Farbe) Mit Gene Hackman, Willem Dafoe, Frances McDormand, Brad Dourif, R. Lee Ermey, Gailard Sartain, Stephen Tobolowsky, Michael Rooker, Pruitt Taylor Vince, Kevin Dunn
Zwei ungleiche Ermittler werden von einer Hundertschaft von FBI-Agenten unterstützt, als sich Anschläge und Brandschatzungen gegen Farbige häufen und die Leichen dreier Männer gefunden werden.
Auf einer Landstrasse wird das Auto dreier junger Bürgerrechtler gestoppt. Schüsse fallen, die Mörder rasen in ihrem Wagen davon – wieder einmal hat der Ku-Klux-Klan zugeschlagen. Diesmal in Jessup County, Mississippi. Es ist Juni 1964. Die beiden FBIAgenten Anderson (Gene Hackman) und Ward (Willem Dafoe) übernehmen den Fall. Noch ermitteln sie nicht wegen Mordes, noch liegt lediglich eine Vermisstenmeldung vor. Anderson ist ein ehemaliger Mississippi-Sheriff; er kennt die Mentalität der Menschen in dieser Gegend und pflegt einen lässigen Untersuchungsstil. Ward könnte nicht verschie dener sein: ein intellektueller, kühl kalkulierender Typ, Harvard-Absolvent, ohne Kenntnis der Südstaatenrealität. Bei ihren Nachforschungen begegnen ihnen Schwarze wie Weisse mit Misstrauen. Sie stossen auf eine Mauer des Schweigens – aus Angst sowie aus rassistischer Verblendung. Besonders der Sheriff des Orts und sein Stellvertreter gehen auf Distanz, verbitten sich jede Einmischung des FBI in ihre Angelegenheiten. Doch so leicht sind Anderson und Ward nicht zu stoppen. Ausserdem findet der volksnahe An derson schon bald einen Weg, Kontakt zur Frau (Frances McDormand) des Deputy zu knüpfen. Als sich die Ereignisse zuspitzen, wird immer klarer, dass Jessups Mächtige in die mörderischen Aktivitäten des KKK verstrickt sind.
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To Live and Die in L. A.
eXistenZ
Mississippi Burning
Light SleeperAnimal Factory
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Alan Parker hat den historischen Fall zu einem glänzend besetzten, hochdramati schen Spielfilm gemacht, der neben stimmigen Details auch eine präzise Zeichnung des Rassismus, seiner Wurzeln und seiner Begleiterscheinungen liefert. Ein eindrückliches Stück Kino.
Do 6. 10. / Fr 7. 10. > 18.00 Uhr
Sa 8. 10. > 18.30 Uhr
So 9. 10. > 20.45 Uhr
To Live and Die in L. A.
William Friedkin, USA 1985; 116' E/df (35 mm, Farbe) Mit William L. Petersen, Willem Dafoe, John Pankow, Debra Feuer, John Turturro, Darlanne Fluegel, Dean Stockwell, Steve James, Robert Downey Sr., Michael Greene
Ein Film, der sich von Doppelungen und Spiegelfiguren irritieren lässt, die von Willem Dafoes genialischem Falschgeld-Künstler auszustrahlen scheinen «und darin eine geheime Komplizenschaft von Bösewicht und Regisseur offenbaren». (N. P.)
Der erfahrene Geheimdienstagent Jim Hart ist Geldfälschern auf der Spur. Als er zwei Tage vor seiner Pensionierung von diesen erschossen wird, schwört sein Arbeitskollege und bester Freund Richard Chance (William L. Petersen) Rache. Mit John Vukovich (John Pankow) bekommt Chance einen neuen, noch wenig erfahrenen Partner, mit dem er aber bereits wenige Tage später den angeblichen Geschäftsmann Carl Cody (John Turturro) verhaftet. Dieser hat am Flughafen von San Francisco mit Zwanzig-Dollar-Blüten bezahlt, die aufgrund ihrer perfekten Machart nur das Werk des begnadeten Druckers Eric Mas ters (Willem Dafoe) sein können. Ist Cody einer von dessen Leuten? Um Masters, der einst seine Kunstmalerei zugunsten der Falschgeld-Produktion aufgegeben hatte, in die Falle zu locken, ist dem fanatischen Chance jedes Mittel recht, auch illegale Machen schaften. Sein Rachefeldzug, in dessen Verlauf er zusammen mit Vukovich sogar einen Raubüberfall begeht, artet schliesslich in einen sinnlosen Amoklauf aus.
«William Friedkins perfektionistischer Falschgeld-Thriller taucht ein in die Ästhetik der Achtziger, um ihre Extreme zum Schillern zu bringen. Pathos und Banalität kommen sich im Zwielicht von To Live and Die in L. A. so nahe, dass man sie kaum auseinanderhalten kann.» (Nikolaus Perneczky) Nicht nur die kunstvolle Zerstörung des Mythos vom gesetzestreuen Polizisten erinnert an Friedkins vierzehn Jahre zuvor entstandenes Meis terwerk The French Connection, sondern auch die infernalische Autoverfolgungsjagd, die in beiden Fällen Filmgeschichte geschrieben hat. Ein furios inszenierter, harter und von Robby Müller kongenial fotografierter Copthriller, der unter die Haut geht.
Do 6. 10. / Fr 7. 10. > 20.30 Uhr
Sa 8. 10. > 21.00 Uhr
So 9.10. > 18.30 Uhr
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eXistenZ
David Cronenberg, Kanada/Grossbritannien 1998/99; 97' E/df (35 mm, Farbe)
Mit Jennifer Jason Leigh, Jude Law, Ian Holm, Don McKellar, Willem Dafoe, Callum Keith Rennie, Christopher Eccleston, Robert A. Silverman, Oscar Hsu, Sarah Polley
Brillant gespielter Cyber-Thriller, der die Ästhetik und die virtuellen Welten von Computerspielen ebenso realistisch wie virtuos weiterspinnt.
Die weltweit führende Game-Designerin Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh) stellt vor einer Testgruppe und in Anwesenheit einiger Kaderleute des Hightechunternehmens Antenna Research ihre neuste Entwicklung vor: das Spielsystem «eXistenZ», das sich durch organische Konsolen auszeichnet, die, mittels einer Art Nabelschnur und operativ eingesetzter «Bioports» an der Wirbelsäule angeschlossen, direkt das menschliche Ner vensystem anzapfen und die Gamenden in eine virtuelle Welt versetzen, die entschei dend von ihnen selbst geprägt ist. Als während der Präsentation ein fanatischer AntieXistenZialist mit einer selbst gebauten Waffe auf die Spieleentwicklerin schiesst und dabei das Game-Pod-Unikat beschädigt, nimmt sich der kurzerhand zu ihrem Leibwäch ter erkorene Marketing-Assistent Ted Pikul (Jude Law) der an der Schulter verletzten Allegra an. Im Land Rover fliehen die beiden in die Berge, dann – nachdem Ted von einem zwielichtigen Tankwart (Willem Dafoe) unter denkbar ungünstigen Bedingungen ein Bio port eingesetzt worden ist – in ihr Spiel, um herauszufinden, ob es überhaupt noch funktioniert. Doch im rettenden Kosmos ihrer Schöpfung lassen sich virtuelle Welt und Realität schon bald nicht mehr auseinanderhalten.
eXistenZ ist eine von David Cronenbergs legendären Kopfgeburten, ein wilder Ritt in die vom Organischen befeuerten Horrorwelten des Regisseurs, in denen für einmal ein auf biologischer Basis funktionierendes Computergame die Hauptrolle spielt. Auch wenn es Cronenberg mit seiner Faszination für (eklige) Biomasse bisweilen übertreibt, über zeugt eXistenZ als brillant gespielter, schwarzhumoriger Cyber-Thriller. Lasst euch ein auf dieses Spiel, das man spielen muss, um überhaupt zu wissen, warum man es spielt.
Fr 7. 10. > 22.45 Uhr
Sa 8. 10. > 23.15 Uhr
Pasolini
Abel Ferrara, Frankreich/Italien/Belgien 2014; 84' E•I•F/e (Digital HD, Farbe)
Mit Willem Dafoe, Riccardo Scamarcio, Ninetto Davoli, Valerio Mastandrea, Maria de Medeiros, Adriana Asti, Francesco Siciliano, Andrea Bosca, Giada Colagrande, Damiano Tamilia
Ferraras Biopic ist ein stilles Verneigen vor einem grossen Vorbild und Seelenverwandten sowie ein sorgfältiges Wiederauflebenlassen der Stimmungen kurz vor Pasolinis Tod.
