eine große Ausnahme unter den Gleichaltrigen.“ Während ihre Kommilitonen zur Uni in die Abendseminare fahren, fährt bei Katharina der Akku herunter. „Ich kann das nicht nachvollziehen, wie jemand freiwillig bis in die Nacht lernt. Ab 17 Uhr ist bei mir die Luft raus.“ Zu ihrem Glück hat sich am System der deutschen Hochschulen in den vergangenen 100 Jahren wenig geändert. Die Mehrzahl der Veranstaltungen findet nach wie vor in der Zeit zwischen 10 und 14 Uhr statt. Kurt Tucholsky schimpfte schon 1930 auf das „Stigma modernen Sklaventums: um fünf Uhr aufstehen müssen. Das ist gut und richtig, wenn man abends um neun schlafen geht; es ist für den richtig, der im Training lebt – aber es ist Widersinn, Leute, die in einer Stadt leben, so früh in den Tag zu jagen.“ In anderen europäischen Ländern gibt es erfolgreiche Bemühungen, flexiblere Arbeits- und Lernzeiten einzuführen. Schweden gilt als besonders fortschrittlich. Dort sind mehrere Unternehmen der Kreativbranche dazu übergegangen, ihre Angestellten dann antreten zu lassen, wann es letzteren gefällt – vorausgesetzt, ein bestimmtes Arbeitspensum wird erfüllt. Die skandinavischen Länder haben allerdings auch die größten Schwierigkeiten mit der inneren Uhr, da fernab des Äquators die stark variierende Menge des Tageslichts oft zu Schlafstörungen und Gesundheitsproblemen führt. Von schwedischen Arbeitsverhältnissen können deutsche Eulen bislang jedoch nur träumen. in einem Supermarkt im Nordend. Matze, 21, trägt einen weißen Kittel und räumt Konservendosen von einer Palette in die Regale. Er studiert Verfahrenstechnik an der Fachhochschule und hat ganz in der Nähe einen Job gefunden, der sich gut mit seinem Lebensstil vereinbaren lässt. Weil er wegen der Modularisierung des Studiums häufig deutlich früher aufstehen muss, als ihm lieb ist, geht er zur Erholung gern nach dem Mittagessen auf ein Nickerchen nach Hause. Seine Arbeitszeit erstreckt sich auf die Abendstunden. „Der Supermarkt schließt um 22 Uhr. Und weil gerade zur Rush Hour besonders viel eingekauft wird, müssen mehr Kassen besetzt und mehr Regale aufgefüllt werden.“ Die Verkäuferinnen mit Familie sind froh, wenn sie um 18 Uhr Feierabend machen können; Matze legt dann erst los. Und
18.47 Uhr
12-16_Titelstory1.indd 15
05.10.10 12:49