glace & dessert 2012

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Die Erfindung des Eises am Stiel ist einem Zufall zu verdanken. Bereits 1905 soll der US-amerikanische Limonadenhersteller Frank Epperson versehentlich im Freien ein Glas Limonade mit einem Löffel stehen gelassen haben, das über Nacht zu einem Wassereis fror. Erst 1923 meldete der Limonadenhersteller seine Kreation zum Patent an, das er fortan unter dem Namen Eppsicle Ice pop vertrieb. Noch im selben Jahr zog sein Landsmann Harry Bust mit einer weiteren Erfindung nach: am Stiel gefrorenes Vanilleeis mit Schokoladenüberzug. Ein neues Zeitalter im Verzehr von Eiscreme begann, das einen ungehaltenen Boom auslösen sollte. Das zeigt allein der hohe Konsum in der Schweiz mit jährlich rund 47 Millionen Liter Speiseeis – oder Glace, wie die kühle Süssigkeit hierzulande bezeichnet wird. Dazu gehören rund zehn Millionen Lutscher, über sieben Millionen Cornets und weit über acht Millionen Vier-Liter-Bidons. Die industrielle Herstellung von Speiseeis in Europa nahm Anfang des 20. Jahrhunderts ihren Anfang. In der Schweiz sind erste Spuren grosser Glaceproduzenten durch die Verbandsmolkereien auszumachen wie diejenige von Zürich, die 1925 den Grundstein für die spätere Toni-Molkerei legte, sowie Frisco (1960) in Rorschach und Mövenpick (1974). Besonders die Verbandsmolkereien witterten im Glacegeschäft schon bald einen wichtigen Absatzzweig, da Milch die ideale Ausgangsbasis für die Glaceherstellung ist. Bereits 1923/24 wurde der Kredit für eine Eiscreme-Fabrikationsanlage in Thun gesprochen. 1925 produzierte die Verbandsmolkerei Thun für die Besucher der Landwirtschaftsausstellung in Bern erstmals Glace. Ebenfalls 1925 lancierte die Verbandsmolkerei Zürich (ab 1977 als Toni-Molkerei) das Firn Ice und 1930 die Laiteries Réunies Genf die Marke Sibéria. 1964 brachte die Verbandsmolkerei Bern ein weiteres revolutionäres Produkt auf den Markt: das erste Pierrot-Cornet. Heute wird das Eiscremegeschäft nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit von zwei grossen Speiseeisproduzenten dominiert: Unilever und Nestlé. Betrachtet man das Portfolio der beiden Grossen genauer, entdeckt man die eben erwähnten, vertrauten Namen wie Mövenpick, Frisco oder Lusso.

Obwohl die Glace dank der Nähe zum «ewigen Schnee» auch hätte in der Schweiz erfunden werden können, waren es die Chinesen, die vermutlich 2000 vor Christus als Erste das Wissen erwarben, Schnee mit Fruchtsaft zu vermischen. Seefahrer brachten die Kunst, eine Speise zu kühlen, ohne sie mit Eis zu vermengen, aus dem Fernen Osten nach Europa. Man entdeckte, wenn man zerstossenes Eis mit Salz um 20 Grad heruntersetzte, dass dieses gekühlt wurde. Eine Technik, die man im Orient zwar schon 500 nach Christus kannte, bis dieses Wissen aber nach Europa gelangte, dauerte es bis 1500. Und nochmals weitere 200 Jahre brauchte es, bis Eiscreme auch breitere Bevölkerungsschichten erreichte. 1686 eröffnete der Italiener Francesco Procopio di Cultelli, ein Koch Ludwigs XIV., in Paris das erste französische Café, das auch Speiseeis anbot. Um 1700 wurde Speiseeis auch in anderen europäischen Kaffeehäusern bekannt. Im 18. Jahrhundert wurde das erfrischende Kühl in Frankreich erstmals auf der Strasse verkauft. Die erste bekannte Gelateria in den USA gab es 1770 in New York, und in Hamburg eröffnete 1799 die vermutlich erste deutsche Eisdiele im Alsterpavillon. Schliesslich tauchte das Eis zum Mitnehmen erstmals um circa 1870 in England auf. In den britischen Grossstädten verkauften italienische Einwanderer an kleinen fahrbaren Ständen in den Strassen Glace, die sie in Pappbechern und Papphörnchen abgaben.

G L AC E & D E S S E RT // E i s a m St i e l

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