Abel Ferrara begleitet den grossen Dichter und Filmemacher im Rom des Jahres 1975 durch die letzten Stunden seines Lebens: Die Dreharbeiten zu Salò o le 120 giornate di Sodoma sind abgeschlossen, und Pasolini (ein interessant ermatteter Willem Dafoe) arbeitet an einem neuen Filmprojekt, von dem ihn seine Mutter und seine Schwester abzuhalten versuchen. Italien sei noch nicht reif für diese Art von Film, glauben sie. Ob sie
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recht hatten, werden wir nie erfahren – Porno-Teo-Kolossal wurde nicht mehr fertigge stellt, und die imaginären Filmausschnitte (mit Ninetto Davoli in der Hauptrolle) entsprin gen einzig Ferraras Fantasie. Abends dann verlässt Pasolini das Haus seiner Mutter, bei der er bis an sein Lebensende wohnte, und sucht Pino auf, den Strichjungen, der für den Mord am Regisseur verurteilt wurde. Die beiden gehen essen und fahren an den Strand, an dem Pier Paolo Pasolinis Leben sein tragisches Ende fand. Pasolini ist ein aussergewöhnlich ruhiger Ferrara-Film. Und wie in Welcome to New York geht es Ferrara auch hier nicht um eine möglichst exakte biografische Rekonstruktion oder um eine weitere politische Aufarbeitung eines noch immer nicht restlos geklärten Todesfalls – die konkreten Umstände von Pasolinis Ermordung interessieren Ferrara nicht. Stattdessen kombiniert er Alltagsbeobachtungen, Szenen aus Pasolinis Filmen sowie Auszüge aus dessen literarischem Werk zu einer dichten Collage. «Leben, Kunst und Tod sind, wie stets bei Ferrara, letztlich ununterscheidbar.» (Arsenal, Berlin)
Sa 8. 10. / So 9. 10. > 16.30 Uhr
Antichrist
Lars von Trier, Dänemark/Deutschland/Frankreich/Schweden/Italien/Polen 2009; 108' E/df (35 mm, s/w und Farbe, Scope) Mit Willem Dafoe, Charlotte Gainsbourg, Storm Acheche Sahlstrøm
Von Trier, der Ausmesser menschlicher Abgründe und abgefahrene Provokateur, zeigt in Antichrist, dass es eine denkbar schlechte Idee ist, in grösstmöglicher Ab geschiedenheit seine eigene Frau zu therapieren. Während des Liebesakts zwischen einer Frau und einem Mann befreit sich ihr gemein sames Kind aus seinem Laufgitter, «klettert auf einen Tisch und steht eine Weile am of fenen Fenster – bevor es hinausfällt, viele Stockwerke tief, und in Zeitlupe unten aufprallt. Was folgt, sind die Trauer, die Selbstvorwürfe der Mutter und die Therapie, die ihr Mann, ein Psychologe, ihr verschreibt. Deren Kernstück ist das Benennen und Bekämpfen der eigenen Ängste.» (Viennale) Deshalb bringt er sie an den Ort, an dem sie sich am meisten fürchtet: in die Holzhütte auf einem abgelegenen Waldstück, genannt «Eden», wo sie den vorigen Sommer zusammen mit dem kleinen Nic verbrachte. Dies erweist sich nicht wirklich als gute Idee, denn empfangen werden die beiden von einer veritablen Drohkulisse aus unheimlichen Tieren, abgestorbenen Bäumen, ominösen Geräuschen, dem gähnenden Eingang eines Fuchsbaus. Laut der Frau ist die Natur die Kirche Satans. Doch Unheil droht nicht von dieser, sondern vielmehr vom Wesen der beiden auf sich selbst zurückgeworfenen und mit der Verarbeitung ihres Verlusts beschäftigten Eltern. Zwar wacht die traumatisierte Frau eines Morgens befreit auf – alle Ängste scheinen von ihr abgefallen – doch kurz darauf manifestiert sich der Horror bei einer Art Rollenspiel umso heftiger. Und als der Mann zufällig entdeckt, warum Nics Füsse missgebildet waren – auf Fotos ist zu sehen, dass er jeweils den rechten Schuh am linken Fuss und umgekehrt trägt –, macht sich seine Frau in ihrer Verzweiflung die grössten Vorwürfe. Aus Angst, von ihrem Mann verlassen zu werden, reagiert sie äusserst heftig und wird zur Furie – mit verheerenden Folgen für beide.
WILLEM DAFOE 15
Pasolini
The Last Temptation of Christ
Antichrist
Go Go Tales
16 WILLEM DAFOE
Was dieses ebenso intensive wie umstrittene Trier’sche Trauer- und Gewaltepos ausmacht, sind dessen bedingungslose Konzentration auf das sich verändernde Macht gefüge zwischen der Frau und dem Mann (Charlotte Gainsbourg und Willem Dafoe ge hen dabei über ihre Grenzen hinaus) sowie die Art und Weise, wie von Trier Schönheit und Grauen im selben Take festzuhalten vermag – bei ihm wird die Natur zum Spiegel der inneren Angstzustände. Trotzdem sind die Bilder von sexueller Pein, körperlicher Verletzung sowie Selbstverstümmelung eine Zumutung, und man ist froh, wenn das Kammerspiel, das sich zum verstörenden Horrortrip entwickelt, nach 108 Minuten zu Ende ist.
Mo 10. 10. / Di 11. 10. > 18.00 Uhr
Mi 12. 10. > 20.00 Uhr
Go Go Tales
Abel Ferrara, Italien/USA 2007; 96' E/f (DCP, Farbe) Mit Willem Dafoe, Bob Hoskins, Roy Dotrice, Sylvia Miles, Matthew Modine, Asia Argento, Riccardo Scamarcio, Stefania Rocca, Bianca Balti
Der charismatische Patron versteht sein Tänzerinnen-Ensemble als Familie, und ihm ist es wichtig, dass sich alle «Familienmitglieder» in seinem Etablissement, das auch als Talentagentur für die Girls dient, wohlfühlen. Eine Lolita entblösst sich gekonnt gehemmt, das Publikum applaudiert frenetisch – und doch täuschen die Betriebsamkeit und die euphorische Stimmung im «Paradise» nicht darüber hinweg, dass der Nachtklub von Impresario Ray Ruby (Willem Dafoe) in massi ven Geldproblemen steckt. Ray, der auch mal eine Gesangsnummer zum Besten gibt, hat seinen Laden zwar im Griff und stets ein Auge darauf, dass keiner seine Girls be tatscht, doch er kann nicht verhindern, dass Lilian Murray (Sylvia Miles), die angejahrte Besitzerin der Liegenschaft, höchstpersönlich vorbeikommt, um die ausstehenden vier Monatsmieten einzufordern und Klubmanager The Baron (Bob Hoskins) lauthals die Schliessung des Striplokals anzudrohen. Unter den Tänzerinnen beginnt sich Unruhe zu verbreiten, da sie schon länger keine Gage mehr erhalten haben. Schliesslich lässt Monroe (Asia Argento), die mit ihrer kombinierten Lap-Dance- und Hundenummer kurz zuvor für Aufsehen gesorgt hat, einen eigentlichen Aufruhr losbrechen. Als auch noch Johnie Ruby (Matthew Modine) auftaucht und verkündet, dass er kein weiteres Geld mehr in die Traumfabrik seines Bruders einschiessen wolle, ist Ray aber keineswegs am Bo den zerstört. Denn weil er und sein Buchhalter seit geraumer Zeit sämtliche Einnahmen in Lottoscheine investiert haben, glaubt er daran, den Jackpot zu knacken. Es stellt sich heraus, dass er tatsächlich das Gewinnerlos gekauft hat – doch ist dieses nirgends aufzufinden.
Nach einigen unglücklichen Projekten gelang Abel Ferrara 2007 mit Go Go Tales einer seiner erstaunlichsten Filme: eine warmherzige, geradezu nostalgische ScrewballKomödie fast ohne Handlung, die komplett in einem Striplokal angesiedelt ist und durch einen exquisiten Cast sowie einen vorzüglichen Soundtrack überzeugt.
Mo 10. 10. / Di 11. 10. > 20.15 Uhr
Mi 12. 10. > 18.00 Uhr
WILLEM DAFOE 17
The Last Temptation of Christ
Martin Scorsese, USA/Kanada 1988; 164' E/df (35 mm, Farbe) Mit Willem Dafoe, Harvey Keitel, Barbara Hershey, Harry Dean Stanton, David Bowie, Verna Bloom, Andre Gregory, Juliette Caton, Roberts Blossom, Irvin Kershner, Gary Basaraba, Victor Argo
Darf man sich den Stifter einer Weltreligion als einen Geplagten vorstellen, der mit dem Schicksal hadert? Scorsese findet: Unbedingt! Und handelt sich mächtig Ärger ein.
«Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gezeltet.» So steht es in der Bibel, im Evangelium des Johannes, Kapitel 1, Vers 14. Mit dem Fleisch gewordenen Wort ist der Gottessohn Jesus Christus gemeint, der Messias, gekreuzigt, gestorben und begra ben, am dritten Tage auferstanden … Die Geschichte ist weithin bekannt. Aber wie mag es wohl im Inneren dieses mythischen Mannes aus Nazareth ausgesehen haben und zugegangen sein? Wie mag er sich gefühlt, was gedacht haben in Bezug auf seinen Auftrag von ganz oben? Zumal der doch eher eine Bürde war, schliesslich verlangte der Boss das Selbstopfer. Und wie soll man sich das überhaupt praktisch vorstellen, dass einer göttlich und menschlich zugleich ist?
Über diese alles andere als trivialen Fragen hat Nikos Kazantzakis einen Roman geschrieben, «Die letzte Versuchung» (1951), den Papst Pius XII . auf den Index der verbotenen Bücher setzte. Und Martin Scorsese, der die Verfilmung des Werks (nach einem Drehbuch Paul Schraders) wagte, wäre vermutlich exkommuniziert worden, wäre er nicht bereits aus der Kirche ausgetreten gewesen. Es war also ein Riesenskandal: eine Wüs tenoper, die im Urschlamm des Religiösen wühlt, wo Ekstase und Chaos und der Horror des Ungefügten herrschen. Ein grosses humanistisches Werk, das auf der Suche nach Regel und Ordnung das Wesen der Transzendenz erfasst: den Versuch der Sinnstiftung. Mittendrin Willem Dafoe, der in der Rolle des Erlösers schwindelfrei auf dem schmalen Grat zwischen Irrsinn und Beseeligung balanciert. «I’m the saint of blasphemy!», ruft er und bringt die Spannung, die ihn zu zerreissen droht, auf den Punkt. Der Nazarener hat die Welt aus den Angeln gehoben, der Schauspieler, der ihm Gestalt verleiht, zeigt, dass es dafür Muskeln braucht. Wort und Fleisch eben. (Alexandra Seitz)
Do 13. 10. > 20.30 Uhr
So 16. 10. > 18.30 Uhr
Shadow of the Vampire
E. Elias Merhige, USA/Grossbritannien/Luxemburg 2000; 98' E/d (Digital HD, Farbe, Scope)
Mit John Malkovich, Willem Dafoe, Udo Kier, Cary Elwes, Catherine McCormack, Eddie Izzard, John Aden Gillet, Nicholas Elliot, Ronan Vibert, Sophie Langevin
Willem Dafoe ist ein eigensinniger, fast schon autistischer Vampir und verdankt Werner Herzogs Nosferatu-Darsteller Klaus Kinski mehr als Max Schreck. Irgendwo im Osten, beim Dreh von Friedrich Wilhelm Murnaus Vampir-Stummfilmklassiker Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens: Es glühen die Augen, die Kurbelkamera und die Obsessionen. Alle warten auf die Ankunft des Hauptdarstellers Max Schreck (Willem Dafoe), den der genialisch irrlichternde Murnau (John Malkovich) vorab mit aller
18 WILLEM DAFOE
lei Geheimnissen umrankt. Schon bald nachdem die grauslich langen Fingernägel Nos feratus zum ersten Mal als Schatten an der Wand vor der Kamera erschienen sind, wird Crew und Publikum klar, dass für die Rolle des Nosferatu kein Schauspieler, sondern ein echter Vampir angeheuert wurde. Dieser willigte in einen Pakt mit dem Regisseur ein, den Mitarbeitenden des Films nicht an die Gurgel zu gehen, wenn er im Gegenzug nach der Schlussszene die schöne Greta (Catherine McCormack) bekommt. Doch der Blut durst des Vampirs will vorher gestillt sein ...
