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Gemeinsam großes leisten: Mit nachhaltiger Bauweise

Seit über 35 Jahren zeichnet die Hypo Vorarlberg besonders vorbildlich agierende Bauherrinnen und Bauherren für ihr beispielhaftes Engagement mit dem Bauherrenpreis der Hypo Vorarlberg aus. 2010 gehörte Martin Rauch und sein komplett aus Lehm gebautes Wohnhaus zu den viel beachteten Preisträgern. Im Kunsthaus Bregenz sprechen wir mit ihm über den Bewusstseinswandel beim Baustoff Lehm und sein großes Potenzial in Zeiten des Klimawandels.

Martin Rauch gilt als Vorreiter nachhaltigen Bauens, als ausgewiesener Experte für Lehmbau – einer Bautechnik, die in Europa eigentlich eine lange Tradition hat. Spätestens mit der Industrialisierung, als neue Baumaterialien aufkamen und mit der Eisenbahn einfacher über längere Strecken transportiert werden konnten, geriet Lehm als lokal vorhandenes Baumaterial zunehmend in Vergessenheit. „Aber gerade in der momentanen Diskussion über nachhaltiges Bauen, die CO2-Problematik und die zunehmende Klimaerwärmung liefert der Lehmbau eine Menge brauchbarer Antworten. Das merken wir am wachsenden Interesse an unseren Projekten“, so Martin Rauch über die Renaissance des Baustoffs. „Denn Lehm schafft gesunde Wohnräume, ist lokal verfügbar und schneidet auch in der Kreislaufwirtschaft, also bei der Entsorgung, sehr gut ab.“

Bereits während seines Keramikstudiums in Wien entdeckte Martin Rauch die Qualitäten und das Potenzial ungebrannten Tons für die Architektur. Erste Bauprojekte mit Lehm entstanden Mitte der 1980er Jahre, vor allem in Kombination mit Holz. Das für ihn gefühlt wichtigste Projekt kam 1989: „Damals habe ich bei einem Wettbewerb für das Landeskrankenhaus Feldkirch vorgeschlagen, eine 180 Meter lange und 7 Meter hohe Wand komplett aus Lehm zu bauen. Die Idee gewann mit großem Abstand den ersten Preis, denn es war das einzige Projekt, das die Architektur nicht verdeckte, sondern wie eine Skulptur im Raum stand. Zusätzlich versprach es eine positive Wirkung auf das Raumklima.“

Würde die ganze Menschheit so ressourcenintensiv bauen wie wir in den Industriestaaten, dann bräuchte es drei Welten.

Aber erst als Besucherinnen und Besucher wie Patientinnen und Patienten die fertige Wand wirklich angreifen konnten, sei das Material Lehm auch als ernstzunehmender Baustoff wahrgenommen worden, betont Martin Rauch. Die damals größte, modern gebaute Stampflehmwand überzeugte bald nicht nur innovative Bauherrinnen und Bauherren und Architektinnen und Architekten in Vorarlberg. Rasch war der Lehmbauexperte auch für internationale Projekte, etwa in Basel oder Berlin, gefragt.

Ein weiteres Leuchtturmprojekt entstand 2007 und bewirkte viel für die Wahrnehmung von Lehm als wegweisendes Baumaterial für die Zukunft: „Mit dem Haus Rauch, das ich gemeinsam mit Architekt Roger Boltshauser geplant habe, wollte ich einen Prototyp für modernen Lehmbau schaffen. Es bestand zur Gänze aus lokalem Aushubmaterial und war sowohl innen als auch außen komplett aus Lehm. Es war damals sicher das konsequenteste moderne Lehm haus Europas! Weil es so innovativ war, hat es dann auch so viele nationale und internationale Preise erhalten. Für die Wahrnehmung des Lehms war es einmal mehr von Bedeutung, dass man das fertige Haus angreifen konnte und sich von der Qualität des verbauten Materials überzeugen konnte. Und ohne dieses Haus würde heute keines der ganz großen Lehmbauprojekte wie das Ricola Kräuterzentrum in Basel oder der Alnatura Campus in Darmstadt stehen“, führt Martin Rauch aus. „Insofern haben alle bisherigen Preise – wie der Bauherrenpreis der Hypo Vorarlberg und jüngst der Bauhaus-Preis der EU – wichtige Überzeugungsarbeit für den Baustoff Lehm geleistet.“

Warum wird trotz aller offensichtlicher Vorteile bis dato noch so wenig mit Lehm gebaut? Vielfach ist es eine Kostenfrage, gilt doch ein Lehmbau als bis zu einem Drittel teurer als ein mit konventionellen Baustoffen errichtetes Gebäude. „Das Verhältnis zwischen teurer Arbeitskraft und günstigem Material wird aber zurückgehen“, ist Martin Rauch überzeugt.

„Derzeit arbeiten wir zwar noch sehr viel im Prototypen- Charakter. Aber sobald wir es schaffen, mehr zu standardisieren, werden auch die Kosten sinken.“ Während viele andere Branchen ein harter Verdrängungswettbewerb kennzeichnet, würde sich Martin Rauch weitere Mitbewerberinnen und Mitbewerber ausdrücklich wünschen. „Eine Skalierung im Lehmbau ist nur dann möglich, wenn es viele Firmen gibt, die mit dem Material arbeiten. Erst dann wirkt es nachhaltig und klimaschonend. Es würde mich sehr freuen, wenn es weitere Baufirmen gäbe, die in diese Richtung arbeiten. Denn mein persönlicher Wunsch ist es, eher den Lehmbau zu skalieren als unsere Firma, die Lehm Ton Erde Baukunst GmbH.“ Dass Martin Rauch mit seinem Ansinnen auf einem guten Weg ist, zeigt sein jüngstes Projekt in seiner Heimatgemeinde Schlins. Hier baut er die ERDEN Werkhalle, eine 67 Meter lange und 24 Meter breite Halle zur Vorfertigung von standardisierten Stampflehmelementen samt Bürotrakt – auch mit Unterstützung der Hypo Vorarlberg, deren Kunde der Lehmbaumeister seit über 30 Jahren ist. „Ich wünsche mir, dass Lehm in Zukunft ganz selbstverständlich als Baustoff verwendet wird“, führt er abschließend aus. „Denn es ist ja nur getrocknete Erde, die einen äußerst kurzen Transportweg hat und daher in der Klimadebatte definitiv als Champion dasteht.“

Siegerprojekt Bauherrenpreis der Hypo Vorarlberg 2010

Siegerprojekt Bauherrenpreis der Hypo Vorarlberg 2010

Zur Person: MARTIN RAUCH

Der Architekt kam durch seine Ausbildung an der Fachschule für Keramik und Ofenbau zum Lehmbau. Für die Ausstellung der Künstlerin Otobong Nkanga im Kunsthaus Bregenz verbaute er über 50 Tonnen an lokalem Aushubmaterial, Lehmschlamm und Sand. Die Ausstellung im Kunsthaus Bregenz, dessen Hauptsponsor die Hypo Vorarlberg seit vielen Jahren ist, wurde zum Treffpunkt unseres Gesprächs.