Elias Merhiges liebevoll stilisierte Hommage an Murnaus Meisterwerk führt Zuschau erinnen und Zuschauer direkt in die fantastischen Abgründe der Geschichte und ist zu gleich atmosphärische (Horror-)Vision und wunderbar schwarze Komödie. Willem Dafoe gibt darin den Vampir mit sichtlichem Gusto irgendwo zwischen Mensch, Mythos und fauchender Fledermaus. Shadow of the Vampire zelebriert genüsslich die seltsamen Launen der Legende Murnau, wirft einen ironischen Blick auf das Method-Acting sowie einen kritischen auf die filmischen Realitäten vor und hinter der Kamera und wartet mit parodistischen Elementen auf, die dem Film Witz verleihen, aber keineswegs das Unheimliche nehmen.
Fr 14. 10. > 18.00 Uhr
Sa 15. 10. > 18.30 Uhr
So 16. 10. > 21.30 Uhr
Auto Focus
Paul Schrader, USA 2002; 105' E/d (35 mm, s/w und Farbe) Mit Greg Kinnear, Willem Dafoe, Rita Wilson, Maria Bello, Ron Leibman, Bruce Solomon, Michael E. Rodgers, Kurt Fuller Eine ebenso bissige wie tragikomische Zeit- und Milieustudie über den gesellschaftlichen Aufbruch – und seine Kehrseiten – im Amerika der 60er- und 70er-Jahre. Nichts wünscht sich der populäre Radiomoderator und passionierte Schlagzeuger Bob Crane (Greg Kinnear) mehr, als in der Öffentlichkeit bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Schneller als erwartet erfüllt sich dieser Traum für den harmlosen Mister Nice Guy mit Vorzeigefamilie: Dank der Hauptrolle in der Fernsehserie Hogan’s Heroes wird er 1965 über Nacht zum Star. Doch als Crane John Carpenter (Willem Dafoe) kennen lernt, einen mit den neusten Entwicklungen vertrauten Videotechniker und gerissenen -verkäufer, verändert dies sein Leben. Carpenter führt ihn auf lässige und zugleich servil-abgründige Weise in die Welt der Nachtklubs ein und schleppt ihn zu ersten Sexpartys mit. Schon bald erliegt Crane der permanenten Versuchung, mit immer neuen Frauen nicht nur ins Bett zu gehen, sondern seine Sexabenteuer auch auf Video festzuhalten. Als aus den Sexpartys Orgien werden, verlässt ihn seine Frau zusammen mit den drei gemeinsamen Kindern. Hingegen bleibt die Männerfreundschaft zwischen dem TV-Star und dem bisexuellen «Halbindianer» John Carpenter intakt, solange Crane mit seiner Prominenz die Frauen und Carpenter stets die neuste Videotechnik beschafft. Schliesslich wird der Schauspieler auf Abwegen von seinem Agenten Lenny (Ron Leibman) eindringlich davor gewarnt, mit seinem Lebenswandel seine eigene Karriere zu zerstören. Doch da ist es zu spät, denn Crane hat bereits ein ernsthaftes Imageproblem.
WILLEM DAFOE 19
OKTOBER 202022
DO 29. 9.
18.00 W The Loveless S. 6
K. Bigelow / M. Montgomery, USA 1981/82; 84' E/d
20.00 W Streets of Fire S. 6 W. Hill, USA 1984; 93' E/df
FR 30. 9.
18.00 W Streets of Fire S. 6 W. Hill, USA 1984; 93' E/df
20.00 W The Loveless S. 6
K. Bigelow / M. Montgomery, USA 1981/82; 84' E/d
22.00 W New Rose Hotel S. 7
A. Ferrara, USA 1998; 93' OV
SA 1. 10.
16.15 W The Life Aquatic with Steve Zissou S. 9
W. Anderson, USA 2004; 118' E/d
18.30 W Streets of Fire S. 6 W. Hill, USA 1984; 93' E/df
20.30 W The Loveless S. 6
K. Bigelow / M. Montgomery, USA 1981/82; 84' E/d
22.30 W New Rose Hotel S. 7 A. Ferrara, USA 1998; 93' OV
SO 2. 10.
12.00 D Mi país imaginario S. 36 P. Guzmán, CL/F 2022; 83' SP/df
14.15 Der wilde Planet S. 37 R. Laloux, F/CZ 1973; 72' D
16.15 W The Life Aquatic with Steve Zissou S. 9 W. Anderson, USA 2004; 118' E/d
18.30 W Streets of Fire S. 6 W. Hill, USA 1984; 93' E/df
20.30 W The Loveless S. 6 K. Bigelow / M. Montgomery, USA 1981/82; 84' E/d
MO 3. 10.
18.00 W Animal Factory
S. 10 S. Buscemi, USA 1999/2000; 94' E/e
20.00 W Light Sleeper S. 10 P. Schrader, USA 1991/92; 103' E/d
DI 4. 10.
18.00 W Animal Factory S. 10 S. Buscemi, USA 1999/2000; 94' E/e
20.00 W Light Sleeper S. 10 P. Schrader, USA 1991/92; 103' E/d
MI 5. 10.
14.30 Der wilde Planet
R. Laloux, F/CZ 1973; 72' D
18.00 W Light Sleeper
P. Schrader, USA 1991/92; 103' E/d
DO 6. 10.
18.00 W Mississippi Burning
A. Parker, USA 1988; 126' E/df
S. 11
20.30 W To Live and Die in L. A. S. 13 W. Friedkin, USA 1985; 116' E/df
FR 7. 10.
S. 37
S. 10
20.00 W Animal Factory S. 10 S. Buscemi, USA 1999/2000; 94' E/e
18.00 W Mississippi Burning
S. 11 A. Parker, USA 1988; 126' E/df 20.30 W To Live and Die in L. A. S. 13 W. Friedkin, USA 1985; 116' E/df
22.45 W eXistenZ S. 14 D. Cronenberg, CDN/GB 1998/99; 97' E/df
SA 8. 10.
16.30 W Pasolini
S. 14 A. Ferrara, F/I/BE 2014; 84' E•I•F/e
18.30 W Mississippi Burning S. 11 A. Parker, USA 1988; 126' E/df
21.00 W To Live and Die in L. A. S. 13 W. Friedkin, USA 1985; 116' E/df 23.15 W eXistenZ S. 14 D. Cronenberg, CDN/GB 1998/99; 97' E/df
SO 9. 10.
12.00 D Mi país imaginario
S. 36 P. Guzmán, CL/F 2022; 83' SP/df
14.15 Der wilde Planet S. 37 R. Laloux, F/CZ 1973; 72' D
16.30 W Pasolini S. 14 A. Ferrara, F/I/BE 2014; 84' E•I•F/e
18.30 W To Live and Die in L. A. S. 13 W. Friedkin, USA 1985; 116' E/df 20.45 W Mississippi Burning S. 11 A. Parker, USA 1988; 126' E/df
MO 10. 10.
18.00 W Antichrist S. 15 L. von Trier, DK/D/F/SE/I/PL 2009; 108' E/df 20.15 W Go Go Tales S. 17 A. Ferrara, I/USA 2007; 96' E/f
DI 11. 10.
18.00 W Antichrist S. 15 L. von Trier, DK/D/F/SE/I/PL 2009; 108' E/df 20.15 W Go Go Tales S. 17 A. Ferrara, I/USA 2007; 96' E/f
MI 12. 10.
14.30
Der wilde Planet S. 37 R. Laloux, F/CZ 1973; 72' D
18.00 W Go Go Tales S. 17 A. Ferrara, I/USA 2007; 96' E/f 20.00 W Antichrist S. 15 L. von Trier, DK/D/F/SE/I/PL 2009; 108' E/df
DO 13. 10.
18.30 Z Wohin steuert Fantoche, das internationale Festival für Animationsfilm? S. 35
> Mit Ivana Kvesi ć; Moderation: Jane Mumford
20.30 W The Last Temptation of Christ S. 18 M. Scorsese, USA/CDN 1988; 164' E/df
FR 14. 10.
18.00 W Shadow of the Vampire S. 18 E. Elias Merhige, USA/GB/LU 2000; 98' E/d
20.00 W Auto Focus S. 19 P. Schrader, USA 2002; 105' E/d
22.00 W The Boondock Saints S. 23 T. Duffy, USA 1999; 108' E/d
SA 15. 10.
16.15 W At Eternity’s Gate
S. 24
J. Schnabel, USA/GB/CH/IE/F 2018; 111' E•F/d(f)
18.30 W Shadow of the Vampire S. 18 E. Elias Merhige, USA/GB/LU 2000; 98' E/d
20.30 W Auto Focus S. 19 P. Schrader, USA 2002; 105' E/d
22.30 W The Boondock Saints S. 23 T. Duffy, USA 1999; 108' E/d
SO 16. 10.
12.00 D Mi país imaginario S. 36 P. Guzmán, CL/F 2022; 83' SP/df
14.15 Der wilde Planet S. 37 R. Laloux, F/CZ 1973; 72' D
16.15 W At Eternity’s Gate S. 24
J. Schnabel, USA/GB/CH/IE/F 2018; 111' E•F/d(f)
18.30 W The Last Temptation of Christ S. 18 M. Scorsese, USA/CDN 1988; 164' E/df
21.30 W Shadow of the Vampire S. 18 E. Elias Merhige, USA/GB/LU 2000; 98' E/d
MO 17. 10.
18.00 W My Son, My Son, What Have Ye Done? S. 25 W. Herzog, USA/DE 2009; 91' E/d
20.00 W The Lighthouse S. 25 R. Eggers, USA/GB/BR 2019; 109' E/df
DI 18. 10.
18.00 W My Son, My Son, What Have Ye Done? S. 25 W. Herzog, USA/DE 2009; 91' E/d
20.00 W The Lighthouse S. 25 R. Eggers, USA/GB/BR 2019; 109' E/df
MI 19. 10.
14.30 Der wilde Planet S. 37 R. Laloux, F/CZ 1973; 72' D
18.00 W The Lighthouse
S. 25 R. Eggers, USA/GB/BR 2019; 109' E/df
20.15 W My Son, My Son, What Have Ye Done? S. 25 W. Herzog, USA/DE 2009; 91' E/d
DO 20. 10.
18.00 W The Florida Project
S. 27 S. Baker, USA 2017; 111' E/df
20.15 W The Hunter S. 28 D. Nettheim, AU 2011; 102' E/d
FR 21. 10.
18.00 W The Florida Project S. 27 S. Baker, USA 2017; 111' E/df
20.15 W The Hunter S. 28 D. Nettheim, AU 2011; 102' E/d
22.15 W Anamorph
S. 29 H. Miller, USA 2007; 99' E/d
SA 22. 10.
16.15 W Tommaso
S. 31 A. Ferrara, I/USA/GR 2019; 115' E•I/d
18.30 W The Hunter S. 28 D. Nettheim, AU 2011; 102' E/d 20.30 W The Florida Project S. 27 S. Baker, USA 2017; 111' E/df 22.45 W Anamorph S. 29 H. Miller, USA 2007; 99' E/d
SO 23. 10.
12.00 D Mi país imaginario
S. 36 P. Guzmán, CL/F 2022; 83' SP/df
14.15 Der wilde Planet S. 37 R. Laloux, F/CZ 1973; 72' D 16.30 L Heaven’s Gate S. 34 M. Cimino, USA 1980; 217' E/d 20.45 W Tommaso S. 31 A. Ferrara, I/USA/GR 2019; 115' E•I/d
MO 24. 10.
18.00 W Siberia
S. 31 A. Ferrara, I/D/MX 2019; 92' E•OV/df 20.00 W The Card Counter S. 32 P. Schrader, USA/GB/SE 2021; 112' E/d
DI 25. 10.
18.00 W Siberia
S. 31 A. Ferrara, I/D/MX 2019; 92' E•OV/df 20.00 W The Card Counter S. 32 P. Schrader, USA/GB/SE 2021; 112' E/d
MI 26. 10.
14.30 Der wilde Planet S. 37 R. Laloux, F/CZ 1973; 72' D
18.00 W The Card Counter S. 32 P. Schrader, USA/GB/SE 2021; 112' E/d
20.15 W Siberia S. 31 A. Ferrara, I/D/MX 2019; 92' E•OV/df
W WILLEM DAFOE
Z ZÜRCHER FILMTALK
L RICHTIG LANG
D DOKFILM AM SONNTAG
KINDERKINO
MONATSÜBERSICHT 21 VERANSTALTUNG MIT GÄSTEN
Auto Focus
Shadow of the Vampire
The Boondock Saints
22 WILLEM DAFOE
Die lange geheim gehaltene Sexsucht des beliebten Schauspielers dient als Aus gangspunkt für eine furiose Filmbiografie, die auf dem Buch «The Murder of Bob Crane» von Robert Graysmith beruht. «Das tragende Element in Auto Focus ist (…) die kompli zierte Beziehung zwischen dem Star Crane und dem Techniker Carpenter. Diese Freund schaft, die länger und besser als Cranes Ehen hält, ist so komplex, dass man noch tagelang darüber nachgrübeln kann, wer hier von wem abhängig war, wer wen bewun derte, wer einen schlechten Einfluss auf den anderen hatte, wer wen ausnützte und hin terging.» (Michael Haberlander) Ein äusserst faszinierender Film.
Fr 14. 10. > 20.00 Uhr
Sa 15. 10. > 20.30 Uhr
The Boondock Saints
Troy Duffy, USA 1999; 108' E/d (Digital HD, s/w und Farbe, Scope) Mit Willem Dafoe, Sean Patrick Flanery, Norman Reedus, David Della Rocco, Billy Connolly, Bob Marley, Brian Mahoney, David Ferry, Carlo Rota, Gerard Parkes
Zwei Killer, die in vermeintlich göttlicher Mission Selbstjustiz üben, bekommen es mit einem queeren FBI-Agenten zu tun, der nicht nur seinen homophoben Polizeistab das Fürchten lehrt.
Die beiden irischen Brüder Connor (Sean Patrick Flanery) und Murphy MacManus (Nor man Reedus) stehen gerade in ihrer Bostoner Lieblingsbar am Tresen, als der Wirt ver kündet, dass die Russenmafia seinen brummenden Laden dichtmachen will. Kurz darauf betreten drei tumbe Schläger den Laden, um genau dies zu tun. Was ihnen aber gar nicht gut bekommt. Denn die Brüder nehmen diesen Überfall – insbesondere am Saint Patrick’s Day – zum Anlass für einen religiös motivierten, blutigen Rachefeldzug gegen das orga nisierte Verbrechen. Die russischen Eindringlinge sind dabei ihre ersten Opfer. Auftritt des schwulen Agent Smecker (Willem Dafoe), der als FBI -Ermittler in Stiefeletten und schickem Massanzug ziemlich affektiert wirkt, wozu seine extravaganten Aufklärungsmethoden bestens passen. Er kommt den zwei Brüdern bald auf die Schliche, hegt aber insgeheim Sympathien für sie, weil sie als Vollstrecker genau das umsetzen – und zwar mit dem Segen der Kirche und von Teilen der Bevölkerung –, was er auch tun würde, wenn er nicht den Umweg über die Justiz nehmen müsste. Nachdem sich die MacManusBrüder mit einem zünftigen Waffenarsenal eingedeckt haben, nimmt ihr gnadenloser Kreuzzug durch die Bostoner Unterwelt so richtig Fahrt auf: eine Mission, die so mancher Gangster nicht überlebt.
Troy Duffy steuerte zu seinem beachtlichen Regie- und Drehbuchdebüt auch einen Teil des Soundtracks bei. Entstanden ist ein kontroverser, etwas unentschlossen zwi schen Parodie und bitterem Ernst hin- und herpendelnder Streifen, der es trotz durchzo genen Kritiken als Video zum Kultfilm gebracht hat – vor allem wegen Willem Dafoes Rolle als Paradiesvogel und Liebhaber der grossen Gesten. Sowie von Opernarien.
Fr 14. 10. > 22.00 Uhr
Sa 15. 10. > 22.30 Uhr
WILLEM DAFOE 23
At Eternity’s Gate
Julian Schnabel, USA/Grossbritannien/Schweiz/Irland/Frankreich 2018; 111' E•F/d(f) (DCP, s/w und Farbe, Scope) Mit Willem Dafoe, Oscar Isaac, Rupert Friend, Emmanuelle Seigner, Stella Schnabel, Mads Mikkelsen, Mathieu Amalric, Niels Arestrup, Anne Consigny, Amira Casar, Vincent Perez
Noch ein Film über das tragische Leben van Goghs? In diesem bildgewaltigen und grandios gespielten Meisterwerk findet Julian Schnabel einen gänzlich eigenen Zugang zum legendären Maler.
«At Eternity’s Gate (…) verfolgt ein ähnliches Ziel wie Maurice Pialats Van Gogh (1991): keine unnötige Dramatik, keine Effekthascherei, sondern einfach ein intimes Porträt eines sensiblen, gequälten Genies, das zu einer Zeit an Depressionen litt, in der man dafür menschenunwürdigen Behandlungen unterzogen wurde. Doch während Pialat einen radikalen Bruch mit dem herkömmlichen Van-Gogh-Kanon anstrebte und sich entspre chend auch von seinem künstlerischen Schaffen zu distanzieren versuchte, ist die Kunst für Julian Schnabel zentral. Der Regisseur von Basquiat (1996 ) und Le scaphandre et le papillon (2007 ) ist selbst ein international gefeierter Maler, und ihm liegt offensichtlich viel daran, diesem Aspekt von van Goghs Leben gerecht zu werden. Zu diesem Zweck verleihen Schnabel und Kameramann Benoît Delhomme ihrem Film eine ungewöhnliche, hochgradig subjektive Ästhetik: Die satten, streckenweise sogar übersättigten Far ben widerspiegeln die sprichwörtliche farbliche Intensität von van Goghs berühmtesten Werken, die gewissen Medizinern zufolge das Resultat einer von Medikamenten verur sachten Wahrnehmungsveränderung war. Auch lässt die (Hand-)Kamera [deren Bewe gungen die quasi filmische Entsprechung zu den schnellen Pinselstrichen des Malers liefern] kaum je von Schnabels van Gogh – dem schlichtweg brillant aufspielenden Willem Dafoe – ab. (…)
At Eternity’s Gate mag von den letzten zwei Jahren in van Goghs Leben handeln, ist aber in vielerlei Hinsicht ein Anti-Biopic – voll von kleinen, scheinbar unwichtigen Momenten, biografischen Lücken und introspektiven Off-Monologen.» (Alan Mattli) Julian Schnabel vermeidet auch die bekannten Klischees – nicht einmal das Abschneiden des Ohrs zeigt er dem Publikum. Stattdessen findet er Bilder für die These, dass van Gogh nicht Selbstmord beging. «Willem Dafoe spielt den Maler (…) mit einer solch fesselnden Mischung aus Empfindsamkeit, Erleuchtung und wahnhaftem Trotz, dass man die Augen kaum abwenden kann.» (Barbara Schweizerhof)
Sa 15. 10. / So 16. 10. > 16.15 Uhr
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My Son, My Son, What Have Ye Done?
Werner Herzog, USA/Deutschland 2009; 91' E/d (Digital HD, Farbe) Mit Michael Shannon, Willem Dafoe, Chloë Sevigny, Udo Kier, Michael Peña, Grace Zabriskie, Brad Dourif, Irma P. Hall, Loretta Devine, Candice Coke
Eine höchst eigenwillige «Bearbeitung» des altgriechischen Dramas «Elektra», das Pate stand für Film wie Titel. Überlagert wird es von einem realen Muttermord aus den Kriminalakten von 1979.
In einem Vorort von San Diego ermordet der irrlichternde Brad Macallam (Michael Shannon) seine Mutter (Grace Zabriskie) mit einem Schwert und verschanzt sich dann in ihrem Haus. Dies, nachdem er wegen seiner Undiszipliniertheit aus einem Laientheaterprojekt, in dem er den Muttermörder Orestes geben sollte, ausgeschieden ist. Während das Haus, in dem sich angeblich auch zwei Geiseln befinden sollen, von einem Gross aufgebot der Polizei belagert wird, rekonstruiert Detective Havenhurst (Willem Dafoe) zusammen mit der Verlobten des Mörders (Chloë Sevigny), die ausführlich von dessen Wesensveränderung berichtet, dem Theaterregisseur (Udo Kier), der die Herkunft des Schwerts klärt, sowie mit zwei beteiligten Nachbarinnen, was Macallam zur Tat getrieben haben könnte. Hat er seine Rolle als Orestes etwa schlicht zu ernst genommen? Ausgehend von diesen Gesprächen lotet der Film mit schrägen bis bizarren Details die schizophrene Welt eines talentierten jungen Mannes aus, der sich – einmal aus der Bahn geworfen – zunehmend im Wahn verliert.
My Son, My Son, What Have Ye Done? wird von einem bestens gelaunten Schau spielerinnen- und Schauspielerensemble getragen (allen voran der grossartige Michael Shannon und ein tiefenentspannter Willem Dafoe), das die Tragödie zu einem flirrenden Thriller macht, dem es nicht an Situationskomik fehlt. «Werner Herzog, der deutsche Regie-Solitär, lebt schon seit einiger Zeit in Los Angeles. Das ist nicht nur deshalb gut, weil er dort die ‹Rogue Film School› betreibt (…). Für das Kino ist es auch deshalb von Vorteil, weil Herzog nun US -Genrefilme dreht, die wie Werner-Herzog-Filme aussehen.» (Dominik Kamalzadeh) Produziert hat David Lynch, und auch sonst ist Herzogs Erkun dungstour ins Herz einer menschlichen Finsternis mit manchen Lynch’schen Skurrilitäten angereichert.
Mo 17. 10. / Di 18. 10. > 18.00 Uhr
Mi 19. 10. > 20.15 Uhr
The Lighthouse
Robert Eggers, USA/Grossbritannien/Brasilien 2019; 109' E/df (DCP, s/w) Mit Willem Dafoe, Robert Pattinson, Valeriia Karaman, Logan Hawkes
Unheimlich oder unheimlich komisch? In The Lighthouse treiben sich Willem Dafoe und Robert Pattinson als Leuchtturmwärter gegenseitig in den Wahnsinn.
Eine Leuchtturm-Aussenstation auf einer unbewohnten Insel vor der Küste Neuenglands wird zum Schauplatz eines archaischen, ja bizarren Kräftemessens. Hier treten der bär beissige Seebär Thomas Wake und sein ebenso unerfahrener wie unberechenbarer
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The Florida Project
The Lighthouse
My Son, My Son, What Have Ye Done?
At Eternity’s Gate
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Gehilfe Ephraim Winslow ihre vierwöchige Schicht als Leuchtturmwärter an, während der sie den Betrieb der maroden Anlage sicherzustellen und die Gebäude in Schuss zu halten haben. Obwohl sie sich eigentlich abwechseln müssten, besteht der herrische Wake darauf, dass nur er das nächtliche Leuchtfeuer oben im Turm überwacht – eine Aufgabe von existenzieller Bedeutung im zu Ende gehenden 19. Jahrhundert. In der Folge verdonnert Wake den wortkargen Winslow dazu, sich tagsüber mit Drecksarbeit ab zurackern, während er selbst den Schlaf des Gerechten schläft. Und löst damit einen zunehmend erbittert geführten Machtkampf zweier verlorener Seelen am Rande des Wahnsinns aus, die mit ihrer (sexuellen) Einsamkeit sowie mit den Dämonen ihrer Ver gangenheit konfrontiert sind. Als die vier Wochen schliesslich um sind, verhindert ein gewaltiger Sturm die vorgesehene Ablösung. Das Essen wird knapp, doch Wake hat noch Schnaps gebunkert – und so beginnen sich die Männer während ihrer immer übleren Besäufnisse gegenseitig an die Gurgel zu gehen.
«Wie Eggers und sein Kameramann Jarin Blaschke den ausbrechenden Wahnsinn in Szene setzen, in fein nuanciertem Schwarzweiss [und gedreht in einem fast quadratischen Bildformat] samt Spuk und Sturm und Meerjungfrauen, ist in jedem Detail so amüsant wie überraschend. Willem Dafoe und Robert Pattinson als sich in wundersam antiquiertem Jargon ankeifendes ‹odd couple› sorgen zudem dafür, dass zum Schrecken noch der Witz hinzukommt.» (Barbara Schweizerhof) Ein Cocktail aus Fusel, Sturmflut und Testosteron, der zusammen mit seiner atmosphärisch-verstörenden Ästhetik ein finsteres, ironisches Schauermärchen ergibt.
Mo 17. 10. / Di 18. 10. > 20.00 Uhr
Mi 19. 10. > 18.00 Uhr
The Florida Project
Sean Baker, USA 2017; 111' E/df (DCP, Farbe, Scope) Mit Bria Vinaite, Willem Dafoe, Mela Murder, Brooklynn Prince, Valeria Cotto, Christopher Rivera, Aiden Malik, Josie Olivo, Edward Pagan, Patti Wiley
Baker schafft es, kindliche Wahrnehmung und Erwachsenenwelt in einem ständigen leichten Reibungsverhältnis zueinander zu zeigen – bis schliesslich die Hitze zu gross wird.
Orlando, Florida: Die ebenso aufgeweckte wie wilde sechsjährige Moonee (Brooklynn Prince) steckt voller Abenteuerlust und hat Energie für zwei. Sie lebt unweit von Disney World in einem der billigen Motels mit vielversprechendem Namen, die von zahlreichen gestrandeten, zumeist vaterlosen (Klein-)Familien bewohnt werden. In der grellen Bon bonfarbigkeit dieser Retortenwelt zieht sie zusammen mit ihren Freundinnen und Freun den Jancey, Scooty und Dicky um die Häuser und führt viel Unsinn im Schild, bespuckt Autos, wirft Fenster ein, zündelt herum oder sabotiert die Stromzufuhr des purpurfarbe nen «Magic Castle», in dem sie zusammen mit ihrer jungen, unangepassten Mom Halley (Bria Vinaite) lebt. Dass diese ihren Job verloren hat und nun kaum mehr weiss, wie sie die wöchentlich fällige Zimmermiete bezahlen soll, bekommt ihre temperamentvolle Toch ter nur am Rande mit – etwa wenn einer der Kunden, die Halley ab und zu in ihrem Mo
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telzimmer bedient, zufälligerweise das Bad betritt, wo Moonee gerade in der Wanne sitzt. Oder wenn Mutter und Tochter auf der Strasse zusammen (geklaute) Parfums verkaufen. Doch bei allem sozialen Elend ist Halley meistens gut drauf und lebt ihrer Tochter eine freche Selbstsicherheit vor. Der strenge Motelmanager Bobby (herausragend: Willem Dafoe), der das Herz auf dem rechten Fleck hat, achtet auf Halley und Moonee und hält auch zu den beiden, wenn sie es wieder einmal übertrieben haben. Doch als Halley wie eine Furie auf ihre beste Freundin und Vertraute Ashley losgeht, kann sie auch Bobby nicht vor den Konsequenzen bewahren …
Mit The Florida Project ist dem amerikanischen Indie-Regisseur Sean Baker das grandiose Porträt einer Subkultur am Rand der amerikanischen Gesellschaft gelungen. Dass das Schauspielerinnen- und Schauspielerensemble neben Willem Dafoe haupt sächlich aus Laien besteht, verleiht der schillernden Sozialstudie zusätzliche Authentizität. Ein unkonventioneller Film, der eine Scheinwelt thematisiert, ohne deren Verlockungen anzuklagen noch deren Verlogenheit auszublenden.
Do 20. 10. / Fr 21. 10. > 18.00 Uhr
Sa 22. 10. > 20.30 Uhr
The Hunter
Daniel Nettheim, Australien 2011; 102' E/d (Digital HD, Farbe, Scope) Mit Willem Dafoe, Frances O’Connor, Sam Neill, Morgana Davies, Finn Woodlock, Jacek Koman, Callan Mulvey, John Brumpton, Dan Wyllie, Sullivan Stapleton
Grosses Solo für Willem Dafoe, der hier vom Jäger zum Gejagten wird, während sich der Abenteuerfilm zunehmend in Richtung eines melancholischen Familiendramas entwickelt.
Der Profijäger Martin David soll für das dubiose Biotechnologieunternehmen Red Leaf den womöglich letzten Tasmanischen Tiger Australiens aufspüren, um dessen DNA für seinen Auftraggeber zu sichern. Denn die vermeintlich ausgestorbene Tierart – es gibt zwei bestätigte, aber geheim gehaltene Sichtungen – verfügt über ein besonderes Gift, mit dem sie ihre Beute lähmt. Und hinter dem nicht nur Red Leaf her ist. Als der wort karge, einzelgängerische Jäger die einfache, aber für seine Streifzüge ideal gelegene Unterkunft bei der Familie Armstrong bezieht, trifft er auf eine seit dem spurlosen Ver schwinden ihres Mannes mit Medikamenten sedierte Mutter und ihre halbwüchsigen, mehr oder weniger auf sich allein gestellten beiden Kinder. Und macht im Gasthaus Bekanntschaft mit der Feindseligkeit der lokalen Holzfäller. David lässt sich nicht beein drucken und gibt sich, um unbehelligt arbeiten zu können, als Wissenschaftler aus, der für seine Universität über den weitverbreiteten Tasmanischen Teufel forscht. Während seiner zahlreichen mehrtägigen Aufenthalte in der Wildnis der tasmanischen Berge stellt er mit grosser Sorgfalt seine Fallen und sammelt Hinweise auf ein möglicherweise noch lebendes Exemplar des legendären Beutelräubers. Um nach den einsamen Streifzügen jeweils in sein «Basislager» zurückzukehren, seine Suche minutiös zu dokumentieren sowie Daten auszuwerten. Und sich um Lucy, die Mutter von Katy und Jamie, zu kümmern. Bald beginnt er sich behutsam in den Familienalltag der Armstrongs einzubringen. Denn
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hinter seiner stoischen Fassade verbirgt sich ein verletzliches und einsames Wesen, ähnlich der Kreatur, die er jagt. Doch dann gerät David zunehmend zwischen die Fronten von Ökoaktivisten und Holzfällern und realisiert, dass er im immer klarer eingrenzbaren Habitat des Tasmanischen Tigers nicht allein ist …
Vor spektakulärer, bildgewaltig in Szene gesetzter Naturkulisse stellt Willem Dafoe unter Beweis, dass er problemlos einen Film tragen kann, selbst wenn seine Rolle nur knappe Dialoge vorsieht. «Als Fallensteller ganz auf sich gestellt, scheint er mit der tas manischen Wildnis förmlich zu verschmelzen.» (Berlinale) Ein facettenreicher, mitreissen der und schmählich unterschätzter Film, der eindrücklich das gebrochene Verhältnis von Mensch und Natur thematisiert. Endlich auf der grossen Leinwand.
Do 20. 10. / Fr 21. 10. > 20.15 Uhr
Sa 22. 10. > 18.30 Uhr
Anamorph
Henry Miller, USA 2007; 99' E/d (Digital HD, s/w und Farbe, Scope) Mit Willem Dafoe, Scott Speedman, James Rebhorn, Peter Stormare, Clea DuVall, Don Harvey, Amy Carlson, Yul Vazquez, Samantha MacIvor, Debbie Harry
Anamorphose: Kunsttechnik, bei der sich der Inhalt eines Bildes beziwhungsweise einer Installation nur von einem bestimmten Blickwinkel aus betrachten lässt oder mithilfe eines Spiegels oder Prismensystems erschliesst.
Der kurz vor der Rente noch zum Detective First Grade beförderte Stan Aubray (Willem Dafoe), ein einzelgängerischer und desillusionierter Polizeiermittler, soll zusammen mit dem jüngeren Kollegen Carl Uffner (Scott Speedman) eine bizarre Mordserie aufklären, die fatal an jenen Täter erinnert, den Aubray fünf Jahre zuvor zur Strecke brachte und von dessen bestialischer Vorgehensweise er noch immer traumatisiert ist. Der damalige Se rienkiller setzte seine Opfer aufwendig als Teil makaber-spektakulärer Kunstinstallationen in Szene, die in der Regel versteckte Botschaften enthielten, für deren Entschlüsselung Kenntnisse der Anamorphose erforderlich waren. Sind die kürzlich wieder aufgenomme nen Ritualmorde das Werk eines Nachahmungstäters, oder hat Aubray vor fünf Jahren den Falschen erschossen? Blair Collet (Peter Stormare), sein verschrobener Galeristen freund und einziger Vertrauter, ist sich sicher, dass es sich um denselben Typ handelt. Als der ebenso mysteriöse wie abartig-geniale Mörder mit dem absoluten Kunstwillen Aubray mehr und mehr in seine grässlichen Installationen miteinbezieht und klar wird, dass der zwanghafte Detective selbst der Gegenstand von dessen Besessenheit ist, wird die Vermutung zur Gewissheit.
Henry Miller ist mit Anamorph ein düsterer, atmosphärisch dichter Psychothriller gelungen, der mit einer grandiosen Ausstattung sowie einer für das Genre ungewöhnlich zurückhaltenden Inszenierung aufwartet. Ein sehr eigenständiger, ganz und gar aussergewöhnlicher Film.
Fr 21. 10. > 22.15 Uhr
Sa 22. 10. > 22.45 Uhr
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Anamorph
The Hunter
Siberia
The Card Counter
Tommaso
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Tommaso
ERSTAUFFÜHRUNG: Ein filmisches Selbstporträt oder doch ein fiktiver Film über einen Filmregisseur? Ganz sicher kann man sich bei Tommaso nicht sein, auch wenn vieles in der Ausgestaltung der Titelrolle an Abel Ferrara und dessen (einstige) Dämonen erinnert.
Tommaso ist ein Amerikaner in Rom, der mit seiner viel jüngeren Partnerin Nikki und der gemeinsamen dreijährigen Tochter ein grosszügiges Apartment bewohnt. Das mit dem Familienvaterdasein hatte sich der Filmregisseur aber irgendwie anders vorgestellt –harmonischer, befriedigender, leichter. Tommaso, der stets nur den Ausnahmezustand kannte, wollte sein Leben am Limit hinter sich lassen, um als Familienmensch glücklich – und drogenfrei – zu werden. Doch dafür musste er sich erst klar werden, wie wichtig er sich selbst und seine Ambitionen nehmen will. Jetzt stehen Italienischkurse, Yoga und Spielplatzbesuche auf dem Programm, und das Familienleben fordert einen neuen, gemeinschaftlichen Rhythmus. Tommaso versucht trotzdem, als Künstler kreativ zu bleiben. Er arbeitet an einem neuen Film, gibt Schauspielunterricht, meditiert, besucht aber auch die Treffen der Anonymen Alkoholiker und lässt sich von einem befreundeten Psychologen seine spezifische Situation erklären. Denn die Beziehung zu Nikki ist von zunehmender Entfremdung geprägt, und Fragmente seines alten Lebens gären in ihm weiter und suchen ihn in abgründigen Träumen heim.
Tommaso ist Abel Ferraras persönlichster Film. Mit der von Willem Dafoe verkörper ten Titelfigur hat sich der Filmemacher ein faszinierendes Alter Ego geschaffen, das sich als quasi prototypischer moderner Sinnsucher mit seiner – beziehungsweise einer neuen – Männlichkeit herumschlägt. Das eindringliche Porträt eines unruhigen Künstlers, der mit vielem kämpft, vor allem jedoch mit sich selbst.
Sa 22. 10. > 16.15 Uhr
So 23. 10. > 20.45 Uhr
Siberia
Abel Ferrara, Italien/Deutschland/Mexiko 2019; 92' E•OV/df (DCP, Farbe, Scope)
Mit Willem Dafoe, Laurentio Arnatsiaq, Dounia Sichov, Simon McBurney, Cristina Chiriac, Valentina Rozumenko, Daniel Giménez Cacho, Phil Neilson, Fabio Pagano, Anna Ferrara
ERSTAUFFÜHRUNG: Siberia ist wohl jenes Projekt, an dem Tommaso, der titelgebende Regisseur und das Alter Ego Abel Ferraras, in dessen letztem Film gearbeitet hat.
Von dieser Annahme ausgehend, lässt sich festhalten, dass Ferrara mit der Erforschung der männlichen Lebenskrise noch nicht fertig ist, sei diese nun seine eigene – ausagiert vermittels Stellvertreterfigur – oder die des (Alpha-)Mannes im Allgemeinen. Erneut stürzt sich Willem Dafoe, der schon Tommaso furchtlos Gestalt verliehen hat, in den Tu-
Abel Ferrara, Italien/USA/Griechenland 2019; 115' E•I/d (DCP, Farbe, Scope) Mit Willem Dafoe, Cristina Chiriac, Anna Ferrara, Luciano Sovena, Maricla Amoriello, Claudia Palmira, Alessandra Scarci, Dharma Mangia Woods, Stefano Papa, Hassan Khan
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mult und gibt, quasi im Alleingang, sein Bestes. Diesmal heisst der Mann in der Krise Clint und unterhält in einem abgelegenen, tief verschneiten Tal eine Art Taverne. Draussen bellen hungrig die Schlittenhunde, während sich drinnen ein Inuit von Clint Schnaps einschenken lässt, und ehe man sich’s versieht, hebt Siberia auch schon ab vom Boden des Konkreten. Erst ist es nur ein Doppelgänger des einsamen Mannes in der Wild nis, der in den Schatten der dunklen Hütte zu lauern scheint, dann kommt Besuch: ein altes Mütterchen mit einer hochschwangeren jungen Frau im Schlepptau – die von Clint sogleich angebetete Marien-Ikone. Dann aber folgt ein Höllensturz, der unseren Helden veranlasst, sich mit dem Hundeschlitten auf die Reise zu machen. Nunmehr springt Siberia entschlossen und ohne Netz ins Reich der seelenerforschenden Phan tasmagorie. Soll heissen: Es geht drunter und drüber. Ab durch die Schneelandschaft, in Höhlen hinein, in der Wüste wieder heraus – die Schlittenhunde immer mit dabei –, und mit einem Mal sehen Mann und Meute sich in sanft-sattgrüner Landschaft. Das Idyll täuscht. Unvermittelt finden in einem Wald Erschiessungen statt, denn das Verdrängte kehrt mit Macht wieder. Clint begegnet seinem Vater, sich selbst als kleinem Jungen, er hat Sex mit seiner Ex, mit Frauen, die er begehrt(e), er findet heim ins Zuhause seiner Kindheit und zum mittlerweile zerstörten Ausgangspunkt. Denn unbehaust ist der Mensch in der Welt und allein in der Kälte. Und was sich sonst noch so alles dazu denken lässt.
Ob man Ferrara auf diesem chaotischen Weg in ein beunruhigtes Inneres begleitet oder Siberia als selbstverliebten Mumpitz abqualifiziert, hängt von der Bereitwilligkeit ab, sich auf eher experimentelle Erzählmuster einzulassen, die sich hier mit einer Unbeküm mertheit um Publikumserwartungen scheren, die manche und mancher arrogant finden mag. Dass das zentrale männliche Ego immer wieder um die Themen Sex und Gewalt kreist, gilt es gleichfalls zu verkraften. Aber tut es das bei Ferrara nicht immer? Und liegt das Faszinierende seiner Werke nicht gerade in der schonungslosen Selbstentblössung ihrer höchst zweifelhaften und oft verzweifelten Helden? Diesen peinlichen, erbärmlichen, durchschnittlichen, uns so ähnlichen Sinnsuchern. (Alexandra Seitz)
Mo 24. 10. / Di 25. 10. > 18.00 Uhr
Mi 26. 10. > 20.15 Uhr
The Card Counter
Paul Schrader, USA/Grossbritannien/Schweden 2021; 112' E/d (Digital HD, Farbe)
Mit Oscar Isaac, Tye Sheridan, Tiffany Haddish, Willem Dafoe, Alexander Babara, Bobby C. King, Kat Baker, Bryan Truong, Dylan Flashner, Adrienne Lau
Schrader inszeniert die Geschichte eines mysteriösen Profispielers mit dunkler Vergangenheit als eindringliche Reflexion über Schuld, Sühne und Abu Ghraib. Fast zehn Jahre sass William Tillich (Oscar Isaac), der sich William Tell nennt, im Knast –während der Vorgesetzte seiner Verhör-Spezialeinheit in Abu Ghraib, der private Auftrag nehmer und Folterknecht John Gordo (unheimlich: Willem Dafoe), für seine im Ausland begangenen Straftaten nicht belangt werden konnte. In seiner Gefängniszelle lernte und perfektionierte Tillich / Tell die Kunst des «Kartenzählens» – Blackjack wird berechenbar,
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sobald es einem Teilnehmer oder einer Teilnehmerin gelingt, jede gespielte Karte zu re gistrieren und so den aktuellen Wert laufend neu zu berechnen. Inzwischen zieht der smarte und geläuterte, aber wie sein damaliger Vorgesetzter Gordo sozial isolierte eins tige Menschenschinder als Profispieler durch die Casinos, wobei jede seiner Handlun gen festen Regeln und Ritualen folgt. Er zählt zwar Karten, was bei den Casinobetreibern äusserst verpönt ist, vermeidet aber Hausverbote, indem er seine Gewinne tief hält. Ausserdem ist er auch ein begnadeter Pokerspieler. Eines Tages wird Tillich / Tell von einem jungen Mann (Tye Sheridan) angesprochen, dessen Vater in Abu Ghraib in dersel ben Spezialeinheit war und sich nach dem Dienst das Leben nahm. Cirk Beaufort will den väterlichen Selbstmord rächen und benötigt dafür Hilfe von Tillich / Tell. Dieser sieht in Gordos Eliminierung eine Chance auf Erlösung, und so nimmt er Cirk nicht nur unter seine Fittiche, sondern ermöglicht ihm dank der Spielervermittlerin La Linda (Tiffany Haddish) einen vermeintlichen Neuanfang seines verkackten Lebens.
Für die wenigen, umso eindrücklicheren Szenen im Foltergefängnis Abu Ghraib fin det Paul Schrader eine sehr eigenwillige Form der visuellen Umsetzung: Gefilmt durch die Fischaugenlinse, werden diese verzerrt, was sie sogleich als beispiellose Gräueltaten und Ursache des Traumas des Protagonisten erkennbar macht. Ein atmosphärisch dich ter Neo-Noir, in dem Oscar Isaac als ebenso unauffälliger wie einsamer Profispieler – der Rolle eines weiteren durchs Leben driftenden Schrader-Helden – brilliert.
Mo 24. 10. / Di 25. 10. > 20.00 Uhr
Mi 26. 10. > 18.00 Uhr
WILLEM DAFOE 33
Heaven’s Gate
RICHTIG LANG
«Michael Ciminos (…) unheroischer Monumentalfilm mit unnachgiebigem Klassen standpunkt, berauschend exquisiter Fotografie und exzessiver Detailversessenheit wurde in den USA beim Erscheinen hingerichtet.» (Christoph Huber)
Wyoming, 1892 : Zwei ehemalige Studienfreunde geraten zwanzig Jahre nach ihrem Harvard-Abschluss in die Gräuel des Johnson-County-Kriegs, als der Einschüchterungsfeld-zug der alteingesessenen Viehbarone gegen die armen, mehrheitlich aus Osteuropa eingewanderten Farmer eskaliert und in einem Blutbad endet. Der eine (John Hurt) steht auf der Seite der Mächtigen und flüchtet sich in den Alkohol, während der andere (Kris Kristofferson) als engagierter Marshal versucht, die unterprivilegierten Siedler mittels wertloser Gesetze vor den Todesschwadronen zu schützen. Doch selbst James Averill kann als Marshal kaum etwas gegen die gnadenlose, durch den Präsidenten der Verei nigten Staaten legitimierte Lynchjustiz der Rancher ausrichten. Und auch die ungewöhn liche Dreiecksbeziehung zwischen dem einfachen, für die Viehzüchter arbeitenden Aufseher Nathan Champion (Christopher Walken), dem reich gewordenen Harvard-Abgänger Averill und der Bordellbesitzerin Ella Watson (Isabelle Huppert), die ausnahmslos alle bedient, vermag das Morden nicht aufzuhalten.
Der imposante, mit riesigem Aufwand gedrehte Spätwestern, der das Studio United Artists in den Ruin trieb und für den Michael Cimino des Grössenwahns bezichtigt sowie in seiner Heimat als Nestbeschmutzer beschimpft wurde, kam hierzulande nur als ver stümmelte Fassung in die Kinos. Wir zeigen die ungeschnittene, fast vier Stunden lange Originalversion. Ein in jeder Hinsicht grandioser Film, der heute als einer der bewegendsten und gewaltigsten Hollywood-Entwürfe seiner Zeit gilt. Willem Dafoe gibt darin sein Leinwanddebüt als junger Wiley, der während eines Hahnenkampfs zu sehen ist.
So 23. 10. > 16.30 Uhr
Michael Cimino, USA 1980; 217' E/d (Digital HD, Farbe, Scope) Mit Kris Kristofferson, John Hurt, Christopher Walken, Sam Waterston, Brad Dourif, Isabelle Huppert, Joseph Cotten, Jeff Bridges, Mickey Rourke, Willem Dafoe
34 WILLEM DAFOE
Wohin steuert Fantoche, das internationale Festival für Animationsfilm?
Als «Frischling in der Schweizer Festivallandschaft, ein junges Grün im Windschatten des Zürcher Kulturdampfkessels» kündigte sich die Erstausgabe von Fantoche 1995 an. Das weltweite Animationsfilmschaffen sollte mit Fantoche ein regelmässiges Forum in der Schweiz erhalten, das alle zwei Jahre «spannende und aktive Menschen aus aller Welt zusammenbringt, Verbindungen knüpft, die dynamischste Filmform der Gegenwart in all ihren Facetten zeigt, Brücken zu anderen Kunstformen baut, die Kluft zwischen Kommerz und Kunst schliesst». Längst hat sich das Filmfestival auch international posi tioniert und ist für das hiesige Animationsfilmschaffen nicht mehr wegzudenken.
Was für einen Wandel haben ein dermassen spezifisch orientiertes und doch enorm vielseitiges Festival sowie das damit verbundene Filmschaffen in diesen 27 Jahren durch gemacht? Welchen Veränderungen unterliegt dieses Filmgenre inhaltlich wie technisch? Welche neuen Möglichkeiten zeichnen sich ab? Und wie steht es um die Förderung und Visibilität des Animationsfilmschaffens in der Schweiz?
Wir begrüssen Ivana Kvesić (*1978 ), die neue Leiterin von Fantoche, zum Gespräch und fragen nach ihren Visionen und nach der Zukunft des Animationsfilmfestivals. Die vielseitig engagierte Kuratorin, Künstlerin und Kulturprojektmanagerin ist ehemalige CoDirektorin der Schweizer Jugendfilmtage in Zürich sowie Selektionsmitglied der Interna tionalen Kurzfilmtage Winterthur und bestreitet dieses Jahr ihre erste Edition als neue Festivaldirektorin in Baden. Ausserdem ist sie kooptiertes Mitglied von SWAN (Swiss Women’s Audiovisual Network), Teil des Stiftungsrats von «Filmbulletin» und Präsidentin im Vorstand des Filmclubs Xenix.
• Moderation: Jane Mumford
Do 13. 10. > 18.30 Uhr
ZÜRCHER FILMTALK 35
Mi país imaginario
Patricio Guzmán, Chile/Frankreich 2022; 83' SP/df (DCP, Farbe)
ERSTAUFFÜHRUNG: Chile in sozialer Bewegung. Aus der Perspektive von Aktivistinnen entsteht ein beeindruckendes Zeitdokument im Hinblick auf die Neuschrei bung der Verfassung.
Es sind ausschliesslich Frauen, die sich vor der Kamera von Mi país imaginario äussern. Dies zeugt von der sozialen Kraft – in erster Linie jung und feministisch –, die sich in den letzten Jahren verstärkt und die Bevölkerung auf eine kämpferische und inspirierende Weise in Aufruhr gebracht hat. Auslöser war im Oktober 2019 die Erhöhung der Ticket preise für die Metro in Santiago de Chile, die zu unerwartet heftigen sozialen Protesten führte. Eineinhalb Millionen Menschen fanden zusammen, um in den Strassen für Demokratie, ein gerechteres Bildungs- und Gesundheitssystem sowie eine neue Verfassung zu demonstrieren. So vielfältig die Forderungen, so divers auch die Demonstrierenden. Besonders laut erklangen die Stimmen und Sprechgesänge der Frauen – wie etwa deren eigentliche Hymne «El violador eres tú», die schlagartig viral gegangen ist.
Der chilenische Dokumentarfilmer Patricio Guzmán, ein leidenschaftlicher Chronist seines Landes, hat schon in seinen früheren, viel beachteten Werken (etwa Nostalgia de la luz) das sozialpolitische Erbe der Diktatur verhandelt und lange auf diesen Moment der Revolte in seiner Heimat gewartet. Mit seiner unvergleichbaren Stimme im Off stellt er auch in Mi país imaginario die Verbindung zu der Zeit von Salvador Allende und dem darauf folgenden Putsch her. Dazu die Bilder der Demonstrationen von heute und immer wieder die Stimmen der Menschen – teils reflektiert bei ihnen zu Hause, meistens aber zuvorderst auf der Strasse.
So 2. 10. / 9. 10. / 16. 10. / 23. 10. > 12.00 Uhr
DOKFILM AM 36SONNTAG
KINDERKINO
Der wilde Planet (La planète sauvage)
René Laloux, Frankreich/Tschechoslowakei 1973; 72' D (Digital HD, Farbe)
Die Draag sind riesenhafte blaue Wesen mit roten Augen und umfassendem Wissen, die auf dem Planeten Ygam leben. Genauso wie die Om, die so heissen, weil das wie das französische «homme» klingt – und wie Menschen sehen sie auch aus. Doch im Gegen satz zu den Draag sind die Angehörigen der menschlichen Spezies vergleichsweise winzig. Es gibt sie in domestizierter und in wilder Form. Vor allem junge Draag sind ganz versessen darauf, sich ein Menschlein als eine Art Haustier und Spielzeug zu halten. So auch das Draag-Mädchen Tiwa, dem von seinen Eltern erlaubt wird, den kleinen Terr («terre» bedeutet auf Deutsch Erde) in seine Obhut zu nehmen. Terr hat es gut bei Tiwa, und er wächst schnell heran. In der hoch entwickelten Zivilisation der Draag wird die Meditation als Kulturtechnik gepflegt; doch die Haustiermenschen sind auch nicht auf den Kopf gefallen. Der wissbegierige Terr etwa ist immer an Tiwas Seite, wenn sie über eine Art Kopfhörer unterrichtet wird, und kommt so in den Genuss von Bildung, die ei gentlich den Draag vorbehalten ist. Als Tiwa erwachsen wird und das Interesse an ihrem Spielzeug verliert, schliesst sie Terr von ihren Unterrichtsstunden aus. Deshalb flieht er – Tiwas «Kopfhörer des Wissens» nimmt er mit – und schliesst sich seinen wild im Wald lebenden Artgenossen und deren Revolte gegen die Draag an. An einem sicheren Ort vermittelt er ihnen Bildung und bereitet alles vor für die finale Reise zu seinem eigent lichen Ziel: dem Wilden Planeten.
Mit ihrem aussergewöhnlichen, lange nicht mehr im Kino gespielten Zeichentrickfilm ist René Laloux und Roland Topor, dem visuellen Mastermind von Der wilde Planet, ein Meilenstein des Genres gelungen, der Science-Fiction mit einer klaren humanistischen Botschaft verbindet. Eine fantastische Reise durch fremdartige und zugleich faszinie rende Welten zwischen Utopie und Nostalgie.
• Zeichentrickfilm für Kinder im Oberstufenalter (ab 12 Jahren)
So 2. 10. / 9. 10. / 16. 10. / 23. 10. > 14.15 Uhr
Mi 5. 10. / 12. 10. / 19. 10. / 26. 10. > 14.30 Uhr
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www.filmpodium.ch WOMEN MAKE HORROR! . 1.Oktober bis 16. November 2022 . AB 13.10. IM KOSMOS KINO «TRIANGLE OF SADNESS» Tickets auf kosmos.ch
Impressum
Xenix-Programm 10/2022 > Kino Xenix, Kanzleistrasse 52, 8004 Zürich > Programmation, Filmtexte und Redaktion: René Moser (verantwortlich für das vorliegen de Programm), Jenny Billeter > Inserate: Martina Felber > Erscheinungsdatum: 14. 9. 2022 > Erscheint 11-mal jährlich > Auflage: 2800 Exemplare > Belichtung und Druck: Ropress Zürich > Versand: Stiftung RGZ > Gestaltungskonzept: Franziska Burkhardt > Satz und Bildredaktion: Cornelia Diethelm > Korrektorat: Nina Haueter, Andrea Leuthold > Gestaltung Plakat: Studio Sirup, Zürich > Geht an alle Mitglieder des Filmclubs Xenix > Ungefaltete Plakate (A2) sind kostenlos an der Kinokasse erhältlich > Ein Engagement des Vereins Filmclub Xenix, unterstützt durch Stadt und Kanton Zürich
© Die Texte in diesem Programmheft sind urheberrechtlich geschützt – Auszüge sind nur mit Quellenangabe («Kino Xenix») zulässig, deren integrale Verwendung nur mit Einwilligung des Filmclubs Xenix.
Für das Zustandekommen des Programms danken wir: Alexandra Seitz, Berlin • Capelight Pictures, Ahrensfelde (Maximilian Krumm) • Capricci, Nantes (Jim Martin) • Cinémathèque suisse, Lausanne – Penthaz (André Schäublin, Romain Holweger) • DCM Film Distribution, Zürich (Kurt Iten) • Elite Film, Zürich (Roman Güttinger) • Endstation Kino, Bochum (Serbay Demir)
• Filmcoopi, Zürich (Michaela Aeby) • Filmladen, Wien (Marius Mrkvicka, Michael Stejskal) •Film Rise, New York (Garineh Nazarian) • Koch Films, Planegg (Sascha Richter) • Lionsgate Films, Santa Monica (Samantha Posner) • Neue Visionen, Berlin (Torsten Frehse) • Österreichisches Filmmuseum, Wien (Raoul Schmidt) • Park Circus, Glasgow (Mark Truesdale, Fatiha El Kharraze)
• Praesens-Film, Zürich (Kim Lara Gassmann) • Reto Bühler, Feldbach • StudioCanal, Berlin (Frederik Frosch) • The Match Factory, Köln (Valentina Bronzini) • Trigon-Film, Ennetbaden (Stefanie Rusterholz, Chris Brönimann) • TrustNordisk, Hvidovre (Tomas Kærup, Sofia Beier)
• Universal Pictures International Switzerland, Zürich (Rolf Zellweger)
• Zürich für den Film (Noah Bohnert, Kaja Eggenschwiler)
40 KINO XENIX am Helvetiaplatz / Kanzleistrasse 52, 8004 Zürich Programmtelefon und Reservation: 044 242 04 11 xenix.ch / programm@xenix.ch
TRI A NGLE OF S A DNESS HARRIS DICKINSON, CHARLBI DEAN, WOODY HARRELSON Ein Film von RUBEN ÖSTLUND AB 13. OKTOBER NUR IM KINO EINE BRILLANT BISSIGE ABRECHNUNG MIT DEN REICHEN UND SCHÖNEN. NEXT BEST PICTURE CLEVER UND ABSOLUT TREFFSICHER. DEADLINE SEHR KLUG UND SEHR BÖSE. BR KINO KINO MIT SO VIEL LEICHTIGKEIT HAT UNS SELTEN EIN FILM DEN SPIEGEL VORGEHALTEN. 3SAT KULTURZEIT
ÜBERSICHT NACH FILMTITELN OKTOBER 2022
WILLEM
VOLLBLUTSCHAUSPIELER
DAFOE,
The Loveless Streets of Fire New Rose Hotel The Life Aquatic with Steve Zissou Animal Factory Light Sleeper Mississippi Burning To Live and Die in L. A. eXistenZ Pasolini Antichrist Go Go Tales The Last Temptation of Christ Shadow of the Vampire Auto Focus The Boondock Saints At Eternity’s Gate My Son, My Son, What Have Ye Done? The Lighthouse The Florida Project The Hunter Anamorph Tommaso Siberia The Card Counter RICHTIG LANG Heaven’s Gate ZÜRCHER FILMTALK Wohin steuert Fantoche, das Internationale Festival für Animationsfilm? DOKFILM AM SONNTAG Mi país imaginario KINDERKINO Der wilde Planet (La planète sauvage) S. 2 S. 6 S. 6 S. 7 S. 9 S. 10 S. 10 S. 11 S. 13 S. 14 S. 14 S. 15 S. 17 S. 18 S. 18 S. 19 S. 23 S. 24 S. 25 S. 25 S. 27 S. 28 S. 29 S. 31 S. 31 S. 32 S. 34 S. 35 S. 36 S. 37